Titel: | Analytische Untersuchungen über die Zusammensetzung des Trinkwassers; von Professor Deville in Besançon. |
Fundstelle: | Band 109, Jahrgang 1848, Nr. XXIV., S. 127 |
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XXIV.
Analytische Untersuchungen über die
Zusammensetzung des Trinkwassers; von Professor Deville in Besançon.
Im Auszug aus den Annales de Chimie et de Physique, Mai
1848, S. 32.
Deville's Untersuchungen über die Zusammensetzung des
Trinkwassers.
Die Rolle, welche das Wasser bei den Functionen der Verdauung und Assimilation
spielt, ist noch nicht vollkommen erklärt worden. Offenbar dient es als
Auflösungsmittel für die durch die Thätigkeit des Magens modificirten
Nahrungsstoffe, welche nach einer neuen Umbildung durch dasselbe bis in jene feine
Organe geführt werden, in denen sich der Act der Ernährung beendigt. Allein das
Wasser dient nicht nur als Auflösungsmittel; denn lediglich destillirtes Wasser,
selbst mit Luft imprägnirtes, würde uns nicht tauglich seyn. Genaue Versuche haben
vollkommen dargethan, daß in reinem Wasser völlig unauflösliche Substanzen, welche
aber im Trinkwasser in großer Menge enthalten sind, einen bedeutenden Einfluß auf
die Entwickelung der thierischen Gebilde äußern. Aus meinen Analysen geht hervor,
daß der kohlensaure Kalk, den ich hier im Auge habe, nicht der einzige Körper ist,
der eine solche Wirkung ausübt.
Im Folgenden werde ich die Substanzen angeben, welche im Trinkwasser am häufigsten
vorkommen, und dabei den Grad ihrer Wichtigkeit hinsichtlich unserer Gesundheit zu
bestimmen versuchen.
In allen Wässern, die ich analysirte, fand ich Kieselerde,
und oft in großer Menge. Das beständige Vorkommen derselben ist interessant, weil
sie unmittelbar eine zweifache Verwendung findet.
Die Kieselerde macht einen Bestandtheil der Knochen aus; sie findet sich in der Asche
der verschiedenen Flüssigkeiten und festen Gebilde der thierischen Oekonomie. Unsere
meisten Nahrungsmittel enthalten dieselbe in äußerst kleiner Menge und in einem
eigenthümlichen Zustand, der sie auflöslicher und leichter assimilirbar macht. Eben
so verhält es sich mit der in unserm Trinkwasser enthaltenen Kieselerde; sie
befindet sich darin aufgelöst, ohne Zweifel durch etwas freies oder kohlensaures
Alkali und kann ohne eine neue Modification bis in die Ernährungsgefäße unserer
Organe geführt werden.
Jedermann ist ferner bekannt, daß das Fluß- und Quellwasser ein sehr gutes
Düngmittel für die natürlichen Wiesen ist. Die chemische Erklärung dieser Thatsache,
eine jüngst gestellte Preisaufgabe der Société
d'Encouragement, wird keine Frage mehr seyn, wenn man bedenkt daß die
Gramineen (Grasarten) eine große Menge Kieselerde und Kali enthalten; denn die
Wässerung führt den Wiesen Kieselerde und Alkalien zu. Weiter unten werde ich auch
nachweisen, daß sie ihnen in Form einer organischen Materie und salpetersaurer Salze
diejenige Quantität Stickstoff zuführt, welche die Pflanzen vom Dünger verlangen.
Ich kann nicht begreifen, daß bei den meisten bisherigen Analysen von Trinkwasser
der Kieselerde kaum erwähnt wird; ich fand, daß mehr als einmal dessen Gehalt an
solcher als schwefelsaurer Kalk angegeben wurde. Hr. Payen jedoch fand eine große Menge Kieselerde im Brunnenwasser von
Grenelle.
Thonerde und Eisenoxyd kommen
in geringer Menge, jedoch constant, in den von mir analysirten Wässern vor. Phosphor
(als Phosphorsäure) konnte durch Kalium in keinem Trinkwasser (mit Ausnahme eines
einzigen) entdeckt werden. Die Auflöslichkeit der Thonerde erklärt sich ohne Zweifel
durch ihre Aehnlichkeit mit dem Eisenoxyd, welches sich ebenfalls nicht mit der
Kohlensäure verbindet und dennoch von diesem Gas mitgerissen werden kann.
Mangan fand ich im Wasser der Garonne; manchmal auch
Spuren eines phosphorsauren Salzes, wahrscheinlich phosphorsauren Kalks.
Schwefelsaurer Kalk, welchem in der Regel schädliche
Eigenschaften zugeschrieben werden, kommt vorzüglich in den Brunnenwässern vor; die
Flußwässer, welche ich analysirte, enthalten davon sehr wenig. Man würde sehr
fehlen, wenn man, um den schwefelsauren Kalk unter den in Wasser unauflöslichen
Salzen zu bestimmen, dieselben nur ausglühen, den kohlensauren Kalk durch den
Verlust an Kohlensäure, und den schwefelsauren Kalk durch Differenz berechnen
wollte. Dieses öfters eingeschlagene Verfahren ist nicht ganz richtig, weil dabei
der Kieselerdegehalt des Wassers entgeht.
Von den kohlensauren Kalksalzen brauche ich nicht zu
sprechen; ihr Vorhandenseyn im Trinkwasser wurde schon zu oft nachgewiesen und ihre
Wichtigkeit von Dupasquier und Boussingault dargethan.
Salpetersäure fand ich bei allen meinen Analysen, nur
nicht in dem bei sehr starker Anschwellung geschöpften Loire-Wasser. Das
salpetersaure Kali, Natron und der salpetersaure Kalk kommen überall vor, wo zu
gleicher Zeit Feuchtigkeit, etwas Luft und organische Materie vorhanden ist.
Bekanntlich überziehen sich die Mauern der Keller und der Wohnungen im Erdgeschoß
mit einer salzartigen Auswitterung, welche nichts anderes ist als Salpeter; ferner
enthält der Gypsschutt salpetersauren Kalk. Diese Salze sind der Ursprung der
Salpetersäure in den Brunnenwässern der Städte; sie bilden aber auch einen
Bestandtheil aller
andern Wässer. Die Salpetersäure besteht nämlich aus denselben Elementen wie die
Luft; die großen elektrischen Funken in den hohen Regionen der Atmosphäre vereinigen
dieselben zu Salpetersäure, welche dann mit dem Regen als salpetersaures Ammoniak
niederfällt. Fällt also das Regenwasser unmittelbar in den Fluß, so empfängt dieser
jenen Bestandtheil; dringt es aber durch die Oberfläche der Erde, um jene innern
Seen zu bilden, durch welche die Quellen gespeist werden, so gibt es seine
Salpetersäure an eine der in allen Bodenarten enthaltenen Basen ab; dieselbe bleibt
aber nirgends zurück, weil alle ihre Verbindungen auflöslich sind. Also auch die
Quellen führen auf diese Weise gebildete salpetersaure Salze den Flüssen zu. Im
Meer, in welches am Ende alles Regenwasser zurückgelangt, wurden keine
salpetersauren Salze aufgefunden, was auch natürlich ist, weil die Masse des sich
darin verlierenden Süßwassers im Vergleich zu dem Gewässer des Weltmeers
verschwindet.
Ferner kann alles poröse Erdreich, welches organische Materie enthält, als künstliche
Salpetererde betrachtet werden, welche ebenfalls Salpetersäure liefert.
Es versteht sich, daß diese salpetersauren Salze bei der Bewässerung von großem
Einfluß auf den Ertrag der Wiesen sind.
Die Analysen wurden mit aller Sorgfalt angestellt; einmal hinsichtlich der
angewandten Reagentien, welche im Handel nur selten ganz rein vorkommen. So enthält
das Aetzkali nicht selten Kieselerde, Thonerde, zuweilen Mangan, Blei und Kalk.
Baryt und essigsaurer Baryt sind nicht immer ganz kalkfrei. Das oxalsaure Ammoniak
enthält bisweilen Schwefelsäure.
Eine zweite Vorsichtsmaaßregel bestand darin, daß ich die durch Abdampfen des Wassers
erhaltenen Substanzen, welche sich von selbst in drei Niederschlägen ablagern,
getrennt behandelte. Nach einstündigem Kochen nämlich setzt das Wasser seine erdigen
kohlensauren Salze mit etwas Kieselerde und Thonerde ab; aus diesen bestehen die
Krusten der Röhrenleitungen. Durch weiteres Abdampfen wird die noch zurückgehaltene
Kieselerde und der schwefelsaure Kalk gefällt und diese lösen sich nicht mehr auf,
wenn zur Absonderung der auflöslichen Salze etwas Wasser zugesetzt wird. Den
erhaltenen quantitativen Resultaten will ich einige Bemerkungen über die im Wasser
vorkommenden organischen Materien vorausschicken.
Ich fand dieselbe der Quell- und Quellsalzsäure sehr ähnlich.
Die verschiedene Färbung großer Wassermassen wurde schon öfters durch das Vorkommen
organischer Materien darin erklärt. Diese Ansicht unterstützt meine Beobachtung,
daß das blaue Wasser der Seen in der Schweiz und des Jura's unmerklich gefärbte
Rückstände liefert. Das grüne Wasser des Doubs hingegen und des Rheins liefert eine
ziemliche Menge organischer Materie, so daß die auflöslichen Salze nach dem
Abdampfen gelb werden. Gelbes Wasser, z. B. das der Loire, gibt ganz schwarze
Rückstände.
Die stickstoffhaltige organische Materie erklärt zum Theil die Befruchtung der Wiesen
durch die Bewässerung. Wenn das Wasser, wie ich anzunehmen mich berechtigt halte,
auch nur 3-4/10,000,000 seines Gewichts Kieselerde enthält, so kann es auf das
Wachsthum der Gramineen, welchen es also stickstoffhaltige Materie zugleich mit
kieselhaltigen Stoffen zuführen würde, noch förderlich wirken. Diese zwei Stoffe
sind es, deren die Vegetation am meisten bedaxf.
Die Gase wurden nicht an Ort und Stelle, sondern im versendeten Wasser bestimmt.
Wir geben in Folgendem die Analysen des Wassers von sechs Flüssen Frankreichs.
Textabbildung Bd. 109, S. 130
A. Aufgelöste Gase.; Garonne 2);
Seine 3); Rhein 3); Quantit. d. Gases 1); Kohlensäure; Stickstoff; Sauerstoff;
Loire 5); Rhone 6); Doubs 7); verunglückt.
1) Die Zahlen repräsentiren die in 10 Liter Wassers enthaltene
Gasmenge in trockenem Zustande, auf 760 Millimeter Druck und 0° reducirt, in
Kubikcentimetern ausgedrückt. Die zweite Columne enthält die Zusammensetzung des
Gases; die dritte die Zusammensetzung der im Wasser aufgelösten Luft, nach Abzug der
Kohlensäure.
2) Zu Toulouse, durch Hrn. Moquin-Landon, östlich von der Stadt,
300 Meter oberhalb des Hafens Garaud am 16. Jul. 1846 geschöpft. Temperatur des
Wassers 20,8° C., Luftdruck ungefähr 755 Millimeter.
3) Geschöpft bei Bercy am 17. Jun. 1846; Temperatur 24°
C.; Luftdruck 766 Millimeter.
4) Geschöpft bei Straßburg.
5) Unter der Meung-Brücke bei Orleans geschöpft;
Temperatur 16° im Wasser, 26° in der Luft, zu Anfang einer
Wasseranschwellung.
6) Geschöpft zu Genf, nächst der hydraulischen Maschine, am 30.
April 1846 bei schönem Wetter; Temperatur des Wassers 8,7° C.; Luftdruck 725
Millimeter.
7) Geschöpft am 17. Jan. 1845 am Hafen von Rivotte bei schönem
Wetter; Temperatur des Wassers 3,5° C.; Luftdruck 737,50 Millimeter.
B. Feste
Bestandtheile.
Die festen Bodensätze und Rückstände (welche, wie oben bemerkt, der Verf. in drei
Abtheilungen sammelte und analysirte) gaben (als Durchschnitt dreier Analysen)
folgende Bestandtheile.
Als Einheit ist ein Milligramm angenommen und die Analysen wurden mit 10 Liter
Wassers vorgenommen, auf welches Volum sich also folgende Angaben beziehen.
Textabbildung Bd. 109, S. 132
Garonne.; Seine.; Rhein.; Loire.;
Rhone.; Doubs.; Bemerkungen.; Kieselerde; Thonerde; 1) Etwas blei u.
eisenhaltig; Eisenoxyd; kohlensaurer Kalk; kohlensaure Talkerde; kohlensaures
Mangan; schwefelsaurer Kalk; schwefelsaure Talkerde; Chlormangan; Chlornatrium;
kohlensaures Natron; schwefelsaures Natron; schwefelsaures Kali.; salpetersaures
Kali.; salpetersaures Natron; salpetersaure Talkerde; kieselsaures Kali.
Das kohlensaure Natron, welches im Garonne-Wasser im dritten Rückstand
gefunden wurde, mußte als Sesquicarbonat berechnet werden, wegen der niedern
Temperatur, bei welcher die Austrocknung der Zusammensetzung dieses Rückstands
halber geschehen mußte.
Man wird bemerken, daß der Gehalt dieser Wässer an kohlensaurem Kalk nicht im
gleichen Maaße verschieden ist, wie die Kohlensäure welche sie aufgelöst
enthalten.
Die Quell- und Brunnenwasser haben in der Regel eine complicirtere
Zusammensetzung. Die Brunnenwasser zeichnen sich durch ihren großen Gehalt an
salpetersauren Salzen aus.
Im Ganzen geht aus den zahlreichen Analysen des Verf. hervor:
1) die Bedeutenheit des Kieselerdegehalts in den meisten Trinkwässern;
2) die Rolle, welche diese Substanz in Verbindung mit der stickstoffhaltigen Materie
bei der Befruchtung der Wiesen vermittelst Bewässerung spielt;
3) die vollkommen gleiche Rolle, welche den salpetersauren Salzen bei der Wirkung des
Wassers als Düngmittel zuzuschreiben ist; die Wichtigkeit folglich der
salpetersäurehaltigen Bestandtheile in vielen Fällen.