Titel: | Verfahren, welches zu Douchy befolgt wurde, um beim Abteufen von Schachten durch bedeutende Wasserschichten mittelst comprimirter Luft zu dringen. |
Fundstelle: | Band 109, Jahrgang 1848, Nr. XXXV., S. 201 |
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XXXV.
Verfahren, welches zu Douchy befolgt wurde, um
beim Abteufen von Schachten durch bedeutende Wasserschichten mittelst comprimirter Luft
zu dringen.
Aus dem Recueil de la Société polytechnique, 1847, Nr.
30.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
Verfahren zum Abteufen von Schachten mittelst comprimirter
Luft.
Der Bergwerks-Ingenieur Blavier erstattete über
diesen Gegenstand folgenden Bericht:
Die sehr schwammige Beschaffenheit einiger, das obere Stockwerk der Kreideformation
bildenden Bänke läßt dort manchmal außerordentlich starke Wasserschichten
(Tagewasser) sich ansammeln, welche von den Grubenleuten im Norddepartement Niveaux genannt werden, und durch welche, ungeachtet
ihres geringen Abstandes vom Tage, doch nur mittelst mechanischer Mittel von sehr
großer Kraft hindurchzugelangen ist.
An einigen Stellen der Muthung der Gruben zu Douchy (Nord) haben diese, beinahe an
der Oberfläche befindlichen Niveaur eine solche Mächtigkeit, daß es trotz der
Anwendung einer Dampfmaschine von 80 Pferdekräften, welche auf 4 Pumpenstiefel von
35 Centimeter Durchmesser wirkte, vor ungefähr 10 Jahren nicht gelang ihrer Herr zu
werden und in einer Tiefe von 20 Meter auf feste, wasserdichte Bänke zu stoßen, auf
welche man sich setzen könnte, um zu hauen. Man mußte deßhalb auf die Absinkung
eines zu diesem Zwecke für nützlich erachteten Schachts verzichten. In der Mitte des letzten Octobers
(1846) wurde abermals die Absinkung eines Schachts in derselben Gegend unternommen
und durch ein neues, sehr sinnreiches Verfahren mittelst einer einzigen
Dampfmaschine von 14 Pferdekräften wurden die Schwierigkeiten besiegt; man konnte 20
Meter tief vom Boden aus auf compacten thonigen Kalksteinen eine mit Spitzen
versehene Bühne (trousse picotée) auflegen, auf welche
die Schachtverzimmerung fest aufgesetzt werden könnte. Dieses Verfahren soll hier
näher beschrieben werden.
Wir besichtigten diese Arbeit zu drei verschiedenen Malen, am 17. Oct. 1845, am
darauffolgenden 5. und 28. December. Bei unserem ersten Besuch begann die Arbeit;
der Boden des angefangenen Schachts (avaleresse) war
kaum 1 Meter unter dem obern Niveau des Wassers, also nahezu 2,50 Meter unter dem
Erdboden. Am 5. Dec. war man 17 Meter unter dem Boden; man hatte schon ein erstes
Niveau von 15,40 Meter Tiefe durchgearbeitet und konnte auf eine Thonbank eine erste
mit Spitzen versehene Bühne legen, auf welche die Schachtzimmerung gesetzt wurde,
und schon war man im Durcharbeiten des zweiten Niveau begriffen, welches bis auf 20
Meter hinuntergeht.
Bei unserm letzten Besuch war man dem Grund des zweiten Niveau schon sehr nahe; man
war mit Wiederherstellung einiger bei der Arbeit vorgekommenen Beschädigungen
beschäftigt, von welchen weiter unten die Rede seyn wird. Acht Tage nach diesem
letzten Besuch war das Niveau durchgearbeitet und die Schachtzimmerung saß auf einer
mit Spitzen in gutem Grund (starke Lachter) eingehauenen Bühne. Von da an hielt man
die großen Schwierigkeiten für überwunden und die Verfolgung des Schachtbaues schien
in eine gewöhnliche Absinkungsarbeit überzugehen.Seitdem überzeugte man sich aber, daß unterhalb der starken Lachter (fortes toises) sich wieder ein Tagwasser befand,
und zwar ein noch stärkeres als die obern, dessen man nur mittelst
comprimirter Luft Herr werden konnte.
Das nun zu beschreibende Verfahren ist eine sehr sinnreiche Modification der Taucherglocke. Zuerst bediente sich desselben der
Civil-Ingenieur TrigerPolytechn. Journal Bd. LXXXIII S. 350. im Jahr
1839 im Maine-Loire-Departement, um einen Schacht durch angeschwemmten
Sand abzuteufen, welcher auf den sehr zahlreichen, in das Loire-Bett
gleichsam gesäeten Inseln über dem festen Gestein eine 15–16 Meter dicke
Fläche bildet, die durch leichtstattfindende Infiltrationen mit dem Fluß in
unmittelbarer Verbindung steht. Doch mußten, obgleich das Verfahren in dem
Loire- und im
Nord-Departement dem Principe nach gleich war, örtlicher Verhältnisse,
besonders der Natur des Bodens wegen, in letzterm Departement viele Modificationen
eintreten. So bediente man sich im Maine-Loire-Departement, um durch
den Sand zu arbeiten, als Schachts einer Röhre oder eines Cylinders von Eisenblech
von 1,5 Met. Durchmesser, welche durch die Alluvial-Ablagerung eingetrieben
wurde. Im Nord-Departement hingegen war ein großer Schacht erforderlich; man
konnte nicht daran denken eine Röhre von 3 Meter Durchmesser durch Kreidebänke
einzutreiben; man machte einen gezimmerten Schacht, welcher auf gewöhnliche Weise
aus aneinander gefügten Vierungen zusammengesetzt wurde.
Das Princip des neuen Verfahrens ist einfach. Statt das Wasser aus der in den Boden
gemachten Höhlung auszuziehen (auszupumpen), um sie trocken zu erhalten, damit die
Bergleute arbeiten können, wird mittelst einer Luftpumpe in dieselbe Höhlung Luft
eingetrieben, um das Wasser auf den Wegen, die es herbeiführten, wieder
zurückzutreiben; dasselbe wird also durch die Spannung der comprimirten Luft im
Gleichgewicht erhalten. Um dieses Resultat zu erhalten und zugleich das Ein-
und Austreten der Arbeiter und das Herausschaffen des beim Aushöhlen der Grube sich
ergebenden Abraums möglich zu machen, bedient man sich eines gußeisernen Cylinders
von 2 Meter Durchmesser und 3,60 Meter Höhe; es ist dieß die sogenannte Luftkammer (sas à air).
Dieselbe ist oben und unten verschlossen.
Die wesentlichen Theile an diesem Cylinder a, a, a, a
Fig. 2 sind
folgende:
1) Ein Sicherheitsventil b.
2) Zwei Thüren oder Klappen c, d, welche an der oberen und unteren Basis der Kammer angebracht sind und
sich an Scharnieren öffnen, die obere von außen nach innen, die untere von innen
nach außen; diese Thüren sind Rechtecke und so groß, daß Menschen und prismatische
Kästen mit rechteckigen Endflächen von etwa ½ Hektoliter Rauminhalt zum
Ausbringen des Abraums hindurch können.
3) Eine Röhre e zum Eintreiben von Luft in den Apparat.
Diese Röhre, welche durch die Kammer geht und über deren untere Endfläche nur um
zwei Decimeter hinausreicht, ist in Verbindung mit einer doppeltwirkenden Luftpumpe
(Druckpumpe), die durch eine Dampfmaschine von 14 Pferdekräften in Bewegung gesetzt
wird.
Der Durchmesser des Kolbens der Luftpumpe beträgt 0,41 Meter, der Kolbenlauf 0,90
Meter. Dieselbe Röhre ist mit einem Hahn g versehen,
damit man beim Eintritt eines Unfalls oder bei einer Reparatur am Blasecylinder den
Druck unterhalten kann.
4) Zwei Hähne h, h′ an
der obern und untern Endfläche der Kammer dienen zu dem unten angegebenen Zweck.
5) Eine Röhre f, welche durch die Kammer bis auf den
Grund der Ausgrabung hinunter geht, hat den Zweck daß in gewissen Fällen das Wasser
in ihr aufsteigt, um die Reinigung des Schachtbodens zu erleichtern und den Boden
trocken zu legen. An dieser Röhre ist ein Hahn j
angebracht, welcher geöffnet wird, wenn man Wasser auslaufen lassen will.
6) Zum Hinaufziehen des beim Ausgraben sich ergebenden Abraums mittelst der erwähnten
prismatischen Kästen wurde in der Luftkammer eine Winde angebracht, wie sie die
Abbildung zeigt, und ein mit einer viereckigen Oeffnung versehener Fußboden t, worauf sich die Männer stellen, welche diese Winde in
Bewegung zu setzen haben. Auf diesen Fußboden wird auch ein Theil der mit Abraum
angefüllten Kästen abgestellt, ehe man sie zu Tage fördert.
Die Behandlung des Apparats ist leicht zu verstehen. Angenommen die Arbeit sey im
Gange. Der Boden des Schachts liegt trocken; die Arbeiter stehen auf dem Boden und
graben aus. Unter diesen Umständen ist die obere Thüre c
geschlossen und die untere d offen. Der Hahn h an der obern Basis der Kammer ist geschlossen;
hinsichtlich des untern Hahns h′ ist es
gleichgültig ob er offen oder geschlossen ist. Daß der Hahn j der aufsteigenden Säule geschlossen ist, versteht sich von selbst. Wenn
der beim Ausgraben entstandene Abraum mittelst der Windevorrichtung und der
prismatischen Kästen hinaufgezogen ist und, wie eben gesagt, auf dem Fußboden t steht und die Arbeiter also ihre Aufgabe (Schicht)
beendigt haben, so müssen die gefüllten Kästen zu Tage gefördert, leere dafür
hergeschafft, und die Arbeiter durch eine neue Post ersetzt werden. Zu diesem Behufe
wird die untere Thüre d der Kammer geschlossen; man
sperrt den untern Hahn h′ ab und stellt, indem
man den obern Hahn h ein wenig öffnet, eine Verbindung
zwischen der Kammer und der äußern Atmosphäre her. Die comprimirte Luft in der
Kammer tritt dann wegen ihrer Spannung mit einem scharfen und lange andauernden
Pfeifen aus. Man öffnet den Hahn h immer mehr. Nach
Verlauf von 15–20 Minuten ist das Gleichgewicht zwischen dem äußern und
innern Druck der Kammer vollkommen hergestellt, die Thüre c öffnet sich durch ihr eigenes Gewicht und die Arbeiter verlassen die
Kammer.
Mittelst eines außen aufgerichteten Aufzugs (einer Winde) i werden die mit Abraum gefüllten Kästen aufgezogen. Man ersetzt dieselben
sogleich durch andere leere Kästen und die Arbeiter der neuen Schicht steigen in die Kammer hinab.
Hierauf wird umgekehrt verfahren; man schließt die obere Thüre c, sperrt den Hahn h ab und
öffnet allmählich den untern Hahn h′.
Augenblicklich dringt die comprimirte Luft der Grube durch letztern in die Kammer,
worin der Druck stufenweise zunimmt, bis das Gleichgewicht zwischen dem Raum unter
ihr und im Innern der Kammer wiederhergestellt ist. In diesem Augenblick öffnet sich
die untere Thüre d durch ihr eigenes Gewicht, und die
Arbeiter steigen auf Leitern auf den Boden des Schachtes hinab.
Sowohl während der Zeit, als das beschriebene Manöver dauert, als vorher und nachher,
kurz immer oder so lange der Schacht trocken erhalten werden soll, muß die
Dampfmaschine im Gang seyn und die Druckpumpe durch das Einführungsrohr Luft
eintreiben; denn sobald darin eine Unterbrechung stattfindet, steigt das Wasser im
Schacht, aber langsam, weil es durch die Spannung der Luft Widerstand erfährt. Hätte
die Luft gar keinen Ausweg, so wäre das zwischen dem Luftdruck und dem Wasser
hergestellte Gleichgewicht permanent, und würde der Schacht ohne neues Luftauslassen
trocken bleiben. Durch die Poren des Erdreichs geht aber sowohl im Boden als
seitlich eine bedeutende Menge Luft verloren; man kann dieß nach der Luftmenge
bemessen, die man unaufhörlich in den Schacht treiben muß, um darin einen constanten
Druck zu unterhalten. Diese Luftmenge ist nach der Tiefe, zu welcher man gelangte,
sehr verschieden; so war, wenn der Manometer 1¼ Atmosphären Druck anzeigte,
die Anzahl der erforderlichen Kolbenhube des Blascylinders, um den Schacht trocken
zu erhalten, sehr nahezu 50, während sie 80 betrug, wenn der Manometer 2½
Atmosphären Druck anzeigte; es gingen also im ersten Fall ungefähr 5,85 Kubikmeter
Luft und im zweiten 9,36 Kubikmeter per Minute
verloren.
Das Steigrohr f kommt nur dann in Gebrauch, wenn durch
irgend einen Zufall, durch eine Unterbrechung der Blasemaschine oder sonst eine
Ursache, das Wasser in dem Schacht auf eine gewisse Höhe gestiegen ist, und man
denselben trocken legen will. Wenn man die Blasemaschine in Thätigkeit setzt, so
wird allerdings das Wasser in die Canäle, welche es herbeiführten, zurückgetrieben;
zuweilen aber, wenn der Boden nicht sehr offen, nicht
sehr rissig ist, geht diese Zurücktreibung sehr langsam von Statten. In diesem Fall
nun öffnet man den Hahn j und das auf seiner Oberfläche
gepreßte Wasser steigt dann in der Röhre hinauf und wird so rascher aus dem Schacht
hinaus getrieben.
Es könnte scheinen, daß es nicht vortheilhaft sey, das Austreiben des Wassers auf
diese Weise zu bewerkstelligen, weil dasselbe beinahe 4 Meter über sein natürliches
Niveau gehoben werden muß, damit es außerhalb der Luftkammer ablauft; dieser Einwand ist aber
nicht begründet, denn man bringt das Wasser durch eine sehr sinnreiche Vorkehrung
auf eine viel bedeutendere Höhe, als dem vom Manometer angezeigten Druck entspricht.
Das Mittel hierzu besteht darin, daß man in die Entleerungsröhre in der Nähe des
Wasserspiegels, etwas darüber, kleine Löcher bohrt, durch welche etwas Luft
eindringt. Bei seinem raschen Eindringen zieht dieser Luftstrom das Wasser nach, und
überdieß wird durch die vielen circulirenden Luftblasen ein Medium erzeugt, dessen
mittleres specifisches Gewicht geringer ist als dasjenige des Wassers.
Durch allmähliches Verstopfen einer mehr oder weniger großen Anzahl kleiner Löcher
mit Thon und Beobachten des Erfolgs, nämlich des zunehmenden Sinkens des Wassers,
ist der Arbeiter bald im Stande die Luftmenge genau zu bestimmen, welche man bei
einer gegebenen Tiefe eintreten lassen muß, um das Maximum der Wirkung
hervorzubringen.
Wir haben nun zu erklären, wie das Absinken und successive Setzen der Vierungen der
Schachtzimmerung bewerkstelligt wird.
Die 10 Stücke, aus welchen jede Vierung (Rahmen der Schachtzimmerung) besteht, wurden
mittelst an den Ecken angebrachter eiserner Bänder miteinander verbunden. Trotz des
Beschlägs würde der Druck auf die Theile der Zimmerung dieselben aber doch
auseinander reißen und die Luft mit Gewalt entweichen und die Operation unausführbar
machen, wenn man die Ecken nicht mit festem Lehm bestreichen und jede Fuge welche
durch einen gellenden Pfiff angezeigt wird, sorgfältig verschließen würde.
Denken wir uns die Zimmerung in einer gewissen Tiefe, so wird die Absinkung auf
folgende Weise fortgesetzt. Die Arbeiter höhlen den Boden mittelst der gewöhnlichen
Werkzeuge aus; sobald durch die Arbeit im ganzen Umkreis des Schachts und in einem
hinlänglich großen Durchmesser das Gestein 1 Fuß tief bloßgelegt ist, wird der Boden
4–7½ Zoll dick mit compactem Lehm (diève)
ausgelegt und auf diese künstliche Wand setzt man eine (zehneckige) Bekleidung aus 2
Zoll dicken Buchenbrettern.
Nachdem man etwas über einen Meter unter der letzten Vierung abgeteuft hat, setzt man
die Zimmerung ein, indem man, wie bemerkt, die Stücke woraus sie besteht, mit
Beschlägen versieht, und alle Ecken und Zwischenräume mit Kupfer belegt. Im obern
Theil des Schachts, nämlich unmittelbar unter der Luftkammer, wurde mittelst sich
verengernder Vierungen (welche 4 Meter unter der Basis der Luftkammer wieder so weit
als der Schacht wurden) eine dichte innere Verkleidung von Lehm angebracht, um so viel als
möglich jedes Entweichen von Luft zu verhindern.
Mittelst dieser Vorkehrungen ging die Arbeit bis auf eine Tiefe von 17–18
Meter unter dem Boden ziemlich leicht vor sich. Als man an dem Punkt anlangte, wo
der in die Luftkammer gebrachte Manometer 2 6/10 Atmosphären anzeigte, traten einige
Unfälle ein; der ganze obere Apparat sammt allem, was er einschloß, wurde
erschüttert, aus seiner Stellung gebracht, ja sogar etwas gehoben; durch die
Spalten, welche diese Verrückung verursachte, drang die Luft gewaltsam heraus und
erzeugte eine Art heftigen und plötzlichen Sturms, wobei ein beträchtlicher Theil
der Lehmbekleidung weggeschleudert wurde, indem sie um den Schacht herum in einem
Durchmesser von 10–12 Meter durch die aus den Spalten des Bodens
hervordringende Luft aufgerissen wurde.
Die Kammer mußte nun wieder lothrecht eingesetzt werden, wobei man sie mit der untern
Zimmerung mittelst eiserner Stangen verband. Man stellte die auseinandergerissenen
Theile der Zimmerung wieder her, erneuerte die obere Lehmbekleidung, indem man den
Schacht mittelst der beschriebenen Verfahrungsweisen allmählich entleerte und
vermochte so mit dem Absinken wieder fortzufahren, welches man bis auf 20 Meter
fortsetzte. In dieser Tiefe konnte man, wie gesagt, ein Bühnloch mit Spitzen legen,
auf welches die Zimmerung gesetzt wurde.
Der stärkste Druck auf welchen die Luft gegen das Ende der Arbeit gebracht wurde, war
3 Atmosphären (2 wirkliche Atmosphären); nach den Erscheinungen beim Abteufen, den
Unfällen welche sich dabei ereigneten, dem Zustand der Arbeiter etc., ist anzunehmen
daß man ziemlich an die Gränze der Tiefe gelangte, welche nach den Boden- und
andern Verhältnissen zu Douchy mittelst comprimirter Luft erreichbar ist.
Um diesen Bericht zu vervollständigen, haben wir noch einige physische oder
physiologische Wirkungen zu besprechen, welche sich bei der Arbeit in comprimirter
Luft einstellen. Sobald man in der Luftkammer nach Absperrung der äußern Luft, den
untern Hahn öffnet, empfindet man auf dem Trommelfell eine sehr unangenehme Wirkung,
eine Art schmerzhaften Summens. Dieses Gefühl dauert höchstens 20–30
Secunden; man vermindert die Dauer desselben, wenn man heftig einathmet und den
Speichel oft und schnell hinunterschluckt. Ist dieses Gefühl vorüber, so empfindet
man keinen Schmerz und überhaupt keine unangenehme Empfindung mehr, so lange man
auch in der comprimirten Luft bleibt. Wir verweilten zwei Stunden unausgesetzt
darin, ohne das mindeste zu empfinden. Die Arbeiter verweilen sechs Stunden darin,
ohne einen Schmerz zu empfinden. Doch, scheint es, athmet man etwas schwieriger als in freier Luft;
denn man empfindet ein Wohlbehagen, wenn man, um sich zum Austreten vorzubereiten,
in der Kammer die comprimirte Luft verdünnt.
In comprimirter Luft von 2½ und 3 Atmosphären, ist man, wenn man einen Ton von
sich zu geben versucht, in einen außergewöhnlichen physiologischen Zustand versetzt.
Umsonst versucht man zu pfeifen, die Luftsäule kann nicht in Schwingung versetzt
werden und das Sprechen erfordert eine gewisse Anstrengung.
Die Circulation des Bluts scheint in der comprimirten Luft weder beschleunigt noch
langsamer zu werden; wir zählten nämlich dem Director der Anstalt und dem Aufseher,
welche uns begleiteten, ehe wir in die Kammer eintraten, die Pulsschläge, und fanden
nach einem stundelangen Aufenthalt in der auf 2,6 Atmosphären comprimirten Luft gar
keine Veränderung. Dieselbe Beobachtung machten wir auch an uns selbst.
Wenn man aus der Luftkammer zu Tage steigen will, und den, die Verbindung der Kammer
mit der äußern Luft herstellenden Hahn auch nur ein wenig öffnet, so wird der
Cylinder von einem dichten Nebel erfüllt und man fühlt eine empfindliche Kälte in
Folge des Wärmeverlusts, welchen jeder Körper in einer Luft erleidet, die sich zu
verdünnen strebt bis das Gleichgewicht des Drucks zwischen innen und außen
hergestellt ist. Daraus daß die Wirkungen der comprimirten Luft auf die thierische
Oekonomie, so lange als man sich gewöhnlich in ihr befindet, nicht wahrnehmbar sind,
darf man jedoch nicht folgern, daß sie ohne Einfluß auf dieselbe ist; nach
Erkundigungen, welche wir einzogen, glauben wir annehmen zu dürfen, daß nur junge,
sehr starke Leute die Arbeit in comprimirter Luft eine Zeit lang aushalten können;
die meisten bei dem Verfahren zu Douchy beschäftigten Leute, obgleich aus den
stärksten und gesündesten gewählt, empfanden eine Stunde nach ihrem Austritt aus der
Luftkammer, entweder Schwere im Kopf, oder Schmerz in den Gliedern. Ein einziger von
ihnen empfand 12 Stunden lang eine völlige Lähmung der Arme und Beine.
Der Director des Bergwerks behauptet, daß die von den Arbeitern in Folge ihres
Verweilens in comprimirter Luft verspürten Wirkungen beinahe immer mit einem Exceß
zusammenhängen, welchen sie in der Zwischenzeit ihrer Dienste begangen hatten.
Uebrigens wichen diese geringern oder stärkern Schmerzen jedesmal den Einreibungen
mit irgend einem Spirituosum. Diese mehr oder weniger schlimmen Wirkungen waren nach
der Constitution des Individuums verschieden. Unserer eigenen Erfahrung zufolge
können wir behaupten, daß ein etwas langer Aufenthalt in comprimirter Luft allerdings mehr oder
weniger große Störungen in der thierischen Oekonomie verursacht.
Nach unserm ersten Besuch der Arbeiten am 5. Dec. empfanden wir nichts; am andern Tag
aber verspürten wir Schmerzen an der linken Seite, welche mehrere Tage andauerten.
Um uns zu überzeugen ob etwa eine Erkältung die Veranlassung dazu gab, wiederholten
wir nach vollkommenem Aufhören dieser Schmerzen am 28. Dec. den Versuch,
beobachteten aber beim Ausfahren aus dem Schacht größere Vorsicht, um uns gegen jede
Erkältung zu schützen. Dessenungeachtet empfanden wir am andern Tag, beinahe zur
selben Zeit, nämlich etwa 20 Stunden nach dem Austritt aus der comprimirten Luft,
auf der rechten Seite dieselben Schmerzen wie früher, welche uns 4–5 Tage
lang Frost verursachten. Wir müssen daher unsern Aufenthalt in comprimirter Luft als
die Ursache der zweimaligen Störung unserer Gesundheit betrachten. Hr. Ingenieur Comte behauptet, daß er in Folge seiner Besuche des
Schachts zu Douchy eine mehr oder weniger anhaltende Schwere des Kopfs empfunden
habe und ihm sehr lange eine außerordentliche Empfindlichkeit, eine Art Reizbarkeit
der Gehörorgane geblieben sey, welche ihm beim Vernehmen eines trockenen und
plötzlichen Geräusches Schmerz verursachte.
Im allgemeinen geht aus den mitgetheilten Thatsachen hervor:
1) daß das Verfahren mittelst comprimirter Luft vortheilhaft angewandt werden kann,
um durch große Tagwasser hindurchzuarbeiten, welche im Nord-Departement
häufig in den höhern Bänken des Kreidegebirges vorkommen und das Abteufen von
Grubenschächten durch diese Bänke so schwierig und kostspielig machen;
2) daß man mit Beihülfe festen Lehms, mit welchem man zuerst die Zwischenräume des
Bodens und dann die Ecken der Vierungen ausstreicht, große von Holz gezimmerte
Schächte anwenden kann, wie sich ihrer die Bergleute im Nord-Departement
schon seit langer Zeit mit Erfolg bedienen;
3) daß die Tiefe welche unter dem natürlichen Niveau des Wassers hindurchzuarbeiten
ist, um eine feste, vom Wasser nicht durchdringliche Bank zu erreichen, auf welche
man sich fetzen kann, bei diesem Verfahren 20 Meter nicht viel übersteigen darf;
4) daß die Bergleute, wenn sie von starker Constitution sind und mäßig leben, ohne
bedeutenderes und bleibendes Uebelbefinden befürchten zu müssen, bei zwei wirklichen
Atmosphären Druck, wenigstens eine gewisse Zeit lang, 1 bis 2 Monate, in
comprimirter Luft arbeiten können.
Das beschriebene Verfahren ist daher als eine sehr nützliche Verbesserung in der
Kunst, Schächte durch sehr wasserreiche Schichten abzusinken, zu betrachten.