Titel: | Das Plauer Dampfschiff, jetzt genannt der Alban, oder geschichtliche Darstellung seines Baues und Beschreibung der eigenthümlichen Construction desselben und seiner Räder; von Dr. Ernst Alban. |
Autor: | Dr. Ernst Alban [GND] |
Fundstelle: | Band 109, Jahrgang 1848, Nr. XLIV., S. 242 |
Download: | XML |
XLIV.
Das Plauer Dampfschiff, jetzt genannt der Alban,
oder geschichtliche Darstellung seines Baues und Beschreibung der eigenthümlichen
Construction desselben und seiner Räder; von Dr. Ernst Alban.
Mit Abbildungen aus Tab.
I und II.
(Fortsetzung von S. 184 des vorigen
Hefts.)
Alban, Beschreibung der Construction des Plauer
Dampfschiffs.
Ein großes Glück war es bei allen diesen Prüfungen, denen ich ausgesetzt war, und die
selten aus dem rechten Gesichtspunkte weder vom großen Publicum noch vom
Directorium, angesehen wurden, daß die Maschine und die Räder von Anfang an nie
einen namhaften Fehler zeigten, im Gegentheil stets vollkommen ihre Schuldigkeit
thaten, und insoferne sich ungetheiltes Lob erwarben.
Ich hatte schon so manche Kessel für hohen Druck gebaut, aber dergleichen
Widerwärtigkeiten hatte ich nie erfahren. Waren meine Kessel auch anfangs undicht,
so verlor sich dieß doch immer in kürzester Zeit bei ruhigem Auskochen mit grobem
Roggenmehl und Weizenkleie. Oft reichte eine Metze (der sechzehnte Theil eines
Schaffes) dazu hin, um dieses Resultat herbeizuführen, und ein nachheriger längerer
Gebrauch that das Uebrige. Waren sie aber einmal dicht, dann wurde später ein Kessel
bei gehörig zweckmäßiger Behandlung nie wieder undicht. Diese Erfahrung wird mit mir
jeder Maschinenbauer gemacht haben. Woher nun hier immer die neuen Undichtheiten?
Lange blieb dieß mir und meinen Arbeitern ein Räthsel, und nur nach und nach ist
dieses Räthsel gelöst worden. Was ich dadurch gelitten, ist kaum auszusprechen,
vorzüglich in meiner Stellung gegen ein Directorium, welches im Ganzen nicht viel
Rücksichten gegen mich nahm, und die Sache nicht richtig zu beurtheilen
verstand.
Ich hatte contractlich versprochen, dem Directorium einen Maschinenmeister aus meinem
Arbeiterpersonal zu überlassen. Unter allen meinen Leuten waren damals aber nur
zwei, die mit Dampfmaschinen umzugehen verstanden. Den einen konnte ich in keinem
Falle entbehren, weil er die Stelle eines Werkführers mit versah, es blieb mir daher
nichts anders übrig, als den zweiten zu diesem Posten zu nehmen, obgleich er ein
sehr leichtsinniger Mensch und überhaupt von sehr zweifelhaftem Charakter war. Er
hatte sich indessen in der letzten Zeit bei einer sehr scharfen Controle und einem
strengen Benehmen von meiner Seite, erträglich betragen, hatte namentlich meine
Dampfmaschine in der Werkstätte immer sehr gut in Ordnung gehalten, und wußte sich
in schwierigen Fällen leicht zu helfen, wenn er dann gleich in der Wahl der Mittel
nicht am gewissenhaftesten war. Auch war er klug, wußte sich zu machen, und hatte
ein imponirendes Aeußere.
Als ich ihm von dieser Stelle sagte, nahm er dieselbe mit großer Freude an, und ich
empfahl ihm bei dieser Gelegenheit sehr dringend gehörige Aufmerksamkeit in
Behandlung der Maschine und des Kessels, und zeigte ihm, wie von seinem
gewissenhaften Verhalten das Leben oft vieler Passagiere abhänge, versprach ihm auch
daß ich, wenn er pflichttreu in seinem Berufe seyn würde, dafür sorgen wollte ihm
eine feste Anstellung beim Schiff zu verschaffen und ihn in Plau ansässig zu machen.
Er versprach goldene Berge, hielt aber nachher nichts. Von Natur sehr ehrgeizig,
aber in einer Weise die bloße lächerliche und possenhafte Eitelkeit verrieth, mußte
seinen überspannten Ansichten von sich und seinem Werthe oft ein sogenannter Drücker
aufgesetzt werden, weil er sonst auf alle mögliche Weise übergriff. Eine höchst
lächerliche Seite seiner Narrheit war die, daß er sich immer auf Kosten anderer, und
das auf jede Weise, auf jede Gefahr hin, breit zu machen und in ein bedeutendes
Licht zu stellen suchte, und es sehr verstand, hierdurch bei Uneingeweihten und
Menschen, die ihn nicht zu durchschauen verstanden, sich in Auctorität zu setzen.
Hier fand er nun leider im Directorium seine Leute. Er hatte diesem, wie er immer zu
thun Pflegte, selbst auf meine Kosten, bald eine hohe Meinung von sich beizubringen
gewußt und verstand sich bei ihnen einzuschmeicheln, indem er immer so sprach, wie
sie es gerne hörten. Seinem Urtheile wurde zuletzt mehr Vertrauen geschenkt, als dem
meinigen;Es ist ganz charakteristisch in Mecklenburg, daß man oft den Schülern mehr
Vertrauen schenkt, als dem Lehrer. Unser Maschinenmeister wußte alles was er
verstand, von mir oder solchen, die alle ihre Kenntnisse mir verdankten. Man
meint hier, daß einer praktischer Arbeiter seyn, den ganzen Tag mit
angreifen müsse, um praktischen Verstand zu gewinnen. Weil ich jetzt nicht
mehr mitarbeite, was ich früher wohl hie und da gethan habe, glaubt man, ich
sey ein bloßer Theoretiker, und was die Ausführung der von mir aufgegebenen
Arbeiten betreffe, so hätten die Arbeiter allein Verstand dazu, ihnen
gebühre alles Verdienst. Daß ich eine Sache nicht richtig anordnen könne,
wenn ich sie nicht von Grund aus und praktisch verstehe, fällt keinem ein.
Man sieht, daß alles von mir in meiner Werkstätte ausgeht, aber keiner denkt
daran, daß ich, wenn ich Sachen auszuführen aufgebe, die Möglichkeit und das
Wie ihrer Ausführung auf das genaueste kennen müsse. kurz er
beherrschte bald sein Publicum, und erreichte die respectvollste Behandlung; er wurde
immer „Herr“ titulirt, man legte ihm gleich Lohn zu, ging mit
ihm zu Rathe: etc. etc. Dieß war nun alles Wasser auf seine Mühle, und er zog den
gehörigen Nutzen daraus. Meine Anordnungen und Befehle wurden gar nicht mehr
beachtet, und wenn ich ihm seine Pflichtverletzungen vorhielt, und ihm derbe die
Wahrheit sagte, antwortete er mir: ich habe ihm nichts mehr zu sagen, er stände
jetzt unter dem Directorium, und nehme nur Befehle von diesem an. Beklagte ich mich
beim Directorium, so sprach man ihm das Wort, suchte ihn auf alle mögliche Weise zu
entschuldigen und in meiner Abwesenheit zu beruhigen, wobei es dann nicht fehlte,
daß man einräumte ich habe ihn zu stark beleidigt, ich hätte das Recht jetzt nicht
mehr, ihm Befehle zu ertheilen etc.
Auf diese Weise kam es denn, daß meine Vorschriften wegen des Kessels nicht mehr von
ihm beachtet wurden, wenn er gleich bei einer Revision des Schiffs in Fällen, wo man
ihm seine Lüge nicht genau nachrechnen konnte, immer mit frecher Stirn behauptete,
er sey allen Vorschriften pünktlich nachgekommen. Vorzüglich aber da, wo meine
Vorschriften seine Bequemlichkeit störten, wußte er hinter meinem Rücken dem
Directorium weiß zu machen, daß sie nicht nöthig seyen. Auf diese Weise wurden, wie
ich nun nachher nach seinem Abgange erfahren habe, alle meine Anordnungen mehr oder
weniger verhöhnt und in den Wind geschlagen. Um den Kessel nach und nach mehr zu
dichten, hatte ich den Befehl gegeben alle Morgen ⅛ Schäffel Weizenkleie in
denselben zu thun, und des Abends wieder abzulassen. Statt eines Achtel Schäffel war
ein halber hineingethan und nur selten einmal die Kleie abgelassen. Wenn das Schiff
auf den Stationen ankam, ging er von Bord und ließ den Kessel so stehen. Das
Sicherheitsventil, das er trotz meines Befehls immer mit einem größern als dem
gesetzlichen Gewichte belastet hatte, öffnete sich dann zu spät, und der Kessel war
einer Spannung von 130–150 Pfd. Druck auf den Quadratzoll ausgesetzt. Auch
wurde alle Augenblicke meine Anordnung, während der Fahrt mit keinem höhern Druck
als dem von 75 Pfd. auf den Zoll zu fahren, vernachlässigt; er achtete wenig auf den
Wasserstand im Kessel, und war derselbe zuweilen sehr gesunken, so bekümmerte ihn
das nicht. Auf diese
Weise hatten die obern Röhrenlagen verschiedenemal geglüht und waren undicht
geworden, kurz er handelte in jeder Beziehung gegen jede Regel und Vorsicht.
Endlich brachte ich es dahin, daß er vom Schiffe entfernt wurde, und ich stellte nun
einen andern meiner Leute an, der aber mit der Behandlung einer Dampfmaschine nicht
so vertraut war, als der abgegangene Maschinenmeister. Dieser versah auf einer der
Fahrten, die das Directorium anstellte, und auf welcher der Kessel sich ungewöhnlich
dicht zeigte und das Schiff zu großer Zufriedenheit ging, während er die Maschine
rückwärts gehen lassen wollte, etwas in der richtigen Handhabung des dazu dienenden
Mechanismus. Um sich zu helfen, wollte er mit einem hölzernen Hebel hinter die
Kurbel fassen, um diese über den todten Punkt zu helfen, wobei dieser Hebel beim
plötzlichen Angehen der Maschine eine der Steuerstangen faßte und zerbrach, so daß
das Schiff nicht weiter gehen konnte. Bei einem Neuling hätte man einige Nachsicht
haben sollen, zumal er selbst über diesen Fall sehr betreten war, aber das geschah
nicht, und so erklärte er mir, den Dienst als Maschinenmeister nicht weiter versehen
zu wollen. Der alte Maschinenmeister wußte nun gleich das Directorium wieder so zu
gewinnen, daß dieses ihn zurückwünschte, und ich mußte leider aus dem Grunde, weil
es mir ganz an weitern tauglichen empfehlenswerthen Subjecten für diesen Dienst
fehlte und periculum in mora war, das Schiff seine
Fahrten aus diesem Grunde nicht einstellen konnte, und ich einigermaßen dafür
verantwortlich war, endlich nachgeben, zumal er scheinbar seine frühere
Nachlässigkeit sehr bereute, die vollkommenste Besserung angelobte, und sich dadurch
beim Directorium in neue Gunst setzte. Die Sache ging nun auch wirklich etwas besser
bis zur Zeit hin, wo die Fahrten (es war am 3. December) wegen zu weit vorgerückten
Winters ganz eingestellt werden mußten. Der Kessel erschien ziemlich dicht und die
Fahrten fanden regelmäßig statt, so daß ich selbst zu hoffen anfing, daß der
Maschinenmeister sich wirklich bekehrt habe, und alles einem guten Ende zugehen
würde. Ich sollte mich aber noch einmal schrecklich täuschen.
Da während der regelmäßigen Fahrten an eine genügende Reform des Kessels nicht zu
denken gewesen war, so wurde nun die kurze Zeit des Winters dazu benutzt, ihn
regelrecht, erst unter niedrigem und dann unter einem immer mehr steigenden Drucke
auszukochen. Bis jetzt war an kein völliges Dichtwerden aus dem Grunde zu denken
gewesen, weil der gleich angewandte hohe Druck während der Fahrten alles wieder
verdorben hatte. Zu dem Roggenmehl und der Weizenkleie wurde, nachdem der Kessel
vorher gehörig gereinigt und mit Wasser ausgespült war, etwas wenig Kalkmilch genommen,
die durch die schleimige Beschaffenheit des Roggenmehls im Wasser schwimmend
erhalten wurde, und so der Mehlauflösung etwas Körper gab, wodurch in den Fugen,
wohin es sich absetzte, eine Art künstlichen Kesselsteins gebildet werden sollte.
Das Feuer wurde nur immer in einem gelinden Grade und mit Torf erhalten, der eine
möglichst gleichmäßige Hitze gab. Ich hatte das Glück, bei dieser Procedur durch den
gelinden Winter sehr begünstigt zu werden. Auch ließ ich an manchen Stellen die
Fugen besser verstemmen, und um die Thüren herum die Verschraubungen besser anziehen
und alles nachdichten. Da an dem einen Feuerplatze sich das Blech undicht und unganz
gezeigt hatte, so wurde auch hier nachgeholfen.
Als nun der Kessel bei niedrigem Druck sich bald völlig dicht zeigte, wurde
allmählich ein höherer Druck angewandt, und mit demselben nach und nach auf 9 und 10
Atmosphären gestiegen. Zeigten sich bei diesem Drucke dann und wann auch noch einige
Lecke, so verschwanden sie doch bald, und ich hatte die große Freude den Kessel
selbst bei diesem bedeutenden Druck völlig dicht herzustellen. Ich erwartete nun mit
Sehnsucht die wiederkehrende Zeit der beginnenden Fahrten.
Zugleich wurde diese Zeit der Ruhe benutzt das ganze Schiff zu revidiren und
restauriren. Es wurde allenthalben gereinigt, bekam einen neuen Oelfarbanstrich und
der Fußboden der ersten Cajüte wurde gebohnt, um nicht alle Tage den theuren Teppich
auszulegen gezwungen zu seyn. Zugleich wurde die Maschine auseinander genommen,
gehörig gereinigt, geputzt und alle Liederungen wurden neu gepackt, auch einige
kleine unwesentliche Verbesserungen damit vorgenommen, um ihre Behandlung für den
Maschinenmeister sicherer und bequemer zu machen.
Schon Anfangs März konnten die Fahrten wieder beginnen. Der Kessel war gereinigt und
mit reinem Wasser gefüllt, worin nur ganz wenig Kleie gethan war. Einige
Probefahrten, die zuerst angestellt wurden, hatten einen guten Erfolg, so auch die
regelmäßigen Fahrten. Der Kessel zeigte sich fortwährend ganz dicht, und nur um die
Thüren herum erschien beim Anheizen zuweilen einiges weniges Wasser, welches aber
gewöhnlich wieder verschwand, wenn die Maschine in Gang kam und das Wasser, wie
immer, dabei in stärkere Wallungen gerieth. Als ich Ende Aprils mit meiner Familie
zu einer weitern Reise die Fahrt von Plau nach Waren mitmachte, war noch alles in
diesem guten Zustande, und nur um die Thüren herum zeigte sich dann und wann, aber
auch immer nur vorübergehend, etwas Schaum; die erfreulichen Resultate waren
wahrscheinlich die Folge meines strengen Befehls, nicht über 70 bis 80 Pfd.
Dampfdruck anzuwenden, und seiner mehrern Beachtung, sowie meiner Bitte an den
Steuermann, einen ruhigen, gesetzten und zuverlässigen Mann, mit auf Maschine und
Kessel Acht zu haben und unsern Maschinenmeister zu controliren. Die Erfahrung, daß
der Kessel selbst bei Füllung mit reinem Wasser nun endlich völlig dicht blieb,
würzte mir das Vergnügen der Reise in einem hohen Grade und ich sing an freier zu
athmen.
Diese Freude sollte aber bald wieder getrübt werden. Es war kurz vor meiner
Zurückkunft von der Reise eine Wettfahrt mit großen Segelkähnen, die mit sehr
günstigem und starkem Winde über den Plauer See fuhren, angestellt, und um sie
schnell zu überholen war eine übermäßige Spannung im Kessel angewandt worden. Die
Erfahrung, daß der Kessel sich jetzt unter allen Umständen so gut dicht hielt, hatte
selbst den Steuermann verführt, zu dieser Wettfahrt seine Zustimmung zu geben, wobei
eine kleine Eitelkeit von seiner Seite, mit seinem Schiffe Aufsehen zu erregen und
den Sieg davon zu tragen, wohl im Spiele gewesen war. Bei meiner Zurückkunft fand
ich den Kessel wieder sehr leck, und ich mußte wieder den Gebrauch von mehr Kleie
erlauben, um ihn einigermaßen dicht zu erhalten, wobei ich jedoch wieder die Regel
gab, nicht über ⅛ Scheffel jeden Morgen in den Kessel zu thun und wenigstens
alle zwei Tage abzulassen.
Ich drang um diese Zeit beim Directorium darauf, dem Maschinenmeister eine
vollständige schriftliche Instruction vorzulegen und ihn darauf zu beeidigen. Man
schien die Nothwendigkeit dieser Maßregel einzusehen, und übertrug mir, eine solche
Instruction auszuarbeiten. Obgleich ich nun selbige gleich anfertigte, und sie in
Abschrift übergab, so daß sie als solche sogleich benutzt werden könnte, ohne dem
Directorium irgend eine Unbequemlichkeit zu verursachen, so wurde sie doch ad acta gelegt und ist nie in Anwendung gekommen. Meine
wiederholten Erinnerungen daran und meine dringenden Vorstellungen, unserm
Maschinenmeister doch endlich auf diese Weise hinsichtlich seiner vielen
Uebergriffe, Nachlässigkeiten und Regelwidrigkeiten einen Kappzaum anzulegen, und
für sich etwas Positives zu haben, wonach er im Uebertretungsfalle gerichtet und
bestraft werden könne, ohne Ursache zu haben sich zu beklagen, blieben aber
fruchtlos. Es waren in dieser Instruction zugleich die Strafen für die verschiedenen
Regelwidrigkeiten in seinem Dienste angegeben.
Man sieht hier aber wieder, wie wenig man beim Directorium geneigt war reellen
Maßregeln Gehör zu geben, die eine bessere Organisation der Anlegenheit bezweckten.
Wenn ich auch zugebe, daß bei einem soliden, zuverlässigen und pflichttreuen
Maschinenmeister solche Vorkehrungen unnöthig waren, so war dem Directorium doch schon zu oft
der Beweis in die Hände gegeben, daß unser Maschinenmeister bei seinem Leichtsinne,
seiner Nachlässigkeit und Gewissenlosigkeit nicht scharf genug controlirt werden
könne. Auch war eine solche Instruction nichts Ungewöhnliches. Auf den meisten
Schiffen und selbst auf den Eisenbahnen existiren solche Instructionen für die
Maschinenmeister und Locomotivführer, und findet eine Beeidigung dieser Menschen auf
ihre Instructionen statt. Auch sind in allen die Strafen angegeben, die sie in
Uebertretungsfällen zu erleiden haben, und zwar sehr harte Strafen. Und dieß ist
nicht mehr als billig, insoferne die Gesundheit und das Leben vieler Menschen in die
Hände solcher Leute gegeben werden. Es war dem Directorium indessen bequemer, sich
in allen Fällen an mich zu halten, mir und meiner Maschine und meinem Kessel die
Schuld zu geben, insoferne als ich ihnen sicherer war, als ein Mensch der nichts
besitzt, und insofern, als so alle lästigen Untersuchungen wegfielen. Ich will über
die Ungerechtigkeiten und Unbilligkeiten, die auf diese Weise gegen mich vorkamen,
einen Schleier decken, indem ich zur Ehre des Directoriums glauben will, daß es
allein in totaler Unkunde mit allen technischen und administrativen Verhältnissen,
die bei solchen Unternehmungen vorkommen, auf diese Art handelte. Hätten die
Mitglieder desselben unter sich einen Mann aufgenommen, der die HHrn. Advocaten und
Klugsprecher mit technischen Gründen hätte bekämpfen können, dann würden sie sich
und mich besser gebettet haben; bei ihrer bisherigen Weise die Schiffsangelegenheit
zu betreiben, kann aber nur der Ruin derselben davon die unausbleibliche Folge seyn.
Anfangs hat noch immer das große Interesse, welches ich an dieser Angelegenheit
nahm, meinen Muth aufrecht erhalten, mich zu vielen und großen Opfern vermocht, mich
so manche traurige Erfahrung verschmerzen lassen, aber ich sehe jetzt täglich klarer
ein, daß wenn das Directorium fortfährt, so wenig als bisher auf meine Rathschläge
zu achten, sich selbst so viel Einsicht als bisher zuzutrauen, und darauf
eigenmächtige Verfahrungsweisen zu gründen, wenn es bei vorkommenden Unglücksfällen
die wahren Ursachen derselben nicht besser erforscht, und mir mehr Gerechtigkeit zu
verschaffen sucht, als bisher, wenn es sein dienstthuendes Personal nicht besser
beherrscht, und ihm nicht mehr Achtung vor den Anordnungen dadurch verschafft, daß
es sie selbst mehr achtet, so werde ich die ganze Angelegenheit fallen lassen, und
mich für immer jeder Beimischung dabei begeben, indem ich doch einsehe, daß alle
meine Opfer zu nichts nützen, mir nur immer wieder neue Wunden schlagen, ohne die
Sache wahrhaft zu fördern.
Ich will hier noch eine kleine Bemerkung über das auf dem Schiffe angewandte
Brennmaterial einschalten, der ich keinen andern Platz zu geben weiß, und die doch
einigermaßen von Wichtigkeit ist.
Es war anfangs Plan, mit Torf zu heizen und auch eine ziemliche Menge davon angekauft
und gelagert worden. Das Schiff enthielt zu diesem Zwecke zwei große Torfbehälter,
die circa 4000 Soden Torf faßten. Es zeigte sich jedoch
bei den Fahrten, daß diese Art der Heizung weder bequem, noch sachgemäß, noch viel
vortheilhafter für die Verhältnisse unserer Gegend sey. Wir haben um Plau herum zwar
sehr große Torfmoore, die aber größtentheils einen Torf liefern der viel erdige
Bestandtheile enthält, daher keine helle und intensive Flamme gibt, viel Asche, zum
Theil auch große Schlacken beim Verbrennen zurückläßt, und durch diese die Roste oft
verlegt und den Zug im Ofen vermindert. Zu dem ist er in nassen Jahren nie gehörig
trocken zu erhalten, weil er auf den Mooren nach dem Trocknen nicht in Scheuern
gelagert, und aus diesen verkauft, sondern in Miethen gesetzt wird, die im Freien
stehen und völlig unbedeckt bleiben, daher leicht durchregnen, und dann gar nicht
wieder austrocknen. Man hat also für alle Fälle an diesem Torfe ein sehr
unzuverlässiges Brennmaterial. Zudem ist er aber auch noch schwierig zu lagern,
nimmt viel Raum ein, hat im Verhältnisse zum entwickelten Brennstoffe viel Gewicht,
und muß sehr trocken liegen. Diese drei letzten Punkte sind vorzugsweise seinem
Gebrauch auf Schiffen entgegen. Auch bringt seine Anwendung im Maschinenlocale viel
Schmutz und Staub, und sein Aufbringen auf die Rosten ist mit großen
Unbequemlichkeiten verbunden, vorzüglich da wo es an Raum gebricht, und nur kleine
Heizthüren angewandt werden können. Alle diese Gründe bestimmten mich, dem
Directorium die Heizung mit Steinkohlen vorzuschlagen, die hier zwar auch theuer,
aber dennoch bei ihrer Anwendung nicht viel theurer als der hiesige Torf werden,
dabei leicht zu lagern sind, viel Brennstoff im Verhältniß zu ihrem Volumen und
Gewichte entwickeln, bei der Lagerung im Magazin und Schiff wenig Raum verlangen,
auch im nassen Zustande Dienste thun, daher allenfalls, wo Raum fehlt, im Freien
aufbewahrt werden können — und dieser Vorschlag wurde angenommen. Das Schiff
hat durch diese Maßregel außerordentlich gewonnen. Die beiden großen Torfbehälter
sind in ein paar niedrige Kästen verwandelt, wodurch der Maschinenraum bedeutend
größer geworden ist, auch ist der Heizer nun im Stande bequemer und regelmäßiger
Brennmaterial auf die Rosten zu tragen, braucht nicht auf eine schädliche Weise die
Heizthüren lange offen zu lassen, vermag den Maschinenraum reinlicher zu halten etc.
Da gegen diesen Vorschlag, mit Steinkohlen zu heizen, nur das einzige Bedenken geäußert
wurde, daß bereits eine bedeutende Menge Torf gekauft, also schon eine nicht geringe
Summe dafür ausgegeben sey, so übernahm ich den Torf zur Heizung meiner in meiner
Werkstätte arbeitenden Dampfmaschine, und so war alles in Ordnung. Der ganze Vorrath
von Steinkohlen für eine Reise nimmt nur einen sehr kleinen Raum im Schiffe ein, und
es ist nun völlig unnöthig geworden in Röbel ein Depot von Brennmaterial anzulegen,
was früher beabsichtigt wurde. Daß aber endlich das Schiff durch diese Maßregel
erleichtert werde, und durch einen geringern Tiefgang an Geschwindigkeit gewinne,
ist der Hauptvortheil, der aus dieser nützlichen Veränderung hervorging.
Doch nun zum alten Thema zurück, und zwar zu einer Katastrophe, die dem ganzen
Unternehmen einen sehr heftigen, traurigen und zerstörenden Einfluß übenden Stoß
versetzte.
Die von neuem entstandenen Lecke im Kessel und das wiederum nöthig gewordene
Hineinthun von Kleie in denselben führten diese Katastrophe herbei, die mich ein
großes Opfer und viele schlaflose Nächte gekostet hat. Unser Maschinenmeister war
wieder nach und nach in seine alten Fehler verfallen, ja hatte selbst die
Aufmerksamkeit des Steuermanns getäuscht. Statt alle Morgen ⅛ Scheffel Kleie
in den Kessel zu thun und alle zwei Tage wieder abzulassen, hatte er einen halben
Scheffel hineingeschüttet, und äußerst selten, nach anderer Aussagen gar nicht
wieder abgelassen. Die Kleie hatte in Folge dieser Nachlässigkeit sich als ein
dicker Brei in die untern Theile des Kessels gelagert, war in derjenigen Gegend wo
die intensivste Hitze auf denselben wirkte, an die Wände des Kessels stellenweise
angebrannt, hatte diesen die nöthige Kühlung durchs Wasser entzogen, die Bleche
waren glühend geworden und nach und nach zerstört. Auf einer der Reisen nach Röbel,
es war im Anfange des Monats Junius, kurz vor der Abreise von da, als die Passagiere
schon auf dem Schiffe sind und dieses im Begriff steht abzufahren, bekommt die
hintere Wand des innern Kastens über dem Feuerherde einzelne kleine Sprünge, aus
denen das Wasser in solcher Menge dringt, daß die Fahrt eingestellt werden muß.
Man kann denken wie schrecklich mich diese Nachricht berührte. Ich war fast außer
mir, theils weil mir der wahrscheinliche Grund dieses Ereignisses beim Andenken an
des Maschinenmeisters gewohnte Nachlässigkeit und Gewissenlosigkeit sogleich
vorschwebte, theils weil ich einsah, daß eine schnelle Reparatur hier wegen der Enge
des Raums nicht allein nicht gut möglich, sondern auch insoferne hoffnungslos sey,
als der Kessel schon so viele Beweise seiner Unvollkommenheit abgelegt hatte. Ich mußte mir bekennen,
daß wenn auch künftig mehr Accuratesse und Vorsicht bei seiner Behandlung angewandt
würde, als bisher geschehen war, seine unglückliche Construction, die ich leider von
andern Kesseln dieser Art entlehnt hatte, doch höchst wahrscheinlich immer wieder
Gelegenheit darbieten würde, die alten Calamitäten herbeizuführen. Meine
Ueberzeugung war in Verfolg aller Begebenheiten, die sich mit demselben bei den
Fahrten des Schiffes ereignet hatten, immer fester geworden, daß er schädlichen
Spannungen zwischen seinen einzelnen Theilen unterliegen müsse, die bei
verschiedenen Druckgraden der Dämpfe und einer wechselnden Temperatur einen alle
Augenblicke veränderten Zustand in seinen Gefügen herbeiführen, fortwährend
Veränderungen in der Stellung seiner einzelnen Theile zu einander zur Folge haben,
und so immer wieder neue Lecke verursachen. Vorzügliche Schuld gab ich aber den
vielen Verankerungen des Kessels, die eine gehörige Nachgiebigkeit zwischen dem
äußern und innern Kasten verhinderten. Erwog ich nämlich, daß die Wände des innern
Kastens stets vom Feuer und seiner strahlenden Hitze, sogar der unmittelbaren
Berührung des in Brand sich befindenden Brennmaterials, ausgesetzt waren, während
die des äußern Kastens in einer steten Temperaturverminderung durch die äußere Luft
sich befinden, daß also in beiden eine sehr ungleiche Ausdehnung stattfinden müsse,
so trug ich kein Bedenken mehr, hier die Wurzel alles Uebels zu suchen und fing am
Ende an, dem Himmel zu danken, der es so gefügt habe, um mir endlich ein großes
Kreuz aus dem Wege zu räumen. Dieser Kessel wurde bereits zu einem wahren Scandal
für mich, und gab Veranlassung, daß die ganze Schiffsangelegenheit in einem
unvortheilhaften Lichte erschien. Es war dieß um so trauriger, als die begangenen
Fehler nun auch das Gute und Lobenswerthe an dem Schiffe zu verdunkeln anfingen. Wie
verwünschte ich nun meine übertriebene Vorsicht, einen Kessel mehr nach gewöhnlichem
Schnitte gebaut, und nicht meinem Genius wieder freies Spiel gelassen zu haben, der
mich, wie der zweite Kessel beweiset, gewiß sogleich zu einem bessern Ziele geführt
hätte. Durch mein Bestreben, möglichst sicher zu gehen, war ich offenbar in alle
diese schrecklichen Calamitäten gerathen.
O daß alle Mechaniker, die diese Zeilen lesen, dieses mein Schicksal sich zur Warnung
dienen ließen, nie dem alten Bestehenden zu viel Vertrauen zu schenken, wenn es die
Verfolgung eines neuen Zieles gilt. Wo physikalische Umstände obwalten, hält es
immer gar zu schwer, zu bestimmen, ob das bisher als zweckmäßig Erprobte bei
veränderten Verhältnissen Stand halte. Man bleibe in solchen Fällen immer
mißtrauisch und wäre die Veränderung der Verhältnisse auch noch so unscheinbar, so nichts bedeutend.
Ein Nagel, anders als vorher eingeschlagen, ändert oft viel, stößt die Berechnungen
der tiefsten Forscher und Denker um, und zerstört die herrlichsten Pläne
talentvoller Erfinder. Wer ist so in die Werkstätte der Natur eingedrungen, daß er
die verwickelten und dunkeln Wege, die sie geht, erforscht habe; wer kann sich
rühmen, daß er die Hülfsmittel, die sie uns beut, in allen Fällen richtig zu
benutzen verstehe, ohne auf Abwege zu gerathen, Mißgriffe zu thun?! — Ich war
ein Waghals, nicht daß ich mir zu viel Vertrauen schenkte, nein, daß ich meine
bessere Ueberzeugung von mir stieß. Es waren viele Wochen nöthig gewesen, um die
gegen diese Kessel in mir sprechende Stimme zu übertäuben; eine schlaflose Nacht am
Zeichentisch hatte mit ihrer geistigen und körperlichen Erschlaffung erst ihren
Einfluß geschwächt. Ich war der Schwäche unterlegen, auf anderer Thaten mein Glück,
meine Sicherheit zu bauen, und daher war die Strafe eine natürliche Folge dieser
Schwäche, und insoferne gerecht. Und wohl mir, daß ich sie erleiden mußte! Sie war
der Stachel für neue Forschungen, sie erhob mich über meine Schwäche, sie verlieh
dem schaffenden Geiste seine alte Kraft wieder, zog neue Blitze aus dem schwarz sich
über mir verhüllenden Himmel.
Ich hatte schon die letzten trüben Erfahrungen an dem alten Kessel benutzt, um einen
vernünftigen und regelrechten Plan zu einem neuen zu entwerfen, wenn der alte, wie
ich erwartete, über lang oder kurz den Dienst versagen sollte, und wäre selbst an
die Anfertigung desselben gegangen, wenn dieses Unglück mich nicht so überrascht
hätte. War der alte Kessel auch noch so unvollkommen, bis zum nächsten Winter hoffte
ich doch wenigstens mit demselben hinzukommen, und bis dahin das Directorium zur
Anfertigung eines neuen zu bestimmen, oder doch wenigstens günstig
vorzubereiten.
Zum Glück war der neue Plan schon ganz vollendet als der alte Kessel seinen Dienst
versagte, und ich konnte sogleich dem Directorium eine Zeichnung desselben vorlegen.
Um mich kurz zu fassen, sey es gesagt: der Plan wurde nach einigen kleinen Debatten
angenommen, und um nun schnell Bleche zum neuen Kessel zu erhalten, wandte ich mich
an die Maschinenbauanstalt in Güstrow, die, wie ich wußte, noch einige große Platten
stehen hatte, wegen der Röhren aber an Hrn. Tischbein in Buchau, die auch beide die
Güte hatten mir in dieser Noth zu dienen. Die Anstalt in Güstrow war mir sogar beim
Bau behülflich, indem sie mir die beiden Recipienten lieferte, und mich dadurch zu
großem Danke verpflichtete.
Dessenungeachtet dauerte der Bau des neuen Kessels gegen 7 Wochen. Obgleich die Zeit so sehr
drängte, so ließ ich doch alles daran mit gehöriger Ruhe und Besonnenheit machen,
und stellte ihn mit besonderm Fleiße zusammen. Gewiß wäre ich eher mit demselben
fertig geworden, hätte ich mehr eilen wollen, und hätte ich das zweizöllige flache
Eisen zu den Herzen, da es nicht vorräthig war, mit vieler Mühe und großem
Zeitverluste nicht erst ausschweißen lassen müssen.
Dieser Kessel war nun aus mehreren einzelnen Haupttheilen zusammengesetzt, die in
ihrer Construction so angeordnet waren, daß nirgends schädliche Spannungen entstehen
konnten. Die Möglichkeit, denselben zu zerlegen, wenn eine Hauptreparatur
stattfände, war eine wichtige Verbesserung an demselben, deren Gewicht ich bald nach
der Ingangsetzung desselben erfahren sollte. Seine Beschreibung werde ich später
einmal geben und dann zugleich diejenigen Schwierigkeiten berühren, die ich vor
seinem völligen Gelingen hinsichtlich des Zuges in ihm, und der Verlegung und
Verschlammung der Zwischenräume zwischen seinen Röhren von Ruß zu beseitigen hatte
und glücklich besiegte.
Der Kessel bewies sich bei der Probe als völlig dampf- und wasserdicht, und
zwar unter jedem beliebigen Drucke. Es war auf keine Weise nöthig, denselben vor
seinem Gebrauche auszukochen, auch hat sich diese Dichtigkeit bis auf den heutigen
Augenblick und während zehnmonatlicher täglicher Fahrten des Schiffes vollkommen
bewährt. Durch ihn habe ich den Beweis geliefert, daß ich bei gehöriger Ruhe wohl
gute Kessel mit meinen Schlossern zu Stande zu bringen weiß, und zwar Kessel, die
sehr oft mit einem Drucke von 10 Atmosphären arbeiten. Außer dieser Tugend besaß
aber der neue Kessel auch noch eine viel sicherere, einfachere und viel leichter
ausführbare Construction, als der alte. Ich bin seinetwegen, selbst bei sehr hoher
Steigerung des Dampfdruckes ganz unbesorgt, während der alte Kessel seiner
schlechten Form wegen, trotz der vielen starken Verankerungen mir in Absicht auf
seine Sicherheit manche Sorge machte.
Ich habe hier noch anzuführen, daß beim Herausnehmen des alten Kessels aus dem
Schiffe sich fand, daß er nach dem Ablassen des Wassers bis an die Röhren und noch
höher mit Kleie angefüllt war, die in feste Massen zusammengesunken war, ein Beweis,
daß diese Kleie während der letzten 2½ Monate der Fahrten wohl sehr selten,
vielleicht nie, abgelassen war. Diese Erfahrung überstieg bei weitem alle meine
Begriffe von der möglichen Lügenhaftigkeit und Gewissenlosigkeit eines
Maschinenmeisters. Hätte ich diese Sudelei früher entdeckt, so würde ich den neuen
Kessel ihm nimmer anvertraut haben. Gleich beim Abzapfen des alten Kessels war es
mir aufgefallen, daß aus der Abzapföffnung desselben länger denn 8 Tage fortwährend Wasser von
bräunlicher Farbe und schäumend ablief. Nach dem Auffinden solcher großen Massen
fester Kleien in demselben wurde dieser sonderbare Umstand bald dadurch erklärt, daß
diese große Masse Kleie das ihr anhängende Wasser nur nach und nach hatte fahren
lassen.
Wegen Mangels an einem neuen Maschinenmeister, und weil das Directorium ihn immer in
Schutz nahm, wurde der alte Held unseres Drama's auch bei diesem neuen Kessel
adhibirt. Die lange Zeit der Muße hatte ihn nun aber vollends demoralisirt, denn
mein Vorschlag, ihn beim Bau des neuen Kessels mit anzustellen, blieb vom
Directorium unberücksichtigt. Mein Urtheil über diesen saubern Patron sollte sich
indessen bald auf eine schlagende Weise bestätigen, und er endlich seinen verdienten
Lohn, so wie ich meine Rechtfertigung, erhalten.
Der schöne neue Kessel war unter seiner Pflege schon wieder in Zeit von 8 Tagen
hingeopfert. Er hatte nach seiner beliebten Manier wieder den Wasserstandszeiger
vernachlässigt, und die Folge davon war, daß der Kessel bis auf einige wenige
Kubikfuß Wasser leer gekocht war. Bei einer Untersuchung desselben fand man alle
Röhren im ausgeglühten Zustande und so verbogen, daß der Kessel wieder aus dem
Schiffe genommen werden mußte, um eine so umfassende Reparatur gehörig besorgen zu
können. Und sollte man es denken, das Directorium schenkte auch jetzt noch diesem
verdorbenen Subjecte so viel Vertrauen, daß es nicht glauben wollte, der Kessel sey
wasserleer und die Röhren glühend gewesen, ja daß es selbst noch dann zweifelhaft
blieb, als zwei Schmiedmeister meine Angabe von dem Ausglühen der Röhren
bestätigten. Sollte man ferner glauben, daß ein Directorium sich von einem so
gewissenlosen Menschen weiß machen lassen könne, die Krümmung der Röhren nach unten
rühre allein her von dem zuweiligen Werfen von etwas Schießpulver auf den Feuerherd,
um durch kleine Explosionen den Ruß zwischen den Röhren zu entfernen; sollte man es
endlich für möglich halten, daß das Directorium mir diese lächerliche und boshafte
Erfindung noch mit großer Wichtigkeit mitzutheilen und sie allenthalben im Publicum
als unbezweifelte Wahrheit vorzutragen nicht anstand, um diesen Hallunken auf meine
Kosten in ein besseres Licht zu stellen? Ich frage hier jeden unbefangenen
Mechaniker, was er von einem Directorium urtheile, welches seinen Baumeister so zu
beleidigen, so tief herabzuwürdigen kein Bedenken trägt; frage ihn, ob er mich für
hämisch halte, wenn ich mir hier öffentlich Gerechtigkeit zu verschaffen suche, wenn
ich hier unumwunden und ohne Rücksicht berichte, um ihn über meine Stellung solchem
Directorium gegenüber immer mehr aufzuklären. Einem erwiesenen Schufte gegenüber einen Mann so
bloßzustellen, der dem Directorium durch so viele Leistungen unter dessen Augen
bewiesen, daß er ein besseres Schicksal verdiene, als ihm hier in seinem Vaterlande
wird, dessen Dampfmaschinen und Kessel hier unter seinen Augen untadelhaft
arbeiten.Von meinen Dampfmaschinen und ihren Kesseln arbeiten zwei in Plau selbst und
zwei ganz in dessen Nähe und zwar untadelhaft. Möchte er mit
einem solchen Directorium zu thun haben? und würde er es mir verdenken, wenn ich
jedem Geschäft mit demselben, es sey welcher Art es wolle, für die Zukunft aus dem
Wege zu gehen mich bemühe.
Der Kessel wurde bald wiederhergestellt und ins Schiff eingesetzt, zugleich aber auch
unser Maschinenmeister auf meine Erklärung, den neuen Kessel nicht wieder in Stand
setzen zu wollen, wenn er nicht für immer abgelohnt würde, in Gnaden entlassen. Ich
gebrauche mit Fleiß diesen Ausdruck; denn er erhielt seinen vollen Lohn, und es
wurde ihm bei seinen vielen Schulden in der Stadt alle Nachsicht erwiesen, während
man mir alle Kosten des neuen Kessels und dieser unverschuldeten Reparatur später
aufgebürdet hat.
Nach Abgang dieses gewissenlosen Menschen wurde noch einmal ein Versuch mit einem
andern Maschinenmeister aus meiner Werkstätte (dem früher schon einmal adhibirten)
gemacht, aber auch ohne ein glückliches Resultat zu erlangen. Er zeigte keine Lust
zu dem Dienst, verstand ihn nicht, und es waren daher allerlei Unannehmlichkeiten zu
fürchten.
Jetzt erbot sich unser Steuermann die Rolle des Maschinenmeisters zu übernehmen, und
ans Steuer einen tüchtigen Menschen zu stellen, der unter seiner Aufsicht sein
Geschäft handhaben solle. Ich versprach mir von ihm mehr als von allen bisher
benutzten Subjecten, und habe mich auch in meinen Erwartungen nicht getäuscht
gefunden. Er verstand die Maschine gut zu behandeln und zu beherrschen, indem er
zuweilen schon interimistisch dabei fungirt hatte. Nachdem er einige Tage zur
höchsten Zufriedenheit unter meiner persönlichen Aufsicht gefahren hatte, wurde sein
Anerbieten angenommen, und seit er die Zügel ergriffen hat, hat das Schiff noch
keinen Tag gefeiert, Maschine und Kessel sind immer in guter Ordnung, das Schiff
geht schneller als früher (die Maschine macht selten unter 55 Umgänge) und der
Verbrauch an Steinkohlen ist ein geringerer.
Nur ein einzigesmal hat dieser Kessel einer namhaften Reparatur bedurft. Es hatte
sich nämlich in einem der Siederöhren einer der zur Befestigung desselben dienenden
ringförmigen Keile gelöst, und dasselbe ließ plötzlich viel Dampf und Wasser aus, so
daß der Heizer, der zur Aussteigelucke aus dem Maschinenraume hinaus wollte, und
dabei stolperte und in den Maschinenraum zurückfiel, etwas vom Dampf verbrannt
wurde. Er war indessen bald wiederhergestellt, auch feierte das Schiff deßhalb
keinen Tag, es konnte vielmehr seine nächste Fahrt wieder ungestört antreten. Zum
Glück trat dieser Fall nach der Fahrt, während des Landens der Passagiere, hier in
Plau ein, so daß in keiner Weise irgend eine Unterbrechung im Dienst des Schiffes
dadurch herbeigeführt wurde.
Dieser Steuermann, früher ein einfacher Matrose, hat sich in der kurzen Zeit seines
Regiments auf dem Schiffe manche Verdienste um dasselbe erworben; er hat meine Ehre
als Maschinenbauer, die durch das letzte große, mit dem neuen Kessel vorgefallene,
und durch den verabschiedeten Maschinenmeister verschuldete Unglück schon wieder in
ein zweifelhaftes Licht gestellt war, gerettet, hat dem Directorium sowohl als dem
großen Publicum bewiesen, wie wichtig und unentbehrlich die regelrechte Behandlung
einer Maschine sey, wenn sie ihre Schuldigkeit thun, und die gehofften und
berechneten Erfolge haben soll; hat außer allen Zweifel gestellt, wie wenig der alte
Maschinenmeister das Vertrauen verdient habe, welches ihm das Directorium schenkte,
und auf meine Kosten schenkte, hat dem Directorium die weise Lehre gegeben, daß es
nicht Ursache habe mit seinem eigenen Gouvernement in technischer Beziehung allzu
zufrieden zu seyn, daß es endlich in Absicht auf mich künftig bescheidener,
vertrauensvoller, rücksichtsvoller, folgsamer und zartfühlender aufzutreten
habe.
In die erste Zeit des Maschinenmeisterdienstes unseres Steuermannes fielen die
merkwürdigen Widerwärtigkeiten des verminderten Zuges unter dem Kessel. Wie schon
oben berührt ist, hatte ich die Siederöhren, um mehrere in demselben Raume placiren
zu können, um noch nicht einen vollen Viertelzoll näher an einander gelegt, und
dieser Umstand setzte mich wieder längere Zeit einer Menge Prüfungen aus. Waren die
Röhren gereinigt, so producirte der Kessel bedeutend mehr Dampf als der vorige,
diese erfreuliche Wirkung ließ aber oft schon nach Verlauf von mehreren Stunden
nach. Die Dampfspannung sank dann bedeutend und das Schiff ging langsam. Wir mußten
nun während der Fahrten allerlei Mittel anwenden, z. B. etwas Schießpulver auf den
Rost werfen,Diese kleinen unschädlichen Schießpulverexplosionen entfernten dann durch den
momentan entstehenden Luftdruck einigermaßen die Rußschichten zwischen den
Röhren. um nur das Schiff erträglich in Gang zu halten. Man kann sich leicht
vorstellen, daß unter diesen Umständen im Directorium und Publicum wieder allerlei
Gerede in Umtrieb kam, und daß man sogleich bereit war, nun alle guten Eigenschaften
des Kessels wieder zu vergessen, und mit allerlei Vorschlägen zur Abhülfe des Uebels
hervorzugehen, die aber nicht sachgemäß waren, und die ich deßhalb natürlich auch
unberücksichtigt ließ. Um nun jedoch der Sache möglichst bald eine günstige Wendung
zu geben, versuchte ich mehrere Mittel zur Abhülfe dieses Uebels, und zwar
veränderte ich zuerst den Rauchkasten, der etwas flach und gedrückt war, indem ich
ihn mehr über das Deck hervortreten ließ, aber ohne besondern Erfolg. Das
Directorium, welches der gefensterten Hitzevertheilungsplatte über den Röhren Schuld
an diesem verminderten Zuge geben zu müssen meinte, faßte nun in einer Conferenz,
ohne mich zu hören oder auch nur entfernt zu Rathe zu ziehen, den Entschluß, diese
Platte, selbst gegen meinen Protest, herauszureißen, und führte mirabile dictu denselben auch wirklich aus. Der Zug
wurde aber um nichts besser, und der Kessel producirte offenbar weniger Dampf, da
nun nicht alle Röhren so gleichmäßig wirksam waren, denn das Schiff kam jetzt eher
später als früher von seinen Fahrten zurück.
Dieses eigenmächtige grundlose Benehmen der Direction setzte allen feinen bisherigen
Umtrieben die Krone auf. Wie unangenehm ich dadurch berührt wurde, als ich es
zufällig erfuhr, kann man sich denken. Sollte ich dagegen hindernd auftreten?
— das konnte ich nicht mehr; denn es war bereits geschehen. Ueberwarf ich
mich aber mit dem Directorium, so blieb die Sache, wie sie war, und mein Ruf erlitt
eine arge Schlappe, indem das Schiff selbst mit dem neuen Kessel unvollkommen blieb.
Ich mußte also auch noch dießmal gute Miene zum bösen Spiel machen, hoffend auf eine
bessere Zeit, wo ich meine Scharte würde auswetzen können. Da das Schiff täglich
fuhr, so konnte nur allein der Sonnabend benutzt werden, um Versuche zur Abhülfe des
Uebels zu machen. An diesem Tage feierte das Schiff in jeder Woche, um allenthalben
nachgesehen und gereinigt zu werden. Wie wurde mir die Zeit von einem Sonnabend bis
zum andern oft zur Ewigkeit!?
Endlich hob ich alle Schwierigkeiten durch die oben schon erwähnte Exhaustion des
Dampfes der Maschine in den Schornstein. Dieß Mittel war radical, alle Calamitäten
erschöpfend.Es stellte so zu sagen die Pulverexplosionen in fortwährenden Wiederholungen
dar, wobei dem Ruß keine Ruhe blieb sich anzulegen. Der Kessel
producirte nun fast
jede Menge Dampf, und ich hatte die Freude, selbst dann noch fortwährend Dampf aus
dem Sicherheitsventile blasen zu sehen, wenn die Maschine mit voller Füllung des
Cylinders und mit 110 bis 120 Pfund Druck auf den Quadratzoll arbeitete. Der Ruß
wurde durch die fortwährenden Luftstöße durch den Ofen vollkommen zwischen den
Röhren herausgeworfen, und erst später fand sich eine Spur von demselben wieder, als
nach der vom Directorium eigenmächtig getroffenen Anordnung zweier additioneller
unbeweglicher Schaufeln an jedem Rade, die Maschine bedeutend weniger Umgänge
machte, also auch nicht so oft ausblies.
Man kann sich leicht vorstellen, wie ich mich freute, endlich das Räthsel so
befriedigend gelöst zu haben, und wie ich über diese Wirkung des Kessels erstaunte.
Seine Feuerberührungsfläche, circa 192 Quadratfuß, war
bei 8 Quadratfuß Rostfläche nun vermögend, fast doppelt so viel Dampf zu liefern als
der frühere Kessel unter denselben Umständen erzeugt hatte, obgleich der Zug im Ofen
nichts weniger als gebläseartig genannt zu werden verdiente, und er kaum die Stärke
des bei dem alten Kessel stattgehabten Zuges erreichte. Die Rostfläche war dabei
nicht vergrößert worden, und es wurde auch nicht mehr Brennmaterial verbraucht, im
Gegentheil hatte sich sein Verbrauch von 16 Schäffel (für eine große Reise) auf 12
bis 14 vermindert. Dabei machte die Maschine statt 40 bis 45 Hube deren 60 und mehr,
und zwar mit voller Füllung des Cylinders, während beim alten Kessel höchstens mit
halber Füllung gearbeitet werden konnte. Dieß war ein Resultat, welches meine
kühnsten Erwartungen übertraf und diesem neuen Kessel ein unvergängliches Denkmal
setzte. Meine Freude war ungemessen, wenn gleich im Ganzen vom Directorium wenig
getheilt. Daß ich nun den Sieg über alle seine verkehrten Maaßregeln davontrug, kam
ihm nicht ganz gelegen, und man suchte sich zum Theil dadurch zu entschädigen, daß
man diesem erfreulichen Ereignisse eine gewisse Flauheit und Bedenklichkeit
entgegensetzte, um meine Freude nicht zu sehr aufkommen zu lassen. Dieß war mir nun
allerdings sehr gleichgültig, blieb dessenungeachtet doch die Sache wie sie war, und
konnte man die Stimme des großen Publicums, welches mir im Ganzen günstig war, und
mir manche Theilnahme bezeugte, nicht unterdrücken. Auch durfte man mir wegen der
Versuche und der dazu verwendeten Zeit keine Vorwürfe machen, da ihretwegen das
Schiff keinen Tag seiner Fahrten eingestellt hatte, und ich die Versuche auf meine
alleinige Kosten vornahm.
Ich will jetzt noch untersuchen, wie viel Kraft die Maschine bei diesem neuen, in
allen seinen Theilen so wohlgelungenen Kessel äußere.
Durchmesser des Cylinders 9 Zoll.
Größe des Hubes 20 Zoll.
Umgänge durchschnittlich 55 in der Minute.
Mittlerer Druck im Kessel 105 bis 110 Pfd.
Bei einem Cylinderdurchmesser von 9 Zoll ist die Kolbenoberfläche, auf welche der
Dampf wirkt = 63,58 Quadratzoll. Diese mit einem Dampfdruck von nur 100 Pfd. auf den
Quadratzoll multiplicirt (denn der Cylinder arbeitet mit voller Füllung), gibt einen
Druck auf den Kolben von
63,58 × 100 = 6358 Pfd.
Die Geschwindigkeit des Kolbens ist pro
Minute:
= 2 × 20 × 55 Zoll = 2200 Zoll = 183,3 Fuß.
Das Kraftmoment der Maschine für die Minute ist also:
= 63,58 × 183,3 = 1164421,4.
Dieses Product mit 33000, dem Kraftmomente eines Pferdes pro Minute dividirt, gibt
1164421,4/33000 = 35,2 Pferdekräfte.
Dieses wäre nun aber der theoretische Effect der Maschine. Rechnen wir auf Reibungen
und andere Nebenhindernisse an derselben und den Rädern ⅓ oder etwas mehr von
diesem Effecte ab, so wäre der wirkliche Nutzeffect dem von 20 Pferden gewiß noch
reichlich gleich zu schätzen, zumal da der Zulaßhahn der Dämpfe nach der Maschine
hin immer ganz geöffnet erhalten wird.
Es ist sehr zu bedauern, daß unter solchen Umständen die Maschine nicht einen
Dampfcylinder von größerm Durchmesser hat, so daß man sie expansiv, wie der
anfängliche Plan war, arbeiten lassen kann. Sie würde unter solchen Umständen mit
demselben Brennmateriale noch wenigstens um ein Drittel, ja wohl um die Hälfte mehr
als jetzt geleistet haben, wo denn aber auch die Schaufeln nothwendigerweise hätten
vergrößert werden müssen, die bei der jetzigen Kraft der Maschine schon viel zu
klein sind. Man vergleiche hier das, was ich über diesen Gegenstand schon oben
gesagt habe.Es ist jetzt (½ Jahr nach Schreibung der vorliegenden Abhandlung), da
das Schiff in andere Hände übergegangen ist, alle Aussicht zur Realifirung
des Ebengesagten vorhanden. Das Schiff wird schon um 15 Fuß verlängert, und
ich habe einen Plan entworfen, die Schaufeln zu vergrößern, ohne die
Räderkasten breiter machen zu müssen. Vielleicht daß die Maschine später
auch einen Dampfcylinder von größerm Durchmesser erhält, da ich jetzt schon
das Gestell derselben zu verstärken Gelegenheit gefunden habe. Die Resultate
aller dieser Verbesserungen werde ich dann zu seiner Zeit
mittheilen.
Nach dieser geschichtlichen Darstellung meines ersten Dampfschiffbaues habe ich nur
zwei Hauptpunkte des Contractes nicht ganz erfüllt, d. h.
1) ich habe das Schiff nicht zur rechten Zeit abgeliefert;
2) es hat einen größern Tiefgang als den im Contracte angegebenen und dieserhalb
nicht ganz die versprochene Geschwindigkeit.
Was den ersten Punkt anbelangt, so hatte ich mir im Contracte die Clausel reservirt,
daß wenn unvorhergesehene, von mir nicht gleich zu ändernde Unfälle eintreten
würden, die den Bau und die Ablieferung verzögerten, ich von der Pön befreit seyn
solle. Von den damals speciell zur Sprache gekommenen Unfällen war aber nur ein
einziger nicht eingetreten, ich war beim Bau nicht erkrankt, sondern die ganze Zeit
desselben (wunderbarerweise!) gesund geblieben.
Die Ursachen eines größern Tiefganges habe ich aber ausführlich angegeben; derselbe
hat im vorletzten Sommer, wo unsere Canäle zwar auch ungewöhnlich seicht waren, wie
oben schon bemerkt ist, keinen Nachtheil geübt, anders war es aber in diesem Sommer.
So ein Wassermangel tritt hier aber so selten ein, daß die ältesten Leute sich
dessen nicht zu erinnern wissen. Ich wohne nun auch schon 7 Jahre in Plau, und noch
nie war, außer im vorletzten und letzten Sommer, über Wassermangel die mindeste
Klage. Auch noch jetzt, während ich dieß schreibe (es ist Ende Novembers 1847), hat
der Wasserstand eher ab-als zugenommen, die am Canal liegenden Mühlen stehen
fast sämmtlich still, und die Canalschifffahrt ist ganz gestört. Die Kähne können
mit ⅓ Ladung kaum mehr in die Schleußen einlaufen, und immer scheint noch gar
keine Aussicht auf Regen zu seyn.
Wie wenig das Schiff an gesetzlicher Geschwindigkeit trotz des größern Tiefganges und
der zu geringen, diesem größern Tiefgange entsprechenden Kraft der Maschine
verliere, habe ich oben genugsam auseinandergesetzt.
Für diese beiden Mängel des Schiffes habe ich aber wieder manche Tugenden desselben
in die Waagschale zu legen, die nicht in den mir gemachten Bedingungen lagen, viel
weniger noch unter die gewöhnlichen Eigenschaften eines Dampfschiffes gerechnet
werden können, und die allein aus der neuen und zweckmäßigen Construction dieses
Schiffes, seiner Maschinen und Räder hervorgehen. Von diesen will ich nur folgende
anführen:
1) Die Sicherheit und Solidität des Schiffes in Stürmen und bei hohem Wellengange.
(Man vergleiche hier, was ich oben darüber gesagt habe.)
2) Die reguläre Arbeit der Räder und der Maschine während Einwirkung derselben. (Ich
habe oben diesen Vorzug besonders hervorgehoben und erläutert.)Auf einer Dampfschifffahrt, die ich einmal von Dower nach Calais machte, und
wo es nicht mehr oder weniger stürmte, als auf unsern großen Seen, gingen
Räder und Maschinen so unregelmäßig, daß sie oft momentan ganz stillstanden.
Zudem brauchten wir zu der Reise, die bei gutem Wetter in 3 bis 3½
Stunden gemacht wird, 6 volle Stunden.
3) Der wenige Verlust an Zeit bei der Fahrt, also an Geschwindigkeit, bei widrigen
Stürmen und bösem Wetter.
4) Der äußerst sanfte und ruhige Gang des Schiffes, ohne alle Erschütterung, ohne
alles Zittern.Diese Erschütterung und dieses Zittern ist auf manchen Schiffen so groß, daß
die Getränke aus den Gläsern geschleudert werden. Als ich einmal von Hamburg
nach Harburg auf dem Phönix fuhr, rieth mir der Marqueur, der mir ein Glas
Wein bringen mußte, das Glas in der Hand zu behalten, weil ich in dem Falle,
daß ich es auf den Tisch setzte, nicht viel Wein darin behalten
möchte. (In diesen drei letzten Punkten läßt es vorzugsweise alle
andern gewöhnlich construirten Dampfschiffe weit hinter sich, und sind diese Vorzüge
von allen Reisenden, die auf demselben fuhren, und die Unvollkommenheiten anderer
Dampfschiffe in dieser Beziehung viel erfahren hatten, besonders hervorgehoben
worden.Ich war oft im Stillen Zeuge des Lobes des Schiffs, indem mich die Passagiere
nicht kannten. Dieß Lob konnte als um so unparteiischer angesehen
werden.
5) Hat die Maschine eine größere Kraft als im Contracte stipulirt ist, ohne
verhältnißmäßig mehr an Brennmaterial zu gebrauchen.
6) Sind die Räder so stark, daß sie selbst bei heftigen Stürmen und großem
Wogendrange nie einen Unfall erlitten.Ich habe mehrere Dampfschifffahrten von Hamburg nach London und zurück
gemacht, wo wir trotz ruhiger See und bei schönem Wetter doch jedesmal
einige Radschaufeln einbüßten. In unsern an den Bollwerken sehr seichten
Canälen und bei unsern flachen Landungsplätzen würden, so bin ich überzeugt,
gewöhnliche Räder auf jeder Reise mehr oder weniger große und umfassende
Verletzungen erleiden. Die Räder unseres Schiffes sind nur einigemale an den
Schaufeln verbogen worden, als sie damit über seichten Stellen auf große
Steine stießen.
7) Theilt das Schiff mit seinem Körper die Wellen so vortheilhaft, daß noch nie eine
Gefahr für die niedrig über dem Wasser gelegenen Fenster desselben entstanden
ist.Es hat mir immer Vergnügen gemacht, mich bei hoher See und kurzen Wellen an
den Vordersteven zu stellen, und zuzusehen, wie schön der Vordertheil seines
Körpers die Wellen theilt und zur Seite wirft. Und dennoch habe ich viel
Schwierigkeiten beim Directorium gefunden, mit dieser Construction
durchzudringen, als ich ihm meinen Plan dazu vorlegte.
8) Ist das Schiff hinsichtlich seines Conforts und seiner Bequemlichkeit viel schöner
eingerichtet als erwartet wurde. Dasselbe gilt von seiner äußern und innern
Eleganz.
9) Die Decke fassen weit mehr Passagiere als stipulirt ist, das Schiff ladet also
überhaupt viel mehr Passagiere als Bedingung war.Es sollen einmal über 70 Passagiere darauf gefahren seyn.
10) Das Schiff leistet auch als Schleppschiff für große Canalkähne und Floßholz
vortreffliche Dienste. Die Erfahrung hat hierüber hinreichend entschieden.
So viel von diesem ersten in Mecklenburg gebauten Dampfschiffe, diesem ersten
Dampfschiffe von solcher neuen eigenthümlichen Construction. Bin ich in seiner
Beschreibung und der Geschichte seines Baues etwas weitschweifig gewesen, so wird
mich derjenige meiner Leser, der sich wahrhaft für den Fortschritt interessirt,
deßhalb, so bin ich überzeugt, gerne entschuldigen, indem er manches Interessante
für sich darin finden dürfte. Möge er bei Lesung der Schicksale, die ich dabei
verdient oder unverdient erfuhr, mir in Gedanken einen theilnehmenden deutschen
Händedruck nicht verweigern und die Lehren, die darin liegen, wohl beherzigen. Ich
war ein Kämpfer für die Wahrheit, von dem besten, uneigennützigsten Willen beseelt,
einen innern, unwiderstehlichen Drang fühlend, auch in diesem Felde meine Kräfte zu
versuchen, meine Feile anzulegen, als solchen behalte er mich immer unter allen
Wechselfällen, allen Schwierigkeiten und Hindernissen, allen Drangsalen und
Demüthigungen dieses Baues vor Augen. Er wird dann die große Wahrheit auch hier
bestätigt finden, daß der Wohlmeinende selten Anerkennung finde, daß man den guten
Willen eines Fortstrebenden nur zu einer unerträglichen, erdrückenden Last für ihn
zu machen suche, daß herzliches, uneigennütziges Entgegenkommen nur Prätension
errege, und freundliches Bemühen, durch Nachgiebigkeit eine wichtige Sache zu
fördern, nur Demüthigungen zur Folge habe.
Glaubt das Directorium, daß ich es in den vorliegenden Zeilen zu scharf beurtheilt,
zu heftig angegriffen habe, nun so möge es seine Vertheidigung vor dem nämlichen
Publicum liefern, wo ich es angeklagt habe, um mir die schuldige öffentliche
Gerechtigkeit zu verschaffen; denn mein Schiff ist ein öffentlicher zur Schau
gestellter Gegenstand der Beurtheilung des Publicums, und meine Künstlerehre ist
mein Leben, ein mit tausend schweren Opfern mir errungenes Gut, welches ich bis auf
den letzten Blutstropfen zu vertheidigen schuldig bin. Ich meine mich nicht geschont
zu haben, wenigstens habe ich alles, was in meiner Erinnerung von meinen begangenen
Fehlern und Mißgriffen lebt, offen gestanden und ohne Hehl aufgedeckt, habe nirgends
Scheingründe gesucht,
sie zu bemänteln und zu beschönigen, und gerne werde ich es sehen, wenn das
Directorium, da wo ich etwas Nachtheiliges und Tadelnswerthes in Absicht auf die
Durchführung des Baues unternommen habe, mich öffentlich daran erinnert. Seit ich
öffentlich aufgetreten bin, der Welt einen Theil meiner Unternehmungen, gelungene
und nicht gelungene mitgetheilt; seit ich versprochen habe dieß ferner zu thun, ist
es mir auch eine heilige Pflicht geworden, über diesen Schiffbau, als eine der
gewagtesten, aber auch interessantesten technischen Unternehmungen meines Lebens,
öffentliche Mittheilung zu machen, bin ich es meinen Lesern schuldig geworden, über
das Gelingen oder Nichtgelingen desselben Rechenschaft zu geben, und dabei alle
Motive meines Wirkens und die Hindernisse, die sich ihm entgegengestellt haben,
nicht allein klar vorzulegen, sondern auch als Mensch und als Künstler gehörig zu
würdigen; auch bin ich den Herren Actionären unserer Dampfschifffahrtsgesellschaft,
die entfernt von hier leben, einige Rechenschaft über meine in ihrem Interesse
gehabte Bemühungen schuldig.
Mögen diejenigen im Directorium, die es vorzogen zu schweigen und sich
zurückzuziehen, wo das Handeln ihr Gerechtigkeits- und Zartgefühl beleidigte,
diese scharfe Beurtheilung nicht auf sich anzuwenden sich versucht fühlen, sondern
überzeugt seyn, daß mir keine ihrer ehrenhaften Ansichten und Gefühle entgingen, und
daß ich ihrer hier eben so dankbar öffentlich gedenke, als ihr Name in den Annalen
der Erfindungen einen ehrenden Platz verdienen dürfte.
Und sollte das Directorium auch glauben, mir alles und jedes Verdienst in Beziehung
auf die Dampfschiffangelegenheit absprechen zu müssen, so dürfte es doch in einem
Punkte mit mir einverstanden seyn, nämlich in dem, daß Plau ohne mich noch lange
kein Dampfschiff von seinen Thoren über die Seen gesendet hätte, und daß man ohne
mich bis jetzt und gewiß noch für manche Jahre eines Verkehrsmittels entbehrt hätte,
welches neben den Annehmlichkeiten, die es beut, auch der Stadt Plau einen Namen
machte, ihr viele und manche Vortheile zuwendete, und jetzt schon zu einem wahren
Bedürfnisse für das Publicum geworden ist.
(Der Schluß folgt im nächsten Heft.)