Titel: | Die Zersetzung des Wassers in seine gasförmigen Bestandtheile durch bloße Wärme, nach Grove. |
Fundstelle: | Band 109, Jahrgang 1848, Nr. LIII., S. 289 |
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LIII.
Die Zersetzung des Wassers in seine gasförmigen
Bestandtheile durch bloße Wärme, nach Grove.
Im Auszug aus dem Bulletin du Musée de l'Industrie
belge.
Grove, über die Zersetzung des Wassers durch Wärme.
Wenn man die zwei Pole einer kräftigen galvanischen Batterie mittelst eines dünnen
Platindrahts verbindet, wird derselbe bald heiß und glühend. Die entstehende Hitze
ist so groß, daß das Platin endlich zum Schmelzen kommt.
Ueberzeugt, daß ein so hoher Wärmegrad die Gase ebenso zur Vereinigung disponiren muß
wie die Elektricität, versuchte der ausgezeichnete englische Physiker Grove davon eine Anwendung zur Eudiometrie zu machen.
Sein Apparat hiezu bestand lediglich in einer Glasglocke (einem oben geschlossenen
Glascylinder), durch dessen oberen Theil ein dünner Platindraht ging, welcher gut
eingeschmolzen war; damit aber das Glas in Berührung mit dem weißglühenden Draht
nicht erweichen konnte, versah er die Glocke mit einem Muff, welchen er mit kaltem
Wasser oder Oel füllte.
Nachdem Grove in seinen Eudiometer ein bestimmtes Volum
ganz reinen und trockenen Wasserstoffgases gebracht hatte, beobachtete er, daß
dasselbe sich beim Durchgang des galvanischen Stroms merklich zusammenzog. Diese
Zusammenziehung findet jedesmal statt, wie auch das Wasserstoffgas dargestellt
worden seyn mag, nur blieb sie sich nicht immer gleich: sie wechselte von 1/10 bis
zu 1/30 des Gesammtvolums.
Ueber die Ursache dieser Volumsverminderung stellt Grove
zweierlei Hypothesen auf: entweder ist sie der Bildung einer geringen Menge Wasser
zuzuschreiben, woraus folgen würde daß das Wasserstoffgas niemals chemisch rein ist,
sondern zwischen 1/30 und 1/90 seines Volums Sauerstoff enthält, wir daher auch sein wahres
Atomgewicht nicht kennen; oder die beobachtete Volumverminderung hängt mit der
merkwürdigen Eigenschaft des Platins, die Gase an seiner Oberfläche zu verdichten,
zusammen.
Grove hat mittelst seines Eudiometers noch zwei andere
Versuche angestellt, deren diametral entgegengesetzte Resultate ihn auf die
Entdeckung der Zersetzung des Wassers durch Wärme
leiteten.
Als der Platindraht in einem Gemisch gleicher Volume Kohlensäure und Wasserstoff
glühend gemacht wurde, verminderte sich das Gasvolum auf die Hälfte; es bildete sich
Kohlenoxyd und flüssiges Wasser.
Als umgekehrt eine bestimmte Menge Kohlenoxydgas über Wasser in den Eudiometer
gebracht und dann derselbe Draht glühend gemacht wurde, dehnte sich das Volum um ein
Drittel aus; es bildete sich Kohlensäure und Wasserstoff.
Aus der merkwürdigen Umkehrung der Verwandtschaften unter so analogen Umständen
schloß Grove keineswegs, daß das Platin ein specifisches
Vermögen besitzt, bald Verbindungen zu bewirken, bald solche zu trennen; sondern er
nahm an, daß das Platin das chemische Gleichgewicht aufhebt und schrieb der
Verschiedenheit in der Temperatur des Drahts die Verschiedenheit der erhaltenen
Resultate zu. Da sich bekanntlich gewisse Verbindungen, z. B. das Quecksilberoxyd,
bei einer gewissen Temperatur bilden und bei einer andern zersetzen, so darf man
wohl annehmen, daß das Wasser, welches sich beim Wärmegrad des ersten Versuchs
bildete, sich beim höheren Wärmegrad des zweiten Versuchs zersetzen konnte.
Um über die Richtigkeit dieser Annahme ins Reine zu kommen, stellte Grove eine Reihe von Versuchen an.
Indem er seinen eudiometrischen Apparat zu diesem Zweck ein wenig abänderte und eine
starke Batterie anwandte, welche den Platindraht bis nahe auf seinen Schmelzpunkt
bringen konnte, gelang es ihm mit der kleinen Menge Luft, welche das Wasser stets
enthält, die zwei gasförmigen Bestandtheile desselben, den Sauerstoff und
Wasserstoff, zu erhalten.
Nun entstand aber die Frage, ob der galvanische Strom, welcher bei diesem Versuch
sehr intensiv ist, nicht als die unmittelbare Ursache der beobachteten Erscheinung
betrachtet werden kann, so daß die Zersetzung des Wassers eine rein elektrolytische
ist? Um diesem Einwand zu begegnen, zerschnitt Grove den
Draht, so daß er zwei Pole erhielt, zwischen welchen sich das Wasser selbst befand.
Hiebei mußte der Strom durch die Flüssigkeit dringen und dieselbe um so leichter
zersetzen, wenn er in
obigem Falle wirklich die Ursache der Wasserzersetzung war. Dieß geschah aber
keineswegs: es fand gar keine Zersetzung statt, wenn man ganz reines destillirtes
Wasser anwandte, welches bekanntlich durch eine Säule von zwei Elementen nicht
zersetzt werden kann.
Dieser Versuch hätte hingereicht um die Zweifel zu heben und die wahre Ursache der
Erscheinung festzustellen: Grove begnügte sich aber damit
nicht. Vollkommen überzeugt, daß das Wasser durch bloße Wärme zersetzt werden kann,
stellte er verschiedene Versuche an, bei welchen jede galvanische Wirkung
ausgeschlossen war. Die zwei folgenden gelangen vollständig.
Er schmolz an das Ende eines Platindrahts (mittelst eines Gaslöthrohrs) einen Knopf
von der Größe eines Pfefferkorns und tauchte ihn ganz weißglühend in gekochtes
destillirtes Wasser von 98° C., über welches eine mit demselben Wasser
gefüllte Röhre gestürzt war. Dabei stellten sich die so merkwürdigen Erscheinungen
ein, worüber bekanntlich Boutigny eine gründliche
Untersuchung angestellt hat,Polytechn. Journal Bd. LXXXIII S. 157 und Bd. CIV S.
78. In seiner zuletzt der französischen Akademie der
Wissenschaften eingereichten Abhandlung (Comptes
rendus, März 1848, Nr. 10) bezeichnet Boutigny folgende fünf Eigenschaften als charakteristisch für den
sphäroidischen Zustand der Körper:1) die runde Gestalt welche eine Substanz auf einer bis zu einer gewissen
Temperatur erhitzten Fläche annimmt;2) die permanente Entfernung welche zwischen dem im sphäroidischen Zustand
befindlichen Körper und dem ihn in denselben versetzenden Körper
besteht;3) die Eigenschaft die strahlende Wärme zu reflectiren;4) das Aufhören der chemischen Wirkung;5) die fixe Temperatur der Körper im sphäroidischen Zustand.Hienach schlägt er folgende Definition vor: ein auf eine heiße Fläche
geworfener Körper ist im sphäroidischen Zustand, wenn er eine zugerundete
Form annimmt und sich auf dieser Fläche über dem Radius der physischen und
chemischen Thätigkeits-Sphäre erhält; er reflectirt dann den
strahlenden Wärmestoff und seine Molecule sind bezüglich der Wärme in einem
beständigen Gleichgewichts-Zustand, das heißt auf einer
unveränderlichen Temperatur oder einer solchen die nur in engen Gränzen
wechselt. nämlich: 1) ein starkes Brausen, von Gasentbindung
begleitet; 2) ein Augenblick vollständiger Unwirksamkeit, nämlich der sphäroidische Zustand des Wassers, oder das merkwürdige
Schauspiel eines rothglühenden Kügelchens in einem ruhigen Wasser; 3) endlich eine
plötzliche Dampferzeugung, in dem Augenblick wo nach hinreichend gesunkener
Temperatur des Platinknopfes das Wasser den sphäroidischen Zustand verließ, um
wieder in den gewöhnlichen Zustand überzugehen.
Das Eintauchen des Metallknopfs wurde öfters wiederholt, indem man ihn jedesmal in
der Flamme eines Gaslöthrohrs weißglühend machte. Es sammelte sich hiebei unter der
Glocke eine gewisse Menge Gas, welches zu 80 Proc. aus einer Mischung von Sauerstoff und Wasserstoff im
Verhältniß der Wasserbildung bestand.
Das Wasser war also zersetzt worden; um aber auch eine continuirliche und regelmäßige
Entwicklung der beiden Gase zu erzielen, wandte Grove
folgenden Apparat an:
Er verband zwei silberne Röhren von 12 Centimeter Länge und 1 Cent. Durchmesser durch
zwei kleine Kappen mit einer sehr engen Platinröhre (welche er erhielt, indem er
einen Platindraht von 4 Millimeter Durchmesser in seiner ganzen Länge durchbohrte,
so daß die cylindrische Höhlung die Dimension einer starken Stecknadel besaß). Die
eine der silbernen Röhren war am Ende verschlossen, die andere mit einer Röhre
verbunden welche die Gase unter eine Glocke leitete.
Er erhitzte zuerst die zwei silbernen Röhren, um das Wasser zum Kochen zu bringen und
die enge Platinröhre mit Dampf zu füllen. Dann richtete er auf letztere die
intensive Flamme des Gas-Löthrohrs, bis das Platin auf eine seinem
Schmelzpunkt nahe Temperatur erhitzt war. Es erfolgte bald eine continuirliche
Entbindung von permanentem Gas, welches sich bei der Analyse als ein Gemisch von 70
Theilen Sauerstoff-Wasserstoff und 30 Theilen Stickstoff erwies.
Dieser Stickstoff kommt von der Luft her, wovon man das Wasser unmöglich ganz
reinigen kann und welche gewissermaßen als ein unentbehrlicher Kern für die Bildung
seines Dampfes zu betrachten ist. Grove glaubt, daß ein
Wasser welches man als vollständig seiner Luft entledigt betrachten könnte, nicht
die gewöhnlichen physischen Eigenschaften besäße; es würde nicht mehr bei
100° E. sieden und die nur langsam sich bildenden Dampfblasen würden Stöße
bewirken, welche das Brechen der Gefäße zur Folge haben könnten.Prof. Donny fand durch eine Reihe sorgfältig
angestellter Versuche (polyt. Journal Bd.
CV S. 443):1) daß ein merklicher Unterschied stattfindet zwischen dem Siedepunkt des
Wassers welches Luft enthält, und des von Luft befreiten Wassers;2) daß wenn Wasser von Luft möglichst befreit ist, die Cohäsion seiner Molecule so zunimmt, daß eine höhere Temperatur
erforderlich ist um sie zu überwinden und folglich der Siedepunkt bedeutend
erhöht wird.Er bewies, daß wenn luftbefreites Wasser einer hinreichenden Temperatur
ausgesetzt wird, um die Cohäsionskraft der Molecule zu überwinden, eine so
augenblickliche und bedeutende Dampferzeugung stattfindet, daß eine
Explosion entsteht; da nun lange kochendes Wasser immer mehr von Luft
befreit wird, so erklärt Donny das plötzliche
Bersten der Dampfkessel durch dieselbe Ursache.
Die Zersetzung des Wassers durch bloße Wärme bei den zwei vorhergehenden Versuchen
ist eine wichtige Thatsache. Bei der Zersetzung des Wassers durch die galvanische
Elektricität werden bekanntlich die Elemente desselben niemals an der Stelle selbst frei, wo
ihre Trennung erfolgt, sondern jedes wird an einen besondern Pol übergeführt; bei
der Zersetzung des Wassers durch die Wärme werden hingegen die zwei Elemente
desselben unmittelbar und gleichzeitig frei, sobald das Platin denjenigen Hitzegrad
erreicht hat, wo die Mischung der beiden Gase beständiger ist als ihre
Verbindung.
Dieser Umstand, daß die Wärme das Wasser zersetzt, aber seine beiden gasförmigen
Bestandtheile nicht von einander trennt, kann die technischen Anwendungen dieser
merkwürdigen Eigenschaft einige Zeit verzögern; ohne Zweifel wird sie aber in der
Folge zu mehreren Zwecken benutzt werden, namentlich zur Beleuchtung.
In rein wissenschaftlicher Hinsicht ist Grove's Entdeckung
nicht weniger interessant: wir wissen nun, daß das Wasser bei einer gewissen
Temperatur weder in flüssigem noch in dampfförmigem Zustand mehr bleiben kann,
sondern sich in seine Bestandtheile auflöst. Möglich wäre es allerdings, daß seine
Zersetzung durch den gemeinschaftlichen Einfluß des Platins und der Wärme erfolgt.
Bisher wußte man aber nur, daß das Platin Gase verdichtet und ihre Vereinigung
begünstigt; übrigens erfolgte die Zersetzung des Wassers auch in einer Röhre welche
aus einer Legirung von Osmium und Iridium bestand.