Titel: | Neues Dampfmaschinen-System von James Sims, Civilingenieur in Redruth (England). |
Fundstelle: | Band 109, Jahrgang 1848, Nr. LVII., S. 332 |
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LVII.
Neues Dampfmaschinen-System von James Sims, Civilingenieur in
Redruth (England).
Aus dem Mechanics' Magazine, 1848, Nr.
1284.
Mit Abbildungen auf Tab.
VII.
Sims' Dampfmaschinen-System.
Seit langer Zeit wurde keine Verbesserung an Dampfmaschinen gemacht, welche so
bemerkenswerth gewesen wäre, als diejenige, welche sich Hr. Sims am 9. März 1847 für England
patentiren ließ. Derselbe hat sich bereits als Dampfmaschinenbaumeister sehr
ausgezeichnet, wie dieß
seine Expansionsmaschinen mit doppeltem Kolben und seine noch unübertroffenen
Veränderungen an Wasserhaltungsmaschinen beweisen. Seine gegenwärtige Maschine
übertrifft jedoch weit alle seine früheren großen Leistungen. Hr. Sims behauptet durch seine neue, unten zu beschreibende
Constructionsweise in den Stand gesetzt zu seyn, bei demselben Kohlenverbrauche und
derselben erzeugten Dampfmenge eine weit größere Wirkung hervorzubringen, als dieß
bisher der Fall war. Sein Mittel um dieß zu erreichen besteht darin, Gewichte nach
einem gewissen Gesetze zu heben, so daß diese beim Niedersinken dann selbst
mitarbeiten. Der Dampf wirkt dabei durch Expansion, und zwar kann diese bis zur
äußersten Gränze getrieben werden. Der Dampfverbrauch ist auf diese Weise auf das
allergeringste Quantum, welches sich aller Wahrscheinlichkeit nach erzielen läßt,
heruntergebracht. Die Vorrichtung des Dampfes in dieser Maschine besteht einfach
darin, gewisse Gewichte zum Mittelpunkt der Bewegung hin und von demselben hinweg zu
schieben. Die Kraft der Maschine hängt in gewissen Lagen der Gewichte hauptsächlich
von der Schwere derselben ab. Das neue System kann sowohl bei Maschinen, durch
welche man eine drehende Bewegung hervorbringen will, angewandt werden, als auch bei
Maschinen, an welchen die abwechselnde Bewegnng des Kolbens beibehalten wird, wie
dieß aus dem Folgenden deutlich hervorgehen wird.
Meine Erfindung, sagt Hr. Sims, bezieht sich erstens auf die Classe von Dampfmaschinen, durch welche
man eine rotirende Bewegung erhalten will, und hat den Zweck, die Construction
solcher Maschinen zu vereinfachen, dadurch die Anschaffungskosten zu verringern, und
dabei einen größern Nutzeffect zu erzielen, als es mit den bisherigen Maschinen
möglich war. In Fig.
1, 2
und 3 stellte
ich so viel von einer Hochdruckdampfmaschine nach meiner Construction dar, und zwar
für diese erste Classe von Maschinen, als nöthig ist, um ihr Princip zu erklären,
und zu zeigen, auf welche Weise dieselbe wirkt. Fig. 6 ist eine Ansicht
der Maschine, Fig.
7 ein Querschnitt nach der Linie a b in Fig. 6, und
Fig. 8 ein
Grundriß derselben.
A ist ein Dampfcylinder, welcher in der Mitte eines
Schwungrades w angebracht ist. An die beiden
gegenüberstehenden Seiten des Cylinders A ist eine
zweitheilige Achse S, d. h. eine Achse welche durch den
Cylinder unterbrochen wird, entweder angegossen, oder auf irgend eine andere Weise
befestigt (wie bei oscillirenden Maschinen). Die Speichen oder Arme a, a, a und c, c, c des Schwungrades gehen von Armschuhen oder Ansätzen
B, B aus, welche an die
gegenüberstehenden Seiten des Cylinders A befestigt oder
angegossen sind. P ist ein Kolben, welcher wie bei den
gewöhnlichen Maschinen in den Cylinder paßt; er hat jedoch auf jeder seiner Seiten
eine Kolbenstange, welche abwechslungsweise arbeiten, und durch zwei Stopfbüchsen
gehen, die am Deckel und Boden des Cylinders angebracht sind. R′, R″ sind Querstücke oder
Kolbenstangenköpfe, welche auf die Enden der Stangen aufgekeilt sind und an den
Armen c, c hin und her
gleiten, so daß diese Arme die Führung für die Kolbenstangen abgeben. Deßhalb sind
sie auch parallel zur Kolbenstange und in gleichen Entfernungen von derselben
gestellt. D′, D″ sind schwere Gewichte, welche an den Kolbenstangenköpfen R′, R″
befestigt und mit Leitrollen I′, I″ versehen sind, die abwechslungsweise in der
parabolischen Bahn K laufen.
H ist eine Dampfröhre oder Canal, welcher mit an den
Cylinder gegossen ist, und zu den beiden Seiten des Kolbens führt. Die oben erwähnte
Achse S ist hohl gegossen und der Länge nach in zwei
besondere Löcher x, y
abgetheilt, von denen das eine den Dampf durch den Canal H in den oberen, das andere in den unteren Cylinderraum führt. E ist die Dampfzusührungs- und F die Abzugs-Oeffnung. Dieselben bestehen in
länglichen Schlitzen, welche in dem Lager der Achse S
angebracht sind. Die Lager selbst stehen auf zwei Ständern oder Trägern G′, G″, welche
auf das Fundament M der Maschine befestigt sind. Die
Maschine wird nun auf folgende Weise in Gang gesetzt.
Denken wir uns die Maschine in Ruhe, und die Klappe oder den Hahn, welcher den
Zutritt des Dampfes zu der Oeffnung E regulirt, geöffnet
(wobei die Austrittsöffnung gegen das Abzugsrohr frei bleibt), so gelangt der Dampf
augenblicklich unter den Kolben und hebt denselben aufwärts. Mit dem Kolben gehen
aber auch die durch Querstücke mit der Kolbenstange verbundenen Gewichte D′, D″. Sobald
die Leitrolle I′, welche an dem Gewichte, das
sich am oberen Ende der Kolbenstange befindet, angebracht ist, in Berührung mit der
parabolischen Bahn K kommt, so lenkt sie nicht bloß den
Kolben in der Bahnrichtung ab, sondern bringt auch das obere Gewicht außer die
Senkrechte, die durch die Mitte der Achse geht, und zwar in derselben Richtung, in
welcher sich die Kolbenstange bewegt, wobei nun zu gleicher Zeit auch das untere
Gewicht bis zur Achse gehoben wird. Da der Kolben seinen Hub vollendet, so bringt er
den oberen Gewichtsblock D′ bis zum Ende der
Führungsarme, und nun dient das Gewicht vermöge seiner Schwere, verbunden mit dem
durch die Kolbenbewegung dem Schwungrade gegebenen Impulse dazu, letzteres noch bis
zum Ende einer halben Umdrehung fortzubewegen. Hat das Schwungrad eine halbe
Umdrehung gemacht, so
steht der Cylinder so, daß er aufs neue Dampf aufnehmen kann, wodurch dann die
nämliche Operation wiederholt, und eine ganze Umdrehung hervorgebracht wird.
Natürlich macht die Maschine eine beliebige Anzahl von Umdrehungen ganz auf dieselbe
Weise, so lange ihr nämlich Dampf zugeführt wird. Es ist zu bemerken, daß durch die
Führungsbahn die Gewichtsblöcke verhindert werden bei ihrem Laufe mit dem Radkranze
zusammen zu stoßen. Die Führungsbahn ist jedoch nicht durchaus unentbehrlich,
sondern nur da, wo die Maschine mit verschiedenen Gewichten versehen ist, und sie
kann füglich bei allen solchen Maschinen weggelassen werden, von denen eine stetige
und gleichförmige Wirkung verlangt wird. Im letzteren Falle wird es gut seyn, auf
der innern Seite des Radkranzes zwischen den Armen c,
c zwei Kissen oder Buffer L, L von Kautschuk oder Gutta-percha
anzubringen, um den Radkranz vor einem zufälligen Aufschlagen der Gewichte zu
schützen.
Die Gewichtsblöcke müssen immer ein gewisses Verhältniß zu dem Hauptdrucke haben, den
der Dampf auf den Kolben ausübt, oder mit andern Worten, der Dampfdruck sollte immer
gerade hinreichend seyn beiden Gewichten so lange das Gleichgewicht zu halten, bis
das eine derselben für den Augenblick vorherrschend wird und sich nun in der
Richtung des Rades neigt. Das Volumen der Blöcke kann indeß dadurch bedeutend
verkleinert werden, daß man sie hohl gießt und dann mit Blei ausfüllt.
Um irgend einen Uebelstand zu vermeiden, welcher aus der Vergrößerung des Cylinders
und Rades hervorgehen möchte, wenn nämlich die Maschine für eine größere Kraft
bestimmt seyn soll, könnte man zwei, drei oder mehrere Räder von mittlerer Größe auf
einer einzigen Achse anbringen, oder es könnten sich zwei oder mehrere Cylinder in
einem einzigen Rade befinden; diese müßten im Verhältnisse zu ihrer Anzahl Winkel
von gewisser Größe mit einander einschließen; wenn z. B. zwei Cylinder angewandt
werden sollten, müßten sie unter 90° zu einander gestellt seyn, oder unter
60°, wenn man drei Cylinder haben wollte. Die Kraft der Maschine oder der
Maschinen kann entweder durch die Achse fortgepflanzt werden, oder durch Riemen,
welche über das oder die Schwungräder gelegt werden, und sollte eine abwechselnd
geradlinige Bewegung verlangt seyn, so kann dieselbe durch irgend eines der
bekannten Mittel hervorgebracht werden.
Diese Art Maschinen eignet sich insbesondere für Hochdruckdampf mit Expansion, da
kein Hinderniß vorhanden ist, dieselbe bis zur äußersten Gränze zu treiben; jedoch kann
die Maschine auch mit Condensation arbeiten, wenn man nämlich die Dampfabzugsröhre
in einen Condensator führt, welcher mit einer Luftpumpe versehen ist.
Die durch die Zeichnungen dargestellte Maschine ist so construirt, daß sie nur in ein
und derselben Richtung laufen kann; sollte es aber gewünscht werden, daß dieselbe
sich beliebig rückwärts und vorwärts steuert, so kann dieß leicht dadurch
bewerkstelligt werden, daß man auf der entgegengesetzten Seite des Rades eine zweite
parabolische Bahn anbringt, und nun irgend eine passende Vorrichtung anwendet, um
die Leitrollen von einer Bahn auf die andere zu bringen.
Meine Erfindung bezieht sich zweitens auf die Construction
von absetzend wirkenden Maschinen, und zwar wende ich dasselbe Princip an, wie bei
der oben beschriebenen Maschine mit rotirender Bewegung. Der Dampf verschiebt
nämlich auch hier Gewichtsblöcke so, daß sie sich dem Mittelpunkte der Bewegung
nähern und von demselben entfernen, und die Wirkung der Maschine hängt dann von der
Schwere der Blöcke ab, wenn dieselben in gewisse Lagen gebracht sind.
Fig. 4 stellt
die Seitenansicht einer Wasserhaltungsmaschine nach diesem Princip dar. B ist der Balancier, dessen Achse sich in den Lagern B″ dreht, welche auf Lagerböcken C, C ausruhen. A ist ein Dampfcylinder (durch punktirte Linien
dargestellt), welcher zwischen den beiden Balancierhälften liegt und an denselben
befestigt ist. Der Kolben, welcher sich von einem Ende des Cylinders bis zum andern
bewegt, wie dieß bei den gewöhnlichen Maschinen der Fall ist, hat eine Kolbenstange
E, die durch eine Stopfbüchse F an einem Cylinderende geht, und an ihrem äußersten Ende ein Querstück
G trägt. D′ und
D″ sind zwei Gewichte, welche etwas seitwärts liegen, und durch eine eiserne
Stange I mit einander vereinigt sind. Letztere ist mit
Rädern versehen, die auf Schienen laufen, welche an die beiden Balancierhälften
entweder befestigt oder angegossen sind. Das Querstück G
auf der Kolbenstange ist mit dem Gewichte D″
verbunden, welches der Pumpenstange zunächst liegt. Auf diese Weise wird jede
Bewegung des Kolbens den Gewichten mitgetheilt. Der Dampf gelangt durch eine
Oeffnung in dem einen Balancierlager unter den Kolben, und der Einführungsschieber
wird durch eine Vorrichtung bewegt, welche so angeordnet ist, daß der Dampf nur dann
unter den Kolben kommen kann, wenn der Balancier eine schiefe Lage hat und der
Kolben sich an dem tiefer liegenden Ende des Cylinders befindet. Die an der
gegenüberliegenden Seite angebrachte Dampfaustrittsröhre N stellt immer die Verbindung des höher liegenden Cylinderendes mit dem
Condensator O her. P ist
eine Luftpumpe, welche durch die Stange Q in Bewegung
gesetzt wird.
Die Maschine arbeitet auf folgende Weise: da der Kolben sich von links nach rechts
und umgekehrt bewegt, so verschiebt er das eine Gewicht bis über die Mitte der
Balancierachse, während sich dann das andere am äußersten Balancierende befindet, wo
dasselbe durch die Hörner oder Anschläge T, T′, welche die Größe der Bewegung begränzen,
aufgehalten wird. Die Schwere des an dem Balancierende sich befindenden Gewichtes
drückt dasselbe um so weit abwärts, als es der Hub der Pumpe gestattet, und werden
dann die Gewichte von rechts nach links bewegt, so hebt sich das eine Balancierende
wieder. Die Maschine wird also dadurch in Thätigkeit erhalten, daß die Gewichte von
links nach rechts und von rechts nach links geschoben werden.
Diese Art von Maschinen dürften sich besonders eignen, um Pumpen mit geradliniger
Bewegung in Thätigkeit zu setzen; jedoch kann dieselbe auch benützt werden, um
mittelst Bläuelstange und Kurbel auf gewöhnliche Weise eine rotirende Bewegung
hervorzubringen.
Die große Einfachheit dieser Art von Maschinen, ihre Wohlfeilheit und Tragbarkeit,
ihr geringer Brennmaterialverbrauch und die verschiedenen Zwecke, zu welchen
dieselben benützt werden können, sind lauter gewichtige Gründe, welche zu ihren
Gunsten sprechen. Oberflächlich betrachtet sollte man glauben, daß die Bewegung
etwas ungleichförmig und die Reibung beträchtlich wäre; aber ein sehr intelligenter
und erfahrner praktischer Ingenieur, welcher zwei ganze Tage lang der Arbeit einer
Maschine nach der zuerst beschriebenen Construction in Cornwallis zusah, versichert,
daß die Bewegung im Gegentheil auffallend gleichförmig und durchaus sanft gewesen
sey, und auch nicht einmal dadurch unterbrochen wurde, daß die einzelnen Theile in
Unordnung geriethen.