Titel: | Ueber die Fabrication der Schwefelsäure und ihre Concentration auf 66° Baumé, ohne Bleikammern und Platinblase, durch den neuen Apparat des Hrn. Schneider, früher Director der chemischen Fabrik in Sainte-Marie-d'Ognies bei Charleroy (Belgien). |
Fundstelle: | Band 109, Jahrgang 1848, Nr. LXVI., S. 354 |
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LXVI.
Ueber die Fabrication der Schwefelsäure und ihre
Concentration auf 66° Baumé, ohne Bleikammern und Platinblase, durch den neuen
Apparat des Hrn. Schneider, früher Director der chemischen
Fabrik in Sainte-Marie-d'Ognies bei Charleroy (Belgien).Ein Bericht von Payen über dieses neue Verfahren
Schwefelsäure zu fabriciren, wurde im polytechn. Journal Bd. CVII S. 362 mitgetheilt. Hr. Schneider verbreitet sich in seiner Abhandlung
genügend über das Princip seiner Methode; in der Beschreibung des Apparats
vermißt man aber die Anleitung zum Betrieb desselben, deren Mittheilung der
Erfinder sich offenbar absichtlich vorbehielt. Uebrigens dürften sich bei der
Anwendung des Schneider'schen Verfahrens im Großen,
welche allein über dessen praktischen Werth entscheiden Kann, manche
unvorhergesehene Schwierigkeiten darbieten A. d. R.
Aus dem Bulletin de la société d'Encouragement, Jul. 1848,
S. 372.
Mit Abbildungen auf Tab.
VII.
Schneider's neues verfahren Schwefelsäure zu
fabriciren.
Die Fabrication der Schwefelsäure durch Verbrennen von Schwefel wurde seit ihrem
Ursprung auf eine mehr oder weniger glückliche Weise abgeändert. In der neuesten
Zeit beschäftigten sich die ausgezeichnetsten Chemiker, Gay-Lussac, Thenard, Clément Desormes, Dumas, Payen, Bussy, Chevalier,
Péligot etc. mit derselben. Es fehlte aber noch immer ein Apparat, um die
Bleikammern bei der Fabrication dieser Säure entbehren zu können: ich glaube dieses
wichtige Problem in praktischer und wissenschaftlicher Hinsicht endlich gelöst zu
haben.
Lefevre und Lemery bereiteten
im 17ten Jahrhundert zuerst Schwefelsäure durch Verbrennen des Schwefels mit Zusatz
von Salpeter und zwar in großen mit einer weiten Oeffnung versehenen gläsernen
Ballons.
Im Jahr 1746 errichtete Roebuck die erste Bleikammer in
Birmingham, mit periodischer Verbrennung des Gemenges von Schwefel und Salpeter.
Nach Roebuck erfand ein Kattundrucker in Rouen ein
anderes System; bei demselben war nämlich die Kammer nicht geschlossen, sondern mit
einem Schornstein versehen, welcher einen ununterbrochenen Luftwechsel unterhielt.
Dieses sehr sinnreiche Verfahren fand anfangs wenig Eingang und verdankte Chaptal seinen späteren Erfolg.
Endlich wurde dieses Verfahren von Payen und Cartier wesentlich verbessert. Ihr Apparat besteht aus
einem Verbrennungsofen,
welcher mit einer ersten Bleikammer verbunden ist; aus der ersten Kammer treten die
Gase in eine zweite Kammer, welche mit einer dritten, diese mit einer vierten und
letztere mit einer fünften verbunden ist; die fünfte communicirt mit einem
Schornstein, welcher den Zug hervorbringt. Dieser Apparat ist viel vortheilhafter
als der früher angewandte; man erhält in diesen Kammern in derselben Zeit und bei
gleichem Kubikinhalt fast um ein Drittel mehr Säure, als in den Kammern mit
periodischer Verbrennung; denn in Folge des ununterbrochenen Luftstroms und der
größeren Flächen welche die Theilung der Kammer dem Gase darbietet, vermischen und
verbinden sich die Gase schneller. Dieses System wird noch gegenwärtig
angewandt.
Mein System der Schwefelsäure-Fabrication beruht auf Gesetzen welche erst in
der neuesten Zeit entdeckt wurden; der Apparat, wovon bei der belgischen
Industrie-Ausstellung im Jahr 1847 ein Modell zu sehen war, verdichtet die
Gase rascher in einem viel kleineren Raum als er bisher erforderlich war; ohne den
ungeheuren Kubikinhalt der Bleikammern zu besitzen, bietet er den zu verdichtenden
Gasen doch eine größere Fläche dar. Um die kostspieligen Platindestillirblasen
entbehrlich zu machen, erfand ich zum Concentriren der Schwefelsäure auf 66°
B. einen Apparat, welcher nicht nur wohlfeiler ist, sondern auch diese Operation
viel schneller auszuführen gestattet.
Die verschiedenen chemischen Apparate, welche ich früher in Deutschland, Frankreich
und Belgien hergestellt habe, dürften eine hinreichende Bürgschaft für den Erfolg
des nun zu beschreibenden Systems seyn.
Ich will kurz die Vortheile aufzählen, welche der neue Apparat im Vergleich mit den
Bleikammern gewährt, welche nun bald aufgegeben werden dürften.
1. Gestehungskosten einer Schwefelsäure-Fabrik.
Wenn wir als Basis unserer Berechnungen eine Schwefelsäure-Fabrik nach dem
gegenwärtigen System annehmen, welche in 24 Stunden 800 Kilgr. Schwefel verbrennt,
die 2360 Kil. Säure von 66° Baumé liefern (100 Theile Schwefel 295
concentrirte Säure), so finden wir, daß die Kosten derselben mit Inbegriff der
Platinblase 110 bis 120,000 Fr. betragen; bei dem neuen Apparat, welcher dieselbe
Menge Schwefel in derselben Zeit verbrennt, belaufen sie sich hingegen nicht über 40
bis 45,000 Fr., sogar mit Inbegriff der Apparate um die Säure auf 66° B. zu
concentriren.
2. Reparatur der Bleikammern. Bisweilen wird eine der
Bleikammern beschädigt und erheischt Ausbesserungen. Man muß dann die Kammern feiern
lassen und sie mehrere Tage lüften, damit die Arbeiter eintreten können um sie
auszubessern. Hiebei werden die Arbeiter trotz aller Vorsichtsmaßregeln stets durch
die aus der Kammersäure sich entwickelnden schwefligen Dämpfe belästigt und sind oft
sogar Gefahren ausgesetzt, z. B. der Asphyxie, wie dieß zu Dieuze i. J. 1835 der
Fall war. Die unbedeutendste Reparatur, welche vorgenommen werden muß, erheischt ein
Feiern von zehn, zwanzig bis dreißig Tagen. Dieser Zeitverlust verschwindet mit dem
neuen Apparat, weil man bei demselben niemals zu feiern braucht, welche
Ausbesserungen er auch erfordern mag.
3. Ingangsetzen der Bleikammern. Dieses ist wegen vieler
Schwierigkeiten für den Fabrikant mit großem Verlust an Zeit und Producten
verbunden; denn bevor sich die Kammern auf der erforderlichen Temperatur befinden
und der Zug regelmäßig hergestellt ist, verstreichen oft fünfzehn Tage und bisweilen
ist noch mehr Zeit erforderlich bis der Gang der Fabrication gut regulirt ist. Damit
die Vereinigung der Gase und die Verbrennung des Schwefels gehörig stattfinden
können, müssen sich alle Kammern auf der erforderlichen Temperatur befinden und der
Zug also regulirt seyn; diese Bedingungen sind aber bei einem Apparat von so
ungeheurem Kubikinhalt schwierig zu erfüllen, denn das große Volum kalter Luft,
welches er enthält, muß vor allem ausgetrieben werden. Dagegen kann der neue Apparat
hinsichtlich des Zugs und der Temperatur in Zeit von 24 Stunden in den günstigsten
Zustand versetzt werden, so daß durch eine rasche Verbrennung des Schwefels und die
Vereinigung der Gase die Schwefelsäure-Bildung augenblicklich
stattfindet.
4. Der neue Apparat, dessen Capacität man vergrößern oder vermindern kann, ohne den
Fortgang der Fabrication unterbrechen zu müssen, läßt sich im Vergleich mit dem
gegenwärtigen Kammersystem auch viel schneller und mit Ersparung an den Kosten des
Materials herstellen; überdieß erspart man bei der Fabrication sowohl an
Salpetersäure (denn es wurden in diesem Apparat nie über 4 Th. Salpetersäure auf 100
Th. Schwefel angewandt), als an Handarbeit, Abnutzung und an den Gestehungskosten
der Säure, an letzteren wenigstens 30 Proc. Die Herstellungskosten des Apparats sind
in keinem Falle bedeutend und hängen von den Dimensionen desselben ab; man kann ihn
für einen täglichen Schwefelbedarf von 25 Kil. bis zu 1500 Kil. construiren.
5. Außer dem größeren Ergebniß an Schwefelsäure (man erhält 306 Kil. Schwefelsäure
von 100 Kil. Schwefel) ist auch das Product vollkommen frei von salpetriger
Säure.
6. Die Verdichtung erfolgt rascher, durch die Wirkung der festen Oberflächen und der porösen
Körper auf die im Innern jedes Gefäßes enthaltenen Gase (diese Gefäße sind Säulen
von Steinzeug).
Ein System von Bleikammern, worin 800 Kil. Schwefel in 24 Stunden verbrannt werden
können, erfordert einen Inhalt von 1500 Kubikmeter, welche eine innere Oberfläche
von bloß 324 Quadratmeter darbieten. Obgleich der neue Apparat für dasselbe
Schwefelquantum nur einen Kubikinhalt von 500 Meter hat, so bietet er doch den Gasen
(wovon sich jedes Theilchen mit Sauerstoff umgibt) eine größere Fläche (9500
Quadratmeter) dar. Bei dem neuen Verfahren wird also dem Sauerstoff und den Gasen
eine mehrere Tausendmal größere Fläche dargeboten als bei der alten Methode. In
Folge dieses Umstandes erleiden sie bei ihrer Circulation durch Canäle mit fester
und eckiger Oberfläche und durch poröse Körper eine Reibung und überdieß in den
zahlreichen Biegungen dieser Canäle, welche sie zu durchlaufen haben, eine gewisse
Compression, welche sie zu einer rascheren Verdichtung zwingt als in den
Bleikammern, in welchen die Gase nicht genügend vertheilt und gemischt werden
können. Diesen Verdichtungen durch die festen und porösen Flächen, muß man auch die
Wärmeentwicklung zuschreiben, welche diese regelmäßige Temperatur im Innern des
Apparats erzeugt, vorausgesetzt daß eine hinreichende Menge Sauerstoff zugegen
ist.
Bei der Anwendung verbundener Bleikammern, wo die Temperatur wegen des großen
Luftvolums so ungleich bleibt, ist es dagegen unmöglich die Wärme auf dem zur
Begünstigung der Luftzersetzung geeigneten Grade zu unterhalten, denn die tägliche
Erfahrung beweist, daß bei einem solchen System die erste und zweite Kammer in gutem
Gang seyn können, während die dritte, vierte und fünfte krank sind, so daß sich in
ihnen die Gase fast gar nicht vereinigen. Man überzeugt sich davon, wenn man die
Gase beobachtet, welche am Ende der Kammern durch den Schornstein entweichen; sind
diese Gase bei ihrem Austritt weiß, anstatt orangegelb, so ist dieß ein Beweis daß
der Apparat in schlechtem Gang ist und Schwefelsäure verloren geht; allerdings wird
diese Störung meistentheils durch die Nachlässigkeit des mit der Besorgung des
Apparats betrauten Arbeiters veranlaßt, aber sie läßt sich trotz aller
Vorsichtsmaßregeln doch nicht in allen Fällen gänzlich vermeiden. Angenommen dieser
Uebelstand trete monatlich nur zweimal aus irgend einem Grunde ein und diese
Krankheit daure nur 24 Stunden (was das Geringste ist, denn sie dauert oft acht
Tage), so verursacht sie dem Fabrikant einen Verlust von 50 Proc. Schwefelsäure.
Wenn er z. B. von 100 Kil. Schwefel 295 Kil. Säure erhält, so beträgt der Verlust in
24 Stunden 147½ Kil. und wenn derselbe monatlich zweimal stattfindet, 295 Kil.,
also jährlich 3540 Kil., welche zu 15 Fr. die 100 Kil. gerechnet, die Summe von 531
Fr. geben. Diese Annahme ist keineswegs übertrieben, sondern eher noch unter der
Wirklichkeit. Da dieser Verlust mit dem neuen Apparat vermieden wird, so zahlt er
allein schon die Herstellungskosten desselben in 10 Jahren ab.
Das System der verbundenen Bleikammern mit fortwährendem Verbrennen von Schwefel war
schon angenommen, als die meisten Chemiker noch nicht an die unmittelbare Bildung
der Schwefelsäure glaubten, sondern der Meinung waren daß die Dazwischenkunft der
Krystalle zu deren Bildung erforderlich sey. Peligot hat
aber in der neuesten Zeit bewiesen, daß die Bildung dieser Krystalle nur eine
zufällige ist, was auch die tägliche Erfahrung bestätigt. Wenn die Kammern krank
werden, erfolgt die Vereinigung der Gase nur unvollkommen; die Salpetersäure tritt
ihren Sauerstoff nur sehr schwer ab, der Geruch der Säure wird sehr stark, die
Salpetersäure bleibt mit der in den Kammern enthaltenen Schwefelsäure verbunden und
es wird viel schwefligsaures Gas von dem Luftstrom mitgerissen; wenn sich die
Kammern in diesem ungünstigen Zustand befinden, zeigen sich bisweilen Krystalle,
welche aus Schwefelsäure und salpetriger Säure in Verbindung mit Wasser bestehen.
Wenn man den Grundsatz anerkennt, daß die Bildung der Schwefelsäure nicht
augenblicklich stattfindet, sondern eine gewisse Zeit zu ihrer Erzeugung durch
Verbindung der Gase erforderlich ist, so begreift man die Anwendung der ungeheuren
Bleikammern, welche bei dem System mit periodischer Verbrennung des Schwefels nicht
zu geräumig seyn könnten, um große Quantitäten Säure zu erzeugen. Um nach diesem
(älteren) Verfahren 200 Kil. Schwefel in 24 Stunden verbrennen zu können, mußte der
Inhalt der Kammer 3300 Kubikmeter betragen und da die geschicktesten Fabrikanten
dennoch selten 200 Kil. Säure erzielten, in der Regel nicht über 150 auf 100 Kil.
verbrannten Schwefels, so mußte man endlich anerkennen, daß das System sowohl in der
Theorie als in der Praxis mangelhaft war.
In jeder Bleikammer erhält man Schwefelsäure, es gibt aber mehr oder weniger
vortheilhafte Verhältnisse und Constructionen derselben und manche Kammer wird in
einer gegebenen Zeit alle Gase verdichten, während bei anderen ein mehr oder weniger
beträchtliches Quantum der Gase verloren geht. Da die meisten Fabrikanten nur eine
einzige Kammer besitzen, so können sie über die Vortheile oder Nachtheile, welche
aus der von ihnen gewählten Construction hervorgehen, nur schwer ins Reine kommen.
Offenbar konnte bei dem älteren Verfahren mit periodischer Verbrennung des Schwefels
die Bildung der Schwefelsäure nicht augenblicklich stattfinden; man füllte einen eisernen
Wagen mit dem Gemenge von Schwefel und Salpeter (von letzterem 15 bis 20 auf 100
Schwefel), schob denselben, nachdem das Gemenge angezündet war, in die Kammer und
verschloß letztere luftdicht; die Verbrennung konnte nur langsam erfolgen, da kein
Luftstrom hergestellt wurde, um sie zu bethätigen, und da die Gase stationär
blieben, so erfolgte ihre Vereinigung auch nur sehr langsam durch ihre eigene
specifische Schwere; es fehlten also die zur augenblicklichen Bildung der
Schwefelsäure erforderlichen Bedingungen gänzlich. Da man bei einer Kammer von 3300
Kubikmeter Inhalt zum Verbrennen von 100 Kil. Schwefel zwölf Stunden brauchte und
nur 150 bis 200 Kil. Schwefelsäure erhielt, so mußte man allerdings an jene falsche
Theorie glauben, daß sich die Säure nicht augenblicklich bilde. Die Einführung des
Verfahrens mit fortwährendem Verbrennen bei stetem Luftwechsel, welche man Chaptal, Payen und Cartier
verdankt, war daher ein wesentlicher Fortschritt. Der Schwefelsäurebedarf vieler
Sodafabriken ist gegenwärtig so groß, baß sie täglich 1500 Kil. Schwefel verbrennen
müssen; dazu war nach dem älteren Verfahren eine Kammer von 5000 Kubikmeter Inhalt
erforderlich, während nach dem System (von Payen und Cartier) mit stetem Luftwechsel, die Kammern nicht über
1500 bis 2000 Kubikmeter Inhalt haben und noch mehr Säure liefern. Bei meinem System
ist für dasselbe Quantum Schwefel nur ein Kubikinhalt von 500 bis 600 Meter
erforderlich, es werden aber, wie gesagt, den Gasen mehrere Tausendmal größere
Berührungsflächen dargeboten.
Wenn der regelmäßige Gang eines Systems verbundener Bleikammern durch irgendeine
Veranlassung gestört worden ist, kann man auf folgende Art abhelfen: man läßt aus
einer Kufe welche mit einer S-förmigen Röhre
versehen ist, durch die Decke der großen Kammer in die selbe ganz reines Wasser
hinablaufen; zugleich bringt man am Boden der Kammern Schlangenröhren an, welche
nach allen Richtungen Dampf auslassen, um eine große Bewegung in der Säure zu
verursachen; das durch die Decke der großen Kammer eintretende Wasser bringt ein
deutliches Pfeifen hervor, die Temperatur erhöht sich merklich, die salpetrige Säure
— welche sich in Folge der Störung des Apparats mit der Schwefelsäure
verbunden hatte — entbindet sich und die salpetrige Säure wird unter dem
Einfluß des Wassers ihrerseits zu Salpetresäure. Nach zwölf Stunden können die
Kammern wieder in gutem Zustande seyn, wenn man den Zug des Apparats verstärkte.
Diese einfache Methode ist unfehlbar und gelang mir immer, aber die meisten
Fabrikanten kennen sie nicht. Wir sehen also, daß sogar in diesem Falle, die
Bewegung der Gase, die
Vermischung der Säure und eine gewisse Temperatur hauptsächlich dazu beitragen, daß
sich die Gase zur Bildung von Schwefelsäure mit einander verbinden.
Von diesen Thatsachen und seinen früheren Untersuchungen über die Untersalpetersäure
und die salpetrige Säure ausgehend, stellte Peligot eine
neue Theorie der Schwefelsäurebildung auf, welche mit allen Daten der Wissenschaft
im Einklang ist. Peregrine Philips erzeugte zuerst
Schwefelsäure in ziemlicher Quantität ohne Anwendung von Salpetersäure oder
salpetersauren Salzen; er trieb das schwefligsaure Gas mit einem Ueberschuß von
atmosphärischer Luft vermittelst einer Pumpe durch ein gußeisernes Rohr welches zum
Rothglühen erhitzt, mit Platinschwamm gefüllt und mit einem sehr dünnen Platindraht
umgeben war. Die gebildete und mit Stickgas gemischte Schwefelsäure leitete er durch
einen hohen Cylinder von Blei, welcher mit Quarzstücken gefüllt und an der Decke
innen mit einem durchlöcherten Doppelboden versehen war und dadurch das Wasser
zertheilte, welches man oben eingoß um den Quarz stetig zu befeuchten. Diese
Operation gelang sehr gut und ohne Zweifel würde der Erfinder vortheilhaftere
Resultate erzielt haben, wenn er statt des geräumigen bleiernen Cylinders einen
Apparat von so verringertem Kubikinhalt angewandt hätte, daß die Temperatur darin
regelmäßig concentrirt worden wäre.
Nachdem Doebereiner die Entdeckung gemacht hatte, daß der
Platinschwamm eine Mischung von Sauerstoff- und Wasserstoffgas entflammt,
zeigten Dulong, Thenard und Dumas, daß außer dem Platin diese Eigenschaft noch viele andere, theils
einfache theils zusammengesetzte Körper besitzen, jedoch bei verschiedenen
Wärmegraden. Nach Liebig absorbirt das Platin an
Sauerstoff mehr als das 800fache Volum seiner Poren; dieses Gas ist dann in
denselben in einem Zustand der Verdichtung, welcher demjenigen des flüssigen Wassers
sehr nahe kommt. Nach demselben Chemiker besitzen die Kohle, viele poröse Steine und
andere Körper, die Eigenschaft die Gase, womit man sie in Berührung bringt
(namentlich die in Wasser leicht löslichen) zu absorbiren, indem sie sie verdichten:
dieses Vermögen steht im Verhältniß mit der Porosität der Körper; die Kohle und der
Bimsstein absorbiren sogar ihr 75 bis 80faches Volum schwefligsaures oder salzsaures
Gas. Die in den Poren dieser Körper eingeschlossenen Gase nehmen einen mehrere
Hundertmal kleineren Raum ein, als im freien Zustande. Diese Körper besitzen bei
einer Temperatur unter + 300° C. ebenfalls die Eigenschaft sich mit dem
Sauerstoff und Wasserstoff zu verbinden, ohne sich jedoch zu entflammen. Alles hängt
von dem Zustand ab, worin man sie anwendet; je zertheilter sie sind, desto mehr werden die gasförmigen
Moleküle durch den festen Körper angezogen und adhäriren seiner Oberfläche durch die
Wirkung der Massen, d. h. der Schwere. Man kann freilich die Condensation nicht
messen, welche auf der Oberfläche von 1 Quadratmeter stattfindet; denken wir uns
aber z. B. eine feste Oberfläche von einigen Hunderten Quadratmeter in den Raum von
1 Kubikcentimeter zusammengedrängt, so wird jedes Gas, in welches man diesen festen
Körper bringt, an Volum abnehmen, das Gas wird absorbirt. Jedes Theilchen dieser
Körper umgibt sich also gewissermaßen mit einer Atmosphäre verdichteten Sauerstoffs;
war das absorbirte Gas schweflige Säure, so zersetzt dasselbe in Berührung mit dem
Wasser, in Folge der Temperatur-Erhöhung im Innern des Apparats, die Luft und
verwandelt sich in Schwefelsäure. Alle diese Wirkungen jener Körper sind keineswegs
chemische Eigenschaften, sondern im Gegentheil physische und mechanische; wenn zu
dieser ersten Wirkung aber noch eine (selbst schwache) chemische hinzukommt, so
können die verdichtbaren Gase ihren Zustand nicht mehr beibehalten.
Es ist also heutzutage eine erwiesene Thatsache, daß die Schwefelsäure aus ihren
Bestandtheilen, ohne Anwendung von Salpetersäure oder salpetersauren Salzen erzeugt
werden kann.
Ich will hier an eine Bemerkung erinnern, welche mir Hr. Clement Desormes im März 1835 in einem Briefe machte:
„Ich kann Ihnen ferner im Vertrauen mittheilen, daß die 4 Kil.
Salpetersäure auf 100 Schwefel, mehr als hinreichend sind um 300 Kil.
Schwefelsäure zu erzeugen, weil die Salpetersäure nicht direct zur Bildung der
Schwefelsäure beiträgt, sondern bloß als Vermittler dient, um den Sauerstoff der
Luft an die schweflige Säure zu übertragen; ich bin überzeugt daß man in
spätestens zehn Jahren im Stande seyn wird, die Schwefelsäure aus ihren
Bestandtheilen im Großen darzustellen, ohne Bleikammern, Salpetersäure oder
salpetersaure Salze anzuwenden; lassen Sie daher den Muth nicht sinken und
richten Sie ihre Bestrebungen auf dieses wichtige Ziel.“
Die Wirkung der festen Oberflächen und besonders der porösen Körper auf die Gase,
liefert den Schlüssel zu einer Menge von Erscheinungen, welche bisher unerklärbar
waren. Die Verwandlung des Weingeists in Essigsäure nach der Methode der
Schnellessigfabrication gründet sich ebenfalls auf die oben erörterten
Principien.
Folgende Versuche über die Schwefelsäure-Erzeugung nach meinem Princip, habe
ich in Gegenwart der HHrn. Prof. Chandelon, Houtart-Cossée, Director der Spiegelfabrik und
chemischen Fabrik in
Sainte-Marie-d'Oignies, Brunet, Assistent
des Prof. Payen etc. angestellt.
Bei einem ersten Versuche erhielt ich, obgleich viel Schwefel verloren ging, weil der
Verbrennungsofen nicht die erforderliche Capacität hatte, von 100 Grammen Schwefel
164 Gramme Schwefelsäure von 52° Baumé.
Bei einem Versuch am 16. Oct. v. J. erhielt ich, obgleich der Verbrennungsofen noch
nicht sehr gut zog, von 100 Gr. Schwefel 282 Gr. derselben Säure; es wurde weder
Salpetersäure noch ein salpetersaures Salz angewandt. Die Schwefelsäure konnte also
in meinem Apparat durch bloße Verbrennung des Schwefels erzeugt werden.
Am 21. Oct. v. I. erhielt ich mit 100 Gr. Schwefel 297 Gr. Säure von 51° B.;
am 22. Oct. mit 100 Gr. Schwefel 590 Gr. Säure von 50½° B.; am 23.
Oct. mit 300 Gr. Schwefel 907 Gr. Säure von 51¾° B.
Bei dem Versuche am 20. Nov., welchen ich in Gegenwart der HHrn. Guillery, Professor der Chemie an der Universität in
Lüttich und Nollet, Professor der Chemie an der
Militärschule daselbst, anstellte, gaben 100 Gr. Schwefel 317 Gr. Säure von
50° B. = 210 von 66°; die Operation dauerte nur 2½ Stunden.
Ich glaube nichts vernachlässigt zu haben, um zu einem Resultat zu gelangen, welches
einen bedeutenden Fortschritt in der Schwefelsäure-Fabrication bildet. Mein
Hauptzweck war, einen Apparat zu construiren, welcher die verbundenen Bleikammern
und die Platinblasen ersetzen kann, und dieß ist mir vollständig gelungen.
Herstellungskosten des Apparats von
verschiedener Größe, das Fabrikgebäude nicht inbegriffen.
Ein Apparat welcher in 24 Stunden verbrennt
Schwesel
liefert Schwelsäure
Und kostet
anstatt
von 66° B.
Fr.
Fr.
100
300
7,500
17,000
200
600
15,200
32,000
300
900
23,375
46,000
400
1200
29,000
58,000
500
1500
35,000
71,000
600
1800
41,000
82,000
700
2100
43,000
92,000
Bei dem gegenwärtigen Verfahren kommt hiezu noch der Preis einer Platinblase, welcher
20,000 bis 35,000 Fr. beträgt; diese Ausgabe fällt bei dem neuen System weg.
Beschreibung des Apparats zur Fabrication
der Schwefelsäure nach Schneider's Methode.
Fig. 1 ist ein
Aufriß des Apparats von der Vorderseite.
Fig. 2 ist der
Apparat von oben angesehen; die Richtung der Pfeile zeigt die Circulation der Gase
an.
Fig. 3 ist der
senkrechte Durchschnitt desjenigen Theils der Säule aus Blei, in welcher sich die
den Bimsstein enthaltenden Schalen befinden.
Fig. 4 ist
derselbe von oben angesehen.
Fig. 5 ist der
senkrechte Durchschnitt eines Stücks der Säulen aus Steinzeug, welche die Schalen
mit Bimsstein enthalten.
Gleiche Buchstaben bezeichnen dieselben Gegenstände in allen Figuren.
A Schwefelofen. B Mauerwerk
oder Hülle, um die Wärme zu concentriren. C Feuerraum,
um den Ofen zu erwärmen wenn man die Operation beginnt. D, D Thüren um den Schwefel abwechselungsweise
einzutragen und dadurch die Verbrennung zu befördern.
E Säule aus Eisen, welche die Gase in den Apparat führt.
F Säule aus Blei. G, G, G Säulen aus
Steinzeug.
H, HFig. 3, 4 und 5, Schalen
worin sich die porösen Körper (Bimsstein) befinden.
I, I Platte aus Steinzeug,
welche die Säure von einer Säule zur andern überführt, da die Säulen keinen Boden
haben.
J Verbindungsrohr das die Gase in die zweite Säulenreihe
überführt, welche vom Fußboden an gerechnet um 60 Cent. (2 Fuß) höher als die erste
steht.
K Luftbehälter, um mittelst Eintreibens von Dampf oder
eines doppeltwirkenden Gebläses die atmosphärische Luft mit Gewalt durch die porösen
Körper circuliren zu machen.
L. Hahn aus Blei, um die fabricirte Säure in die
gemeinschaftlichen Behälter M abzulassen, welche durch
hölzerne, innerlich mit Blei überzogene Deckel verschlossen sind.
N Hahn um die Säure in die Abdampfapparate
abzulassen.
O, O Röhren welche die Säulen
aus Steinzeug unter einander verbinden.
P Wasserbehälter welcher durch eine kleine Pumpe gespeist
wird; er liefert das Wasser in eine gemeinschaftliche Röhre Q von 3 bis 4 Centimeter (1 bis 1½ Zoll) Durchmesser, die über den
Säulen angebracht und mit Zweigröhren a, a, a versehen ist, welche in
die hydraulischen Verschlüsse einmünden, um das Wasser nach Belieben in die Säulen
einlassen zu
können, indem man sein Auslaufen durch die Hähne b, b regulirt.
c, cFig. 3 und
4 sind
Röhren aus Steinzeug mit drei Oeffnungen oberhalb, damit das Uebermaaß von Säure in
das Innere der Säulen ablaufen kann; diese Röhren haben 10 Cent. (3⅔ Zoll)
Durchmesser.