Titel: | Betrachtungen über die optisch-aräometrische Bierprobe, als vorläufige Gegenbemerkungen zu den Gegenbemerkungen des Hrn. Professors Steinheil (S. 293 in diesem Bande des polytechn. Journals); von Prof. Dr. Schafhäutl. |
Autor: | Dr. Prof. Karl August Steinheil [GND], Karl Emil Schafhäutl [GND] |
Fundstelle: | Band 109, Jahrgang 1848, Nr. LXXXI., S. 449 |
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LXXXI.
Betrachtungen über die
optisch-aräometrische Bierprobe, als vorläufige Gegenbemerkungen zu den
Gegenbemerkungen des Hrn. Professors Steinheil (S. 293 in diesem Bande des polytechn. Journals); von Prof. Dr.
Schafhäutl.
Schafhäutl, Betrachtungen über die optisch-aräometrische
Bierprobe.
Am 29. Julius d. J. ließ mir Hr. Professor Steinheil durch
Hrn. Prof. Kaiser sagen: er werde,
1) weil ich seine optische Bierprobe und
2) seine Probesude in unten erwähnter Abhandlung ignorirt,
3) falsche Zahlen aus den Protokollen angeführt hätte, um nur die Fuchs'sche Bierprobe allein über alle andern
hervorzuheben, meine Abhandlung: Untersuchungen und
Betrachtungen über die Fuchs'sche hallymetrische Bierprobe etc.Kunst- und Gewerbeblatt des polytechnischen Vereins für Bayern,
Maiheft 1848, S 277 ff., öffentlich angreifen, wenn ich nicht obige drei
Todsünden auf der Stelle wieder gut machen würde.
Der Angriff ist seitdem erschienen und das Endresultat desselben ist: die von dem Hrn. Prof. Steinheil erfundene, mit einem königl.
Privilegium versehene optische Bierprobe, in seiner eigenen Werkstätte zum
Verkaufe verfertigt, sey die wohlfeilste, genaueste und am meisten praktische
aller Bierproben.
Um dieser Behauptung einige Plausibilität zu geben, werden nicht nur eigenthümliche
sogenannte wissenschaftliche Experimente zu Hülfe
genommen, sondern es wird so viel Geschichtliches
mitgetheilt in Beziehung auf das, was ich, die Untersuchungscommission und der Centralverwaltungsausschuß des polytechnischen
Vereines in München gesagt und nicht gesagt, gethan und nicht gethan haben
soll, daß ich es für unumgänglich nöthig erachte, ehe ich mich zu den eigentlichen
Gegenbemerkungen wende, den geneigten Leser, der nun leider einmal mit
„Geschichten“ behelligt worden ist, auf den richtigen
Standpunkt zu versetzen, von welchem aus die eigentlichen Motive, welche die
„Gegenbemerkungen“ des Prof. Steinheil hervorriefen, sogleich offenbar werden sollen.
Durch häufige Anregungen von Seite der Regierung zur Angabe einer einfachen und
verlässigen Methode, den Gehalt der Biere zu erforschen veranlaßt, erfand
Oberbergrath Fuchs die bekannte „hallymetrische Bierprobe“ im Jahre
1834–35.
Im Jahre 1841, also sieben Jahre später, versuchte Prof. Steinheil zuerst aus dem Refractionsvermögen der Biere auf den Gehalt
derselben zu schließen, und erfand so den optischen
Gehaltmesser, dem er bei seiner Anwendung als Bierprobe noch ein Aräometer hinzuthat, ihn der hallymetrischen Probe, so
gut es gehen wollte, anpaßte, und darauf sogleich, nämlich am 3. Februar desselben
Jahres, ein Privilegium nahm, wobei er dem Publicum erklärte: „da die
optische Probe dasselbe leistet, was die hallymetrische (die ihr indessen stets
als Basis und zur Controle diente), aber in ihrer Anwendung weit bequemer und sicherer ist, so läßt sich kaum
bezweifeln, daß sie vielfache Anwendung finden“, d. h. die
hallymetrische verdrängen werde.Kunst- und Gewerbeblatt des polytechn. Vereins für Bayern, 1844, S.
243.
In diesem Sinne ging nun sein einziges Bestreben dahin, das bayerische Ministerium zu
vermögen, seinen Gehaltmesser als Branntweinwage und Bierprobe gesetzlich
einzuführen.
Durch eine Ministerialverordnung vom 16. August 1842 wurde jedoch nur bestimmt, daß
die Tralles'sche Branntweinwage mit der von Steinheil geometrisch construirten Schubtafel als
Normalbranntweinwage eingeführt und mit dem Stempel der königl. Akademie versehen,
d. h. in der Steinheil'schen Werkstätte verfertigt werden
müßte — die optische Probe wurde jedoch nur zum gleichzeitigen Gebrauche im
Verkehr empfohlen.
Dadurch war aber der Absatz derselben nicht gesichert; es mußte also auf ein anderes
Mittel gedacht werden, die optische Probe in Credit zu bringen.
Dazu bot der Sommer des Jahres 1846 die schönste Gelegenheit dar. Die Gerste, welche
zu Bieren dieses Jahrgangs verwendet wurde, war durch ungünstige
Witterungsverhältnisse mißrathen, das Samengehäuse der Körner verdickt, der
Mehlkörper weniger entwickelt und das daraus gebraute Bier trotz aller angewandten
Vorsicht nicht ganz so gehaltreich und wohlschmeckend als in dem vorausgehenden
Jahre.
Prof. Steinheil beschloß deßhalb, die Biere der hiesigen
Bräuereien optisch zu untersuchen und lud zu diesem Geschäfte den bekannten
Professor der Chemie an der hiesigen polytechnischen Schule, Dr. Caj. Kaiser ein. Nachdem die sämmtlichen
Resultate zusammengestellt waren, wurde Kaiser ersucht,
diese Zusammenstellung gleichfalls zu unterzeichnen, was er, nichts Arges ahnend,
auch gerne that.
Prof. Steinheil calculirte nun leichten Herzens aus diesen
Untersuchungen die übermäßige und also ungesetzliche Eimerzahl, welche die
Bierbrauer in diesem Jahre aus einem Schäffel Malz gebraut hätten, und sandte die
ganze Rechnung ohne Säumen ans Ministerium als Document, das beweisen sollte, wie sehr das Publicum von den Bräuern übervortheilt würde und
wie nothwendig die Einführung einer leichten und sichern Bierprobe sey. Zu
gleicher Zeit wurden die Resultate obiger Untersuchungen durch Abschriften so viel als möglich im Publicum verbreitet.
Das ohnedieß gereizte Publicum gerieth in furchtbare Erbitterung gegen die Bräuer,
und der Preis der Biere mußte herabgesetzt werden, um einem ähnlichen Aufstande von
1844 vorzubeugen.
Das Ministerium erließ deßhalb schon unterm 9. Mai an die Regierung von Oberbayern
die gemessenste Weisung, den Magistrat der Stadt München zu beauftragen, augenblicklich die gründlichste
Untersuchung der Steinheil'schen Angaben zu veranlassen und
das Resultat binnen drei Tagen vorzulegen.
Es trat deßhalb am 10. Mai auf dem Rathhause eine Commission zusammen, deren
technische Mitglieder vom königl. Ministerium selbst bezeichnet waren, und worunter
sich auch Prof. Kaiser befand.
Dieser, der den Zweck der Versammlung mit nicht geringem Staunen vernahm, erklärte
gleich anfangs zu Protokoll:Magistratisches Sitzungsprotokoll vom 10. Mai 1846, S.
5–6.
„Er habe den Untersuchungen des Prof. Steinheil
am 5. Mai lediglich zur Erweiterung seines
Gesichtskreises in diesem Felde und zur näheren Kenntniß und Uebung der
optischen Bierprobe beigewohnt, und bloß die Ergebnisse der Untersuchung als wissenschaftliches Elaborat auf Aufforderung des Prof. Steinheil mit diesem
unterzeichnet, sey bei Berechnung der Gußführung und des Preises der Biere gar
nicht gegenwärtig gewesen und von der Uebersendung dieser Untersuchungen durch
Prof. Steinheil an das königl. Ministerium erst gelegentlich unterrichtet worden, nachdem
dieselbe schon geschehen war. Er wolle sich deßhalb
bei der Discussion dieses wichtigen Gegenstandes seine volle Freiheit
sichern.“
Das Ergebniß dieser amtlichen Untersuchung war auch: daß die 31 untersuchten Biere
sämmtlich tarifmäßig, ja mehrere sogar sehr vorzüglich
waren.
Ueberhaupt wurde hier die Frage bezüglich der Tarifmäßigkeit der Biere unter dem
Vorsitze des erfahrnen Magistratsrathes Klaußner durch
Kaiser auf die musterhafteste Weise erledigt.
Das Vertrauen auf die angebliche Unfehlbarkeit der optischen Bierprobe war durch
dieses Resultat in keiner Weise gesteigert worden, und von einer gesetzlichen
Einführung derselben konnte vor der Hand um so weniger die Rede seyn, als in
Hinsicht auf einen Antrag der Stände des Reichs ein Ministerial-Rescript vom
3. August 1846 vom Magistrate der Stadt München eben sowohl als von dem
polytechnischen Vereine ein wohl erwogenes Gutachten abverlangt wurde über den
Antrag der Stände:
„Es möchten sämmtliche Behörden der medicinischen Polizei auf Staatskosten
mit verbesserten Apparaten zur technischen Untersuchung des Biergehaltes
versehen werden“; woran sich die Frage schloß:
„Ob und mit welchen Apparaten etwa praktische Versuche zur technischen
Untersuchung des Biergehaltes angestellt worden sind und mit welchem
Erfolge.“
Der Centralverwaltungsausschuß des polytechnischen Vereines beschloß zur Lösung
dieser Frage alle seine Kräfte aufzubieten und setzte zu diesem Zweck eine
Commission zusammen, welche unter dem Vorsitze des gegenwärtigen königl. bayerischen
Ministers des Cultus v. Beisler, bestand aus dem
Medicinalassessor und Leibapotheker
Dr. Pettenkofer,
dem Apotheker
Marx,
dem Bierbrauer Gabr.
Sedlmaier,
dann den Professoren Andr.
Buchnerjun.,
Fuchs, Oberbergrath,
Kaiser,
Krötz,
Schafhäutl,
Steinheil.
Man beschloß, ein und dasselbe Bier nach den drei bekannnten
Bieruntersuchungsmethoden, nämlich nach der hallymetrischen von Fuchs, saccharometrischen von Balling, und optischen von Steinheil zu prüfen und zugleich eine genaue, ausführliche chemische
Analyse desselben Bieres zu veranstalten.Durch Prof. Balling's Streitschrift: die saccharometrische und die optische Bierprobe
etc., abgedruckt im Juniheft der encyklopädischen Zeitschrift des
Gewerbwesens, 1846, in welcher dieser die Angriffe Steinheil's zurückwies und denselben belehrte, worauf es
eigentlich bei Bieruntersuchungen hauptsächlich ankomme — veranlaßt,
begann nun Steinheil auf dem von Balling vorgezeichneten Wege zu arbeiten, machte
deßhalb Probsude im königl. Hofbräuhause und berechnete Tafeln, um mittelst
der von Balling zuerst festgesetzten
Gährungsgrade unmittelbar den wahren Werth der Biere zu bestimmen. Die
Commission konnte diesen neuen Weg bei ihren Untersuchungen nicht
berücksichtigen, da die Experimente im Bräuhause bloß von einem einzigen bei der ganzen Sache betheiligten Individuum unternommen wurden, die
Commission also keine Bürgschaft hatte, in welcher Weise die Versuche
wirklich geleitet worden waren; weil ferner zur vollständigen Lösung der
Aufgabe auf diesem Wege eine Menge Probesude in verschiedenen Gegenden, also
nach verschiedenen Braumethoden nöthig gewesen wären, wozu natürlich keine
Zeit gegeben war; endlich weil diesen Versuchen im Hofbräuhause alle Controle durch die chemische Analyse
fehlte.
Damit befaßten sich nun Andr. Buchner jun.,
Medicinalassessor Dr. Pettenkofer, Professor Max Pettenkofer.
Die HHrn. Krötz, Marx, Steinheil beschäftigten sich mit
der optischen und saccharometrischen; Kaiser und ich mit
der hallymetrischen.
Die Resultate der drei Arten von Bierproben stimmten so ziemlich mit einander
überein, und es war nun Aufgabe der Commission, die am meisten praktische und
sichere zur gesetzlichen Anwendung vorzuschlagen.
Sie kam darin überein, daß in letzter Instanz die ausführliche chemische Analyse
entscheiden müßte. Für eine vorläufige Untersuchung verlangte sie eine Probe, welche
bei der praktischen Anwendung am wenigsten von fremdartigen Einflüssen afficirt
würde und keiner schwierig und umständlich anzuwendenden Instrumente als Wage, Gewichte, Mikroskope u. dgl. bedürfe.
Diese Bedingungen fand sie in der hallymetrischen beisammen, wenn bloß der erste
Theil angewendet würde, der für vorläufige Untersuchungen hinreichend genaue
Resultate gibt, und statt der Wage eine der Gay-Lussac'schen ähnliche Pipette gebraucht würde, welche immer ein
gleiches Quantum Flüssigkeit heraushebt.
Die optische Probe schlug die Commission als Controle für die hallymetrische vor.
Indessen forderte Steinheil mit dem größten Ungestüm, daß
die Commission seine optische Probe allen übrigen vorziehe und an die Spitze stelle;
denn er ist ein zu guter Rechenkünstler, um nicht schon längst ausgemittelt zu
haben, daß, wenn jede der 208 Städte und jeder der 410 Märkte des bayerischen Landes
durch ein Ministerialrescript gezwungen würden, sich die Steinheil'sche optisch-aräometrische Probe anzuschaffen, welche 88
fl. kostet, und wobei nach der eigenen Aussage des Erfinders und Fabrikanten die
Hälfte reiner Gewinn ist, ein Sümmchen von 27,192 fl. zu erwerben sey, das
allerdings nicht zu verachten ist. Prof. Steinheil, der
sich anfangs mit vieler Ueberhebung in den Sitzungen der Commission benahm, änderte
nach obiger Commissions-Entscheidung seine Rolle und focht nun wie ein
Verzweifelnder für sein wissenschaftliches Princip an Werth = 27,192 fl. Kein Mittel
wurde unversucht gelassen, die Commission und den Centralverwaltungsausschuß zu
bewegen, seine Probe an die Spitze aller übrigen zu stellen, doch die Commission und
der Centralverwaltungsausschuß blieben unbeweglich trotz aller Separatvota. —
Prof. Steinheil nahm deßhalb wieder zur Salzprobe der Commission seine Zuflucht, erfand aber über
Nacht ein neues Instrument dazu, und nahm des nächsten Tages sogleich ein Privilegium, um wenigstens einen Theil der 27,192 fl. zu
retten.
Da diese eintägige Erfindung auf einer einseitigen
Auffassung des Principes der hallymetrischen Probe beruhte, so wurde auch
sie verworfen, worauf im letzten Separatvotum des
Erfinders nebst den zwei Beilagen dazu, zwei neue Abänderungen und Anordnungen der
optischen Probe angeboten wurden, über deren Schicksal bis jetzt noch nichts laut
geworden ist.
Ich will nun dem geneigten Leser die Gründe angeben, weßhalb die Commission und der Centralverwaltungsausschuß die optische
Probe des Prof. Steinheil nicht über alle andern
Bierproben oben anzustellen für gut fand — und diese sind folgende:
1) Die optisch-aräometrische Bierprobe ist nicht im Stande den Alkoholgehalt
der Biere a priori angeben zu können.
Wir beweisen dieß nicht aus Experimenten, welche bloß über Nacht angestellt worden
sind, um irgend etwas zu beweisen, wie sie sich z. B. in den Separatvotis Professor
Steinheil's finden, sondern wir nehmen unsere Beweise
aus den Leistungen der optischen Proben selbst, während der vielen Jahre, in denen sie angewendet wurde.
Die optische Bierprobe war seit ihrem Entstehen durch Abänderungen und Correctionen
dahin gebracht worden, daß sie mit der hallymetrischen im Durchschnitte so ziemlich
gleiche Resultate gab.
Nun habe ich aber in meinen letzten Untersuchungen der von Steinheil für die hallymetrische Probe berechneten Tafel gefunden, daß die
Original-Experimente, auf welche sich obige Tafel gründet, zum Theil in
entgegengesetzte Columnen eingetragen waren, wodurch die Zahlen für den Alkoholgehalt zu klein, also
falsch ausfielen, und eben so der aus dem Alkohol berechnete Würzegehalt.Siehe meine anfangs citirte Abhandlung S. 286 (und den Auszug in diesem Bande
des polytechn. Journals S. 293).
Wäre nun die optische Probe im Stande gewesen, selbst ständig,
also ohne fremde Hülfe, den Alkoholgehalt der Biere zu ermitteln: so hätte sie
schon bei ihrem ersten Auftreten den Irrthum der hallymetrischen Tafel an den
Tag bringen und eine Berichtigung derselben veranlassen müssen.
Da sie jedoch in ihren Angaben fort und fort den irrigen Angaben der hallymetrischen
Probe folgte, ja häufig den Alkoholgehalt noch geringer angab als die hallymetrische, so folgt daraus, daß sie, ohne eigene
Selbstständigkeit, den wahren Alkoholgehalt nicht anzugeben im Stande war,
sondern, so gut es eben gehen wollte, innerhalb gewisser Gränzen den Angaben der
hallymetrischen Probe angepaßt worden sey.
Daß eine solche Anpassung noch innerhalb gewisser Gränzen
möglich war, versteht sich wohl von selbst; aber diese Gränzen sind sehr eng und
veränderlich, so daß eine solche angepaßte Bierprobe nur bei Bieren nach demselben
Brauverfahren bereitet und von nicht sehr verschiedenem Alkoholgehalte anwendbar
wäre; es weichen aber auch die Angaben der optischen immer mehr und mehr von denen
der hallymetrischen Probe ab, je stärker der Alkoholgehalt der Biere wird.
Um diese Behauptung dem Leser klarer zu machen, wollen wir nun die Leistungen der
optischen Probe, wie sie mit den Schubtafeln und Aräometern von Steinheil verkauft wurde und wird, während verschiedener
Jahre mit denen der hallymetrischen vergleichen, indem wir die verschiedenen
Resultate in beiliegender Tabelle zusammenstellen.
Vergleichende Untersuchung neunzehn
verschiedener Biner Biere von den
Jahren 1843, 1846, 1847, 1848 durch die
optisch-aräometrische und durch durch die hallymetrische
Bierprobe.
Textabbildung Bd. 109, S. 456
Namen der Bräuer; Zeit der
Untersuchung.; Jahr.; Monat und Tag.;
Optisch-aräomet-aräometrische Bierprobe.; Alkohol.; Extract.;
Berechneter Würzegehalt.; Hallymetrische Bierprobe.; Alkohol.; Graf
Buttler'sches Bräuhaus; Hackerbräuer; Zum Stubenvoll; Zum Löwenbräuer; Zum
Sternecker; Spatenbräuer; Schlaibinger; Unterkandler.
Textabbildung Bd. 109, S. 457
Zacherl; Pschorr; Wagnerbräu;
Zengerbräuer; Spatenbräuer; Spatenbräuer; Spatenbräuer, junges Bier;
Spatenbräuer, altes Lagerbier, in der Gährung sehr zurückgehalten; Spatenbräuer,
Ale; Hofmühlen bei Eichstädt; Bierprobe v. Steinheil renovirt 1847/48.
Drängen wir nun diese Resultate noch näher zusammen, so ergibt sich folgende
Tafel:
Textabbildung Bd. 109, S. 458
Nummer.; Gehalt, wie ihn die
optische Probe angab.; Alkohol.; Würze.; Gehalt, wie er wirklich war.; Alkohol.;
Würze.; Es wurde demnach der Gehalt zu geringe angegeben um nachstehende
Procente.
und aus dieser sehen wir, daß im Durchschnitte der Fehler, um
welchen die optische Probe den Gehalt der Biere zu gering angibt, mehr als 2
Procente betrage.
Das sind Resultate, wie sie die Zeit, die parteilose und unbestechliche ans Licht
gefördert hat. Kein pseudowissenschaftlicher Bombast, durch welchen sich bloß die
Einfalt betrügen läßt, kein seitenlanges Buchstabengewirr (wie sich der ehrliche Vieth ausdrückt), in welchem bloß leeres Stroh gedroschen
wird und wodurch sich allein die Unerfahrenheit verblüffen läßt, kann diese
Resultate vernichten, welche der optischen Probe, als einer praktisch verlässigen,
den Stab brechen.
Neben diesen Thatsachen bestimmten die Commission noch andere Gründe, die optische
Bierprobe bloß als Controle der hallymetrischen an die
Seite zu stellen; Gründe, welche sich nicht minder gewichtig gegen die Annahme der
optischen Probe bei vorläufigen Untersuchungen in die Wagschale legen, und den
einzigen Vortheil, welchen die optische Probe darböte, nämlich die Schnelligkeit, mit welcher sie ihre
Resultate gibt, zehnfach wieder aufwiegen.
Diese Gründe basiren sich auf die leichte
Influenciirbarkeit des optischen Instrumentes durch
Zeit und Umstände und deßhalb auf die bedeutenden
Schwierigkeiten in ihrer Anwendung in Händen eines gewöhnlichen Experimentators.
Um wieder von Thatsachen auszugehen, erklärte z. B. das Commissionsmitglied Hr.
Gabriel Sedlmayr, der gewandteste, gebildetste und
erfahrenste unserer hiesigen Bierbräuer: „Er habe
trotz der unmittelbaren Instruction, welche er praktisch vom Erfinder der
optischen Probe erhalten, ein ganzes Jahr nöthig gehabt, um mittelst der
optischen Probe übereinstimmende Resultate zu erhalten, kurz um sie anwenden
zu können.“
Diese Schwierigkeiten in der praktischen Anwendung gehen hervor: 1) aus der Wandelbarkeit des Nullpunktes
des Instrumentes.
Höchst selten trifft es sich, daß wenn der senkrechte Balken im Gesichtsfelde des
Mikroskopes der optischen Probe das Kreuz gerade in zwei Hälften theilt, auch der
Zeiger über dem Rullpunkte der Trommel steht. Es müssen deßhalb beinahe immer die
Ablesungen corrigirt, d. h. die Differenz in Hinsicht auf den wahren Nullpunkt mit
der abgelesenen Zahl der Trommeltheile erst durch plus
oder minus verbunden werden — eine Operation, die
für den gewandten, geübten Beobachter zwar keine Schwierigkeit hat, die Individuen
hingegen, welche mit der Bierprobe experimentiren sollen, selbst wenn es Aerzte oder
Apotheker sind, beinahe durchweg zu Irrthümern veranlaßt. Wird z. B. eine Differenz
von zwei Trommeltheilen zur abgelesenen Zahl anstatt subtrahirt, addirt und so
umgekehrt, so entsteht ein Fehler von vier Trommeltheilen, welcher auf die Resultate
der Probe von bedeutendem Einflusse ist.
Die Ablesung wird ferner modificirt durch den wechselnden Grad
der Erleuchtung des Gesichtsfeldes oder des Gegenstandes, auf welchen die
optische Probe gerichtet wird. Wechselt der Grad der Erleuchtung bei demselben
Gegenstande, oder richtet man das Instrument beim Einstellen auf dieses, beim
Ablesen auf jenes Fenster, so wird das Auge beim Einstellen getäuscht und stellt
falsch ein.In einem Berichte des hiesigen Magistrates an die königl. Negierung über die
Resultate des fünfjährigen Gebrauchs der Steinheil'schen Bierprobe ohne Aräometer, vom 22. Sept. 1846 S. 4
heißt es gleichfalls:b) Scheint die Helle des Tages Einfluß auf die
Gradbestimmung zu haben, weil bei trüben Tagen kein so scharf begränztes
Bild erzielt wird.
Selbst die Zeit, welche man zum Einstellen verwendet, ist nicht gleichgültig. Bedarf
man etwas länger zum Einstellen als unumgänglich nöthig wäre, was häufig der Fall
ist, da man oft nicht sogleich eine günstige Erleuchtung des Gesichtsfeldes erhält,
so bisectirt das Auge nicht mehr gut und stellt daher falsch ein. Deßwegen war auch
Prof. Steinheil, während die commissionelle Untersuchung
des Sedlmayr'schen Bieres durch die HHrn. Marx und Prof. Krötz vor sich
ging, in beständiger Bewegung, bald den einen, bald den andern bedeutend, so und so
dürfe man es nicht machen, da und dorthin dürfe man nicht sehen, man erhalte sonst
falsche Resultate.
Eben so ist die Temperatur, bei welcher das Bier untersucht wird, von großem
Einflusse auf die Resultate. Eine etwas mehr als gewöhnlich kalte Temperatur macht
das Gesichtsfeld auch bei der besten Erleuchtung trübe und das Bild des Balkens wird
erst nach einigen Minuten deutlich. Diesen Umstand führt auch das oben citirte
magistratische Gutachten sub Lit. d an.
Eine andere Unsicherheit entsteht dadurch, daß man neben dem Auge sich zum Einstellen
noch einer geistigen Operation bedienen muß — nämlich das Fadenkreuz bloß
mittelst des sogenannten Augenmaaßes in zwei gleiche
Theile oder eigentlich Dreiecke zu theilen. Augenmaaß besitzen jedoch wie bekannt
verschiedene Individuen in sehr verschiedenem Grade, ja es ist überhaupt mehr von
Uebung abhängig als vielleicht eine andere geistige Fertigkeit.
Ohne ein richtiges Augenmaaß ist die richtige Einstellung, überhaupt der Gebrauch des
Instrumentes unmöglich.
Um das Instrument einzustellen, muß nämlich ein Fadenkreuz im Gesichtsfelde des Mikroskopes durch einen dicken verticalen Balken durchs
Augenmaaß allein in zwei gleiche Dreicke getheilt werden, und zwar in einem schwach
erleuchteten mikroskopischen Gesichtsfelde.
Das geübteste Auge ist nicht auf einen Trommeltheil sicher; in der Praxis schwankt
die Unsicherheit zwischen 1–3–4 Trommeltheilen. Dieß bestätiget
gleichfalls der schon citirte magistratische Bericht an die königl. Regierung von
Oberbayern sub Lit. c,
ebenso alle andern Beobachtungen, welche mit diesem Instrumente angestellt
wurden.
Zum weitern Beleg des Gesagten will ich hier Beobachtungen anführen, welche von
Individuen angestellt wurden, welche alle im Beobachten geübt, aber von
verschiedenem Alter waren.
Versuche zur Einstellung.
Es waren drei Beobachter; jeder machte drei Beobachtungen, die in langen
Zwischenräumen auf einander folgten.
P1.
P2.
S.
Einstellung 1.
104
97,00
99,75
Einstellung 2.
92
94,20
98,72
Einstellung 3.
97
98,70
99,00.
Man sieht die größte Differenz betrug hier
bei P1 12, bei P2 4,7, bei S 1,03 Trommeltheile.
Zur weitern Bekräftigung des Gesagten will ich noch einige neuere Beobachtungen in
dieser Art anführen, von Beobachtern mit dem möglichsten Fleiße angestellt, von
Individuen, die im Beobachten mehr geübt sind, als dieß je von einem erwartet werden
darf, welches die optische Bierprobe polizeilich in Anwendung zu bringen hat. Um
nach Steinheil's Vorschlag desto sicherere Resultate zu
erhalten, wurde statt des Tageslichtes eine Kerzenflamme angewendet.
Einstellungsversuche.
K.
S.
Z.
Pf.
Einstellung 1.
- 3
- 2
+ 4
- 1
Einstellung 2.
- 1
- 2
- 2
- 1
Bierprobe.
K.
S.
Z.
Pf.
Kh.
Einstellung 1.
72
69
68,33
70,2
68
Einstellung 2.
68
70,2
73,3
67,33
70
Einstellung 3.
—
—
—
—
69.
Weitere Experimente.
K.
S.
Einstellung 1.
65
66
Einstellung 2.
68
67
Einstellung 3.
64
65.
Die Unsicherheit des Einstellens wächst, wenn statt des Wassers Bier in die eine
Zelle gegossen wird, wie wir soeben gesehen haben. Beobachter, welche beim Wasser
auch das zweitemal mit der ersten Beobachtung zusammentrafen, differirten nun von
1,2 bis 2,8 bis 3,0.
Daß solche Differenzen so unbedeutend nicht sind in Bezug auf die zu erhaltenden
Resultate, mögen uns folgende zwei Experimenee lehren:
Gesammtgehalt.
Bier Nr. I.
Erste AblesungZweite Ablesung
66,268,0
10,911,3
Bier Nr. II.
Erste AblesungZweite Ablesung
70,168,0
10,3311,34.
Wir haben deßhalb im ersten Falle ein halbes, im zweiten ein ganzes Procent im
Gesammtgehalte Unterschied durch diese Unsicherheit im Ablesen.
Das wären also die so vielfachen und bedeutenden Schwierigkeiten, welche sich beim
Gebrauche der optischen Probe durch mehrere Jahre
herausgestellt haben — einer Probe, deren Anwendung im Leben nach des
Erfinders Angabe so ungemein leicht, bequem und sicher ist, daß der zufällige
Beobachtungsfehler, wie Steinheil das Publicum glauben
machen wollteKunst- und Gewerbeblatt des polytechn. Vereins 1846, S. 6, Zeile
2., 16mal kleiner sey als bei der hallymetrischen Bierprobe.
Endlich der letzte Grund, welcher die Commission abhielt, der optischen Probe mehr
als einen controlirenden Werth zuzugestehen, ist ein theoretischer, als mitstimmend
bei den praktischen.
Da wo es sich nämlich um ein entscheidendes Urtheil über
die Zerlegung eines chemisch zusammengesetzten Körpers in
seine nähern Bestandtheile handelt, kann doch wohl nur diejenige Wissenschaft,
welche sich ausschließend mit dieser Zerlegung befaßt hat, und diese Zerlegung
überhaupt auf das genaueste Studium der chemischen Kräfte der Körper basirt, ein
entscheidendes Urtheil fällen.
Die physischen Eigenschaften der Körper oder Elemente stehen höchst selten mit den
chemischen Eigenschaften derselben in irgend einer bekannten oder leicht erkennbaren
meßbaren Beziehung, und die Gesetze der Affinität, dieser Seele chemischer
Wechselwirkungen, mit irgend einer der physischen Eigenschaften der Körper in
Einklang zu bringen, hat schon der geistreiche Berthollet
trotz seines ungemeinen Scharfsinnes und seiner tiefen
physischen und chemischen Kenntnisse vergeblich
versucht.
Dazu kömmt noch, daß der Lichtstrahl, der so leicht durch brennbare organische
Verbindungen von seinem Wege abgelenkt wird, bei seinem Durchgange durch chemisch
zusammengesetzte und sich fortwährend chemisch verwandelnde organische Flüssigkeiten
nur allzu leicht von in einem Stadium entstehenden, im andern wieder verschwindenden
Combinations- und Zersetzungsproducten afficirt werden kann, von deren
Bestehen oder Vergehen der Physiker keine Mittel hat sich zu versichern.
Hätte Prof. Steinheil seine sich selbst gestellte höchst
interessante Aufgabe, auf die chemische Constitution der Körper durch die einfachen
physischen Eigenschaften der näheren Bestandtheile derselben zu schließen, wahrhaft wissenschaftlich behandelt, so hätte ihm die
Wissenschaft auch bei dem ungünstigen Erfolge seiner Bemühungen nur höchst dankbar
seyn können. Die Weise jedoch, in welcher er seine Aufgabe angriff, ist höchst einseitig, und deßhalb nur als ein Tafelexperiment
bei physikalischen Vorträgen von Interesse.
Zur wissenschaftlichen Behandlung seiner Aufgabe wäre vor allem nothwendig gewesen,
1) daß er bei jedem optisch erhaltenen analytischen Resultate eines chemisch
erzeugten Productes, durch eine mit demselben parallel laufende genaue chemische
Analyse hätte darthun lassen, daß sein neuer Weg, den er gegangen, kein Irrweg
sey;
2) daß er bei der höchst mannichfaltigen (wie uns schon der Geschmack lehrt)
chemischen Zusammensetzung der Biere, auf welche er sein Augenmerk vorzüglich
geworfen,
a) Biere von verschiedenen Stadien der Gährung,
b) Biere nach verschiedenen Braumethoden bereitet,
c) Biere von verschiedener Farbe, weiße und braune,
optisch untersucht und durch parallel laufende genaue
chemische Analysen dargethan hätte: daß die eigenthümlichen chemischen Producte,
welche durch die verschiedenen Braumethoden und in den verschiedenen Stadien der
Gährung entstehen; daß ferner die verschiedenen Producte, welche sich durch das mehr
oder weniger getrocknete und geröstete Malz bilden und die dem Biere seine Farbe und
größtentheils seinen Geschmack geben: nicht neben dem Alkohol und Malzzucker,
Malzgummi etc. das Gährungsvermögen und auch das specifische Gewicht in der Art
modificiren, daß die bloß auf die Brechungsverhältnisse von Alkohol und Bierextract
basirte optische Probe von andern Gährungsproducten obiger Art nicht so afficirt
worden, daß sie mit voller Sicherheit nicht mehr unter allen Fällen angewendet
werden könne.
Daß das Bier sich wie ein Gemenge aus Zucker und Branntwein verhalte, das konnte nur
einem Physiker in den Sinn kommen und die Resultate der optischen Probe näherten
sich schon mehr der Wahrheit, als Steinheil auf Prof. Kaiser's Vorschlag sein sogenanntes Normalbier anstatt
aus Zucker, aus Bierextract zusammensetzte.
So lange bei seinem neuen Wege, den Steinheil einschlug,
nicht alle diese Punkte genau ermittelt sind, hat die optische Probe für die Praxis nur einen sehr
untergeordneten Werth, der mit dem Preise der dazu nöthigen Instrumente von 88 fl.
in gar keinem Verhältnisse steht.
Nachdem ich bisher die Gründe beleuchtet, welche die Commission bei der Auswahl der
verschiedenen Bierproben leiteten, kann ich nun speciell zu denjenigen Punkten der
Anklage übergehen, welche mich, die Commission und den
Verwaltungsausschuß ausschließend betreffen.
Den ersten Vorwurf: daß die von mir angegebenen Zahlen in Hinsicht auf die
saccharometrische Bierprobe unrichtig seyen, fand ich bei Vergleichung des
Originalprotokolles zu meinem großen Leidwesen begründet, und ich habe auch noch
denselben Tag, als mir Steinheil, wie Eingangs erwähnt,
sagen ließ, die Zahlen der Resultate nach der Balling'schen Methode erhalten, seyen unrichtig, eine Berichtigung an Dr. E. Dingler in Augsburg
gesendet, welche er jedoch in sein Journal nicht aufnahm, da in seinem Auszuge
meiner Abhandlung überhaupt nichts von der Balling'schen
Probe erwähnt war.
Der Vorwurf: daß ich in meiner oben angeführten Abhandlung angegeben: ich hätte diese Resultate aus den Originalprotokollen
genommen, ist jedoch nicht wahr, und Prof. Steinheil hat bloß darum eine solche Zuthat von
vornherein nöthig gefunden, um für seine scheinbare Entrüstung eine desto breitere
Basis zu erhalten. In meiner oft citirten Abhandlung habe ich bloß in der Anmerkung
angeführt: die Resultate seyen von Marx, Krötz und Steinheil
erhalten.
Ich habe diese Resultate nach den Angaben von Steinheil
und Pettenkofer in der Sitzung der Commission vom 31.
Julius 1847 copiren lassen. Die Fehler liegen ohne Zweifel in der Copiatur, die ich
jedoch gleichfalls mit dem Originale verglichen habe. Die häusigen Unterbrechungen
in diesem Geschäfte können allein Ursache gewesen seyn, daß ich die falschen Zahlen
übersah, die jedoch nur in den Decimalstellen liegen.
Indessen muß ich auch hier wieder den Leser auf die Weise
aufmerksam machen, in welcher Steinheil die Zahlen feiner
wissenschaftlichen Resultate angibt.
In dem Sitzungsprotokolle vom 31. Julius 1847 und dem Referate von Pettenkofer unterm 24. Jan. 1848 findet sich der
Alkoholgehalt der saccharometrischen Probe angegeben zu 3,57 Proc.; in Steinheil's Gegenbemerkuugen S. 294 gibt er sie zu 3,775;
meine falsche Zahl heißt 3,15.
Gehen wir zu den eigentlichen von Steinheil geschriebenen
Originalprotokollen, welche ich erst jetzt zu sehen bekam, so wird uns die Differenz
obiger Angabe sogleich klar.
Nachdem von Krötz, Marx und Steinheil eigenhändig unterzeichneten Protokolle in 4to
ist der Alkoholgehalt nach der optischen Probe von Steinheil selbst angegeben 3,55 Procente; dagegen der Alkoholgehalt nach
der saccharometrischen Probe in demselben Protokolle 3,80 und 3,775.
Diese Zahlen sind aber in Beziehung auf die optische Probe zu groß.
Um sie nun mit dieser in Einklang zu bringen, hat er in seiner wissenschaftlichen
Weise an diesem Resultate zu corrigiren angefangen, indem er also fortfährt:
„Allein durch Vergleichung des Extractgehaltes und seines specifischen
Gewichtes aus Balling's Tabelle I. mit den
Zuckergewichtsprocenten und den specifischen Gewichten in meiner Abhandlung S.
42 und 30 ergibt sich, daß 18,00 Zuckergewichtsprocente dasselbe specifische
Gewicht haben, mit 19,025 Procente Extractgehalt von Balling.“
Nach diesen Verhaltnissen corrigirt er demnach den Alkoholgehalt nach der Balling'schen Probe von 3,775 auf 3,57 herab, weil er so
mit seinen Resultaten nach der optischen Probe besser
stimmte, und diese Zahl gab er auch in der Sitzung der Commission vom 31. Julius
1847 an.
Nachdem aber das Resultat der chemischen Analyse häufiger besprochen worden, fand er
diese seine Zahl 3,55 zu klein; er sah sich also veranlaßt, in einer neuen Beilage ohne Datum, in welcher er sich jedoch auf
die chemische Analyse beruft, den Alkoholgehalt seiner optisch-aräometrischen
Probe von 3,55, wie sie in den beiden Sitzungsprotokollen nach Steinheil's Vortrag angegeben wurde, wieder auf 3,76 zu erhöhen und die
saccharometrische herabcorrigirte wieder auf ihre
ursprüngliche richtige Zahl zurückzuführen.
Man sieht also, wie es Prof. Steinheil mittelst seiner
originellen wissenschaftlichen Behandlung so leicht wird, durch einige kleine
Reductionen und Correctionen die Zahlen seiner Beobachtungsresultate so groß oder so klein zu machen, als er sie eben
braucht.
Wir haben von der Schmiegsamkeit eines solchen wissenschaftlichen Princips noch
mehrere Beweise.
Als wir, Kaiser und ich, die hallymetrische Analyse des
Sedlmayr'schen Bieres unternahmen, haben wir zugleich
dasselbe laut Protokoll vom 10. Julius 1847 auch optisch-aräometrisch
untersucht.
Die Instrumente waren sämmtlich aus der Steinheil'schen
Werkstätte hervorgegangen. Das Resultat war für Alkohol 2,8, also um 0,75 Proc.
kleiner als es nach den Steinheil'schen Untersuchungen
ausfiel, und beinahe um 1 Proc. kleiner als der wirkliche Gehalt.
Wir gehen nun zum zweiten Vorwurfe über, der uns von Steinheil gemacht wird, nämlich: ich hätte seine
Probsude deßhalb ignorirt, weil sie mir weniger zuverlässig erschienen als die
von mir angeführten.
Da hat er vollkommen recht, und ich will nun den Lesern auseinandersetzen, weßhalb
ich weniger Vertrauen in die Steinheil'schen setzte, als
in die von mir angeführten.
Oben habe ich schon die Gründe angegeben, aus welchen die Commission selbst keine
Notiz von diesen Probesuden nehmen konnte.
Diese Gründe haben auch mich zum Theile geleitet, als ich obige Abhandlung
schrieb.
Ich will dem Leser aber noch mehrere andere angeben.
1) Beobachtungen überhaupt, welche als Norm bei irgendwie zu treffenden gerichtlichen
Maßregeln dienen sollen, müssen von mehreren Beobachtern
zugleich angestellt seyn, und namentlich von solchen, welche kein pecuniäres
Interesse bei der Untersuchung leitet.
2) Zu Beobachtungen, wo es gilt, über verwickelte chemische
Vorgänge und Erzeugnisse ein richtiges, maßgebendes Urtheil zu fällen,
verlange ich nothwendig einen Chemiker, der mehr versteht
als Messen und Zählen.
Schon im Anfange des Experimentes hatte es sich gezeigt, daß Prof. Steinheil keinen Begriff von dem Unterschiede zwischen
Ober- und Untergährung besaß.
3) Bei Experimenten in so großem Maßstabe, welche zum Zweck haben, den Verlauf eines
chemischen, ununterbrochenen, Tag und Nacht andauernden Processes zu studiren, ist
eine eben so ununterbrochene, dauernd sorgfältige Ueberwachung nöthig. Wer je im
Großen gearbeiet hat, wird einsehen, wie nöthig diese Ueberwachung schon des fremden
dabei betheiligten Personals halber sey.
4) Beim Studium dieses eben angedeuteten chemischen Processes kann ohne die Anwendung
der genauesten chemischen Analyse kein Schritt vorwärts gemacht werden. Wir haben
schon oben gesehen, daß die neueste optische Probe desto mehr von der Wahrheit
abweiche, je stärker der Weingeistgehalt der Biere wird; deßhalb ist gerade hier, wo
es gilt, den Uebergang von Zucker in Alkohol vom Anfange des Processes bis ans Ende
zu studiren, die optische Probe ein sehr verdächtiges Werkzeug, und das Experiment überhaupt,
da ihm die chemische Controle fehlt, ohne Werth.
Daß in den von mir benützten Probesuden Beobachtungsfehler liegen, konnte mir nicht
entgehen, obgleich ich das von Steinheil citirte
Protokoll nicht gesehen habe. Ich bemerkte deßhalb auch in meiner Abhandlung S. 290,
daß ich diese Daten rechnend verglichen hätte, so weit als
möglich war.
Indessen liegt der Irrthum nicht in den Visirstäben, wenigstens nicht in dem Maaße,
wie die damalige Commission und mit ihr Prof. Steinheil
annimmt, und die Resultate sind trotz einiger Beobachtungsfehler hinreichend genau,
um den Gang bei den Biergährungsprocessen im Großen beurtheilen und einen
Anhaltspunkt bieten zu können für die Anwendung der hallymetrischen Bierprobe auf
die Tarifmäßigkeit der Biere.
Es ist hier wieder die hallymetrische Analyse der Würze
und des vergohrenen Bieres allein, welches es uns möglich macht, den Werth dieser
Probesude für die Praxis zu beurtheilen.
Vergleicht man nämlich den ursprünglichen Würzegehalt des vergohrenen Bieres aus dem
Extract und Alkohol berechnet, mit demjenigen, welchen das nach der Gährung übrig
gebliebene Flüssigkeitsquantum nach der hallymetrischen Analyse der Würze enthalten
muß, so findet man, wie ich in der von mir berechneten und mit „nach der Gährung“ überschriebenen Tafel S.
291 und 292, Colonne 6 und 7 angegeben habe:
Würze, berechnet nach dem Alkohol und Extract.
Würze nach dem Flüssigkeitsüberreste nach der
Gährung.
Differenz in Procenten.
128,37
129,95
0,158
138,10
141,77
0,367
138,95
144,77
0,582
148,98
141,04
–0,794.
Wir sehen also hier allein im Probsude Nr. 4 einen der Beobachtungsfehler von einiger
Bedeutung.
Betrachten wir die übrigen drei Experimente, so finden wir, baß der Würzegehalt in
Colonne 7 größer ausfällt, als in Colonne 6, wie es auch geschehen muß, da die Würze
noch alle jene Theile enthielt, welche sich als Hefe nach der Gährung ausgeschieden
haben.
Wollten wir die in Steinheil's Gegenbemerkungen erwähnten
16½ Eimer auf Rechnung der Visirstäbe bringen, so würden wir in unserer
controlirenden Rechnung als Differenz ein negatives
Resultat anstatt eines
positiven Resultates erhalten, wie dieß im Probesude Nr. 4 wirklich statt fand, was
natürlich ein baarer Unsinn wäre.
Bei Verfertigung von Visirstäben wird immer auf die Krümmung der Gefäße Rücksicht
genommen, und ich glaube nicht, daß die damalige Commission so ungeschickt gewesen
seyn konnte, dieß nicht zu wissen.
Auch bei Anführung dieser Probesude habe ich wieder nicht gesagt: ich hätte sie aus
den Originalprotokollen entnommen, sondern S. 290: ich hätte diese Daten von Prof.
Kaiser, nach seiner Versicherung, im Originale mitgetheilt erhalten. Kaiser war Commissionsmitglied bei obigen Proben. Die Handschrift war die
von Prof. Zierl und wenn ich mich recht erinnere Dr. Pettenkofers mit
Anmerkungen von Kaiser.
Das waren nun lauter Commissionsmitglieder, und Steinheil
hat auch diesen Umstand nur deßhalb benützt, um Gelegenheit zu erhalten, dem Leser
neuerdings begreiflich zu machen, daß er von der Sache viel besser unterrichtet sey
als ich.
Was den folgenden Vorwurf Steinheil's betrifft:
Die Commission hätte, wie er, Probesude veranstalten sollen, so habe ich schon
Eingangs erklärt:
Die Commission habe, wenn die Aufgabe vollständig gelöst
werden sollte, für nöthig erachtet, Probesude zu verschiedenen
Zeiten, in verschiedenen Gegenden und also nach verschiedenen Braumethoden angestellt, zu vergleichen und zu studiren;
dazu sind aber Jahre vonnöthen, die, wie Steinheil selbst wissen wird, der Commission nicht
gegönnt worden sind.
Die Frage übrigens, welche der Commission vorgelegt wurde, habe ich schon Eingangs
angeführt:
Sie lautete keineswegs: zu ermitteln, wie groß der Einfluß sey, den der sogenannte
Gährungsgrad (ein Name, den Steinheil erst durch seine Niederlage im Kampfe mit Balling kennen lernte) auf die Salzprobe allein ausübt, den kannte sie
längst, was auch die Resultate beweisen, welche sich aus den von mir
zusammengestellten Bieranalysen ergeben, und von welchen Steinheil keine Ahnung hatte, wie wir sogleich sehen werden.
Die Aufgabe der Commission war: „verbesserte und
leicht anwendbare Apparate zur technischen Untersuchung des Bieres in
polizeilicher Rücksicht dem Ministerium zu empfehlen, und über den
bisherigen Erfolg praktischer Versuche zur technischen Untersuchung der
Biere ein Gutachten
abzugeben“, und diesen Fragen hat sie auch
Genüge geleistet, so weit als es die beschränkte Zeit gestattete.
Nun kommen wir zu Beschuldigungen, die mich, die Commission und den Verwaltungsausschuß des polytechnischen Vereins zugleich betreffen, und
mit welchen Prof. Steinheil eben nicht sehr verhüllt zu
erkennen gibt: die Commission und der Verwaltungsausschuß
seyen ein blindes Werkzeug von mir gewesen.
In seinen Gegenbemerkungen S. 296 sagt er unter vielem Anderen: „ich (Schafhäutl) fände ganz einfache Gründe, nachzuweisen,
daß zur Bestimmung des Gehaltes eines Bieres nach dem ersten Theile der Fuchs'schen Probe allein das Entnehmen eines gleichen
Volumens Bier mit einer Gay-Lussac'schen
Pipette einfacher wäre; daß man jedoch bei gleichem Gewichte bleiben müsse.
Hätte Prof. Schafhäutl diese Gründe früher anerkennen
wollen, so würde er mir viel Mühe erspart haben.“ Weiter heißt es auf
dieses Actenstück hin (er meint sein Separatvotum vom 21. Febr. 1848)
„habe sich endlich die Commission und nach ihr der Verwaltungsausschuß
entschlossen, von der Pipette
abzugehen.“
Von allen diesen Beschuldigungen ist kein Wort wahr.
Nie ist die Commission oder der Centralverwaltungsausschuß auf
irgend einen Antrag oder irgend ein Separatvotum Steinheil's in dieser Beziehung
eingegangen. Es hat zwar der Vorstand des polytechnischen Vereins einige
Versuche zur Herstellung des lieben Friedens gemacht; diese Versuche sind aber weder
durch die Commission noch den Verwaltungsausschuß veranlaßt worden.
Daß ich die Eingangs erwähnten Gründe, die Steinheil so
viel Mühe gemacht haben sollen, schon ausgesprochen habe, als Steinheil noch gar keine Idee von diesen Gründen hatte, will ich sogleich
beweisen.
Die Commission hatte sich dahin entschlossen, durch genaue Vergleichungen
bewogen:
1) Zu vorläufigen Untersuchungen den ersten Theil der hallymetrischen Probe als dem
Zwecke vollkommen entsprechend vorzuschlagen.
2) Die Wage gar nicht anzuwenden, und Hr. Medicinalassessor Pettenkofer schlug deßhalb statt der Wage eine Gay-Lussac'sche Pipette vor, die ein gleiches Volum Flüssigkeit mit
derselben Sicherheit heraushebt, als dieß bei dem gewöhnlichen Abwägen derselben
stattfindet. Der Commission gefiel dieser Antrag. Steinheil erhob sich und stimmte mit aller Heftigkeit jedoch nur gegen die Unsicherheit des ersten Theiles der hallymetrischen
Probe: „denn wäre der erste Theil ausreichend, wozu hätte Fuchs den zweiten Theil derselben
erfunden.“
Von dem Mißgriffe, der durch Anwendung des gleichen Maaßes anstatt des gleichen
Gewichtes entstehen würde, hatte Steinheil damals noch
keine Idee.
Ich kam deßhalb lachend zu Fuchs, als gerade der
Universitäts-Professor Dr. Pettenkofer anwesend war, und erklärte: Steinheil
habe in seinem wüthendem Kampfe gegen die Anwendung des ersten Theiles der
hallymetrischen Probe, der dennoch, wie Steinheil zuletzt selbst zuzugeben genöthigt war, nahezu richtig sey (S. 297, Z. 28 seiner Gegenbemerkungen), gerade das übersehen, was diesen ersten Theil wirklich
unsicher mache, nämlich die Anwendung gleichen Volumens anstatt gleicher
Gewichte, wie sich dieß durch eine einfache Rechnung darthun lasse. Ich sey
jedoch eben im Begriffe die Pipette in solcher Art zu construiren, daß mittelst
derselben dennoch stets ein gleiches Gewicht Flüssigkeit herausgehoben werden
könnte.
Fuchs fand aber meine Mittheilung von solcher Bedeutung,
daß er Prof. Pettenkofer ersuchte, dem Vorstande des Vereines meine Eröffnungen mitzutheilen,
damit man nicht nachher der Commission den Vorwurf machen könne, als sey dieser
wichtige Umstand übersehen worden. Prof. Pettenkofer unterzog sich diesem Ansuchen mit Vergnügen
und theilte dem Vorstande des Vereins das eben erwähnte mit.
Daß sich dieß wirklich so verhält, bezeugen die beiliegenden eigenhändigen Schreiben
von Oberbergrath FuchsSiehe Beilage I und Prof. Dr. Pettenkofer.Siehe Beilage II
Am 12. Februar 1848 gab Steinheil sein erstes Separatvotum ein, in welchem er, was er in der
Sitzung mündlich vorgetragen, wie ich oben erwähnte, schriftlich niederlegte, zwar
von den Balling'schen Gährungsgraden spricht, aber mit
keiner Sylbe des allein Bedeutung habenden Umstandes erwähnt, daß das gleiche Volumendem gleichen Gewichte nicht substituirt
werden dürfe.
Indessen schritt ich mit Construirung meiner Pipette rasch vorwärts, woraus ich auch,
sowie aus den oben erwähnten Umständen kein Geheimniß machte, und am 17. Febr. 1848
war bereits meine erste Doppelpipette fertig, wie die Bescheinigung und das Buch des
Mechanikers Greiner dahier beweist, welcher meine
Instrumente überhaupt verfertigte.Siehe Beilage III.
Erst am 20. Febr., also drei Tage, nachdem mein erstes Instrument bereits fertig war,
kam Steinheil mit seinem zweiten Separatvotum, in welchem
er am Ende zum erstenmal erklärt:
„Die Abänderung welche Hr. Leibapotheker Pettenkofer an der Fuchs'schen Probe
gemacht hat etc. ist daher hauptsächlich Ursache an dem großen Unterschiede der
Salzprobe.“
Man sieht aus den oben citirten Actenstücken, wie viel zu spät Steinheil mit seiner Entdeckung gekommen ist, auf die er sich soviel zu
Gute thut, und kann nun urtheilen wie es sich mit der Wahrheit der übrigen
Erzählungen verhalte.
In einer weitern Bemerkung sucht Steinheil weiter zu
beweisen: die Erfindung meines aräometrischen Hebers sey überflüssig gewesen und
warum?
Der Leser höre! nämlich weil Steinheil selbst schon 1836
auf den Wunsch des Prof. Fuchs ein ähnliches Instrument
erfunden habe, das viel besser und einfacher sey als das meine. Von dieser Erfindung
weiß jedoch keine Seele etwas, auch nicht einmal Fuchs,
auf dessen Wunsch es doch Steinheil erfunden haben will!
Man sehe das beiliegende Zeugniß.Siehe Beilage IV. Ich kann der
Versicherung Steinheils keinen Glauben schenken und aus
einem moralischen Grunde. Steinheil, der lange Zeit vor
jeder seiner Erfindungen gackernd die Welt zu erfüllen pflegt, mit dem was er
ausführen will und, wenn endlich das Windei gelegt ist, in seinem Weltentzücken dem
ersten besten Unglücklichen der ihm in den Wurf kömmt, um den Hals fällt nach dem
Horazischen quem vero arripuit
tenet occiditque dicendo etc., der sollte eine so „große“ Erfindung so lange in den Acten
vergraben gelassen haben! Unglaublich!
Das Instrument übrigens, welches er in seinen Gegenbemerkungen S. 298 beschreibt,
bietet kein Aequivalent für das meine. Von einem solchen Instrumente verlange
ich:
1) daß es beim Gebrauche wo möglich noch weniger Umstände macht, als die Gay-Lussac'sche Pipette;
2) daß man bei dem Instrumente nichts einzustellen, nichts abzulesen, nichts
hinzuzufügen oder wegzunehmen braucht, schon der schaumbedeckten Flüssigkeit
halber;
3) daß man trotz diesem ein bestimmtes Quantum von Flüssigkeit mit derselben
Genauigkeit herauszuheben und in das bestimmte Gefäß zu
bringen im Stande ist, als sie die bei solchen Untersuchungen zu gebrauchende Wage
geben würde;
4) daß keine verschiebbaren beweglichen Theile mit der herauszuhebenden Flüssigkeit
in Berührung kommen, welche durch das Bier bald fest und unbrauchbar gemacht
werden.
Daß das von Steinheil angegebene Instrument diesen
Bedingungen nicht entspreche, scheint er selbst gefühlt zu haben, denn er fügt noch
hinzu: „will man aber einen Apparat haben der sich
wie der Schafhäutl'sche von selbst einstellt“ etc.
Dadurch gesteht er ja aber selbst mit klaren Worten, daß er einen Apparat wie den meinen im Jahr 1836 nicht erfunden hatte. Erst durch
meinen Apparat im Jahr 1848 veranlaßt, machte er wieder im Jahr 1848 einen Vorschlag
zu einem der sich, wie der meinige, von selbst einstellen
soll.
Die Beschreibung jedoch ist so originell, daß mit ihr gar nichts gesagt und gethan
oder, wie er sich ausdrückt, bewiesen ist.
Der Vorschlag ist wieder ganz à
la
Steinheil — ein flüchtiger Gedanke, wie er eben
einem durch den Kopf fährt, ohne Rücksicht auf praktische Möglichkeit der Ausführung
und Anwendung.
„Eine Flasche, heißt es, mit
etwas dünnem Halse ist hinreichend, deren Inhalt mit einem gewissen Gewichte
belastet ist. Was heißt das: „ihr Inhalt ist
belastet?“ welcher Deutsche ist im Stande so etwas zu verstehen!
Wie macht man es, daß die Flasche nicht umfällt im Wasser, daß sie bis zu dem Striche
am Halse untersinkt und nicht tiefer? Wie bringt man gerade ein bestimmtes Gewicht
Bier in die Flasche, oder wenn es darin ist, wie bringt man dasselbe Quantum ohne
Verlust wieder heraus in das Glas mit dem Salze? Das Instrument wird doch keine Nicholson'sche Wage seyn sollen? Und auf eine solche
Beschreibung hin hat Prof. Steinheil am Ende seiner
Gegenbemerkungen S. 299 und 300 die Keckheit zu sagen:
„Wir haben gezeigt: daß ein Apparat (wie der Schafhäutl'sche) auch durch eine gewöhnliche Flasche
ersetzt werden kann. Das heißt ja mit dem Leser Spott treiben!
Der weitere Vorwurf endlich, daß ich von der optischen Probe keine Erwähnung gethan,
wird mich als Vorwurf nicht treffen, wenn ich erkläre:
Daß ich es in meiner Abhandlung bloß mit der hallymetrischen Probe zu thun hatte, und
die Balling'sche mit berührte, weil Balling in allen
seinen Aufsätzen dahin arbeitete, die hallymetrische ihrer Verdienste zu
berauben.
Absichtlich habe ich ihrer indessen nicht erwähnt aus collegialem Zartgefühle; denn wäre ich mit den Thatsachen, zu deren
Bekanntmachung mich Steinheil jetzt durch seinen Angriff
gezwungen hat, in meiner obigen Abhandlung aufgetreten, so würde ich ihm und seiner
Erfindung keinen Dienst erwiesen haben.
Die gleich auf diesen Vorwurf folgende Behauptung: daß die hallymetrische Probe nur
für ausgegohrene Biere (es werden übrigens keine andern untersucht) richtig sey, ist
von solcher Art, daß, wenn ich Steinheil nicht täglich um
mich gesehen hätte, ich glauben müßte sie käme von einem der nicht recht bei Troste
ist.
Zur Begründung dieser letzten Behauptung — welche Experimente führt er an
— zwei, die er selbst gemacht hat über Nacht mittelst der
optisch-aräometrischen Probe, und zwei, die Pettenkofer gemacht hatte einige Tage darnach mit demselben Biere.
Die Differenz fand Steinheil 1, 6 Procent.
Wir haben aber aus meiner Tabelle gesehen, welche die Resultate vergleichender
Untersuchungen zwischen der optischen und hallymetrischen Bierprobe von mehreren
Jahren zusammenstellt, daß die optische Probe auch bei ausgegohrnem Biere im Durchschnitt um mehr als 2 Proc. differirt (was
ebenfalls einen Grund zu ihrer Beseitigung abgab) — welcher vernünftige
Mensch wird sich wundern, wenn sie dieß auch bei halb ausgegohrenem Biere thut! Die
Ursache ist ja eben, daß die optische Probe überhaupt keine
verlässigen Resultate gibt.
In meiner Abhandlung S. 309 habe ich ferner nicht durch ein paar
Zweck-Experimente, die ich zu Hause in meinem Schreibzimmer als Cicero pro domo gemacht, sondern durch 119
Exfahrungsresultate, während einer Reihe von 12 Jahren erhalten, bewiesen, daß der
erste Theil der hallymetrischen Probe, wie ihn die Commission vorgeschlagen, zur
Erhebung des Gesammtgehaltes bei vorläufigen Untersuchungen wenn wir auch das Alter
des Bieres nicht kennen, vollkommen ausreichend sey, weil die Unsicherheit bei
wirklich zur Consumtion gebrachten Bieren durch diese Methode allein nie ein halbes Procent
erreicht, ja auf 0,22 herabgebracht werden kann, wenn man das Alter nur ungefähr
weiß.
Die optische Probe allein kann den ersten Theil der hallymetrischen nicht ersetzen;
die Eigenthümlichkeit der hallymetrischen Probe liegt zum Theil in dem Umstände, daß
das Kochsalz dem Alkohol nicht alles Wasser zu entziehen im Stande ist. Wirklich
untersuchte Biere von allen Gährungsgraden und Altern haben zu diesen Resultaten
geführt, die durch kein a + b - c hinwegraisonnirt werden können.
Was endlich die Vergleichung der Kosten der optisch-aräometrischen Probe mit
der hallymetrischen betrifft, so kann Steinheil diese
Vergleichung unmöglich im Ernste gemeint haben. Bedenken wir noch dazu, daß die
optische Probe beinahe mit jedem Jahre eine andere wird — so ist die optische
Probe aus der Steinheil'schen Werkstätte, welche die
hiesige polytechnische Schule gekauft hatte, nach dem gegenwärtigen Stande der
optischen Probe (im Jahre 1847/48 nämlich) in der Steinheil'schen Werkstätte verbessert worden — was eine Summe von
36 fl. kostete — ferner daß die optische Probe nur in der Hauptstadt
justificirt, reparirt und corrigirt werden könne, und zwar jedesmal nur um schweres
Geld, so wird man wohl nicht schwanken zwischen der Wahl bei den Proben auch in
pecuniärer Hinsicht.
Was den Vorzug der Probe wegen der Schnelligkeit, mit welcher sie ihre Resultate
gibt, betrifft und die Steinheil so oft erwähnt, so hat
ihn schon Balling belehrt, daß ein zweifelhaftes oder gar
falsches Resultat von keinem Werthe ist, wenn es auch in gar keiner meßbaren Zeit
erhalten werden könnte.
Zum Schlüsse will ich noch denjenigen, welche sich mit hallymetrischen Untersuchungen
beschäftigen, rathen Steinheils Versicherung ja nicht zu
glauben, als sey das Zusammendrängen des Salzes in den kleinsten Raum überflüssig,
sowie die anzuwendende Temperatur gleichgültig.
Der Vorschlag beweist nur daß Steinheil wieder Experimente
gemacht habe um ein Resultat zu erhalten, welches er wünscht.
Das Niedersinken der in der Bierflüssigkeit suspendirten Salzkörner in einem gewissen
Zeitraume hängt
1) von der Weite der Röhren,
2) von der Beschaffenheit des Bieres selbst ab.
In engen Röhren stemmen sich die Körner sehr oft, so daß man ohne Anwendung eines
Drahtes sie gar nicht in den kleinsten Raum zusammenbringen kann.
Bei den meisten Bieren scheiden sich, wenn das Kochsalz beigemengt wird, namentlich bei der
zweiten Operation, Kleber und andere Verbindungen aus, welche in Flocken die
Salzkörner umhüllen und je nach ihrer Größe ein vollständigeres oder
unvollständigeres, ein rascheres oder langsameres Niedersinken der Körner bewirken,
so daß man übereinstimmende Resultate nur erhält, wenn man die Fuchs'sche Vorschrift befolgt, die Salzmasse öfter mit einem Drahte
durchfährt und das Zusammenklopfen bis an die Gränze treibt, welche hier allein
Sicherheit gewährt. Nahezu dasselbe Verhältniß findet hinsichtlich der Temperatur
statt. Innerhalb der Gränzen, welche Fuchs vorgeschrieben
hat, finden, wenn man eine gewisse Temperatur um ein Geringes überschreitet,
Verschiedenheiten in der Quantität der Salzrückstände statt, welche an der
Sättigungsgränze nicht mehr stattfinden. Ebenso ist bei derselben Temperatur unter 28° und bei derselben Zeit der
Salzrückstand verschieden, je nach dem Gehalte und der Zusammensetzung der
Biere.
Betrachten wir endlich zum Schlüsse Steinheils Resumé,
Seite 299, so finden wir:
1) Wahr ist, daß ich die Zahlen in Hinsicht auf die
saccharometrische Probe unrichtig angegeben habe, was mir wirklich sehr leid thut,
was ich aber nicht mehr ändern kann; falsch dagegen, daß
ich die Protokolle dabei citirt hätte.
Theilweise wahr ist, daß die chemische, die optisch-aräometrische und saccharometrische Analyse merkwürdig übereinstimmende Resultate geben; die
optische hätte ausgelassen werden sollen.
Falsch ist, daß die hallymetrische Probe in Anwendung auf
Feststellung des normalmäßigen Gehaltes auf Probesude basirt sey, welche ¼
des Quantums unsicher lassen.
Nicht wahr ist, daß die Commission zur Vergleichung der
verschiedenen Bierproben nur nach langen Kämpfen zu überzeugen war von der
Unzulänglichkeit der Pettenkofer'schen Salzprobe.
Falsch ist, daß der Apparat von Steinheil schon 1836 erfunden wurde, welcher die Dienste des meinigen
versehen könnte; ebenso falsch ist, daß mein Apparat durch eine gewöhnliche Flasche
ersetzt werden könnte.
Nicht wahr ist es also daß sich, wie es S. 297, Zeile 17 heißt, der
Centralverwaltungsausschuß compromittirte, sondern Prof. Steinheil hat sich compromittirt, was übrigens nicht das erstemal gewesen
ist, und gewiß auch nicht das letztemal gewesen seyn wird.
Das alles habe ich nicht durch Phrasen und Experimente, bei welchen kein Mensch Zeuge
war, sondern durch vieljährige Erfahrungsresultate, durch Protokolle und Zeugnisse
bewiesen, und schließe somit meine Abhandlung, den freundlichen Leser um Nachsicht
bittend, daß ich ihn etwas lange mit verschiedenen Auseinandersetzungen
belästige.
Für den Eingeweihten wäre dieses freilich nicht nöthig gewesen; der kann nur lächeln
über die kindlich wissenschaftliche Unschuld, welche im Ernste glaubt, die
Instrumente und Operationen der analytischen Chemie könnten je durch ein Biot'sches Prisma, ein Mikroskop und eine Senkspindel
ersetzt werden!
BeilageI.
Zeugniß.
Ich Endesgesetzter bezeuge hiemit dem Hrn. Professor Dr.
Schafhäutl, daß er mir noch vor dem Separatvotum des
Hrn. Conservator Steinheil vom 12.Februar in meiner
Wohnung auseinandergesetzt hat, wie er zwar mit Anwendung einer Pipette statt der
Wage einverstanden sey, aber durch Rechnung gefunden habe, daß die Pipette in ihrer
ursprünglichen Einfachheit nicht angewendet werden könne, weil ein gleiches Volumen
einem gleichen Gewichte Biers nicht substituirt werden könne. Er, Prof. Schafhäutl, also eine Pipette construiren werde, mit
welcher man stets gleiche Gewichte Flüssigkeiten herausheben könne. Ich hielt diese
Eröffnung, da Hr. Prof. Steinheil noch mit keiner Sylbe
dieses Umstandes gedacht hatte, für so interessant, daß ich Hrn. Prof. Pettenkofer sogleich bat, dieselbe dem Vorstande des
polytechnischen Vereins in meinem Namen mitzutheilen, damit ein allenfalls
entstehender Streit über die Priorität der Ermittlung dieser Thatsachen bezüglich
der Anwendbarkeit einer einfachen Pipette wo möglich von vornherein vermieden werden
könnte.
Den 12. September 1848.
Conservator Dr. Fuchs.
BeilageII.
Ew. Hochwohlgeboren! Bezüglich Ihrer sehr verehrlichen Zuschrift vom 8. l. M. habe
ich die Ehre zu erwidern:
Mit Vergnügen bezeuge ich meinem Gewissen und der Wahrheit gemäß, daß Ew. Hochw., als
wir uns nach der Sitzung des Ausschuffes für die Untersuchung der Bierproben bei Fuchs zusammenfanden, sich über den Vorschlag meines
Onkels, Hofapothekers Dr. Pettenkofer, die Wage bei der hallymetrischen Bierprobe durch die Gay-Lussac'sche Pipette entbehrlich zu machen, allerdings sehr
erfreut geäußert, jedoch zugleich bemerkt haben, daß Sie durch Rechnung gefunden,
daß die Pipette in ihrer ursprünglichen Einsachheit nicht zu gebrauchen sey, weil
das gleiche Volumen bei verschiedenem spec. Gewicht bewirke, daß die Salzrückstände
im Hallymeter dem Gewichte nach nicht mehr direct auf den Gehalt des Bieres
schließen lassen. — Sie erklärten hiebei, daß Sie eben mit Versuchen
beschäftigt seyen, der Pipette eine derartige Einrichtung zu geben, daß man sie
benutzen könne, um jederzeit ein gleiches Gewicht Flüssigkeit damit auszuheben. Ihr
ursprünglicher Gedanke weicht, wie ich aus Ihrer Abhandlung etc. entnehme, im
wesentlichen gar nicht von der Form ab, in welcher Sie ihn nachher dem Publicum
übergeben haben. — Auf Aufforderung von Fuchs hin
ging ich auch gleich zum Vorstande des polytechn. Vereins, Hrn. Münzwardein Haindl, ihm anzuzeigen, daß Sie sowohl die Gay-Lussac'sche Pipette in der von meinem Onkel
vorgeschlagenen Form unzulänglich finden, als auch, daß Sie mit Construction einer
Pipette eben beschäftigt seyen, welche ohne Anwendung der gewöhnlichen Wage
jederzeit gleiches Gewicht Vier auszuheben gestatte. Dieß geschah, damit nicht nach
der Hand etwa Vorwürfe auftauchen möchten, als habe die Commission diesen Umstand
übersehen.
Mit ausgezeichneter Hochachtung Ew. Hochwohlgeb.
München, den 10. Sept. 1848.
ergebenster.Dr. Max Pettenkofer,Univers.-Professor.
BeilageIII.
Laut meines Buches habe ich am 17. Febr. 1848 den ersten Apparat zur
Bier-Untersuchung, bestehend in einer Doppelpipette für Hrn. Professor Dr. Schafhäutl
verfertigt.
München, den 12. Sept. 1848.
A. Greiner,Mechanikus,
Althammereck Nr. 5/1.
BeilageIV.
Zeugniß.
Ich Endesunterzeichneter erkläre hiemit, daß ich von einem Instrumente, welches Hr.
Prof. Steinheil auf meinen Wunsch verfertigt haben will,
und welches mir in der That sehr erwünscht gewesen #x2014;von einem Instrument,
mittelst welchem man ein gleiches Gewicht irgend einer Flüssigkeit mit aller Schärfe
entnehmen kann ohne Wage und Gewicht—nichts weiß.
Den 12. Septbr. 1848.
Conservator Dr. Fuchs.