Titel: | Ueber die Fabrication des Reitzeugleders in England; von Professor F. Jähkel. |
Fundstelle: | Band 110, Jahrgang 1848, Nr. XLIX., S. 258 |
Download: | XML |
XLIX.
Ueber die Fabrication des Reitzeugleders in
England; von Professor F.
Jähkel.Aus dem Programm der
technischen Bildungsanstalt in Dresden.
1848.
Jähkel, über die Fabrication des Reitzeugleders in
England.
Das englische hellbraune Reitzeugleder, welches, ungeachtet seines hohen Preises, ein
fortwährend auch bei uns gesuchter Artikel bleibt, verdankt seinen Ruf der
ausgezeichneten Geschmeidigkeit und markigen Dichtheit, der Reinheit seiner Farbe
und seiner sorgfältigen Appretur.
Einige kurze, die Fabrication dieses Artikels betreffende Nachrichten dürften wohl
nicht ohne Interesse seyn, auch wenn sie nichts weiteres als die Ueberzeugung zu
Tage zu fördern vermöchten, daß eine Menge englischer Fabricate ihren wohlverdienten
Ruf nicht immer neuen, von den unsrigen völlig abweichenden Methoden, oder kostbaren
und complicirten Maschinen, sondern weit häufiger der gewissenhaften Auswahl des
geeignetsten Rohstoffes, sowie einer wohlverstandenen, je nach der Natur des
Rohstoffes modificirten technischen Behandlung zu verdanken haben.
Als das tauglichste Material zur Erzeugung dieses Leders gelten allgemein die Häute
des in den Provinzen Wiltshire und Sommersetshire gezüchteten Rindviehes. Die
Nahrung, das Klima dieser Landstriche und die nur durch wenige Monate des Jahres
unterbrochene Weide im Freien begünstigen die normale Entwickelung und tragen
wesentlich zur Ausbildung jenes gleichmäßig gedrungenen und kräftig elastischen
Hautgewebes bei, ohne welches kein kerniges Leder erzeugt werden kann.
Für den vorliegenden Zweck werden entweder Kuhhäute, oder die Häute junger Stiere im
grünen oder frischenDie einmal getrockneten Häute erlangen durch Aufweichung im Wasser ihre
ursprüngliche Weichheit und Elasticität niemals völlig wieder.
Zustande verwendet.
In jenen Districten, vorzüglich zu Bristol gegerbt, werden sie zur Zurichtung den
Londoner Fabrikanten, welche die strengste Auswahl darunter zu treffen gewohnt sind,
überlassen.
Der Gerbeproceß und die demselben vorangehende Behandlung stimmen im Wesentlichen mit
dem bei uns befolgten Verfahren überein, und begreifen außer der Wasserarbeit, das
Aeschern in Kalk, das Beizen in Hühner- oder Taubenkoth und die Behandlung in
zwei bis drei verschiedenen Farben in sich, worauf die Gerbung in der Grube mit zwei
Sätzen Eichenrinde, wozu jederzeit die ausgesuchteste junge Spiegelrinde verwendet
wird, den Beschluß macht.
Die eigentliche, seiner Bestimmung zu Zeugleder entsprechende Umwandlung erfährt das
lohgare Product erst durch die Zurichtung. Diese soll ihm seine Härte, Steifheit und
Trockenheit, ingleichen auch den dunkleren Farbenton benehmen, und es in ein
weiches, möglichst geschmeidiges und wasserdichtes, gleichzeitig aber auch
hellfarbigeres Product umwandeln, ohne jedoch die durch die vorangegangene solide
Gerbung gewonnene Festigkeit und Dichtheit zu beeinträchtigen.
Bei der Zurichtung wird zunächst darauf hingearbeitet, alle mit der Substanz des
Leders nicht chemisch verbundenen Stoffe wieder daraus zu entfernen. Die in Hälften
getheilten lohgaren Häute werden deßhalb mit reinem Wasser mehrmals genetzt und
ausgestrichen, um sowohl den Extractiv- und Farbstoff nebst der Gallussäure,
als auch den ungebundenen Gerbestoff wieder zu lösen und fortzuschaffen, weil durch
diese Ablagerungen, deren späterhin eintretende Oxydation das Nachdunkeln des Leders
begünstigt, die Aufnahme jedes andern zur Vollendung des Gerbeprocesses geeigneten
Stoffes gehindert wird.
Je vollständiger diese Ausscheidung gelungen, desto besser ist das Leder für die
nachfolgenden Processe vorbereitet. Für den Gerbestoff der Eichenrinde, mit welchem
es durch die frühere Behandlung fast gänzlich gesättigt ist, zeigt es jetzt nur noch
schwache Anziehungskraft; eine kräftigere dagegen für den des Sumachs, mit welchem
daher auch jetzt das Gerben fortgesetzt und vollendet wird.
Zu diesem Behufe bereitet man ein starkes Bad von Sumach mit circa einem Viertel des Gewichtes der trockenen Häute, Sumachpulver, und
verstärkt dasselbe am Ende des zweiten Tages mit einer gleichen Menge dieser Drogue.
Das darin versenkte Leder wird zwei- bis dreimal täglich aufgeschlagen und in
seiner Lage verändert, währenddem das zu Boden gesunkene Sumachpulver in der
Flüssigkeit wiederum gleichmäßig vertheilt wird.
Nach kurzem, selten länger als drei Tage fortgesetztem Tränken und Bearbeiten des
Leders im Sumachbade tritt der Sättigungspunkt ein, und es erscheint jetzt nicht nur
heller von Farbe, sondern, was vorzugsweise bezweckt wird, auch viel geschmeidiger
und weicher.
Um aber den beliebten bräunlichgelben Farbenton noch mehr hervorzuheben, läßt man das
lohgare Product schließlich noch durch ein höchst verdünntes Schwefelsäurebad
Passiren. Sobald nämlich das Leder der überschüssig aufgenommenen Sumachtheile durch
Abspülen in reinem Wasser und Ausstreichen entledigt ist, wird es in diesem Bade
durch mehrmaliges, schnell hintereinander erfolgendes Untertauchen genetzt und
unmittelbar darauf in reinem Wasser abgespült, damit die Schwefelsäure, am tieferen
Eindringen dadurch gehindert, späterhin keine der Dauer des Leders nachtheilige
Wirkung übt.
Die nachfolgende Behandlung zweckt nun lediglich dahin ab, dem Leder die äußere
Façon und Appretur, ingleichen auch die nöthige Fettigkeit zu geben und
dasselbe vor dem Eindringen des Wassers zu schützen.
Zum Fetten bedient man sich in den Londoner Werkstätten zunächst des gereinigten
Stockfischthrans; hierauf aber und sobald dieser eingedrungen, des besten, mit der
Hälfte seines Gewichts Thran vermischten Talges, den man, wie die vorige
Fettsubstanz, auf der Fleischseite, zuletzt aber auch auf der entgegengesetzten
Seite einarbeitet, während das Leder inzwischen ausgestrichen wird.
Endlich wird es gefalzt, geschlichtet und platt gestoßen, Arbeiten, welche insgesammt
in den Londoner Werkstätten, gleich wie bei uns, durch die Hand, keineswegs aber
durch Maschinen, wie man so häufig glaubt, ausgeführt werden.
Die äußere Vollendung des Stückes hängt sonach hier, wie bei uns, lediglich von der
Geschicklichkeit und Pünktlichkeit des Arbeiters ab, weniger dagegen von den
sonstigen, vom Arbeitgeber hierüber getroffenen Bestimmungen.