Titel: Ueber den Bau der wichtigsten in der Technik Anwendung findenden Faserstoffe, als sicherstes Kennzeichen zu ihrer Unterscheidung; von Dr. A. Oschatz.
Fundstelle: Band 110, Jahrgang 1848, Nr. LXVII., S. 343
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LXVII. Ueber den Bau der wichtigsten in der Technik Anwendung findenden Faserstoffe, als sicherstes Kennzeichen zu ihrer Unterscheidung; von Dr. A. Oschatz. Aus dem Berliner Gewerbe-, Industrie- und Handelsblatt, 1848, Nr. 1 bis 11. Mit Abbildungen auf Tab. VI. Oschatz, über den Bau der Faserstoffe welche in der Technik angewandt werden. Das verschiedene Verhalten der Gespinnste und Gewebe gegen chemische Einwirkungen, mithin auch gegen die Färbemittel, hat seinen Grund theils in ihrer chemischen Zusammensetzung, theils in ihrem Baue. Die aus dem Thierreich herstammenden Faserstoffe, als Wolle, Haare überhaupt und Seide zeichnen sich durch ihren Gehalt an Stickstoff aus, der beim Verbrennen den eigenthümlichen Geruch nach verbranntem Horne verursacht, indem diese Stoffe sämmtlich mit dem Horne, den Federn und der Oberhaut unseres Körpers, die gleichfalls aus Hornsubstanz besteht, übereinstimmen. Beim Verbrennen bilden sie eine blasige Kohle, die sich nur schwer einäschern läßt, und an welcher die frühere Structur nicht mehr zu erkennen ist, indem sie zuerst durch Einwirkung der Hitze erweicht, gewissermaßen geschmolzen werden, ehe unter Entwickelung von Gasblasen die Verkohlung stattfindet. Die vegetabilischen Fasern dagegen sind nur aus Kohlenstoff, nebst Sauerstoff und Wasserstoff, in dem Verhältnisse um Wasser zu bilden, zusammengesetzt. Sie verbrennen an der freien Luft mit Leichtigkeit vollständig, indem sie nur einen geringen Antheil unverbrennlicher Bestandtheile als Asche zurücklassen. Ihre bei unvollständiger Verbrennung zurückbleibende Kohle ist nicht merklich zusammen gesintert und zeigt noch fast vollständig den ursprünglichen Bau. Auf diesem abweichenden Verhalten beim Verbrennen beruht die bekannte Prüfung der Fasern durch Anbrennen. Man vermag mittelst derselben wohl Baumwolle von Wolle zu unterscheiden, aber nicht Floret- oder gekratzte Seide von Wolle, noch auch mit Bestimmtheit Baumwolle von Leinen. Ebenso unterscheiden sich nur im allgemeinen die animalischen Faserstoffe von den vegetabilischen durch ihre schnellere Löslichkeit in ätzenden alkalischen Flüssigkeiten, wogegen alle Verschiedenheit in dem Verhalten von Fasern derselben Hauptgruppe gegen Säuren und Alkalien nur eine gradweise, also nicht genau bestimmbar ist. Auch die in neuerer Zeit so angelegentlich zur Unterscheidung von Leinen und Baumwolle empfohlene Schwefelsäure löst die Fasern der letztern unter den vorgeschriebenen Bedingungen nur etwas schneller auf, und gewährt daher, abgesehen von ihrer Umständlichkeit, kein ganz sicheres Merkmal. Am sichersten ist jedenfalls die mikroskopische Probe. Für keinen unserer Sinne ist eine ähnliche Verstärkung und Gebietserweiterung gewonnen worden, wie für das Auge durch das Mikroskop, dessen allgemeinere Benutzung auch dem Interesse vieler Gewerbtreibenden, namentlich dem Manufacturisten und Färber sehr förderlich seyn würde, zumal jetzt, wo brauchbare derartige Instrumente zu sehr billigen Preisen zu erlangen sind. Zum Belege hiefür theilen wir nun die Beschreibung des Baues der wichtigsten Faserstoffe mit, wie er sich bei einer höchstens 300maligen Vergrößerung dem Untersuchenden darbietet. Structur der Seide. Die Seide zeigt den einfachsten Bau unter den zu betrachtenden Faserstoffen. Die Seidenmaterie wird in der lebenden Raupe aus dem blaßgelben Blute derselben in zwei schlauchartige Säcke abgeschieden, welche zur Zeit der Spinnreife strotzend mit der dickflüssigen, klebrigen und durchscheinenden Masse angefüllt sind. Aus jedem von ihnen führt ein dünner Ausführungsgang nach einem kleinen Zapfen unter dem Maule, der Spinnwarze, in welcher sie dicht nebeneinander zu Tage kommen. Dieser Erzeugungsweise gemäß besteht das Gespinnst des Cocons aus dichten, nicht hohlen Doppelfäden, wie dieß auch aus der gleichförmigen Lichtbrechung der Fäden hervorgeht. Ein durch geringere Lichtbrechung verschiedener Saum, häufig in eckigen Aussprüngen unregelmäßig hervortretend, rührt von einem auch in chemischer Beziehung verschiedenen Ueberzuge her, dem sogenannten Bast oder Gummi, nach dessen Beseitigung die Fasern völlig glatt erscheinen. Betrachtet man aus demselben Cocon nebeneinander ein Blättchen Gespinnstlage aus der äußersten Partie, und ein anderes aus der innern, so findet man, daß die letztere wohl um ⅓ feiner ist als die erstere, woraus folgt daß der Ausführungsgang sich immer stärker zusammenzieht, jemehr die Seidenmaterie im Spinnsacke abnimmt. Hiermit stimmen auch sorgfältige Wägungen von gleichen Längen aus der äußersten und innersten Partie desselben Coconfadens überein, und dieser Umstand muß beim Seidehaspeln wohl berücksichtigt werden, um durch Ergänzungsfäden eine Ausgleichung herbeizuführen, sobald mehrere Cocons über die Hälfte abgehaspelt sind. Der Querschnitt der Coconfäden ist nicht, wie man zu erwarten geneigt seyn möchte, rund, der Form des Ausführungsganges entsprechend, sondern unbestimmt stumpfeckig; es platten sich nämlich die beiden gleichzeitig hervortretenden Fasern gegen einander ab, da sie anfangs weich sind und erst an der Luft, wahrscheinlich durch Sauerstoffaufnahme, erhärten, wie auch weiter noch eine gegenseitige Abplattung durch die Anlagerung an den bereits vorhandenen Theil des Gespinnstes hervorgebracht wird. In der gehaspelten und versponnenen Seide lassen sich die zusammengehörigen Faserpaare nur selten noch erkennen. Man wird aber offenbar in jedem Faden doppelt so viel Fasern zählen können, als Cocons zur Bildung desselben vereinigt worden sind. In der gefärbten Seide liefern mitunter breitgequetschte Stellen der Faser den Beweis, daß dieselbe während der Bearbeitung erweicht gewesen ist. Es wäre wünschenswerth für die Praxis, den Grund dieser Erweichung zu ermitteln, da ein häufiges Vorkommen solcher breitgedrückten Stellen nothwendig die Haltbarkeit beeinträchtigen muß. Beim Färben wird die Faser gleichmäßig von dem gelösten Farbstoff durchdrungen, wie man am Durchschnitt gefärbter Seide erkennt; manche Farben, z. B. einige Arten von Schwarz haften aber auch äußerlich fest und machen dann die Faser rauh und starr. Bei der chargirten oder Dunstseide dagegen bildet das beschwerende Pigment äußerlich eine Rinde um die Faser herum und hieraus erklärt es sich, daß getragene oder naßgewordene Dunstseide ein fahles Ansehen erlangt, weil dieser Farbenbeleg an vielen Stellen abgesprungen ist. Structur der Wolle wie der Haare überhaupt. In den technologischen Werken werden die Haare gewöhnlich als Röhren von Hornsubstanz geschildert. Diese Angabe ist mindestens ungenau, in vielen Fällen sogar unrichtig, und könnte leicht zu falschen Folgerungen Anlaß geben, die auch in der Verwendung Fehlgriffe herbeiführen könnten. Jedenfalls wird eine genauere Darstellung des Baues dieser Gebilde dazu beitragen, viele technisch wichtige Vorgänge richtig aufzulösen. Die Haare jeder Art, also auch Borsten und Wolle, entstehen in Einsackungen der Haut, den Haarbälgen, auf deren Grunde sich ein gefäßreiches Wärzchen erhebt, von dessen Oberfläche feine Körnchen oder Bläschen abgesondert werden, um die Grundlage des Haares zu bilden. Nach außen geht von diesen Wärzchen eine Scheide aus, die das Haar an seinem Grunde umschließt und gewöhnlich noch etwas über den Eingang des Haarbalges emporragt. An ausgerissenen Haaren wird der untere Theil, unvollständig von den Haarwärzchen abgerissen, und umgeben von der Scheide, für gewöhnlich als Wurzel oder Zwiebel desselben bezeichnet. Das Wachsthum eines Haares geschieht durch Erzeugung von neuen Körnchen oder Bläschen mit noch weichem Inhalte auf den Bildungswärzchen, während die darüber liegenden emporrücken und sich auf verschiedene Art entwickeln und zusammenfügen. Die äußersten von ihnen dehnen sich ziemlich gleichmäßig aus, werden durch gegenseitigen Druck eckig, platten sich tafelförmig ab, und schließen sich fest aneinander, indeß ihr Inhalt allmählich erhärtet, um so endlich eine Rinde von Schuppen um das Haar zu bilden, deren nach oben gerichteter Rand oft sehr merklich vorspringt, indeß die unteren Theile innig mit den Nachbarrändern und der innerhalb liegenden Partie des Haares verschmolzen sind. Diese Schuppen der Rindenschicht sind unter dem Mikroskop am leichtesten bei den Wollhaaren wahrzunehmen, schwieriger bei Menschenhaaren, Pferdehaaren, Schweinsborsten etc. Bei den feineren Wollhaaren gestalten sich die sämmtlichen nach innen gelegenen, vom Haarwärzchen ausgesonderten Körnchen, welche nicht zur Rinde verwendet werden, zu feinen Fasern, die sich etwas durch einander schlingen, so daß in diesem Fall das Haar sich als ein Strang von Fasern darstellt, umschlossen von den Rindenschuppen. Daß der Wurzeltheil der Haare dicker ist als der obere Theil, der Haarschaft, hängt sowohl mit diesem Auswachsen der Körnchen zu Fasern zusammen, als auch mit der Zusammenziehung, welche durch das Festwerden seiner Theile bedingt wird. Bei den gröberen Wollhaaren, Schweinsborsten etc. nimmt die Mitte des Haares eine Lage von Körnchen oder Bläschen ein, so daß die Fasern in ihrer Gesammtheit eine Röhre bilden, welche diesen Canal umschließt. Es kommt bei menschlichen Haupthaaren häufig vor, daß auf einzelnen Strecken desselben Haares dieser Markcanal vorhanden ist, und abwechselnd wieder verschwindet. Bei den ordinärsten Sorten von Schafwolle finden sich neben stärkeren Fasern mit Canal auch sehr feine ohne Canal. Durch die Veredelung verschwinden diese gröberen Haare gänzlich. In Bezug auf die meisten Eigenschaften der Wolle, welche beim Sortiren in Betracht kommen, gewährt das Mikroskop keinen besondern Aufschluß, da es hierbei auf die Gesammtauffassung der Wollhaare in ihrer natürlichen Lage ankommt; selbst die Feinheit läßt sich mit bloßem Auge hinlänglich genau für die Werthbestimmung schätzen. Dagegen erhält man durch das Mikroskop sehr befriedigenden Aufschluß über die Art der Einwirkung der Wärme auf die künstliche Streckung und Kräuselung der Haare. Wird ein schlichtes Haar stark gespannt, so dehnt es sich beträchtlich aus, bevor es zerreißt (ein Menschenhaar beinahe um den dritten Theil seiner Länge) und zieht sich beim Nachlassen der Spannung fast auf die vorige Länge zusammen. Wird es aber in ausgedehntem Zustande noch etwas über den Siedepunkt hinaus erhitzt, so zieht es nicht wieder zusammen, indem die Hitze ganz ebenso darauf einwirkt, wie auf Hornmasse überhaupt unter ähnlichen Umständen. Wird nun krauses Haar oder Wolle angespannt, so werden diejenigen Theile, welche an den gekrümmten Stellen nach innen liegen, am stärksten, die an den Krümmungen nach außen liegenden Stellen dagegen am wenigsten oder gar nicht ausgedehnt. Ist dieser Zustand durch Erhitzung bleibend gemacht, wie bei gekämmter Wolle, so sieht man unter dem Mikroskop die früheren Beugungsstellen als eben so viele Verdünnungen des nunmehr geraden Haares. Dagegen erscheinen in entgegengesetzter Weise bei ursprünglich schlichtem Haare, das künstlich gekräuselt ist, abweichend von natürlich krausem Haar, die gekrümmten Stellen verdickt. Der Durchschnitt der Schafwolle ist etwas elliptisch. Die Ansicht desselben bei gefärbter Wolle bestätigt, daß auch hier die färbende Substanz in der ganzen Masse vertheilt, nicht etwa an der Oberfläche oder zwischen den Fasern niedergeschlagen ist, genau so, wie dieß mit der Seide, wie auch mit den vegetabilischen Faserstoffen der Fall ist. Indem die organische Substanz die färbenden Stoffe in sich aufnimmt, verhindert sie die Aussonderung von Niederschlägen, selbst bei solchen Färbemitteln, die im Wasser sich fällen, also nach einander von dem zu färbenden Körper aufgenommen werden müssen. Mit der Schafwolle stimmen im Baue die Flaumhaare der Cachmirziege, die Wolle der Lamas und andere überein. Den bisher betrachteten Bau zeigen außer den bereits erwähnten die meisten der zu Pelzwerk benutzten Haare. Von ganz abweichendem Bau dagegen sind die Haare der Nagethiere, mit denen unter andern die der Reharten übereinstimmen. Wegen der wichtigen technischen Verwendung soll der Bau der Hasenhaare besonders berücksichtigt werden. Bei den Hasenhaaren sind die Rindenzellen besonders innig mit der darunter liegenden Partie des Haares und unter einander verschmolzen, jedoch durch die hervorragenden oberen Ränder auch ohne weitere Behandlung noch deutlich zu erkennen. In concentrirter Schwefelsäure quellen diese Rindenzellen etwas auf, lösen sich von den darunter liegenden Theilen und von einander ab, und sind dann deutlich als eine ziemlich dicke Schicht übereinander liegender Schuppen zu erkennen. Der innere Theil des Haares aber zeigt keine Fasern, sondern größere, dickwandige Zellen einzeln übereinander oder zu mehreren nebeneinander. Die dünnen oder Flaumhaare bestehen im Innern nur aus einer Reihe übereinander liegender Zellen. Bei den stärkeren Haaren, z. B. den Deckhaaren, zeigt der Schaft, den verschiedenen Perioden seines Wachsthums entsprechend, sich in seiner Länge sehr verschieden. Die Spitze enthält hier eine Reihe Zellen, die allmählich stärker werden; dann treten zwei Zellen neben einander und das Haar wird länglich im Durchschnitte. Allmählich vermehrt sich die Zahl der Zellen bis auf 12 und das Haar wird noch breiter; der dann folgende Theil wird wiederum rund und die Zahl der Zellen nimmt wieder ab, bis die Wurzel endlich nur noch Fasern enthält. Der Wechsel der Haare geschieht hier wie allenthalben wo er stattfindet, dadurch, daß neben dem alten, unthätig werdenden und vertrocknenden Haarwärzchen ein neues am Grunde des Haarbalges entsteht, welches beim Ausfallen des abgestorbenen Haares bereits die Spitze des neuen gebildet hat. Die Einwirkung des Beizens der Hasenhaare beruht keineswegs darauf, daß in Folge desselben die Hervorragungen der oberen Schuppenränder etwas stärker hervortreten, wodurch die Haare rauher und geeigneter würden aneinander zu haften. Vielmehr bleibt die Form durchaus unverändert; es wird aber durch die Einwirkung des Beizmittels die Elasticität der Haarsubstanz beträchtlich vermindert, so daß die Haare sich ohne Widerstand um einander schlingen und zwischen einander durchschieben lassen. Bei Versuchen zur Ermittelung eines zweckmäßigen Beizverfahrens wäre die mikroskopische Prüfung besonders anzurathen, da aus der ungleichen Färbung, welche der auf gewöhnliche Weise gebeizte Filz zeigt, entschieden hervorgeht, daß die Einwirkung sehr ungleichmäßig stattgefunden hat. Structur der technisch wichtigen Pflanzenfasern. Der Pflanzenkörper zeigt einen höchst einfachen Bau, dessen sämmtliche Bestandtheile sich auf ein Grundgebilde zurückführen lassen, die Pflanzenzelle. Bei ihrer Entstehung zeigt sich die Zelle als ein Bläschen mit flüssigem Inhalte und gleichförmiger Wandung, welches durch diese hindurch seine Nahrung aufnimmt, die das Material zum Wachsthum der Zellenwandung und zur Entstehung neuer Zellen innerhalb der noch in Entwickelung begriffenen abgibt. Die Wandungen einer Zelle, innerhalb welcher solche Neubildungen vor sich gehen, einer Mutterzelle, werden demnächst wieder aufgelöst, so daß der fertige Pflanzenkörper nur aus nebeneinander liegenden Zellen besteht. Aus dem flüssigen Zelleninhalte geschieht endlich bei den bleibenden Zellen die Ablagerung von Verdickungsschichten auf der Innenseite ihrer Wandungen und die Gestaltung des verschiedenartig körnigen Inhalts, der sich in denselben findet, wozu namentlich das Pflanzengrün und die Stärke gehört. Durch gegenseitigen Druck werden die anfangs rundlichen Zellenwandungen eckig; an manchen Stellen nehmen sie eine lang gestreckte, röhrenförmige Gestalt an, und werden dann Gefäße genannt. So ergeben sich die sogenannten Adern der Blätter bei der mikroskopischen Untersuchung als Stränge von lang gestreckten, dickwandigen Zellen mit zugespitzten Enden, welche einige röhrenförmige Zellen von beträchtlich größerm Innenraum mit verschiedenartigen Ablagerungen auf ihren Wandungen zwischen sich schließen; solche Stränge von lang gestreckten Zellen und Gefäßen, welche letztere im ausgebildeten Zustande Luft enthalten, führen den Namen Gefäßbündel. Dadurch daß sich an die größeren, zuerst entstandenen Gefäßbündel die kleineren mit ihren Enden innig anlegen, entsteht die anscheinende Verästelung der Gefäßbündel eines Blattes. Bei den Pflanzen mit einem Keimblatte, den Monokotyledonen, durchziehen in ähnlicher Weise einzelne Gefäßbündel die Masse des Stengels, welche im Uebrigen aus Zellen besteht, die nach allen Richtungen ziemlich gleichmäßig ausgedehnt sind. Zu dieser Abtheilung gehören unter andern die Palmen, die Pisangarten, die lilienartigen Gewächse und die Gräser. Zur technischen Benutzung kommen besonders die Gefäßbündel aus dem Stengel einer Pisangart, Musa textilis, welche unter dem Namen Manilla-Hanf zu Seilen und Geweben verarbeitet werden, und die Gefäßbündel aus den Blättern des sogenannten neuseeländischen Flachses, Phormium tenax. Diese Gefäßbündel werden auf ähnliche Weise gewonnen, wie bei uns die Leinenfasern, indem man durch beginnende Fäulniß (Röstung) die Sonderung einleitet. Man erhält dabei die einzelnen Fasern, welche ein solches Gefäßbündel bilden, noch in ihrem natürlichen Zusammenhange, so daß sie schon ohne Verspinnung verwebbare Fäden abgeben, die sich durch große Zähigkeit und durch ihren Glanz auszeichnen. Es lockert sich jedoch der Zusammenhang zwischen diesen an sich ziemlich kurzen Fasern während der Benutzung, so daß hier die Haltbarkeit viel geringer ist, als bei Zeugen und Stricken aus Leinen oder Hanf, wo die einzelnen Fasern von vornherein durch die Zurichtung gesondert und demnächst, bei sehr beträchtlicher Länge, noch gegeneinander gedreht werden. Dagegen geben die Fasern dieser Gewächse, sowie die Fasern aus den Halmen unserer Getreide- und Rohrarten, eine sehr gute Papiermasse ab, wie auch ein großer Theil des schönen chinesischen Papiers aus den Fasern des Bambusrohrs bereitet wird. Bei den Pflanzen mit zwei Keimblättern, den Dikotyledonen, wozu die Leinpflanze gehört, herrscht eine größere Mannichfaltigkeit des Baues. Der Durchschnitt eines jungen Stengels zeigt anfänglich durchaus gleichartige Zellen; im Verlaufe seines Wachsthums aber bildet sich demnächst ein Gürtel von kreisförmig gestellten Gefäßbündeln, welche die Grundlage des Holzkörpers abgeben und durch deren Auftreten zugleich der nach innen gelegene Theil als Mark, und der nach außen gelegene Theil des Stengels als Rinde abgesondert wird. Die im wesentlichen Baue mit den Markzellen übereinstimmenden Zellenlagen, welche die Gefäßbündel des Holzkörpers von einander trennen, heißen Markstrahlen. In der Rinde entstehen gleichfalls Bündel von langgestreckten Zellen, die aber keine Gefäße zwischen sich schließen, die Bastzellen. Auf der Gränze zwischen Holz und Rinde findet sich eine Schicht zarter, dünnwandiger Zellen, in welcher, so lange überhaupt das Wachsthum des Stengels dauert, die Vermehrung seiner Zellen vorzugsweise stattfindet. Es bilden nämlich die innersten Zellen dieser Schicht endlich lang gestreckte Zellen und Gefäße zum Anschluß an den Holzkörper aus, die äußersten aber dienen zur Verstärkung der Rindenschicht, während der mittlere Theil sich zum Ersatze des so erlittenen Abganges durch Bildung neuer Zellen verstärkt. Wegen dieses Verhaltens führt die geschilderte Zellenlage den Namen Cambium oder Bildungsschicht. Bei den einjährigen Gewächsen hört die Thätigkeit der Bildungsschicht bald nach dem Abblühen auf, bei den Bäumen und Sträuchern rückt sie aber während der ganzen Lebensdauer fortwährend nach außen. Ihre Wirksamkeit zur Hervorbringung neuer Zellen ist im Frühling am lebhaftesten; dann läßt sich die Rinde der Bäume lösen, indem die zarten Zellen des Cambiums zerrissen werden; sie vermindert sich gegen den Herbst hin, um im Winter gänzlich stille zu stehen. Durch die Verschiedenheit in dem Aussehen der stärker gefärbten Schlußschicht eines jeden Jahres und den größern Reichthum an Gefäßen in der Frühlingsschicht werden die Jahresringe im Holze unserer Bäume gebildet. Die einzelnen Abtheilungen des Holzkörpers, welche zwischen zwei Markstrahlen liegen, nehmen mit dem Vorrücken des Cambiums nach außen keilförmig zu; nachdem sie eine gewisse Ausdehnung erreicht haben, werden sie durch das Auftreten neuer Markstrahlen getheilt. Zur Unterscheidung von der ursprünglich entstandenen, bis ans Mark hinanreichenden, werden diese Markstrahlen, deren Zahl mit der Verdickung des Holzkörpers zunimmt, kleine Markstrahlen genannt. Die Bastbündel verlaufen häufig ohne Verbindung untereinander, zwischen den übrigen Zellen der Rinde senkrecht emporsteigend. So besonders bei den einjährigen Pflanzen und bei solchen Bäumen und Sträuchern, welche die ganze Rinde jährlich abwerfen, z. B. bei der Weinrebe. Da aber, wo die Rinde und somit auch die Bastbündel längern Bestand haben, treten die in derselben Rindenschicht gelegenen Bastbündel abwechselnd aneinander und wieder auseinander, und bilden so ein Maschenwerk, dessen Theile durch ihre Ausdehnung der Verdickung des Stammes folgen können, während die zwischenliegenden Rindenzellen sich in entsprechendem Maaße vermehren. Es werden in einem Jahre bei vielen Bäumen mehrere Bastschichten gebildet, deren Faserbündel jedoch nicht mit denen der benachbarten Schichten in Verbindung treten, sondern ein in sich zusammenhängendes Netzwerk bilden. Der Bast wird bekanntlich dadurch für technische Zwecke gewonnen, daß man die übrigen Zellen der Rinde durch Fäulniß zerstören laßt. Der Bast der Stämme und mehrjährigen Zweige vieler Bäume dient zu gröberen Geflechten; der Bast mancher einjährigen Zweige kann nach Art der Leinenfasern zu Gespinnst verwendet werden und wird, namentlich der vom Papiermaulbeerbaum bei den Chinesen zu Papier verarbeitet. Die Bastfasern zeigen sich auf dem Querschnitte durch gegenseitige Pressung eckig, mit sehr starken, aus mehreren Schichten bestehenden Wandungen und sehr kleiner Höhlung. Ihre Enden sind zugespitzt, so daß sie in der Form mit den langgestreckten Holzzellen übereinstimmen, die aber an Länge bedeutend von ihnen übertroffen werden. Leinen und Baumwolle. An einem der Reife nahen Leinstengel findet man in der Mitte die Reste des Markes, um dieses den Holzkörper mit den Markstrahlen, und darüber das Cambium, welches zu dieser Zeit bereits seine Thätigkeit, neue Zellen hervorzubringen, eingestellt hat. In der Rinde bemerkt man die Gruppen der Bastzellen und die mit Pflanzengrün erfüllten Zellen der äußern Rindenschicht, welche von den Zellen der Oberhaut eingeschlossen werden. Die Bastfasern bilden Gruppen, die inselartig von den übrigen Zellen der Rinde eingeschlossen werden und deren einzelne Zellen während des Wachsthums des Stengels sich beträchtlich ausdehnen. Die Verdickung geschieht durch wiederholte Ablagerung von Schichten nach innen. Bei dem gewöhnlichen Verfahren der Flachs- und Hanfbereitung walten zwei Mißstände ob, deren nachtheilige Wirkung die mikroskopische Prüfung in ihrem ganzen Umfange übersehen läßt. Durch das Rösten werden die Zellen des Cambiums fast gänzlich zerstört, sowie auch der Zusammenhang der grünen Rindenschicht sehr vermindert; bei unvorsichtiger Behandlung leidet auch die Festigkeit der Bastfaser durch die Fäulniß. Nächstdem wird hierdurch auch das Pflanzengrün in eine bräunliche Masse umgewandelt, die sich zum Theil auflöst und die ursprünglich fast ungefärbten Bastfasern mit einem sehr festhaftenden Farbstoffe durchdringt. Nur der außerordentlichen Festigkeit und Zähigkeit der Bastfaser ist es zu verdanken, daß sie der rohen Behandlung beim Brechen überhaupt noch widerstehen kann. Trotz ihrer großen Elasticität wird sie hierdurch bleibend bis auf ihre doppelte Breite flachgedrückt. Wie sehr durch diese gewaltsame Quetschung die Haltbarkeit beeinträchtigt seyn muß, ist einleuchtend. Bei einem jeden Schlage den das Brechinstrument ertheilt, erleidet ein beträchtlicher Theil der Fasern eines jeden Stengels die beschriebene Einwirkung, wonach sich der Gesammtverlust an Haltbarkeit, der durch das Brechen herbeigeführt wird, ungefähr überschlagen läßt. Gegenüber der gewöhnlichen Wasser- oder Thauröste ist mit dem günstigsten Erfolge das in England und Frankreich patentirte Verfahren der Behandlung mit verdünnter Schwefelsäure (½ Proc. beim Hanf, ¼ Proc. beim Lein) belohnt worden, das in seinen Resultaten große Sicherheit gewährt, in 48 Stunden beendigt ist, an keine Jahreszeit gebunden ist und keinen nachtheiligen Einfluß auf die Gesundheit ausübt. Hiemit ließe sich vielleicht noch vor der Aussonderung der Bastfasern ein von Elsner vorgeschlagenes Mittel zum Bleichen des Flachses in Verbindung bringen, nämlich die Benutzung einer sehr verdünnten Lösung von unterchlorigsaurem Natron (Eau de Javelle). Diese Bleichung ist bei dem auf gewöhnliche Weise gesonderten Flachse in einigen Tagen beendigt und fällt ganz vorzüglich aus, ist aber mit dem Uebelstande verbunden, daß die eingetauchten Fasern sich leicht in einander verschlingen, was natürlich bei der hier vorgeschlagenen Anwendung nicht eintreten könnte. Ein geeigneteres Verfahren als das Brechen würde vielleicht das Zerquetschen der Stengel in feuchtem Zustande gewähren, welchem die Sonderung des Bastes nach dem Trocknen folgen könnte, worüber natürlich nur Versuche im Großen entscheiden können. Mit der Lein- und Hanffaser stimmen im wesentlichen die Fasern der Nesselarten, sowie die des Bastes überhaupt in ihrem Baue überein. Von ganz abweichendem Ursprünge ist die gegenwärtig am meisten benutzte Pflanzenfaser, die Baumwolle. Die Baumwollenpflanze gehört zu den malvenartigen Gewächsen mit Kapselfrucht. Ein großer Theil der Zellen der äußern Samenhaut erhebt sich einige Zeit nach der Befruchtung in Wärzchen, die allmählich zu langen Haaren auswachsen, welche bei der Reife die Abtheilungen der dreifächerigen Kapsel gedrängt erfüllen, und beim Aufspringen der Fächer daraus hervorquellen. Die Wandungen dieser Haare sind weit dünner als die der Bastfasern, auch werden sie von diesen weit an Länge übertroffen. Nur im noch unreifen feuchten Zustande zeigen sich die Baumwollenhaare rund; indem später ihr Inhalt austrocknet, fallen sie zusammen und bilden nun breite Bänder, die sich sehr leicht schraubenförmig um ihre Achse drehen. Die eigenthümliche Einwirkung der baumwollenen Zeuge auf unsere Haut ist wohl mehr ihrer stärkern Wärmeleitung und ihrer im Vergleich zur Flachsfaser sehr beträchtlichen Dünnwandigkeit zuzuschreiben, als einem mechanischen Reize ihrer Kanten, da deren Form auf dem Querschnitte eine solche Annahme nicht rechtfertigt. Hiefür spricht auch die bewährte Erfahrung, daß lose Baumwolle sich mit günstigstem Erfolge anstatt der Charpie aus Leinwand zum Verbinden anwenden läßt. Abnutzung der Faserstoffe. Mit der dargelegten Structur der Faserstoffe hängt aufs innigste die Art zusammen, wie sich dieselben bei der Abnutzung verhalten. Ein gleichmäßiges Abschleifen findet nur an den in gleicher Richtung nach außen gekehrten Spitzen der Fasern statt, was sich namentlich bei Tuchen, beim Sammet und Manchester leicht beobachten läßt. Die durch das Scheren scharfkantig abgestutzten Enden erhalten hier allmählich in ähnlicher Weise eine Abrundung und Zuspitzung, wie die Drahtenden bei der Nadelfabrication durch Schleifen. Von den sämmtlichen Fasern dagegen, welche die Fäden eines Gewebes bilden, sind diejenigen welche entweder besonders nach außen oder an den Kreuzungen liegen, der Abreibung am meisten ausgesetzt. Die mikroskopische Beobachtung zeigt, daß so bald hiedurch erst eine Stelle an der Oberfläche einer Faser angegriffen ist, sehr bald auch die gänzliche Zerstörung erfolgt, während die zwischen zwei derartigen Stellen gelegenen Theile der Faser anscheinend unversehrt bleiben. Die abgebrochenen Faserstücke welche im Gewebe keinen Halt mehr finden, müssen endlich im Verlauf der Abnutzung als Staub abfallen. Nach dem verschiedenen Baue zeigt das Zerfallen der Fasern in Stücke Besonderheiten, deren Kenntniß bei der Frage, inwieweit die Mischung verschiedenartiger Fasern rathsam wäre, von Wichtigkeit ist. Sobald bei der Wolle ein Stück der Rinde abgerieben ist, ist auch gewissermaßen die Bildung eines Gelenkes an dieser Stelle eingeleitet, indem jeder Stoß der die Faser trifft, hier eine Unterbrechung in der Fortleitung erfährt, wodurch eine vermehrte Reibung an dieser Stelle veranlaßt wird. Allmählich kommt so eine Auflockerung der ineinander geschobenen Elementarfasern zuwege, die endlich ihren Zusammenhang aufgeben müssen, so daß nach der Trennung die beiden einander zugekehrten Seiten der Bruchstelle ein pinselförmiges Ansehen zeigen. Bei den Leinenfasern ist an den Querwänden und an den beim Brechen gequetschten Stellen die Anlage zu dergleichen gliederartigen Ablösungen von vornherein vorhanden, und demgemäß finden wir häufig an einer abgenutzten Leinenfaser eine Reihe solcher Stellen gleichmäßig eingeknickt. Während der beträchtlichen Zeit aber, in welcher die Faser diesem allmählichen Zerbrechen Widerstand bietet, spalten sich die naheliegenden Stellen ihrer Wandungen vielfach der Länge nach, so daß an den abgebrochenen Stücken die Enden sich in eine große Menge feiner Längsfasern aufgelöst haben. Dieses Zerfallen der Wandungen in Theilfasern steht übrigens nicht, wie bei der Wolle, in Beziehung mit der ursprünglichen Bildung, sondern ist lediglich als Folge der mechanischen Einwirkungen zu betrachten, welche die Faser während ihrer Abnutzung erfährt. Bei der Baumwolle sind es, wie man erwarten konnte, vorzugsweise die Windungsstellen der Fasern, welche zunächst durch die Reibung angegriffen werden, worauf entweder sofort Zerreißung eintritt, oder in ähnlicher Weise wie bei der Leinenfaser, noch eine Zerspaltung in viele Theilfasern vor dem gänzlichen Zerreißen stattfindet. Bei der Seide möchte man wegen der durchgängigen Gleichartigkeit ihrer Substanz besonders geneigt seyn, ein allmähliches Dünnwerden der Fasern ihrer ganzen Erstreckung nach zu erwarten. Es sind indessen hier, wie bei allen Geweben, einzelne Stellen schon durch Lage und Drehung vorzugsweise dem Angriff durch Abnutzung ausgesetzt, worauf dann die einmal getroffenen Stellen aus den bereits bei der Wolle erörterten Gründen entweder ohne bemerklichen Einfluß auf die benachbarten Theile der Faser vollständig durchgerieben werden, oder auch vor der völligen Zerreißung eine Langsspaltung eintritt, die jedoch selten in mehrfacher Zahl zu beobachten ist. Da die Abnutzung an den besonders ausgesetzten Stellen viel schneller vorschreitet, als anderweitig, so ergibt sich, daß ein bereits abgetragenes Kleidungsstück noch eine große Menge fast unversehrter Fasern enthalten muß, weßhalb die Versuche, Lumpen in ihre Fäden aufzulösen, diese dann aufzukratzen, zu verspinnen und zu weben, nicht ungünstig ausgefallen sind. Es zeigen indessen die Fasern von dergleichen Geweben vielfach die Eigenthümlichkeiten der abgenutzten Fasern, obgleich die meisten angegriffenen Stellen schon bei der Verarbeitung herausfallen. Wenn das Sortiren mit großer Sorgfalt geschehen ist, so ist eine Täuschung durch dergleichen Stoffe für die Prüfung ohne Unterstützung des Mikroskops sehr schwierig. Da die Auflösung der Gewebe zum Zweck der Wiederverspinnung viel Handarbeit in Anspruch nimmt, so ist sie mit allerdings nur kärglichem Erfolge bei allgemeinem Nothstande verarmter Webergegenden in Anwendung gekommen. Mikroskopische Prüfung gemischter Gespinnste und Gewebe. Die charakteristischen Eigenthümlichkeiten im Baue der verschiedenen Faserstoffe machen es möglich, daß man mit Hülfe des Mikroskopes jede Vermischung, möge sie im Gespinnste oder Gewebe vor sich gegangen seyn, mit Leichtigkeit und was die Hauptsache ist, mit juridischer Beweisfähigkeit auffinden und nachweisen kann. Es bedarf nur der Untersuchung ganz kurzer Fadenabschnitte, um mit Entschiedenheit über das Material eines solchen Stoffes urtheilen zu können. Daß die Mischungen im Gespinnste, welche für das bloße Auge die größten Schwierigkeiten darbieten, bei der mikroskopischen Prüfung sich am leichtesten enthüllen, da hier die erste Untersuchung schon zum Resultate führt, braucht wohl kaum besonders hervorgehoben zu werden, wohl aber, daß bei gefärbten Stoffen selbst die vollste Uebereinstimmung sämmtlicher Fasern eines Fadens in der Farbennüance keineswegs volle Sicherheit über die Gleichförmigkeit des Stoffes gewährt, da man für die Herstellung von dergleichen Mischgespinnsten, namentlich aus Wolle und Baumwolle, selbst die Mühe nicht gescheut hat, beide Stoffe erst im losen Zustande zu färben und dann zu vermischen. Da übrigens in vielen Fallen durch die Mischung das äußere Ansehen der Gewebe nicht beeinträchtigt wird, und da bei vielen Stoffen eine besondere Dauerhaftigkeit nicht erlangt wird, so werden gemischte Stoffe immer eine wichtige Rolle in der Manufactur spielen. Daß dabei die Möglichkeit einer Täuschung über das Material eines Gewebes obwaltet, muß andererseits zu sorgfältiger Prüfung auffordern, bei welcher immer das Mikroskop die letzte und sicherste Entscheidung geben wird. Die meisten Schwierigkeiten für anderweite Prüfung bietet die am weitesten verbreitete, tief in den Verkehr eingreifende Vermischung der Leinen- und Baumwollfasern, entweder im Gewebe oder, wie es in neuester Zeit mit Erfolg versucht worden ist, im Gespinnste dar, deren Nachtheil darauf beruht, daß durch die viel früher erfolgende Abnutzung der Baumwollfasern, der Zusammenhang des Gewebes aufgelöst wird, während die Leinenfasern desselben noch fast unversehrt sind. Da vor einer unbefangenen Beurtheilung keines der andern, bis jetzt in Vorschlag gebrachten Unterscheidungsmittel als genügend gelten kann, so fragt es sich, in welcher Weise die untrügliche Entscheidung durch das Mikroskop hierfür gemeinnützig gemacht werden könne. Trotz aller Unannehmlichkeiten, welche die obwaltende Unsicherheit mit sich führt, würde doch eine amtliche Beglaubigung, etwa durch einen aufgedruckten Stempel, wie es in früheren Zeiten von den Schauämtern geschah, gegenwärtig schon wegen ihres präventiven Charakters keine Billigung finden. Dagegen läßt sich von jedem Verkäufer mit Recht verlangen, daß er die Gewährleistung für seine Waare übernehme. Diese wird dann auch mit der größten Bereitwilligkeit mündlich gegeben, aber sie ist meistentheils illusorisch, da sie gewöhnlich später nicht bewiesen werden kann, da es sogar Schwierigkeiten hat, die Identität der in Frage stehenden Waare nachzuweisen. Vollständige Beweiskraft dagegen würde bei jedem Streite über die ausbedungene Qualität einer Waare eine schriftliche Verkaufsbescheinigung gewähren, wenn sie sich untrennbar mit der Waare verbinden ließe. Bei Geweben nun, und so besonders bei Leinenwaaren, läßt sich ein solcher Garantieschein sehr leicht aufkleben und am füglichsten durch einen zwischengelegten Oblatenstempel vor etwaiger Vertauschung schützen. Es würde nur der Einführung dieser Art von Garantie-Uebernahme durch einige solide Handlungen bedürfen, um bei den Käufern überall das Verlangen darnach hervorzurufen. Ein solches Certificat, welches die Angabe der Ellenzahl und des Verkaufspreises enthalten müßte, würde dann, nebst der damit verbundenen Zeugprobe, sowohl das Material für die mikroskopische Prüfung durch Sachverständige abgeben, als auch zur Feststellung über den Umfang des etwa stattgehabten Betruges dienen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die vorgeschlagene Beweisführung schon bei dem vorhandenen Gerichtsverfahren den Gang der Untersuchung sehr erleichtern würde; bei der bevorstehenden Einrichtung von Handelsgerichten aber möchte sich der Gang des Verfahrens so weit vereinfachen lassen, daß es bloß einer schriftlichen Anzeige nebst Einreichung der Beweisprobe bedürfte, um Erledigung zu finden. Es versteht sich von selbst, daß zur Vermeidung unbegründeter Denunciationen jedenfalls die Untersuchungsgebühren, die sehr gering ausfallen würden, zu deponiren wären. Mikroskopische Grundlagen zur Theorie des Färbens. Die Frage auf welche Weise sich die Farbstoffe mit den zu färbenden Fasern vereinigen, hat die Bildung verschiedener Theorien veranlaßt, die jedoch sämmtlich ohne hinlängliche Berücksichtigung des mikroskopischen Baues aufgestellt sind. Eine umfassende Zusammenstellung derselben findet sich in dem bekannten Werke von Persoz über die Zeugdruckerei. Die frühesten erwähnenswerthen Vermuthungen über die Art der in Rede stehenden Vereinigung sind von Hellot und Le Pileur d'Apligny. Der erstere stellt namentlich über Wolle die Ansicht auf, es fänden sich in den Fasern Poren, fähig sich zu erweitern und zu verengern, von welchen die Atome des Farbestoffes aufgenommen würden. Bei der Vorbereitung fürs Farben käme es darauf an diese Poren zu erweitern, damit sie die Farbepartikeln aufnehmen könnten, und diese dann durch Verkittung festzuhalten, welches letztere die Beizmittel bewerkstelligten. Die unächten Farben dringen nach ihm nicht in die Poren ein, oder werden von denselben nicht festgehalten. Le Pileur d'Apligny trägt diese Theorie auch auf die übrigen Faserstoffe über. Er hält die Wolle, wie die Haare, für Röhren, deren Wandungen eine große Menge von Oeffnungen enthalten, und die im Innern mit einer markartigen Substanz erfüllt sind. Diese wird zunächst daraus entfernt, um dann dem Farbstoffe Raum zu geben. Aus dem abweichenden Bau und der Verschiedenheit der Zahl und Größe der Poren wird das verschiedene Verhalten der Fasern gegen die Farbstoffe erklärt. Macquer schließt daraus, daß die Seide mehr als die doppelte Quantität Cochenille erfordert, um mit Wolle auf eine gleiche Stufe der Intensität gebracht zu werden, daß ein Theil des Farbstoffes durch chemische Verwandtschaft sowohl als durch Adhäsion sich auf der Oberfläche der Fasern niederschlüge und allein den Effect hervorbrächte, während der Antheil welchen die Poren aufnehmen, ohne Wirkung bliebe. Diesen Erklärungen gegenüber, welche sich auf Voraussetzungen über die Structur der Fasern stützen, stehen andere, welche das verschiedene Verhalten desselben Farbstoffes gegen die Faserstoffe allein aus der chemischen Verwandtschaft herleiten wollen. So Bergmann und Chevreul. Zu diesen älteren Ansichten ist durch Walter Crum eine neue Theorie hinzugekommen, welche die Aufnahme der Farbstoffe durch die Fasern mit der von Saussüre entdeckten Thatsache in Beziehung setzt, daß durch die Kohle Gasarten verdichtet und Flüssigkeiten entfärbt werden. Während Hellot seine Theorie auf den hypothetischen Bau der Wolle allein gründet, bezieht sich Walter Crum ausschließlich auf die Structur der Baumwolle, die er nach Anleitung der mikroskopischen Darstellungen von Thomson und Bauer in gefärbtem und ungefärbtem Zustande untersucht hat. Er schließt daraus daß die Röhren, welche die Baumwollfasern bilden, dem Wasser Eintritt gestatten, auf die Existenz von Poren, obgleich man diese unter dem Mikroskop auch bei der stärksten Vergrößerung nicht sehen könne. In das Innere dieser Röhren drängen nun nach einander durch die Poren der Wandungen, und ohne diese selbst irgend zu afficiren, die verschiedenen Substanzen ein, welche durch ihre Verbindung die Farbe bildeten, um sich auf der Innenwand der Röhre niederzuschlagen, wobei der Farbstoff durch die Wandung hindurch schiene. Zur Unterstützung wird auf die Farbe der Pflanzen Bezug genommen, wo namentlich die anscheinend gleichförmige grüne Farbe der Blätter durch die grünen Körnchen im Innern der Zellen zu Stande gebracht wird, welche durch die farblosen Wandungen hindurch schimmern. Persoz dagegen sucht wahrscheinlich zu machen, daß die Farbstoffe auf der Oberfläche der Fasern niedergeschlagen würden, und daß die abweichenden Farbennüancen, welche die verschiedenen Faserstoffe bei Behandlung mit denselben Färbemitteln geben, von der Verschiedenheit ihrer Oberfläche herrühre. Eine ähnliche Ansicht wird auch von Liebig aufgestellt, welcher wörtlich folgendes sagt: „Der Indigo schlägt sich auf der Oberfläche der Wollenfasern nieder, ohne sich chemisch mit denselben zu verbinden; durch anhaltendes Klopfen im trocknen Zustande wird das Tuch oder die Wolle wieder weiß, indem die Farbe staubartig abfliegt.“ Für die Wiederholung dieses etwas zweifelhaften Experiments dürfte man schwerlich in jetziger Zeit ein ausreichend haltbares Tuch finden. Die richtige Benutzung des Mikroskopes zeigt eine Sachlage, die in den vorliegenden Hypothesen nicht vorausgesetzt ist. So lange man die gefärbten Fasern ohne weiteres unter dem Mikroskop ansieht, läßt sich das eigentliche Verhalten nicht mit voller Bestimmtheit nachweisen. So zeigt sich namentlich im Innern der Baumwollfasern oft ein reichlicher Niederschlag in der von Walter Crum beschriebenen Weise. Aber daraus erhellt noch nicht, daß die Wandung selbst ungefärbt ist. Andererseits wieder würde man einen dünnen Ueberzug, welcher der ganzen Oberfläche innig anläge, gar nicht von dieser selbst unterscheiden können. Alle Zweifel aber verschwinden, wenn man, wie bereits erwähnt, feine Querschnitte gefärbter Fasern herstellt und diese der mikroskopischen Prüfung unterwirft. Man steht dann, daß die ganze solide Substanz der Fasern gleichmäßig gefärbt ist. Die selbst bei der Baumwolle verhältnißmäßig beträchtliche Stärke der Wandung läßt darüber auch bei dieser keinen Zweifel übrig. Daß indessen, namentlich bei türkischrother Baumwolle, die äußerste Schicht der Wandungen mitunter eine größere Intensität in der Färbung zeigt, ist nicht in Abrede zu stellen, wogegen bei Wolle und Seide die ganze Fläche des Querschnittes die größte Gleichförmigkeit zeigt. Es ist somit den fernerhin aufzustellenden Theorien über die Färberei durch Feststellung dieser durchgängigen Thatsache, von der man sich auf dem angegebenen Wege leicht überzeugen kann, wenigstens ein sicherer Ausgangspunkt gegeben. Eine Ausscheidung von Farbenpartikeln, die etwa durch die ganze organische Substanz vertheilt wären, ist hier ebensowenig, selbst nicht bei den stärksten Vergrößerungen wahrzunehmen, wie die Kalksalze in der organischen Grundlage der Knochen sich gesondert erkennen lassen, oder die Kieselsäure in den Zellenwandungen des Schachtelhalms und der Gräser. Wenn man daher nicht eine chemische Verbindung der Farbstoffe mit der Substanz der Fasern annehmen will, so ist man genöthigt vorauszusetzen, daß die ausgesonderten Partikeln so klein und so gleichmäßig vertheilt sind, daß sie selbst der stärksten Vergrößerung sich noch entziehen. Erklärung der Abbildungen. 18. Gespinnstlage aus einem Cocon. Man sieht die sich vielfachkreuzenden Doppelfäden vom Baste umgeben. Vergrößerung 250fach. 19. Querschnitt des Gespinnstes. Die meisten Fasern sind senkrecht durchschnitten, einige liegen in der Richtung des Schnittes. Der Bast bildet eine ziemlich gleichmäßige Schicht, welche die Fasern umgibt. Vergrößerung 400fach. 20. Dunstseide. Die Farbe ist an einigen Stellen abgesprungen, so daß man die entblößte Faser sieht. Vergrößerung 400. 21. Grobe Schafwolle. Das Haar bei 2 mit einem Canal. 4–10 Rindenschuppen bilden den Umkreis. Vergrößerung 400. 22 Electoralwolle. Gewöhnlich nur 2 Schuppen auf einem Durchschnitte. Vergrößerung 400. 23. Kammwolle. An zwei Stellen bei a, a in Folge der Streckung dünner geworden. Vergrößerung 400. 24. Schafwolle im Querschnitt. Die dunkeln Stellen entsprechenden Lücken, welche die nicht überall mit einander verschmolzenen Fasern zwischen sich gelassen haben. Vergrößerung 400. 25. Hasenhaar. Seitenansicht. a Stück aus dem mittlern Theile eines großen Deckhaares; b Theil eines Flaumhaares. Vergrößerung 400fach. 26. Hasenhaar. Querschnitt a, Flaumhaar oder Spitze eines Deckhaares; b breiter Theil vom Schafte eines Deckhaares; c aus dem verdickten Theile vom Schafte eines Deckhaares. Vergrößerung 400. 27. Hutfilz von Hasenhaar, auseinandergezogen. Vergrößerung 120. 28. Zugerichtete Flachsfaser. a Spitze; b aus der Mitte, zeigt besonders die Querwände; c aus der Mitte mit einer beim Brechen brcit gequetschten Stelle. Vergrößerung 400. 29. Querschnitt einiger Bastzellen der Leinpflanze. Vergrößerung 600fach. 30. Baumwollenfasern. Vergrößerung 400. 31. Deßgl. Querschnitt. Vergrößerung 400.

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