Titel: | Letzter Beitrag zur richtigen Beurtheilung der Aufsätze des Prof. Schafhäutl über die hallymetrische und über die optisch-aräometrische Bierprobe (im polytechn. Journal Bd. CIX S. 51 und S. 449); von Prof. Steinheil. |
Autor: | Dr. Prof. Karl August Steinheil [GND] |
Fundstelle: | Band 110, Jahrgang 1848, Nr. LXVIII., S. 361 |
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LXVIII.
Letzter Beitrag zur richtigen Beurtheilung der
Aufsätze des Prof. Schafhäutl über die hallymetrische und über die
optisch-aräometrische Bierprobe (im polytechn. Journal Bd. CIX S. 51 und S. 449); von Prof. Steinheil.
Steinheil, über die optisch-aräometrische Bierprobe im
Vergleich mit der hallymetrischen.
Auf thatsächliche Berichtigungen zu dem Aufsatz des Prof. Schafhäutl im Kunst- und Gewerbeblatt 1848, Heft 5, welche ich der
Wahrheit schuldig war, antwortete derselbe nun im polytechn. Journal Bd. CIX S. 449
mit persönlichen Injurien und Entstellungen. Ich weise dieses jedes
Wissenschaftsmannes unwürdige Beginnen mit Indignation zurück und gebe nur eine
Beleuchtung der Thatsachen, soweit sie zur Frage gehören.
Sch. geht darauf aus zu zeigen, daß die optisch-aräometrische Probe unrichtig
und unbrauchbar sey. Er stellt sich hiemit keine leichte Aufgabe. Denn die bereits
gedruckten amtlichen Vergleichungen zwischen der chemischen Elementar-Analyse
und der optisch-aräometrischen Probe haben, innerhalb der von der Praxis
bezeichneten Gränzen, eine völlige Uebereinstimmung der Resultate nachgewiesen. Man
findet daher nach beiden Methoden dasselbe. Wer also die Ergebnisse der Analysen
nicht in Zweifel zieht, muß auch die Richtigkeit der optischen Probe zugeben.
Dennoch gibt sich Sch. das Ansehen, als seyen die Gründe, welche er gegen die
Richtigkeit der optischen Probe geltend machen will, von der Commission zur Prüfung
der verschiedenen Bierproben getheilt worden.
Konnte die Commission anders urtheilen als nach der Actenlage, welche die
Zuverlässigkeit der Probe documentirt? Konnte sie Gründen, welche den Stab brechen
über eine Methode, beistimmen und dessenungeachtet, wie es geschehen ist, sie der
Regierung als Controle der andern in Vorschlag bringen? Welche Anschuldigung gegen
die Commission! Um aber hierin keinen Zweifel zu lassen, habe ich darüber Anfrage
durch den Centralverwaltungs-Ausschuß des polytechnischen Vereins dahier gestellt und die
Antwort erhalten, daß die Commission sich nur aus die in ihrem Protokolle
enthaltenen Gründe beziehe und die von Sch. veröffentlichte Schrift als Sache
zwischen mir und ihm betrachte.
Der Hauptstützpunkt des Gegners — Berufung auf die Commission — fällt
somit hinweg und wir haben es nur mit Schafhäutl'schen
Einwendungen zu thun.
Schafhäutl führt drei Hauptangriffe gegen die optische
Probe.
Der erste S. 455–458 ist gestützt auf Vergleichungen der Angaben der optischen
und der hallymetrischen Probe, welche einen Unterschied in der Gehaltsbestimmung von
2 Proc. nachweisen, und somit der optischen Probe den Stab brechen sollen.
Der zweite S. 459–462 geht dahin, nachzuweisen wie unsicher und variabel die
Einstellungen der optischen Probe seyen und welchen Einfluß diese Unsicherheit auf
die Bestimmung habe.
Der dritte Angriff S. 462 ist ein sogenannter theoretischer, und will im Allgemeinen
zeigen, daß nur die chemische Analyse sichere Grundlage einer Bierprobe seyn könne,
nicht etwa ein physikalisches Experiment.
Wir werden nun diese Angriffe der Reihe nach beleuchten.
A d 1. Die einzige bisher angestellte Vergleichung der
optischaräometrischen Probe und der hallymetrischen mit der chemischen
Elementar-Analyse desselben Bieres ergab nach den Protokollen, die bereits
gedruckt sind:
Alkohol.
Extract.
Chemische Analyse
3,73 Proc.
5,43
Optisch-aräometrische Probe
3,55 proc.
5,40
Hallymetrische Probe
2,99 proc.
5,57.
Der Würzegehalt des Bieres muß nun aus Extract und Alkohol berechnet werden. Man
findet ihn, wenn man dem Gewicht an Zucker und Alkohol auch noch das Gewicht der
Kohlensäure und der Hefe beifügt, welche sich bei Bildung des Alkohols erzeugen
mußten. Dieser Gehalt entspricht dem Gewichte des untersuchten Bieres + dem Gewichte
der Kohlensäure und Hefe. Man erhält ihn daher in Procente verwandelt, wenn man den
so vermehrten Gehalt mit 100 multiplicirt und mit 100 + Gewicht der Kohlensäure und
Hefe dividirt.
Dieß gibt für obigen Fall:
Würze Procent-Gehalt.
Chemische Analyse
12,81Meine Beobachtungen geben den Würzegehalt E, aus Zucker ζ - Alkohol αTextabbildung Bd. 110, S. 362Balling findet:Textabbildung Bd. 110, S. 362Schafhäutl berechnet ihn nach:E = ζ +
α (2,122)weil er mehr trockene Hefe findet, vergißt
aber mit dem Nenner zu dividiren.Die nahezu richtige Regel zur Auffindung des Würzegehaltes nach
Procenten, welche das doppelte Gewicht des Alkohols dem vorhandenen
Zucker beifügt, gibt:Chemische Analyse12,89 Proc.Optisch-aräometrische Probe12,50 Proc.Hallymetrische Probe11,55 Proc.
Optisch-aräometrische Probe
12,43
Hallymetrische Probe
11,52.
Man sieht hieraus, daß der Würzegehalt durch die optische Probe bis auf 0,3 Procent
oder auf 1/32 übereinstimmend mit der chemischen Analyse gefunden wird, was genügt,
während die hallymetrische Probe 1,3 Procent oder 1/9 des ganzen Gehaltes abweicht,
was nicht genügt. Fehler von dieser Größe hat daher die hallymetrische Probe bei
allen bis zum Juli 1847 angestellten Bieruntersuchungen auf den Gehalt begangen.
Sch. hat nun diesen Fehler dadurch zu verbessern gesucht, daß er die Angaben der
hallymetrischen Probe für Alkohol in Uebereinstimmung mit der chemischen Analyse
bringt und alle bisherigen hallymetrischen Bieruntersuchungen neu berechnet. Allein
in dieser Rechnung hat er den RechnungsfehlerNoch einige Rechnungsfehler von Schafhäutl:Er versteht nicht S. 465 weßhalb ich die Einheiten der Balling'schen und meiner Probe gleich mache. Hätte er bedacht, daß
das Aräometer von Balling Zucker-Alkohol gibt, so würde er begreifen, weßhalb ich
die Scalen seines und meines Aräometers erst gleich machen muß, um zu sehen
was sie nach den verschiedenen Methoden geben. Ob ich seine oder meine Scala
dabei zu Grund lege, ist gleichgültig. Er zeigt also nur hier wie bei der
unrichtigen Vorstellung von Procenten, daß er nicht weiß mit welchen
Einheiten er zu thun hat. Noch ein Beispiel seiner Rechenkunst: im
Kunst- und Gewerbeblatt 1848 S. 288 gibt er eine Tafel zur Berechnung
des Alkoholgehaltes aus Weingeist. Hier setzt er die Milliontel
von Procenten an! Das ist doch gewiß genau! Aber
in den Differenzen kommen Sprünge von 43 Theilen vor! begangen,
den Gehalt nicht in Procente zu verwandeln und glaubt dennoch ihn in Procenten
ausgedrückt zu haben. Siehe S. 301–302 im Kunst- und Gewerbeblatt
1848, Heft 5.
Dadurch nun sind alle seine neu berechneten Gehalte zu
groß, folglich sämmtlich falsch. So findet er
den berechneten Gehalt, welchen die verbesserte
hallymetrische Probe bei der Untersuchung des oben angeführten Bieres ergab:
Proc.
Nr. 58 der Zusammenstellung
13,582
Während die chemische Analyse gibt
12,81.
Proc.
Die nicht verbesserte hallymetrische Probe gab den Gehalt zu klein
um
1,3
Die verbesserte hallymetrische Probe zu groß um
0,77
daher mehr als ¾ Procent zu groß. Alle Gehaltsbestimmungen der Biere mit der hallymetrischen Probe
sind daher vor dem Juli 1847 um mehr als ein Procent zu klein, nach dem Juli 1847
aber von Sch. verbessert, um circa ¾ Proc. zu
groß.Auffallend ist, daß Schafhäutl S. 452 von einer
amtlichen Bieruntersuchung des Jahres 1846 sagen kann, daß man die 31
untersuchten Biere sämmtlich tarifmäßig fand und dann fortfährt:
„Ueberhaupt wurde hier die Frage bezüglich der Tarifmäßigkeit
der Biere durch Kaiser auf die musterhafteste
Weise erledigt“; denn dieß ist
geschehen mit einer Probe, die den Gehalt 1⅓ Procent zu klein gab,
geschehen ohne zu wissen was der Gehalt tarifmäßiger Biere ist, wurde aber
doch vortrefflich erledigt.
Dieser bedeutende Rechnungsfehler ist auf alle Beobachtungen mit der hallymetrischen
Probe übergegangen; so auch auf die Beobachtungen im polytechn. Journal Bd. CIX S. 458,
mit welchen er die Angaben der optischen Probe verglich. Allein dieser Fehler
erklärt nur einen Theil des großen Unterschiedes von circa 2 Proc. zwischen den beiden Proben. Sehen wir daher die angeführten
Beobachtungen S. 456 bis 458 noch etwas näher an.
Unter Nr. 14 findet sich die oben angeführte, in den Protokollen enthaltene
Bieruntersuchung. Die Angaben des Datums (10 Juli 1847), des Bräuers (Spatenbräu)
und der hallymetrischen Probe (Alkohol 2,99; Extract 5,64) lassen keinen Zweifel
darüber. Aber statt der Angaben der optisch-aräometrischen Probe, wie sie die
Commission gefunden und wie sie in den Protokollen niedergelegt sind, finden sich ganz andere Zahlen.
Es steht
Alkohol
2,8;
Extract
5,8
Das amtliche Protokoll gibt
Alkohol
3,55
Extract
5,40.
Also wieder ein Fall wie der gegen Balling schon früher
nachgewiesene, wo andere Zahlen als die richtigen eingesetzt und veröffentlicht sind, um gegen die Sache zu argumentiren, während die wahren
Zahlen dafür sprechen! Vielleicht hat sich auch hier nur
ein Fehler im Abschreiben eingeschlichen? Oder vielleicht ist dieß nur eine von Sch.
selbst angestellte Bestimmung mit der optisch-aräometrischen Probe, die wegen
der angeblichen Unsicherheit in der optischen Probe so sehr abweicht? Dieß können
wir sogleich ermitteln. Er gibt für die optische Probe Extract 5,8; Alkohol 2,8.
Stellen wir diesen Punkt in der Schubtabelle Nr. 2 meiner Probe ein, so ergibt sich,
was die Instrumente in diesem Falle zeigen mußten. Es
findet sich:
Optische Probe
67,8;
Aräometer
4,65
Die amtliche Erhebung gab
66,6
Aräometer
3,88
–––––
–––––
1,2
0,77
d. h. die optische Angabe stimmt bis auf 1 Trommeltheil, also
ziemlich gut. Aber das Aräometer müßte beinahe um 8 Theile (die Theilung geht von 1/10 zu 1/10 Procent) unrichtig abgelesen
seyn, wenn obige Zahlen wirklich beobachtet wären. Da es nun allen bekannt ist,
welche je Spiritus nach der Senkspindel kauften, daß auch kein Mensch einen ganzen
Grad an der Spindel fehlen kann, so sind 8 Grade ein ganz
unmöglicher Fehler, und es wird daher im hohen Grade wahrscheinlich, daß
die angeführten Zahlenwerthe nicht beobachtet sind. Es
muß daher wohl auch wieder ein Schreibfehler vorgefallen
seyn. Dieß wird noch wahrscheinlicher, indem auch bei andern dieser Beobachtungen
sich solche Schreibfehler nachweisen lassen. Nr. 15 findet sich schon, was die
hallymetrische Probe betrifft, in der im Kunst- und Gewerbeblatt 1848, Heft
5, S. 300 gegebenen Zusammenstellung der neuberechneten Bieranalysen unter Nr.
72.
Dort ist der berechnete Gehalt angegeben zu
14,25
Proc.
Im polytechn. Journal Bd. CIX S. 458 Nr. 15
13,78
Proc.
Beide Angaben differiren um ½ Proc.
Eben so das Bier Nr. 17 im polytechn. Journal Bd. CIX S.
458
14,80
Proc.
In der Zusammenstellung Kunst- u. Gewerbeblatt Nr. 93
15,057
Proc.
Welche von diesen Angaben sind die richtigen? Auch hier müssen Schreibfehler
vorgefallen seyn.
Es wird dieß genügen um zu zeigen welche Wege Sch. eingeschlagen hat, um
Beobachtungen zu erhalten, die beweisen was er bewiesen haben will. Und von der
Vergleichung mit solchen Beobachtungen sagt Schafhäutl:
„Das sind Resultate wie sie die Zeit, die parteilose und unbestechliche
ans Licht gefördert hat — welche der optischen Probe als einer praktisch
verlässigen den Stab brechen.“
Wohl brechen solche Resultate den Stab, aber über wen?Hiemit sind übrigens auch seine Bemerkungen S 473 erledigt.
A d 2. Sch. will nun zeigen, daß die optische Probe keine
ausreichend sichern Resultate gebe. Er findet Schwierigkeiten in der Bestimmung des
0 Punktes, in der Erleuchtung des Gesichtsfeldes, in der Einstellung des Fadens und
bedenkt nicht, daß dieselben Schwierigkeiten bei allen Schraubenmikrometern
bestehen. Aber verdanken wir nicht gerade diesen Instrumenten die genauesten
Beobachtungen? Die Schwierigkeiten müssen also doch wohl zu überwinden seyn. Ich
glaube um so mehr an letzteres, als Bessel, der berühmte
Meister der Beobachtungskunst, öfters sagte, er wolle jeden Soldaten in einem halben
Tag abrichten, daß er brauchbare astronomische Beobachtungen liefere. Das ist sogar
mehr als ich bei Anwendung der optischen Probe verlange. Denn daß die Probe wirklich
von jedem zu solchen Controlen bestimmten Individuum nach einiger Einübung leicht
gehandhabt werden könne, darüber liegen bereits Erfahrungen im Großen vor. Der
hiesige Magistrat ließ während drei Jahren bei allen Biervisitationen durch den
Marktcommissär auch die Angaben der optischen Probe erheben. In Folge dieser
praktischen Erfahrungen hat der hiesige Magistrat die optische Probe der königl.
Regierung zur Einführung vorgeschlagen. — Ebenso haben Magistrat und
Gemeindebevollmächtigte in Augsburg im vorigen Monat das königl. Ministerium des
Innern um alsbaldige gesetzliche Einführung der optischen Probe gebeten und dieß
durch öffentlichen Anschlag kund gegeben. Diese Behörden theilen daher nicht die Schafhäutl'sche Meinung von der optischen Probe.
Um das Gesagte zu belegen, führt Sch. nun mehrere Einstellungsversuche an, die er und
andere erhalten haben. Diese zeigen in der That größere Abweichungen zwischen den
einzelnen Einstellungen als sie mir je bei ungeübten Beobachtern vorgekommen sind,
und dennoch sind diese als Muster von Unsicherheit gegebenen Beobachtungen völlig genügend. Sch. hat nämlich nur vergessen, daß ich
in der Instruction zur Handhabung der optischen Probe S. 59 meiner Abhandlung
ausdrücklich verlange, daß man aus mehreren Einstellungen das
Mittel nehme. Hätte er dieß bei den angeführten Einstellungen gethan, so
würde er gesehen haben, daß das Mittel der ersten Einstellungen von P1
P2 und S sicher ist auf weniger als 0,5 Trommeltheile. Die
zweite Reihe aber stimmt noch besser. Denn es findet:
Abw.
K
70,0
- 0,4
S
69,6
0,0
Z
70,8
- 1,2
Pf
68,7
+ 0,9
Kh
69,0
+ 0,6
––––––––––––––
Mittel
69,6
0,6.
Es ist daher der mittlere Fehler in der Bestimmung von 69,6 nur ± 0,2
Trommeltheile, und daher der wahrscheinliche Fehler noch kleiner.
Gerade diese Beispiele beweisen also, daß selbst unter solchen Umständen die Probe
völlig genügende Resultate liefert, während sie nach Schafhäutl das Gegentheil beweisen sollen.
Es ist um so auffallender, daß dieser Umstand das Mittel zu nehmen Sch. entgangen
ist, als man doch wohl von einem ord. Mitglied der
mathematisch-physikalischen Classe der königl. Akademie der Wissenschaften
erwarten sollte, daß es weiß wie man den zufälligen Beobachtungsfehler verkleinert.
Sch. scheint sich aber wenig mit zufälligen Beobachtungsfehlern beschäftigt zu
haben.
Aus den angeführten Beobachtungen macht Sch. nun den Schluß, daß man wohl 2
Trommeltheile und damit 1 Proc. im Gehalte fehlen könne, S. 463.
Wir haben aber aus seinen eigenen Beobachtungen gezeigt, daß man keinen halben
Trommeltheil fehlt, wenn, wie es vorgeschrieben ist, das Mittel genommen wird. 2
Trommeltheile kann man daher gar nie fehlen.
Aber auch die hierauf gestützte Folgerung ist falsch. 2 Trommeltheile betragen 0,6
Proc. im Gehalte und nicht wie Sch. angibt 1 Proc. Ein Blick auf die Schubtabelle
zeigt dieß sogleich. Aber an allen Zahlen welche Sch. Anführt; ist der Wunsch
ersichtlich ihren Eindruck zu steigern. Kein Wunder daher wenn sie zu groß ausfallen
gegen die Wahrheit. Es ist eine Erfahrung, die ich erst in neuester Zeit gemacht
habe, nämlich daß es Menschen gibt, für welche die Zahlen keine Wahrheit sind.
A d 3. Die dritte Einwendung glaube ich am besten zu
beseitigen, wenn ich dem geneigten Leser eine kurze Uebersicht des Wesentlichen der
optisch-aräometrischen Probe gebe und es seinem unbefangenen Urtheil selbst
überlasse, zu entscheiden ob eine chemische Analyse dazu nöthig ist.
Ich bestimme die Eimerzahl der Bierwürze, welche aus einem Schäffel Malz gewonnen
wird, durch Beobachtungen in einem Bräuhause. Ich finde eben so wie viele Eimer
verleitgebbares Bier aus dieser Würze entstehen. Ich notire den Gehalt dieser Würze
an einer Senkspindel, welche so getheilt ist, daß sie die Verdünnungen der Würze mit
Wasser mißt. Damit wird mir der gesetzliche Werth bekannt, welcher einem Grad der
Senkspindel bei den gegebenen Umständen entspricht. Dieser Werth ist also caet. par. den Graden der
Senkspindel proportional. Denn durch Versuche ist nachgewiesen (siehe S. 20 meiner
Gehaltsprobe etc.), daß alle Bierwürzen als Verdünnungen einer und derselben Würze
betrachtet werden können. Daher brauche ich auch gar nicht zu wissen, aus was die
Würze besteht, auch nicht wie viele Procente ein Grad der Senkspindel ausmacht. Ich
weiß nur was ein Grad derselben werth ist, wenn aus der Würze Bier geworden.
Anstatt der Senkspindel hätte ich auch zur Bestimmung der Stärke der Würze die
optische Probe anwenden können. Denn auch diese gibt immer größere Verstellungen des
Bildes — größere Werthe — je mehr die Senkspindel zeigt. Ich hätte
also auch die Scala der optischen Probe so theilen können, daß sie in jeder
Bierwürze oder in allen Verdünnungen Einer Bierwürze genau dieselben Grade zeigt wie
die Senkspindel (siehe S. 20 meiner Abhandlung).
Hätte ich nun Mittel, in jedem Alter eines Bieres wieder zu finden wie viele Grade an
der Senkspindel oder an der optischen Probe seine Würze gezeigt hat, so wäre meine
Aufgabe gelöst. Denn ich wüßte den Werth des Grades und damit den Werth des
Bieres.
Dazu beobachte ich nun die Würze während ihres weitern Verlaufes (Gährung) von Tag zu
Tag an diesen beiden Instrumenten. Ich finde, daß sich die Angaben beider Proben vermindern, aber nicht um gleich
viel Grade. Wahrend die optische Angabe sich um einen Grad vermindert,
nimmt die Angabe der Senkspindel um 1,6 Grad ab. Diese Abnahme bleibt aber in
demselben Verhältniß bis zum alten Biere. Sie bleibt im
selben Verhältniß von den stärksten bis zu den schwächsten Bieren. Sie ändert sich
nicht durch Beschleunigung der Gährung.
Da ich nun aber weiß, daß die Angaben beider Instrumente in der ursprünglichen Würze
gleich waren, so kann ich aus dem, was die Instrumente jetzt zeigen und aus dem
bekannten Verhältniß ihrer Abnahme finden, was sie anfänglich zeigten. Man bekömmt
demnach den
ursprünglichen Gehalt der Würze, wenn man zur optischen Angabe 1,6 des Unterschiedes
beider Proben hinzufügt.
Da die Proben anfänglich in der Würze dasselbe geben und nur mit der Zeit immer mehr
und mehr in ihren Angaben auseinander kommen, so ist der Unterschied der Angaben
zugleich ein Maaß des Alters des Bieres, oder er zeigt wie weit die Gährung
fortgeschritten ist.
Von obiger Regel zur Ermittelung des Gehaltes oder Grades der ursprünglichen Würze,
finden kleine Abweichungen statt. Diese rühren daher, daß die optische Probe nur
durch Grade von ungleicher Größe in Uebereinstimmung mit der Senkspindel, welche
direct die Verdünnungen gibt, gebracht werden kann.
Zur strengen Ermittelung des anfänglichen Grades der Würze durch Beobachtungen am
Biere, ist eine graphische Lösung der Aufgabe die geeignetste, weil sie keiner
Rechnung bedarf. Ich habe sie deßhalb in der Arbeit durchgeführt und dort gezeigt,
wie die Tafel bei allen Bieren aus den bezeichneten zwei Beobachtungen mit aller
Sicherheit immer wieder den anfänglichen Grad der Würze finden läßt und somit den
Werth des untersuchten Bieres gibt. Dieß ist erlangt, ohne zu wissen was in der
Bierwürze enthalten ist, was mit dieser vorgeht, wenn Bier daraus wird und wieviel
Procent ein Grad der Spindel beträgt. Es ist nur aus Erfahrung an werdenden Bieren
abgeleitet, also ganz unabhängig von Voraussetzungen.
Man sieht daraus deutlich, daß die chemische Analyse mit meiner Lösung der Aufgabe
durchaus nichts zu thun hat, daß sie ganz unabhängig ist vom chemischen Experiment.
Das zur Berichtigung der Schafhäutl'schen sogenannten
theoretischen Ansicht.
Nur um eine Vergleichung meiner Probe mit der chemischen Analyse möglich zu machen,
habe ich auch eine zweite Tafel beigefügt, welche Zucker und Alkohol trennt. Aber
zur Lösung der Aufgabe ist diese durchaus unnöthig, weil man nicht wissen will
wieviel Zucker und Alkohol ein Bier enthält, sondern was sein Gehalt ist, oder noch
richtiger, was dieser werth ist.
Diese einfache Sachlage scheint aber Sch. nicht zu begreifen oder nicht begreifen zu
wollen, und spricht zum Hohn gegen die Wissenschaft im Schlußsatze aus, daß wohl nie
eine physikalische Beobachtung die Instrumente und Operationen der analytischen
Chemie ersetzen könne.
Ich glaube es wird dem geneigten Leser angenehm seyn zu vernehmen, was hierüber
auswärtige Sachverständige anderen Ranges als Schafhäutl
denken.
Wilhelm Weber schreibt mir darüber unterm 22. Nov.
1848:–„Einen recht traurigen Eindruck hat der Schafhäutl'sche Aufsatz in Dingler's polytechnischem
Journal auf mich gemacht. Ganz abgesehen von den persönlichen Injurien, welche
unter aller Würde der Wissenschaft sind, ist es ein schlechter Dank für eine so
mühsam und meisterhaft durchgeführte Untersuchung, welche ein weites Feld für
neue Forschung eröffnet, der Dir darin zu Theil geworden ist. Ich wünschte Du
könntest unbekümmert darum Deinen Weg weiter gehen: die Anerkennung bleibt Dir
doch in Zukunft sicher.“
„Die Vorliebe für ein Instrument oder für eine Methode, an welche man sich
gewöhnt hat oder mit welcher man besonders vertraut ist, kann man niemand
verwehren. Auch muß man es nachsehen, wenn geistige Befangenheit einer solchen
subjectiven Vorliebe eine objective Bedeutung beimißt und die beliebteste
Methode für die beste erklärt; aber Gründe für eine solche Behauptung, welche
über jeden wesentlichen Fortschritt der Wissenschaft im voraus den Stab brechen,
dürfen nicht geduldet werden.“
„Kein wissenschaftlicher Chemiker wird ein ausschließendes Privilegium für
die bisherigen Hülfsmittel und Methoden in seiner Wissenschaft in Anspruch
nehmen, wie Hr. Schafhäutl S. 462 thut, noch ein
wissenschaftliches Problem darum für unlösbar halten, weil ein geistreicher Mann
wie Berthollet es vergebens zu lösen versucht hat.
Gegen solche Beschränktheit helfen keine geistigen Waffen, sondern sie muß
ignorirt werden. Die Fortschritte der Wissenschaft erlangen im Leben, wenn auch
langsam, doch mit der Zeit Geltung. So wird es auch praktische Geltung erlangen,
daß man die Brechungskraft zweier Flüssigkeiten eben so leicht und genau
vergleichen kann, wie das specifische Gewicht derselben, und daß man in
geeigneten Fällen durch die Combination zweier solcher Merkmale, wie das
specifische Gewicht und die Brechungskraft, praktisch viel mehr auszurichten im
Stande ist, als wenn man sich bloß auf eines dieser Merkmale beschränkt. Solche
Wahrheiten, mit so evidenten Beweisen, wie Du sie gegeben hast, können auf die
Dauer nicht unterdrückt werden.“
Ohm schrieb mir, wie er sagt, nach aufmerksamem Durchlesen
meiner Arbeit: Gehaltsprobe etc. schon am 25. Juli 1847.–„So wie
die Sache gegenwärtig liegt, ist zwar kein Zweifel, daß eine allgemeine
Anwendung Ihrer Resultate gemacht werden wird, gemacht werden muß; aber ich will
wünschen, daß diese Anwendung recht bald geschehe, damit ich Ihren Triumph, den
Triumph der Physik über Schwierigkeiten, die schon so lange aller
vorangegangenen Anstrengung Hohn sprachen, noch mitfeiern kann.“
Zum Schlusse müssen wir der oft und zuletzt S. 473 wiederholten Behauptung Schafhäutl's, es gebe der erste Theil der hallymetrischen
Probe für sich den Gehalt des Bieres ausreichend sicher, entgegentreten.In Prof. Steinheil's Gegenbemerkungen etc. im
polytechn. Journal Bd. CIX Heft 4, blieb auf S.
297 ein Sinn ändernder Druckfehler stehen; es heißt dort: „auf
dieses sachverständige Gutachten hin compromittirte sich der
Centralverwaltungs-Ausschuß“. Im Original steht das
Wort sich nicht.Die Redaction d. p. I. Bisher haben wir
unser Urtheil gestützt auf das ganz übereinstimmende Resultat der
optisch-aräometrischen Probe mit zwei Untersuchungen von Pettenkofer nach der hallymetrischen Probe. Es folgt aber
auch aus den hallymetrischen Beobachtungen, welche Sch. im Kunst- und
Gewerbeblatt S. 300 zusammengestellt hat, also aus denselben Beobachtungen, aus
welchen Sch. das Gegentheil nachweisen will.
Bei dem Einen Salzversuch allein sind zwei Biere gleich im Gehalt, wenn sie im
Hallymeter gleichen Salzrückstand lassen. Nun ist aber der Salzrückstand im
Hallymeter gleich 12,5 bei Nr. 36 und bei Nr. 39. Der angesetzte berechnete Gehalt
der Würze im Traubenzucker ist aber
bei Nr. 36
= 127,05 = 12,76 Proc. nach Sch.
Nr. 39
= 143,93 = 14,39 Proc. nach Sch.
also ungeachtet des gleichen Salzrückstandes verschieden um
1,7 Proc.!
Eben so ist der Gehalt von Nr. 9 = 12,0
Salzrückstand 8,0
von Nr. 26 = 12,0
Salzrückstand 11,0
Obschon die Biere, also selbst nach Schafhäutl's Angabe,
gleichen Gehalt haben, ist doch der Salzrückstand um 3 Theile verschieden. Da aber 3
Theile nahe 1 Proc. entsprechen, so ist auch hier ein Fehler von 1 Proc. Man
bemerke, daß dieß Biere sind wie sie wirklich ausgeschenkt wurden. Auf solche
Documente stützt Sch. seine Behauptung: der erste Theil der hallymetrischen Probe
sey für sich ausreichend genau, und es komme bei wirklich zur Consumtion gebrachtem
Biere nie eine Unsicherheit von ½ Proc. vor! In
dem veröffentlichten Nachweis sind aber Unsicherheiten
von 1½ Procent. Gegen solche Logik ist
nicht mit Gründen zu streiten. Ich werde daher kein Wort mehr in dieser Sache
erwidern.
München, im December 1848.