Titel: | Ueber die scheinbare Bewegung der Figuren gewisser Muster blauer und rother Wollenzeuge; von Henry Taylor. |
Fundstelle: | Band 111, Jahrgang 1849, Nr. XXXVII., S. 197 |
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XXXVII.
Ueber die scheinbare Bewegung der Figuren
gewisser Muster blauer und rother Wollenzeuge; von Henry Taylor.
Aus dem Philosophical Magazine, Nov. 1848, S.
345.
Taylor, über die scheinbare Bewegung der Figuren gewisser Muster
blauer und rother Wollenzeuge.
Die scheinbare Bewegung der Figuren in gewissen Mustern blauer und rother glatter
Wollenzeuge (Kammwollzeuge) ist hinlänglich bekannt, ohne, meines Wissens, eine
genügende Erklärung gefunden zu haben. Durch die Versuche, welche ich darüber
angestellt habe, ist es mir, wie ich glaube, gelungen, die Ursache dieser
sonderbaren Erscheinung zu entdecken, und ich hoffe, daß meine Bemerkungen darüber
einiges Interesse gewähren werden.
Untersucht man gewisse Muster von blauen und rothen Wollenzeugen beim Kerzenlicht, so
findet man, daß wenn man sie umher bewegt, die Figuren zitternd erscheinen, wie wenn
sie sich schneller bewegten als der Grund (Boden) des Musters; Blau und Roth sind
die einzigen Farben, welche diese merkwürdige Eigenschaft besitzen, obwohl bemerkt
werden muß, daß manche Personen diese Täuschung unter keinen Umständen
wahrnehmen.
Die gewöhnlichen Muster bestehen in blauen oder rothen Figuren auf einem Grund von
entgegengesetzter Farbe; zur Anstellung von Versuchen sind die einfachsten Muster
vorzuziehen, und ich setze hier solche voraus, welche aus einzelnen Dessins oder
Flecken von Roth auf blauem Grund und Blau auf rothem Grund bestehen.
Wird das Muster vor dem Auge auf- und abbewegt und der rothe Flecken
aufmerksam betrachtet, so bemerken wir eine an dessen Rand eintretende
Farbenveränderung gleich einem dunkeln Saume oder Schatten, der von einer Seite zur
andern flattert. Bei näherer Betrachtung findet man, daß beim Aufwärtsbewegen des
Musters dieser dunkle Saum nur an dem obern Rand des Fleckens, und zwar nur für
einen Augenblick erscheint; bei der Abwärtsbewegung des Musters sieht man ihn am
untern Rande
verschwindend wie zuvor. Wird die Bewegung statt auf- und abwärts, von einer
Seite zur andern gemacht, so beobachtet man eine ähnliche Erscheinung auf der
rechten und linken Seite des Fleckens.
Untersucht man nun den blauen Flecken auf gleiche Weise, so ist die Erscheinung eine
etwas verschiedene, indem die an seinem Rand sich bildenden Säume von hellerer Farbe
sind als der übrige Flecken und die Wirkung von Lichtern haben statt von Schatten,
wie im erstern Fall.
Dieser Tonwechsel ist so momentan, daß er sehr große Aufmerksamkeit erfordert, um
überhaupt gesehen zu werden; die beste Art diese Veränderungen wahrzunehmen, ist das
Muster in einiger Entfernung von der Lampe oder dem Kerzenlichte zu halten, wobei
man es anfangs nur langsam bewegt. Ich habe diese Erscheinungen aus dem Grunde so
ausführlich beschrieben, weil sie meiner Beobachtung zufolge dazu dienen, fragliche
Täuschung hervorzubringen; in ihnen liegt das ganze Geheimniß.
Ich bin überzeugt, daß die hellen und dunkeln Ränder in den beiden Figuren auf die
Vorstellung des Beobachters dieselbe Wirkung haben, wie gewöhnlich Licht und
Schatten bei einem von der einen Seite beleuchteten erhabenen Körper; wenn ein
solcher Gegenstand unserm Blick so dargeboten werden könnte, daß bei ihm Licht und
Schatten rasch von einer zur andern Seite überspringen, jedoch ohne daß er bewegt
würde, so würde dieß, wie ich glaube, auf uns den Eindruck machen, als bewegte sich
der Gegenstand selber, weil wir aus der Erfahrung wissen, daß eine solche Wirkung
nur durch die Verstellung des Kerzenlichtes oder des von ihm beleuchteten
Gegenstands hervorgebracht werden kann.Daß dieses richtig ist, davon habe ich mich durch ein einfaches Experiment
oft überzeugt. Wenn man einen erhabenen Körper, z.B. eine weiße Kugel oder
einen weißen Cylinder vor dem Beobachter aufhängt, welcher mit seinem Rücken
gegen einen Tisch sitzt, auf dem zwei brennende Kerzen in einiger Entfernung
von einander stehen und man verdeckt abwechselnd die beiden Kerzen, so
kehren sich Licht und Schatten an dem Gegenstand um, und wenn dieß rasch
geschieht, so scheint es als bewege er sich hin und her.
Und so verhält es sich mit den Wollenmustern. Wenn wir diese Flecken mit ihren hellen
und dunkeln Säumen von eiller Seite zur andern wechseln sehen, so kommen wir auf den
Glauben, daß, da die Lampe oder die Kerze sich nicht bewegt, die Flecken selbst ihre
Stellung wechseln und sich schneller bewegen als der Grund des Musters. So wenigstens ist die
Täuschung, und in einigen Fällen erscheinen die Flecken sogar wie hervorspringende
Körper, welche von Seite zu Seite rollen.
Um zu beweisen, daß diese Farbenveränderung an den Rändern der Figuren die Ursache
dieser Täuschung ist, stellte ich folgenden Versuch an. Ein blauer und ein rother
Fleck wurden auf einem weißen Kartenblatt so befestigt, daß bewegliche Schatten
hinter ihnen hingeführt werden konnten, die man, den Rändern der Wollenflecke
ähnlich, von einer Seite zur andern gleiten ließ, und die Wirkung war für Jedermann
dieselbe; die farbigen Flecke schienen sich zu bewegen, während nur ihre Schatten in
Bewegung gesetzt wurden.
Andererseits ist es Thatsache, daß wenn man die Bildung der hellen und dunkeln Ränder
verhindert – was durch Einziehung einer Reihe weißer Stiche um die Flecken
herum bewerkstelligt werden kann, wodurch die beiden Farben getrennt werden –
die Täuschung aufhört und man die Figuren nicht mehr sich bewegen sieht; die Ursache
hievon ist einleuchtend; die Gegenwart der weißen Stiche verhindert nämlich die
Vermischung der Farben, welche an der Erzeugung der hellen und dunkeln Säume Schuld
ist. Die Verschiedenheit der Nüance in den beiden Fällen möchte noch einer weitern
Erklärung bedürfen – warum nämlich der rothe Flecken einen dunkeln, und der
blaue einen hellen Saum hat. Die scheinbare Vermischung der Farben im Zustande
rascher Bewegung wird gewöhnlich durch die physiologische Thatsache erklärt, daß das
Auge noch eine Zeitlang Eindrücke behält, nachdem die Objecte selbst dem Gesichte
schon entschwunden sind; und daß, wenn sich eine Anzahl von Objecten in schneller
Aufeinanderfolge dem Auge darbietet, das auf der Netzhaut von einem Object
zurückgebliebene Bild mit dem darauffolgenden Bild leicht vermengt wird; sind nun
diese Bilder von verschiedenen Farben, so erhält man eine zusammengesetzte Farbe; da
jedoch das von dem ersten Object zurückgebliebene Spectrum (Farbenbild) schwächer
ist als das Bild des wirklich gegenwärtigen Objects, so wird die Farbe des letztem
stets die vorherrschende seyn. Aus diesem Grunde sind bei der Vermischung der beiden
Farben, welche an den Berührungspunkten des Fleckens mit dem Grund des Musters
stattfindet, die resultirenden Farben in jedem Fall verschieden; bei dem rothen
Flecken ist sie Purpurroth, d.h. der Rand des rothen Fleckens wird durch ein blaues
Spectrum, dasjenige des Grunds, gesehen; während der Saum des blauen Fleckens im
Lavendelton erscheint, das Blau nämlich durch das Spectrum des rothen Grunds
hindurchgesehen wird. Nach den Versuchen, welche ich mit Glas von verschiedenen
Farben anstellte, getraue ich mir dieses als die wahrscheinliche Erklärung
aufzustellen, denn ich
fand, daß Roth, durch ein lichtblaues Medium gesehen, dunkler, Blau hingegen
vermittelst eines rothen Glases heller wird.
Diese Wirkungen dürfen nicht vermengt werden mit der Erscheinung der zufälligen
Nach Goethe subjektive Farben. Farben, bei welchen das Spectrum eines Gegenstandes von der
entgegengesetzten oder complementären Farbe ist; letztere Farben werden bekanntlich
dann erzeugt, wenn das Auge beträchtlich lang mit einem Gegenstand beschäftigt war;
überdieß werden die complementären Farben von Blau und Roth bei obigen Versuchen
ganz und gar nicht wahrgenommen. Ich erwähne dieser Unterscheidung nur, weil man die
scheinbare Bewegung dieser Figuren mit Beziehung zur Theorie der zufälligen Farben
zu erklären versuchte.
Es bleibt nun zu zeigen übrig, warum Blau und Roth die einzigen Farben sind, welche
diese Eigenthümlichkeit darbieten. Die einzige Vermuthung, welche ich hier
aufstellen kann, ist, daß die Zwischentöne, welche durch die Vermischung von Blau
und Roth gebildet werden, mit den beiden ursprünglichen Farben stark contrastiren,
so daß sie die erforderlichen Wirkungen von Licht und Schatten hervorbringen, und
gewiß bilden Purpur sowohl als Lavendel entschiedene Contraste zu Blau und Roth.
Dieß ist aber nicht der Fall mit irgend einer andern Combination der primären
Farben. So contrastiren z.B. die durch Vermischung von Roth und Gelb entstehenden
Orange-Töne zu schwach mit jeder dieser Farben, um Licht und Schatten
hervorbringen zu können, und dasselbe ist auch mit Blau und Gelb der Fall.
Warum endlich findet diese Täuschung nur bei künstlichem Lichte statt? Nicht weil das
Blau als Grün erscheint (denn ein kleiner Grad von Bewegung ist bei blauen und
rothen Mustern auch bei Tageslicht zu beobachten, wenn man sie in dunkeln Winkeln
betrachtet), sondern wegen der Undeutlichkeit des künstlichen Lichts im Vergleich
mit dem Sonnenlicht; denn man wird finden, daß wenn man die Farben nahe an eine
Lampe oder ein Kerzenlicht hält, so daß sie stark beleuchtet werden, die Wirkung
vernichtet wird; dieselbe wird hingegen eine sehr starke bei undeutlichen Lichtern,
wie z.B. wenn man die Muster unter die Tafel des Tisches hält, auf welchem die Lampe
steht, wo dann die Schatten des rothen Fleckens ausnehmend dunkel werden, während
die hellen Töne auf dem blauen Flecken beinahe phosphorescirend erscheinen. Aus
demselben Grunde ist, wenn man das Muster schief (indirect) ansieht, die Wirkung eine
bessere, als wenn das Auge ganz darauf hin gerichtet ist; und bei Mustern, welche
aus mehreren Figuren auf geeignetem Grund zusammengesetzt sind, bemerkt man, daß die
scheinbare Bewegung am größten an jenen Stellen ist, auf welche das Auge nicht
schnurgerade gerichtet wird, weil wir dann undeutlicher sehen.
In Zusammenhang mit Obigem möge hier noch eine andere, nicht minder merkwürdige und
auffallende Erscheinung erwähnt werden, welche mit denselben Mustern beobachtet
werden kann. Der blaue Flecken, indirect angesehen, erscheint nämlich stets heller
als er wirklich ist; wenn aber das Auge sich ihm vollkommen zuwendet, so nimmt er
plötzlich wieder die ihm eigene Farbe an; der rothe Flecken hingegen erscheint,
indirect angesehen, viel dunkler, und wird beinahe plötzlich hell, wenn sich das
Auge gerade darauf richtet. Ohne Zweifel dienen diese Wechsel des Tons um die
scheinbare Bewegung täuschender zu machen, wenn man das Auge über die verschiedenen
Theile eines complicirten Musters wandern läßt. Diese Erscheinung läßt sich
vielleicht dadurch erklären, daß wir die Gegenstände am vollkommensten in der
Sehachse erkennen, oder, wie sich Brewster ausdrückte,
„das Auge hat die Kraft, Gegenstände vollkommen deutlich zu sehen, nur
wenn es gerade darauf gerichtet ist, so daß alle indirect angesehenen
Gegenstände auch undeutlich gesehen werden;“ und man kann annehmen,
daß alle Eindrücke, welche auf jenen Theilen der Netzhaut empfangen werden, deren
man sich zum Schiefsehen bedient, so zu sagen verwirrte sind. So erscheinen die
rothen und blauen Flecken, indirect (schief) angesehen, mit der vorherrschenden
Farbe des Mustergrundes nüancirt – der rothe Flecken wird dunkler durch den
Einfluß des um ihn herum befindlichen Blau und der blaue Flecken heller durch die
Nähe des Roth; denn es ist merkwürdig, daß diese Täuschung mit alleinstehenden
Farben nicht hervorgerufen wird, sondern nur durch Flecken von einer Farbe, die von
einem Felde der andern Farbe umgeben sind.