Titel: | Das Dilatometer, ein Instrument zur Ermittelung der relativen Quantitäten zweier vermischten Flüssigkeiten, insbesondere der Mischungen von Alkohol und Wasser; von J. J. Silbermann. |
Fundstelle: | Band 111, Jahrgang 1849, Nr. XXXVIII., S. 201 |
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XXXVIII.
Das Dilatometer, ein
Instrument zur Ermittelung der relativen Quantitäten zweier vermischten Flüssigkeiten,
insbesondere der Mischungen von Alkohol und Wasser; von J. J. Silbermann.
Aus den Comptes rendus, Oct. 1848, Nr.
17.
Silbermann's Dilatometer.
Die bisher bekannten Verfahrungsweisen zur quantitativen Bestimmung der Mischungen
von Alkohol und Wasser gründen sich entweder auf die Destillation, oder die
Dichtigkeit, oder den Siedepunkt der geistigen Flüssigkeit. Mein Verfahren beruht
auf der Ausdehnung (Dilatation, Expansion) der geistigen Flüssigkeit. Bekanntlich
dehnt sich der Alkohol zwischen 0 und 100° Cels. dreimal mehr aus als das
Wasser; diese Ausdehnung ist noch größer zwischen 25 und 50° Cels. Bringt man
demnach z.B. in dasselbe Thermometer Wasser von 25° Cels., mit welchem man
die Kugel desselben und einen kleinen Theil der Röhre bis an ein angebrachtes
Zeichen anfüllt, und erwärmt hierauf das Thermometer auf 50° Cels., so wird
die Flüssigkeitsfäule in der Röhre um ein Gewisses über obigen Punkt steigen. Dieser
neue Punkt wird ebenfalls bezeichnet. Füllt man nun statt des Wassers absoluten
Alkohol, ebenfalls von 25° Cels. bis zu dem Punkt, welchen das Wasser von
dieser Temperatur erreichte und erwärmt den Alkohol bis auf 50° Cels., so
wird er in der Röhre 3 1/2 mal so hoch steigen als das Wasser.
Jede Mischung von Alkohol und Wasser, auf gleiche Art behandelt, wird bei ihrer
Ausdehnung eine zwischen den beiden erwähnten liegende Höhe einnehmen und sich, je
nachdem der eine oder andere Bestandtheil in der Mischung vorherrscht, der einen
oder andern Gränze mehr nähern.
Bereitet man demnach Mischungen von bestimmtem Wasser- und Alkoholgehalt nach
Procenten, z.B. 100 Wasser, 0 Alkohol; 99 Wasser, 1 Alkohol; 98 Wasser, 2 Alkohol;
97 Wasser, 3 Alkohol etc.; 0 Wasser, 100 Alkohol, und behandelt diese verschiedenen
Mischungen alle gleich, indem man sie bei der Temperatur von 25° bis zu
demselben Punkt der Röhre eingießt und dann auf der Röhre den Gehalt und den
Standpunkt bei 50° C. bezeichnet, so erhält man nach Beendigung der 100
Operationen eine hunderttheilige alkoholometrische Scala.
Jede Mischung von Alkohol und Wasser, welche man im Thermometer bei 25°
Temperatur bis zu erwähntem Punkt einfüllt und dann bis auf 50° erwärmt, zeigt durch ihren
Stillstandspunkt ihren Gehalt an.
Werden statt Wasser und Alkohol irgend zwei andere Flüssigkeiten angewandt, deren
Ausdehnungen zwischen zwei constanten Temperaturgränzen merklich verschieden sind,
so erhält man ebenso eine Scala für diese zwei Flüssigkeiten; bereitet man von ihnen
Mischungen in bekanntem Verhältniß und bezeichnet deren Ausdehnungen auf der
Thermometerröhre, so dient diese Scala ebenfalls zur Angabe des Gehalts irgend einer
Mischung dieser beiden Flüssigkeiten.
Um dieses Verfahren zum gewöhnlichen Gebrauch für alkoholometrische Bestimmungen
geeignet zu machen, mußte ich ein vollständiges Instrument construiren, welches ich
Dilatometer nenne.
Auf einer Metallplatte sind zwei Thermometer befestigt, von denen das eine ein
Quecksilberthermometer ist und nur bei der Anfangs- und End-Temperatur
des Versuchs, nämlich bei 25° und bei 50° C. mit einem Strich versehen
ist; das andere Thermometer, welches die zu prüfende Flüssigkeit aufnehmen soll, ist
an beiden Enden offen, unter der Kugel (dem Reservoir) erweitert und oberhalb über
der Röhre mit einem weiteren Rohr versehen; es ist also eine Pipette von Glas.
Da die alkoholometrische Scala erst über dem Punkte beginnt, bis zu welchem sich das
Wasser bei 50° ausdehnt, so kann der für die Ausdehnungsgröße des reinen
Wassers bestimmte Raum durch eine Erweiterung des Rohres ersetzt und dadurch kürzer
gemacht werden, was andererseits größere Skalentheile in dem übrigen Theile des
Rohrs gestattet.
Unterhalb wird das zweite Thermometer an dem ausgeweiteten Ende durch eine Korkplatte
verschlossen, welche durch eine Feder gegen das Thermometer angepreßt wird. Ein
Hebel, der mit einer steil geschnittenen Schraube schnell herauf und herunter bewegt
wird, gestattet dieses Thermometer schnell zu öffnen und zu schließen.
Da die Flüssigkeiten oft Luft oder Gasarten aufgelöst enthalten, so muß man sie von
denselben leicht reinigen können, ohne ihren Gehalt zu verändern; am leichtesten
erfolgt dieß durch den luftverdünnten Raum, zu welchem Zwecke sich in dem erwähnten
weitern oberhalb eingebrachten Rohre ein Kolben befindet. Dieser dient zuerst, wenn
er aufgezogen wird, zum Füllen des Rohres mit Flüssigkeit und dann, wenn es
unterhalb geschlossen ist, zum Entfernen der Luft. Mit zwei oder drei Kolbenzügen
entfernt man alle Luft vollständig, so daß bei der spätem Erwärmung keine Luftblasen
mehr aufsteigen. Um mit dem Kolben die erforderlichen Bewegungen ohne Stoß und so
sanft machen zu können, daß eine Trennung der Flüssigkeitssäule nicht erfolgt, und um zugleich die
Luftzuführung beliebig zu bewirken, ist die Kolbenstange ihrer ganzen Länge nach
durchbohrt, und kann an ihrem Ende mit dem angefeuchteten Finger verschlossen
werden. Durch Oeffnen des untern Verschlusses ist man im Stande den Spiegel der
Flüssigkeit bis zu dem erforderlichen Punkte zu senken.
Die Erwärmung von 25 bis 50° C. soll in einem Wassergefäße von etwa 1 Liter
Inhalt mittelst einer Weingeistlampe vorgenommen werden.
Mängel der bisherigen alkoholometrischen Methoden.
Destillation. – Dieses Verfahren wird nur selten
angewandt, weil die Operation langwierig ist und viel Geschicklichkeit voraussetzt.
Man verdankt dafür Hrn. Gay-Lussac eine sinnreiche Anleitung, wobei er sich die
Ermittelung der absoluten Wahrheit zum Zwecke setzte, ohne die darauf zu verwendende
Zeit und Mühe zu berücksichtigen.
Dichtigkeiten. – Dieses Verfahren wird mangelhaft,
wenn man die Flüssigkeiten mit Salzen oder Syrupen vermischt, deren specifisches
Gewicht, welches größer als dasjenige des Alkohols ist, ihren wirklichen Gehalt
maskirt und Verdünnungen (recoupes) gestattet, durch
welche sowohl der Fiscus als der Käufer betrogen wird. Aus demselben Grunde
verbindet auch Hr. Gay-Lussac bei Untersuchung der Weine das
Destillationsverfahren mit seinem Alkohol-Aräometer.
Siedepunkt. – In dieser Hinsicht ist Tabarié's Methode unter den
bekannten unstreitig die beste; jeder Physiker weiß, wie schwierig der Siedepunkt
genau zu bestimmen ist; daß der Dampf sich überhitzen und sogar das in die
Flüssigkeit gesenkte Thermometer sich je nach dem Fall mehrere Grade über dem
wirklichen Siedepunkt erhalten kann, was für jeden weiteren Temperaturgrad einen
Irrthum von ungefähr 4 alkoholometrischen Graden veranlaßt. Auch müßten bei dieser
Methode die Veränderungen des Barometerstandes berücksichtigt werden.
Vorzüge des neuen Verfahrens.
Das von mir vorgeschlagene, auf der Ausdehnung beruhende Verfahren ist für geistige
Flüssigkeiten jeden Grades, sowie für Weine gleich anwendbar; denn die Salze, sowie
die aufgelösten oder suspendirten Pflanzenstoffe, welche sich zugleich mit dem
Wasser und Alkohol bilden, sind ohne merklichen Einfluß auf das Resultat, weil alle
Auflösungen in Wasser sich innerhalb der von mir gewählten Temperaturgränzen gerade
so ausdehnen wie das Wasser selbst. Eine Beimischung ausdehnbarerer Flüssigkeiten, als der Alkohol
ist, hat man nicht zu befürchten, da sie alle theurer als der Weingeist sind und
sich überdieß durch ihren eigenthümlichen Geruch oder Geschmack verrathen würden.
Minder ausdehnbare Körper als das Wasser, wenn es solche gibt, würden sich in
gleichem Falle befinden.
Ich wählte die anfängliche Temperatur von 25° C., weil man im Sommer überall
Wasser findet, das noch kälter ist.
Die Endtemperatur von 50° C. wählte ich um Verdunstungen zu vermeiden, die den
Grad vermindern könnten, wenn der Siedepunkt der Flüssigkeit von dieser Temperatur
zu wenig entfernt wäre; der Spielraum von 25° ist hinreichend. Ferner lassen
sich diese beiden Temperaturen sehr leicht unterhalten, wenn das Wassergefäß
ungefähr 1 Liter faßt und man, nachdem der Grad erreicht ist, eine Weingeistlampe
unter das Wassergefäß stellt. Die das Instrument tragende Platte dient zum Umrühren
des Wassers, damit die Temperatur desselben überall gleichförmig bleibt.