Titel: | Neues Verfahren des Weinbaues; von Hrn. Persoz . |
Fundstelle: | Band 111, Jahrgang 1849, Nr. XLIV., S. 231 |
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XLIV.
Neues Verfahren des Weinbaues; von Hrn. Persoz .
Aus den Comptes rendus, Nov. 1848, Nr.
22.
Persoz, neues Verfahren des Weinbaues.
Mein Verfahren, welches die Hälfte des dem Weinbau gewidmeten Bodens zur Erzeugung
von Nahrungsgewächsen zu verwenden gestattet, scheint auf den ersten Blick von den
verschiedenen in mehreren Weingegenden gebräuchlichen Methoden völlig abzuweichen.
Dem ist aber nicht so; wer die in verschiedenen Gegenden befolgte Verfahrungsart
studirt hat, wird finden, daß mehrere der von mir empfohlenen Kunstgriffe angewandt
werden. In einem Punkt aber unterscheidet sich mein Verfahren von allen andern: ich
bringe nämlich alle Weinstöcke aus einer gewissen Fläche Landes in eine einzige
Grube, worin durch die erste chemische Einwirkung die Entwickelung des Holzes, und
dann durch eine zweite die Entwickelung der Traube hervorgerufen wird. Ich habe mich
nämlich durch directe Versuche überzeugt, daß in den zum Weinbau dienenden
Düngerarten Stoffe enthalten sind, welche ausschließlich das Wachsthum der Zelle,
d.h. des Holzes, und wieder andere, welche die Entwickelung des Keimes (Frucht oder
Traube) befördern, und daß die Einwirkung dieser Stoffe, statt einer gleichzeitigen,
eine aufeinander folgende seyn sollte. Durch Anwendung dieser Grundsätze kann ich
nach Belieben dem Zuwachse des Holzes Einhalt thun, welchen man bei den gewöhnlichen
Verfahren nur durch künstliche und empirische Mittel in der Gewalt hat.
Soll die Entwickelung des Rebholzes befördert werden, so behandelt man es wie folgt:
man bedeckt die Reben, nachdem man sie in die Gruben gelegt, 6–7 Centimeter
(2–2 1/2 Zoll) hoch mit Erde, welcher man auf den Quadratmeter Oberfläche der
Grube 3 Kilogr. Knochenmehls, 1 1/2 Kil. Lederschnitzeln, Abfälle von Gerbereien,
Hörner, Hufe etc. und 1/2 Kilogr. Gyps beigemengt hat.
Wenn nach Verlauf von einem oder zwei Jahren das Holz genugsam entwickelt ist, so
gibt man den Wurzeln Kalisalze, welche den Trieb der Trauben befördern. Zu diesem
Behufe verbreitet man 7 bis 8 Centim. (2 1/2 bis 3 Zoll) hoch über den eingegrabenen
Stöcken auf den Quadratmeter Oberfläche 2 Kilogr. einer Mischung aus 3 Kilogr. kieselsauren Kali's und
1 Kilogr. phosphorsauren Kalikalks.Das heißt: mit Kali gesättigten sauren phosphorsauren Kalk. Man füllt dann die Grube auf und die Wurzeln sind auf lange Zeit mit der
ihnen nöthigen Menge Kalis versehen. Um der Erschöpfung desselben zu begegnen, thut
man gut jedes Jahr an dem Fuß der Stöcke eine gewisse Menge Weintrester zu legen;
diese Trester enthalten 2 1/2 Procent kohlensaures Kali und geben daher der Grube
jährlich einen guten Theil des ihr entzogenen Kalis wieder zurück.
Bis jetzt hing der Erfolg einer Lese, unter übrigens gleichen Umständen, großentheils
von atmosphärischen Einflüssen ab, so daß, wenn ein Weinstock 10 Theile Kali nöthig
hatte, um Früchte zu tragen, und die Einwirkung der Wärme und des Regens auf die in
Zersetzung begriffenen Gesteine und Erden nur 5 liefern konnte, die Weinlese nicht
gut ausfiel. Dieser Gefahr soll mein Verfahren vorbeugen, bei welchem der Weinstock
beständig die ihm zusagende Nahrung hat; aber dadurch, daß dem Weinbauer durch mein
Verfahren die Quantität des Productes gesichert wird, ist ihm natürlich die Qualität
desselben, welche stets von der Temperatur abhängt, keineswegs verbürgt.