Titel: Ueber den dem Mechanikus Schlarbaum in München patentirten „deutschen“ Schraubenschlüssel.
Autor: C. H. S.
Fundstelle: Band 111, Jahrgang 1849, Nr. LII., S. 266
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LII. Ueber den dem Mechanikus Schlarbaum in München patentirten „deutschen“ Schraubenschlüssel. Mit Abbildungen auf Tab. V. Schlarbaum's deutscher Schraubenschlüssel. Der verstellbare Schraubenschlüssel ist ein im Maschinenbau und in allen Industriezweigen, welche sich der Maschinen und mechanischen Vorrichtungen bedienen, unentbehrliches und wohlbekanntes Werkzeug. Es wird allerdings nicht mit Unrecht geltend gemacht, daß die Anwendung desselben den Muttern und Schraubenköpfen immer mehr oder weniger nachtheilig sey, insofern als deren Flächen und Ecken schnell sich abnutzen, und daß es daher im Interesse jedes Besitzers von Maschinen liege, alle Schraubenköpfe und Muttern derselben, namentlich aber diejenigen, welche oft zur Benutzung kommen, in besondere unverstellbare Schlüssel einpassen zu lassen, welche, wenn sie sorgfältig gemacht und besonders durch Einsatzhärten vor schnellerem Abnutzen und willkürlicher Veränderung Seitens der Arbeiter geschützt sind, zu obigen Klagen seltener Veranlassung geben. Aber auch bei Maschinen, welche mit der äußersten Genauigkeit gefertigt sind, kommen häufig genug solche Schraubenköpfe und Muttern vor, welche nicht vollkommen in die vorhandenen Schlüssel passen, oder es treten Fälle ein, wo versteckt liegende Muttern durch die gewöhnlichen Schlüssel nicht erreicht werden können. In diesen und zahlreichen andern Fällen ist der Besitz eines verstellbaren Schlüssels, welcher sich auf mannichfache Art verwenden läßt und oft die einzigen Mittel für die zu erreichenden Zwecke darbietet, nicht zu umgehen. In Uebereinstimmung hiemit lehrt die tägliche Erfahrung, daß selbst in Werkstätten wo die vorhandenen Maschinen so viel als möglich und systematisch geschont werden, der verstellbare Schraubenschlüssel niemals fehlt; die Fälle dagegen, wo man wegen dem Vorhandenseyn des beweglichen Schlüssels alle übrigen entbehren zu können glaubt, gehören wohl zu den zahlreicheren. Die Klage, daß der verstellbare Schlüssel die Muttern verderbe, hat, wie wir im Verlaufe dieser Abhandlung sehen werden, ihren Grund in der mangelhaften Construction der bisherigen Schlüssel, wobei jedoch nicht unbeachtet bleiben darf, daß dieselbe zwei ganz entgegengesetzte und einander widersprechende Bedingungen erfüllen soll: einerseits leicht zu bewirkende Beweglichkeit und andererseits unwandelbare Stabilität seiner Backen, eine Aufgabe, welche außerordentlich schwer und wahrscheinlich niemals vollkommen zu lösen ist. Daß ein dringendes Bedürfniß vorlag, den bisherigen Schraubenschlüssel zu verbessern, und zwar mit Rücksicht auf seine möglichst dauerhafte und billige Construction, geht aus dem Umstande hervor, daß die letzten 5–6 Jahre mannichfache Neuigkeiten in dieser Beziehung gebracht haben. Aber gerade die verhältnißmäßig große Anzahl und die gänzliche Verschiedenheit der neuen Constructionen liefert den Beweis, daß es bis jetzt noch nicht gelungen sey, eine allseitig befriedigende Lösung des Problems zu erreichen. War die Bedingung der Billigkeit erreicht, so fehlte es gewöhnlich an der gehörigen Festigkeit oder an dem feinen Stellwerk des Schlüssels; befriedigte beides nothdürftig, so waren die gewählten Formen und Organe gewöhnlich so zarter, selbst zerbrechlicher Natur, daß der Schlüssel für den praktischen Gebrauch durch Männer vom Fach wenig Werth hatte und nach kurzer Benutzung reparaturbedürftig und untauglich wurde. Aus diesen Gründen konnten die neuerdings bekannt gewordenen Constructionen jenen älteren Schraubenschlüssel nicht verdrängen, welcher unter dem Namen „englischer“ oder „französischer“, seiner bekannten Gebrechen ungeachtet, seit vielen Jahren im allgemeinen Gebrauche ist und vorzugsweise in der Gegend von Remscheid gefertigt wird. Fig. 27 gibt von ihm ein Bild. Für diejenigen Leser, welche derartige Schlüssel noch nicht in ihren Händen gehabt haben sollten, wird bemerkt, daß in dem flachen Doppeltheil a, a sich der entsprechende Einfachtheil b schiebt; ein sechskantiges, hohles Heft c dreht sich bei a' in dem Doppeltheil; es wird durch die aufgenietete Platte d an seiner Stelle erhalten und hat innen eine Schraubenmutter, welche die Schraube vom Einfachtheil b umschließt. Wird nun das Heft c in einem oder dem andern Sinne gedreht, so rückt b hinaus oder herein, und zwischen den Backen bei f kann ein beliebiger Gegenstand festgespannt werden. Jeder Praktiker, welcher diese Art Schraubenschlüssel nicht bloß im neuen, sondern auch im lang gebrauchten, reparaturbedürftigen Zustande unter Händen gehabt hat, wird aus Erfahrung wissen, daß das Aufnieten eines dünnen Plättchens bei d keineswegs genügt, um dem Hefte die nöthige Festigkeit zu sichern. Die ganze Gewalt, welche mit dem Schlüssel ausgeübt wird, alle Stöße und Schläge, welche er theils aus Unachtsamkeit, theils nothgedrungen beim Gebrauche aushalten muß, wirken mit Hebelkraft auf diese Nietung und auf den runden Zapfen oder sein Lager; beide können bei so gewaltsamer und unaufhörlicher Abnutzung nur kurze Zeit in demjenigen Zustande bleiben, welcher für die leichte und doch vollkommen sichere Bewegung des Heftes nothwendig ist. Sobald nun das Heft nur einigen Spielraum in seiner Führung bekommt und gleichzeitig die Nietung nachläßt, entsteht ein Zwängen der Mutter an der Schraube; wenn letztere mit Oel bedeckt, wie dieß zum leichten Gehen in der Mutter nothwendig ist, durch den an ihr haftenden Sand oder Unreinigkeiten und das stete Schleifen damit in der Mutter, sich nicht bald vollständig abnutzt, so muß sie über kurz oder lang bei e in der Ecke abbrechen, denn hier ist die schwache Stelle des Schlüssels, wo alle Gebrechen der Construction und fortschreitenden Abnutzung sich begegnen und aufdecken. Schreiber dieses hat an der großen Anzahl von Schraubenschlüsseln, welche unter seiner Leitung in täglichem Gebrauche waren, stets die oben angedeuteten Uebel bemerken und sie mit oft kostspieligen, immer aber unangenehmen Reparaturen bekämpfen müssen. Das Losewerden des Heftes, und wenn hier geholfen war, das unvermeidliche Ausschleifen der Schraube und Mutter, waren die stets sich wiederholenden und nie zu beseitigenden Uebel. Hiezu kam noch in den Fällen wo die Schlüssel der billigeren Gattung angehörten und dem entsprechend ausgeführt waren, das Losewerden der Backe b' auf dem Stiel b, indem dieß zwei verschiedene, nur durch Vernietung mit einander verbundene Theile waren, was für den angestrengten Gebrauch eines Schraubenschlüssels durchaus nicht genügt. Ungeachtet dieser Gebrechen, war aber dieser „englische“ Schraubenschlüssel immer noch besser und für andauernden Gebrauch geeigneter, als die von dieser Construction abweichenden Erzeugnisse der neueren Zeit, bis vor Kurzem ein derartiges Werkzeug ausgeführt wurde, welches von den erwähnten Gebrechen vollkommen frei bleibt und durch seine zweckmäßige Construction Vortheile sichert, deren Werth sich je länger, je mehr geltend machen muß. Wir meinen damit Schlarbaum's patentirten „deutschen“ Schraubenschlüssel, von welchem wir zwei Ansichten und einen Durchschnitt in Fig. 28, 29 und 30 mittheilen. Wir haben hier zwei homogene Eisenmassen, deren eine, g, den beweglichen inneren Theil des Schlüssels bildet, während h die äußere Führung und das Heft zugleich ausmacht. Der Theil g ist am oberen Ende viereckig, unten dagegen rund; beiden Formen entsprechend und ganz genau passend ist das Innere von h ausgearbeitet. Der untere, runde Stiel von g ist wiederum hohl und mit einem inneren Gewinde versehen, in welchem sich eine Schraube bewegt, die durch einen Ansatz k und einen aufgeschraubten und verbohrten sechsseitigen Knopf l an einer Kappe m sich bewegt. Die Kappe m ist an das Ende von h festgeschraubt. Dreht man nun den Knopf l, was man ohne Mühe mit den Fingern, oder nöthigenfalls auch durch kräftigere Mittel sehr leicht kann, so dreht sich die Schraubenspindel i um ihre Achse und schiebt den inneren Theil g heraus oder hinein, wie man es eben braucht. Die Hauptvorzüge dieses Schlüssels sind demnach in Kürze folgende: a) daß das Heft, an welchem die Kraft ausgeübt wird, eine einzige, homogene Metallmasse mit den Backen bildet, ohne Dazwischenkunft irgend einer Beweglichkeit; b) daß die Führung des beweglichen Theiles in allen Stellungen dieselbe und in Jeder gleich sicher und zuverlässig ist, weil der runde Stiel von g stets in dem hohlen Cylinder steckt, den das Heft bildet. Mag der Schlüssel auf seinem Backen stehend oder flach liegend angespannt werden, mag er in irgend einer dieser oder aller anderen Stellungen beliebig forcirt werden, stets wird sich diese innere Cylinderführung als die beste bewähren, bei welcher der angespannte Gegenstand niemals leiden kann; c) die Schraubenspindel liegt im Innern des Schlüssels vor allen Stößen, vor jedem schiefen Anziehen und vor allen Unreinigkeiten vollkommen geschützt, und bewegt sich reinlich und sicher; d) der bewegliche Theil g besteht aus einem Stück Eisen, so daß die vollkommenste Stabilität der Backen gesichert ist. Diese vier Hauptmomente, so unbedeutend sie erscheinen möchten, verschaffen dem Werkzeug eine viel größere Dauer als sie bei jedem bisherigen Schraubenschlüssel bemerkt und erwartet werden konnte. Die Formen, welche Hr. Schlarbaum seinem Schlüssel gegeben hat, sind ebenfalls nicht ohne Rücksicht aus praktische Vortheile gewählt. Die Schraubenschlüssel werden in zahlreichen Fällen von unbedachtsamen Arbeitern auch zum Schlagen und Hämmern gemißbraucht. Die bisherigen Schlüsselfabrikanten am Rhein haben diesen Mißbrauch auf Kosten der Dauer des Werkzeugs oft unterstützt, indem sie der einen Seite der Spannbacken eine flache Gestalt gaben. Schlarbaum hat im Gegentheil beide Seiten abgerundet, und sicherlich nicht auf Kosten der Schönheit; ein Werkzeug, von welchem so viel gefordert wird wie von dem Schlüssel, muß, wenn es lange halten und sich bezahlt machen soll, auch geschont werden; will man aber den oft unbedachtsamen, selbst muthwilligen Arbeitern gegenüber in dieser Beziehung sicher gehen, so muß man streben ihnen allen Mißbrauch unmöglich zu machen. Dieß lehrt die Erfahrung, und daher gibt es wohl für die Backen des Schlüssels keine bessere Form als die des Ovales. Das Schräubchen a dient als Ansatz und verkündet dem Arbeiter, wenn er es oben anstehen fühlt, daß die Schraube i aus ihrer Mutter zu treten beginnt; entfernt man es ganz, so kann der bewegliche Theil g und h hervorgezogen werden. Da es keinem Zweifel unterliegt, daß dieser Schlüssel, wenn er seine Vorzüge bewähren soll, auch mit äußerster Genauigkeit gefertigt seyn und überall gut „passen“ muß, so mußte auch besondere Rücksicht darauf genommen werden, seine Anfertigung einer in diesen Beziehungen durchaus zuverlässigen Werkstätte zu übertragen. Hr. Mechanikus J. Mannhardt in München, seit länger als 25 Jahren einer unserer tüchtigsten deutschen Werkzeugfabrikanten, hat sich derselben unterzogen, und obwohl erst seit etwa 9–10 Monaten mit der Fertigung solcher Schlüssel begonnen wurde, so sind doch schon mehr als 200 Stück davon im gewerbtreibenden Publicum, hauptsächlich aber an Eisenbahnwerkstätten und andern bedeutenden Etablissements, welche guter Werkzeuge bedürfen und sie zu schätzen wissen, abgesetzt. Das günstigste Zeugniß für den Werth der Construction und die Güte der Ausführung dieses Werkzeugs ist aber wohl der Umstand, daß in der letzten Zeit namhafte Bestellungen auf diese Schlüssel selbst von England eingegangen sind. Daß zu diesem Absatze der Schlüssel nach England, wo alle Rohmaterialien viel niedriger im Preise stehen als bei uns, auch der billige Preis der Schlüssel beigetragen hat, ist nicht zu läugnen. Nothwendig war aber letzterer, um eine allgemeine Verbreitung dieser Schlüssel zu erzielen, und möglich war er nur durch die massenhafte Anfertigung derselben, bei welcher die mechanischen Vorrichtungen des Mannhardt'schen Fabrikgeschäftes eben so sehr auf die billigen Preise, als besonders auch auf genaue und durchaus saubere Arbeit hinwirken. München, im Februar 1849. C. H. S.

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