Titel: | Ueber die Zusammensetzung des Weizens; von Eugen Peligot. |
Fundstelle: | Band 111, Jahrgang 1849, Nr. XCVIII., S. 446 |
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XCVIII.
Ueber die Zusammensetzung des Weizens; von
Eugen
Peligot.
Aus den Comptes rendus, Febr. 1849, Nr.
6.
Peligot, über die Zusammensetzung des Weizens.
Vorliegende Untersuchung ist ein Theil einer Arbeit, welche ich in der Absicht
unternahm, die Zusammensetzung der vorzüglichsten als Nahrungsmittel benutzten
Samenkörner zu ermitteln.
Bekanntlich sind die Hauptbestandtheile des Weizens und der übrigen Getreidearten: 1)
Wasser; 2) Stärkmehl; 3) im Wasser unauflösliche stickstoffhaltige Materien; 4) im
Wasser auflösliche stickstoffhaltige Materien; 5) im Wasser auflösliche nicht
stickstoffhaltige Materien; 6) Fettsubstanzen; 7) Zellensubstanz; 8)
Mineralsalze.
Die unlöslichen stickstoffhaltigen Materien liefern den Kleber, welcher selbst wieder
ein Gemenge mehrerer Substanzen ist. Dasselbe ist der Fall bei den Substanzen,
woraus jede der erwähnten Gruppen besteht, so daß die Analyse einer Getreideart noch
viel complicirter ist, als sie nach obiger Aufzählung erscheint. Ehe man aber an die
Bestimmung jedes einzelnen dieser Bestandtheile geht, muß man diejenigen von
einander zu trennen wissen, welche die auffallendsten Merkmale haben, wie einen
Gehalt oder die Abwesenheit von Stickstoff, die Löslichkeit oder Unlöslichkeit in
Wasser oder Aether etc. Letztere Aufgabe habe ich mir gestellt.
Textabbildung Bd. 111, S. 447
100 gemahlenen Weizens enthalten;
Nr. 1 Weißer flandrischer Weizen; Nr. 2 Hardy white; Nr. 3. Weißer glatter
Weizen aus der Provence; Nr. 4. Polish Odessa Weizen; Nr. 5. Igel-Weizen
(hérisson); Nr. 6. Poulard, rother; Nr. 7. Poulard, blauer, kegelförmig.
(mittl. Jahrg.); Nr. 8. Poulard, blauer kegelförm. (sehr trocken. Jg.); Nr. 9.
Mitadin vom Süden; Nr. 10. Polnischer Weizen; Nr. 11. Ungarischer Weizen; Nr.
12. Aegyptischer Weizen; Nr. 13. Spanischer Weizen; Nr. 14.
Tangarock-Weizen; Wasser; Fettsubstanzen; Stickstoffhaltige Materie, in
Wasser unlösliche; deßgl. in Wasser lösliche (Albumin); Stickstofffreie Materien
(Dextrin); Stärkmehl; Zellensubstanz; Salze
Nr. 1. Weißer flandrischer Weizen, Blasé genannt, in der Umgegend, von Vienne
(Depart. der Isère) im Jahre 1841 gebaut. Aus der Sammlung des Hrn. Oscar Leclerc-Thouin.
Nr. 2. Weizen schottischen Ursprungs, sehr weiß, gebaut
von Hrn. Vilmorin zu
Verrières seit dem J. 1839. Dieser Weizen wurde im J. 1843 geerntet.
Nr. 3. Sehr glatter und sehr weißer Weizen, vom J.
1842.
Nr. 4. Gemengter Weizen aus Russisch-Polen, ich
erhielt ihn von Hrn. P.
Darblay.
Nr. 5. Glatter Weizen, im März 1842 gesäet.
Nr. 6. Halbglatter (demi-glacé) Weizen vom J. 1840, aus dem Depart. der untern
Loire.
Nr. 7. Halbglatter Weizen, im J. 1844 von Hrn. L. Vilmorin zu Verrières
gebaut.
Nr. 8. Halbglatter Weizen, ebendaher vom J. 1846. Beide
in gleichem Boden und bei gleicher Düngung gewonnen.
Nr. 9. Halbglatter Weizen, in der Umgegend von Avignon
gebaut.
Nr. 10. Sehr rauher (dur)
Weizen mit sehr langen Körnern, aus dem nördlichen Afrika stammend. Angebaut von
Hrn. Vilmorin zu
Verrières 1844.
Nr. 11. Weizen, welchen ich im J. 1845 aus Oesterreich
mitbrachte. Es ist dieß der Weizen, aus welchem in Wien das Brod gebacken wird; er
kömmt aus dem Banat in Ungarn.
Nr. 12. Weizen in kleinen, rothen, ungleichen und harten
Körnern.
Nr. 13. Weizen, von Hrn. Darblay erhalten, auf dem Pariser Markt sehr
allgemein. Ein Gemenge von glattem und rauhem (tendre et
dur) Weizen.
Nr. 14. Sehr rauher Weizen; von Hrn. Darblay erhalten; kommt ebenfalls in
Paris sehr häufig vor.
NB. Bei den Nummern 3, 5, 6, 11, 12 sind der Zellenstoff
und die Asche von der Stärke abzuziehen; bei den Nummern 4, 8, 10 und 13 aber nur
der Zellenstoff.
Da der Werth dieser Ziffern von der Genauigkeit der von mir angewandten analytischen
Verfahrungsweisen abhängig ist, so werde ich diese näher erörtern und mit jenen,
deren man sich früher bediente, vergleichen.
Bestimmung des im Weizen enthaltenen Wassers. –
Sie wurde unmittelbar nach dem Mahlen, durch Austrocknen von 5 bis 10 Grammen Weizen
in dem Gay-Lussac'schen Trocknenbehältniß mit Oel
vorgenommen. Die bis auf 110° C. erhitzte Substanz wurde zu wiederholtenmalen
gewogen, bis ihr Gewicht constant blieb. Im Widerspruch mit der allgemeinen Meinung
fand ich im glatten (tendre) Weizen nicht mehr Wasser
als im rauhen (dur).
Fettsubstanz. – Der Bestimmung des Fettgehalts
widmete ich große Sorgfalt. Sie geschah durch Behandlung des Weizens mit Aether,
bald mit Payen's
vortrefflichem Apparat zur ununterbrochenen Digestion, bald in Röhren, deren eines
Ende an der Lampe zugeschmolzen und das andere mittelst eines eingeriebenen Stöpsels
verschlossen wurde.
Der Aether, welchen man zur Bestimmung der in den natürlichen Gebilden des Weizens
enthaltenen Fettsubstanz anwendet, muß rectificirt und ganz von Wasser befreit
werden; diese Gebilde (nähern Bestandtheile) müssen ebenfalls ganz trocken seyn.
Diese doppelte Vorsicht ist von großer Wichtigkeit, weil ihre Vernachlässigung
bedeutende Irrthümer zur Folge haben kann. Wenn man nämlich nicht ausgetrockneten
Weizen mit gewöhnlichem Aether behandelt, so sondert man nicht nur die Fettsubstanz
ab, sondern auch eine gewisse Menge anderer Substanzen, die sich in dem Wasser
auflösen, welches der Weizen sowohl, als der Aether selbst liefern.
In Wasser auflösliche Substanzen. – Unter die
Substanzen, welche die Getreidearten bei der Behandlung mit Wasser abgeben, wurde
bisher auch der Zucker, oder vielmehr Traubenzucker, gerechnet. Die Theorie der
Brodgährung ist mit dem Vorhandenseyn von Zucker im Mehle recht wohl vereinbar,
indem man annimmt, daß der Teig durch die Verwandlung dieses Zuckers in Alkohol und
Kohlensäure zum Aufgehen kömmt. Meinen Versuchen zufolge enthält aber der Weizen
keinen Traubenzucker.
Während das Wasser das im Mehl enthaltene Dextrin auflöst, sondert es auch eine
stickstoffhaltige Materie ab, die alle Eigenschaften des Albumins besitzt. Die
Quantität derselben wurde durch Bestimmung des in dem abgedampften und
ausgetrockneten Rückstand enthaltenen Stickstoffs ermittelt, wobei man annahm, daß
diese stickstoffhaltige Materie, wie alle im Weizen befindlichen, 16 Procent
Stickstoff enthalte.
Unlösliche stickstoffhaltige Materien. – Das
einzige richtige Verfahren zur Bestimmung des so wichtigen Mengenverhältnisses der
Stoffe, die in Verbindung mit der Fettsubstanz den Kleber ausmachen, ist die
Berechnung des Gehalts an stickstoffhaltigen Materien nach der Menge Stickstoffs,
die sie entweder in Gasform oder in Form von Ammoniak liefern. Wenigstens ist dieses
Verfahren dem ältern bei solchen Substanzen vorzuziehen, welche, wie der Weizen, nur
einige Procente Stickstoff enthalten. Ich habe die so erhaltenen Resultate mit denen
verglichen, welche die directe Ausziehung des Klebers (durch Kneten des Mehls unter
einem Wasserstrahl) liefert. Sie weichen nicht viel von einander ab, obwohl der auf
letztere Weise erhaltene Kleber Stärke und die Fettsubstanz des Weizens enthält,
während in der vom Wasser mitgerissenen Stärke Kleber enthalten ist. Die
Fettsubstanz, obwohl nur in geringer Menge im Mehl enthalten, spielt dennoch eine
wichtige Rolle bei der Bereitung des Klebers, und wahrscheinlich auch des Brods;
denn ich habe gefunden, daß wenn man Mehl, welches mittelst Aethers seiner
Fettsubstanz beraubt wurde, unter den gewöhnlichen Vorsichtsmaßregeln mit Wasser
behandelt, der sämmtliche Teig sich zu einer Seifenemulsion zerrührt und gar keinen
Kleber zurückläßt.
Stärkmehl. – Den Stärkegehalt des Weizens suchte
ich auf zweierlei Weise zu bestimmen: 1) durch Umwandlung der Stärke in Zucker
mittelst sehr verdünnter Schwefelsäure; 2) deßgleichen mittelst Diastas. Man
entzieht dem Weizen zuvörderst seine Fettsubstanz und seine in Wasser auflöslichen
Bestandtheile und wägt die erhaltenen ausgetrockneten Rückstände.
Das erste Verfahren liefert ziemlich genaue Resultate, wenn man, sobald die Stärke
verschwunden ist, mit der Operation einhält; läßt man sie aber länger dauern, so
wird eine kleine Menge stickstoffhaltiger Materie auflöslich, und man erhält
folglich einen zu großen Stärkegehalt. Bei Anwendung des Diastas findet der
entgegengesetzte Uebelstand statt. Wenn die Flüssigkeit durch Jod schon nicht mehr
blau gefärbt wird, enthält die unlösliche Masse doch noch Stärke, von welcher sie
nicht völlig befreit werden kann. Da ich übrigens alle andern Bestandtheile des
Weizens quantitativ bestimmt habe, so konnte ich, in Ermangelung eines andern
befriedigenden Verfahrens, den Stärkegehalt desselben durch Differenz ermitteln. Er
beträgt im Mittel nicht über 62 Procent. Dieses Resultat weicht von den Angaben
anderer Chemiker nicht unbedeutend ab; so erhielt Rossignon, wie Gasparin in seinem Lehrbuch der
Agricultur berichtet, 78 bis 87,5 Proc. Stärke aus dem Weizen.
Mineralsalze und Zellensubstanz. – Der Gehalt des Weizens an Mineralsalzen
variirt zwischen 1,5 und 2 Procenten. Die Ermittelung desselben bietet sehr viele
Schwierigkeiten dar.
Die Zellensubstanz wurde dadurch bestimmt, daß man den Weizen 24 Stunden lang mit
Schwefelsäure, welche 6 Aequiv. Wasser enthielt, in Berührung ließ. Der Teig,
welchen man erhält, besitzt eine violette Färbung, die, wie ich glaube, von einer
Veränderung der Fettsubstanz herrührt. Man erhitzt das Gemenge im Wasserbad, bis die
saure Flüssigkeit durch Zusatz von Wasser nicht mehr getrübt wird, wäscht diese
Zellensubstanz auf einem Filter aus, zuerst mit warmem Wasser, dann mit kochender Aetzkalilösung,
hierauf mit Alkohol, Aether etc. Sie erscheint unter dem Mikroskop gar nicht
verändert. Der Weizen enthält von ihr, wie ich fand, im Mittel nicht mehr als 1,5
Procent. Auch die Kleie enthält, wie kürzlich von Hrn. Millon dargethan wurde (S. 386 in diesem Band
des polytechn. Journals) viel weniger Zellensubstanz als man angenommen hatte: meine
Analysen ergaben im Durchschnitt 8 Zellensubstanz auf 100 Kleie. Was den Schluß
betrifft, welchen dieser Chemiker aus seinen Analysen zieht, daß nämlich die Kleie eine vorzüglich nahrhafte Substanz sey, die man mit
vielem Vortheile in dem zum Brode bestimmten Mehl belassen kann, so muß ich
bemerken, daß nach meiner Ansicht die Absonderung der Kleie weniger deßhalb nöthig
ist, um einige Procente Zellensubstanz (Holzstoff) zu beseitigen, als vielmehr die
Fettsubstanz. Von letzterer enthält die Kleie wenigstens dreimal so viel als das
Mehl und die Beutelung sondert sie aus dem gemahlenen Getreide eben so gut ab, als
die Zellensubstanz.