Titel: | Ueber die Wirkung der Kälte und des Gefrierens auf den Wein; von Alfred de Vergnette-Lamotte. |
Fundstelle: | Band 112, Jahrgang 1849, Nr. LXVI., S. 300 |
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LXVI.
Ueber die Wirkung der Kälte und des Gefrierens
auf den Wein; von Alfred de
Vergnette-Lamotte.
Aus den Annales de Chimie et de Physique, März 1849,
S. 353.
de Vergnette, über die Wirkung der Kälte und des Gefrierens auf den
Wein.
Der Wein, welchen man starker Kälte aussetzt und dann von den gefrornen Theilen
sorgfältig abgießt, erhält dadurch neue Eigenschaften.
Die Wirkung des Frostes auf den Wein ist eine mehrfache. Erstens erfolgt durch eine
Temperatur-Erniedrigung zwischen 0 und – 6° C. eine theilweise
Fällung der im Wein aufgelösten Substanzen; unter 6° C. geht eine Portion
Wein in festen Zustand über und kann durch geschicktes Ablassen abgesondert
werden.
Ehe ich auf die Eigenschaften des so veränderten Weines eingehe, muß ich die
atmosphärischen Umstände klar darlegen, unter welchen man des Erfolgs am sichersten
ist.
Strenge und anhaltende Kälte ist in Burgund selten; man wird sich daher nicht oft,
wie in den Wintern von 1812, 1820 und 1830 in dem Fall befinden, den Wein täglich
aus dem Keller nehmen zu können, um ihn mit voller Sicherheit zum Gefrieren zu
bringen. Wohl aber haben wir oft einige Tage nach einander starke Kälte, die man
dann zum Gefrieren des Weins zu benützen sich beeilen muß.
Geeignet ist die Witterung dazu, wenn bei heiterm, wolkenfreiem Himmel, mit Schnee
bedeckter Erde, Nordwind und 74,5 Centimeter Barometerstand, das Thermometer
wenigstens 6° C. unter 0 zeigt. Ist bei diesem Zustand der Atmosphäre gegen
Abend der Wind lebhaft und fährt dabei das Barometer fort langsam zu steigen, so
kann man den Wein aus dem Keller bringen; wahrscheinlich fällt dann in der Nacht das
Thermometer bis auf – 9° C. Die Büttner betrachten als Zeichen einer
hinreichenden Kälte auch das Hängenbleiben ihrer Hände am äußern Eisenbeschläg der
Häuser.
Zum Aufstellen der Fässer wählen wir eine unbedeckte, gegen Norden freie, von keinem
Baum beherrschte Stelle. Wenn sich an einer solchen Stelle auf der Mittagseite eine
niedrige Mauer befindet, so werden längs derselben die Lager für die Fässer
aufgestellt; der von der Mauer den Tag über auf die Fässer fallende Schatten schützt
dieselben hinlänglich vor den Strahlen der Sonne. Die Fässer müssen in kleinen
Abständen von einander, jedoch in einer Linie liegen, damit sie sich nicht
wechselseitig Schutz gewähren; auch ist es einleuchtend, daß in einem 57 Liter haltenden Faß der
Zweck viel schneller und vollkommener erreicht wird, als in einem Faß von 114 Liter,
und in letzterm schneller als in einem Faß von 228 Liter. So verlor im Februar 1845
(den 19ten, 20sten und 21sten) derselbe Wein in kleinen Fässern über 20 Procent,
dessen Abgang beim Gefrieren in großen Fässern nur 7 Proc. betrug. Auch wurde
bemerkt, daß in mit Eisen bereiften Fässern mehr Wärmestoff entweicht als in mit
Holz bereiften.
Bei neuen Weinen ist es zweckmäßig, wenn auch nicht unerläßlich, sie von der groben
Hefe zu befreien. Alte Weine brauchen nicht vorher abgelassen zu werden. Nur muß,
weil der Wein bei der Temperatur-Erniedrigung an Volum zunimmt, im Faß etwas
leerer Raum über der Flüssigkeit bleiben. Das an das Spundloch zu legende Siegel
soll dasselbe keineswegs hermetisch verschließen.
Wenn dieß alles berücksichtigt wurde, so findet man beim Einsenken eines Thermometers
in den Wein bald, daß er allmählich die äußere Temperatur annimmt; schon ehe er auf
0° kommt, trübt er sich und setzt mehrere aufgelöst gewesene Stoffe ab. Bei
6° C. unter 0 beginnt an den Wänden der Fässer die Krystallisation sich schon
in dünnen Blättchen zu zeigen; bei zunehmender Kälte durchkreuzen sich diese, jedoch
immer dünnen Blättchen in allen Richtungen, bis sie sich zuletzt durch die ganze
Masse der Flüssigkeit von einer Seite zur andern und von einem Boden des Fasses bis
zum andern erstrecken. Ist dieß eingetreten, was geschieht wenn das Thermometer
mehrere Nächte 9° unter 0 zeigte, oder nur 1–2 Nächte auf 15°
unter 0 stehen blieb, so muß der Wein von den fest gewordenen Theilen getrennt
werden; denn sobald das Thermometer auf – 6° steigt, kann ein Theil
der Krystalle wieder in flüssigen Zustand übergehen. Um das Abgießen des Flüssigen
vollständig zu bewirken, muß bei dem Ablassen jede Erschütterung des Fasses
vermieden werden, weil sonst die mit flüssiger Masse umgebenen dünnen Blättchen
brechen und Theilchen derselben von der Flüssigkeit mitgerissen werden könnten.
Wohin sind nun die Fässer zu thun, welche den eben abgelassenen Wein enthalten? Da
sich von dem im Wein schwebend gebliebenen reichlichen Niederschlag nichts wieder
auflösen soll, so muß seine Temperatur so viel wie möglich mehrere Tage lang auf
0° erhalten werden; man lege also die Fässer in luftige und kalte Gewölbe.
Hier fängt der Wein sehr bald an sich aufzuhellen, indem er, ohne einer Klärung (mit
Hausenblase) zu bedürfen, einen reichlichen, schwarzen, dicken und sehr festen
Niederschlag absetzt. Nach 4 bis 6 Wochen wird der Wein wieder abgezogen und kann
dann in den Keller gebracht werden. Es versteht sich, daß unter diesen
Verhältnissen eine Schwefelung des Weins unstatthaft ist, weil dabei warme Luft in
das Faß käme, welche die Temperatur des Weins erhöhen und sich folglich dem Ablagern
des Niederschlags widersetzen würde.
Um die im entleerten Faß zurückbleibenden Eisblättchen herauszunehmen, schlägt man
den einen Boden desselben heraus. Nachdem das Faß umgestürzt ist, braucht man nur
seine innern Wände mit einem Besen stark abzureiben, um es dann gehörig gereinigt
wieder zum Abziehen verwenden zu können.
Nach dieser möglichst genauen Beschreibung des Verfahrens sind die Wirkungen
desselben noch zu erörtern.
Betrachten wir vorerst die Weine, aus welchen sich nur ein Theil der aufgelösten
Stoffe absonderte. In der ersten Ablagerung dieser Weine findet man eine große Menge
Weinsteins, welcher sich sonst nur nach längerer Zeit abgeschieden hätte; auch
enthält der Niederschlag einen Theil des Farbstoffs und der stickstoffhaltigen
Substanzen. Der über dem Absatz stehende Wein ist feuriger und geht nicht so leicht
in Gährung über; er hat einen reinern Geschmack, und bildet später in den Fässern
oder Flaschen nur noch einen geringen Niederschlag.
Neue Weine geben einen reichlichem Niederschlag als die alten; die rothen mehr als
die weißen; endlich ordinäre Weine einen größern als schwere.
Bei größerer Kälte entsteht nicht nur ein Niederschlag der salzigen und
stickstoffhaltigen Substanzen, sondern es gefriert auch ein Theil der Flüssigkeit.
Der Wein wird dadurch alkoholreicher und die Abscheidung der stickstoffhaltigen
Substanzen scheint in diesem Falle eine vollständige zu seyn. Obwohl der Wein dann
in seiner Farbe etwas sammtartiger erscheint, ist doch ein sehr großer Theil des
Farbstoffs in den Bodensatz übergegangen; namentlich befindet sich der blaue
Farbstoff in größerer Menge im Niederschlag.Die weißen Weine enthalten gegen die gewöhnliche Ansicht einen
eigenthümlichen Farbstoff, von welchem sie in der Kälte ebenfalls einen
Theil fahren lassen. Dieser Farbstoff ist leicht isolirt darzustellen durch
Behandlung des Häutchens der Traube mit Alkohol; er hat die gelbe Farbe des
Olivenöls, wird durch Säuren heller und durch Alkalien gebräunt. Es läßt
sich dadurch erklären, warum die weißen Weine nach dem Ausfrieren dunkler
gelb gefärbt sind; es ist nämlich ein Theil der in ihnen enthaltenen sauren
Salze niedergefallen. Mit dieser schönen Farbe verbindet der so erhaltene Wein einen sehr feurigen
Geschmack; ist er auch minder ölig, so ist er doch kräftiger und läßt sich besser
aufbewahren, weil er nicht mehr in Gährung übergeht. Auf Flaschen abgezogen,
hinterläßt er an den
Glaswänden nur eine sehr unbedeutende trockne und fest anhaftende Ablagerung. Wenn
man auch dem gefrorenen Wein vorwerfen kann, daß er sein Bouquet verloren habe, so
hat er dagegen den Geschmack nach reifen Trauben, welcher nicht zu verachten ist,
und überdieß ist er von beinahe unbegränzter Haltbarkeit.
Wir sagten oben, daß der gefrorne Wein mehr Alkohol enthalte. Es geht hier etwas sehr
sonderbares vor; der Mehrgehalt an Alkohol entspricht nämlich nicht genau dem Abgang
in Folge des Gefrierens. So betrug bei 1844er Rothweinen ersten Gewächses, welche
12,27 Proc. Alkohol enthalten, nach der Concentration durch Frost bei einem Abgang
von 7 Proc., der Alkoholgehalt nur 12,61 Proc. Aus folgender Tabelle ersieht man den
Alkoholgehalt einiger der von mir behandelten Weine nach der Concentration durch
Kälte.
Ursprung der
Weine.
Alkoholgehaltderselben vor
demGefrieren.
Alkoholgehaltderselben nachdem
Gefrieren.
Abgang durch dasGefrieren.
Erste Gewächse
1837
11,50
12,12
12
Proc.
„
„
1841
12,27
12,61
7 „
„
„
1842
12,70
13,10
7 „
„
„
weiße
1841
12,60
13,17
7
1/2 „
„
„ „
1842
13,20
14,65
20 „
grand ordinaire
1844
10,50
10,97
8 „
Erste Gewächse
1846
13,60
–
– –
Dem Vorausgehenden gemäß mußte ich untersuchen, ob jener Antheil des Weins, welcher
durch die Kälte fest wird, keinen Alkohol enthalte; der Destillation unterworfen,
lieferte er wirklich stets die ganze dem Wein abgehende Menge Alkohols.
Es erzeugt sich sonach durch den Frost im Weine ein neuer Körper, welchen wir
hinsichtlich seiner chemischen Beschaffenheit zu untersuchen uns vorbehalten, dessen
vorzügliche Eigenschaften aber sind, bei 6° C. unter 0 in festen Zustand
überzugehen und in vollkommen bestimmten Mengenverhältnissen die Elemente des
Wassers und des Alkohols zu enthalten. Wäre daraus, wie aus so vielen andern
Thatsachen, nicht zu schließen, daß der Alkohol, welchen man durch Destillation
gewinnt, nur ein Product
dieser Operation, in seiner Verbindung mit Wasser aber durchaus kein Bestandtheil
des Weins sey?Wir verweisen auf Bussy's Bemerkungen hierüber im polytechn. Journal Bd. CXI S. 229.
Wer Weine durch Kälte concentriren will, muß sich vorher fragen, ob dieß ihm in
pecuniärer Hinsicht Nutzen bringt. Die Arbeit des dreimaligen, statt einmaligen
Abziehens und dreimaligen Transports der Fässer, dann des Herausnehmens und
Wiedereinsetzens des Faßbodens, berechnen sich zusammen auf 1,55 Francs per Stückfaß. Die Kosten durch den Abgang werden durch
die Zunahme der Weine an Werth mehr als gedeckt, weil der Abgang von 7 Proc.
– mehr beträgt er selten – immer einer Preiserhöhung von 15 bis 20
Proc. entspricht.
Mit welchen Weinen die Concentration durch Kälte insbesondere vorzunehmen sey
– dieß zu beantworten, handelt es sich um zwei Dinge; 1) muß für den
Verkäufer ein pecuniärer Vortheil damit verbunden seyn; 2) muß er ein beliebtes
Product in den Handel liefern können. Ordinären Weinen entzieht der durch den Frost
erzeugte Niederschlag eine große Menge Weinsteins. Sie werden dadurch wohl
haltbarer; ist das aber nothwendig bei Weinen, die in demselben Jahre vertrunken
werden sollen? Außerdem wird durch das Gefrierenlassen der Preis dieser Weine
erhöht, während der Wein des Arbeiters nicht theuer seyn darf; ferner sind die in
ordinären Weinen reichlich vorhandenen Salze für den Organismus des Arbeiters wohl
nothwendig, sie ersetzen ihm die kostbarem Gewürze und er zieht diese Weine auch
instinctmäßig den feinern vor. Dieß Alles spricht bei den ordinären Weinen gegen die
Concentration durch Frost.
Die Weine schwererer Gewächse, welche in Geschmack, Haltbarkeit etc. allen
Anforderungen entsprechen, können ebenfalls dieses Verbesserungsmittel
entbehren.
Es gibt aber eine Classe von Weinen, welche eine Last sind für ihren Erzeuger und für
den Käufer. Es sind dieß die Weine, welche wir in schlechten Weinjahren von den
ersten Gewächsen erhalten; diese werden gewöhnlich gemischt, mit Zucker, mit Alkohol
etc. versetzt. Hier ist das Gefrierenlassen anzurathen, und wird immer vom besten
Erfolg begleitet seyn. Wenn man vom J. 1834 bis zum J. 1842, in welchem Zeitraum
Burgund so arm an schweren Weinen war, die ersten Gewächse der Jahre 1835, 1837,
1838 und 1840, statt sie zu zuckern, durch Kälte concentrirt hätte, so wären
zweifelsohne bessere, und vorzüglich gesunde Weine geliefert worden, durch deren gutes Ende der
alte, verdiente Ruf der Burgunderweine sich bis 1842 und 1846 erhalten hätte.
Ich empfehle daher dieses Verfahren den Producenten in solchen Lagen, deren Weine in
den letzten Jahren, mit Recht oder Unrecht, in Mißcredit gefallen sind. Die
Solidität der gefrornen Weine wird sie wieder in Aufnahme bringen.
Wenn bei 12,50 Proc. Alkohol enthaltenden Weinen das bloße Erkälten schon hinreicht,
um sie zu verbessern, ohne daß man es bis zum Gefrieren zu treiben braucht; so ist
dagegen bei feinen und leichten, aber schwachen Weinen das Gefrieren bis zu einem
Abgang von 10 Proc. in Anwendung zu bringen.
Gemischte Weine erleiden in der Kälte einen geringeren Abgang als natürliche Weine
von gleichmäßigen Alkoholgehalt; sie verlieren aber dadurch den ihnen sonst oft
lange anhaftenden Mischgeschmack; auch sind sie dann den gewöhnlichen Nachgährungen
weniger unterworfen.
Endlich gibt es noch eine Classe Weine, welche man nicht gefrieren lassen soll;
nämlich diejenigen, welche einen dumpfigen Geschmack besitzen; ihr Concentriren
durch Kälte vermehrt diesen Fehler nur.
Im Wesentlichen geht also aus meinen Beobachtungen folgendes hervor:
Die Einwirkung der Kälte auf die Weine scheidet einen festen Theil daraus ab, welcher
aus Weinstein, Farbstoffen und stickstoffhaltigen Substanzen besteht, und einen
flüssigen Theil, welcher bei – 6° C. gefriert und beim Destilliren nur
wenig Alkohol liefert.
Die von diesen beiderlei Substanzen abgegossenen Weine haben mehr Kraft und mehr
Feuer; ihr Alkoholgehalt ist größer; ihr Hauptvorzug ist aber, daß sie keiner
Nachgährung mehr unterworfen sind und später in Fässern und Flaschen nicht mehr viel
absetzen; außerdem sind sie von unbegränzter Haltbarkeit.
Da ferner durch diese Art der Verbesserung durchaus keine fremdartige Substanz in den
Wein gebracht wird, so ist sie die einzige für den Producenten passende.
Wenn man wegen der nicht sehr strengen Winter (in Burgund) auch nicht immer auf das
Gelingen dieses Verfahrens zählen kann, so kann man doch durch Berücksichtigung des
Zustandes der Atmosphäre und zweckmäßige Maßregeln auch eine kürzer andauernde Kälte
zur Erreichung des Zweckes benützen.
Alle Sorten Weine können der Einwirkung der Kälte ausgesetzt werden. Die
Concentration durch Frost gelingt bei alten wie bei jungen, bei weißen wie bei rothen
Weinen. Vom ökonomischen Gesichtspunkt aus, muß man aber bei geringen Weinen (gamets) darauf verzichten, weil der Arbeiter auch der in
diesen Weinen enthaltenen Salze bedarf und sie auch wohlfeil seyn sollen.
Die Weine ersten Gewächses guter Jahrgänge besitzen schon alle wünschenswerthen
Eigenschaften und bedürfen dieser Behandlung nicht.
Die mittelmäßigen Producte der ersten Gewächse in weniger günstigen Jahren, und
namentlich jene feinen und leichten Weine von schwacher Beschaffenheit, welche
gegenwärtig geringen Absatz finden, brauchen diese Verbesserung allerdings.
Da der Alkoholgehalt der schwersten Burgunderweine bei den rothen nur 12,50 bis
13,50, bei den weißen 14 bis 15 Proc. beträgt, so genügt es bei Weinen von 12 Proc.
Alkohol, die man gefrieren läßt, sie um 1/7 oder 1/10 Proc. ihres ursprünglichen
Volums zu reduciren.
In der Regel erreicht man den beabsichtigten Zweck, indem man die Weine sechs-
bis achtmal 24 Stunden der Kälte aussetzt, wenn das Thermometer 9° C. unter 0
zeigt, und nur halb so lange, wenn es Nachts sich auf 15° C. unter 0
erhält.