Titel: | Einige Thatsachen bezüglich des sphäroidischen Zustandes der Körper (Feuerprobe, Unverbrennlichkeit des menschlichen Körpers etc.); von Hrn. P. H. Boutigny. |
Fundstelle: | Band 112, Jahrgang 1849, Nr. LXXV., S. 356 |
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LXXV.
Einige Thatsachen bezüglich des sphäroidischen
Zustandes der Körper (Feuerprobe, Unverbrennlichkeit des menschlichen Körpers etc.); von
Hrn. P. H.
Boutigny.
Aus den Comptes rendus, Mai 1849, Nr.
20.
Boutigny, über die Feuerprobe etc.
Im Jahr 241 n. Ch. befahl Sapor den Magiern nach ihren Kräften Alles aufzubieten, um
die Abtrünnigen zum Glauben ihrer Vorfahren, der Religion von Zoroaster
zurückzuführen. Damals erbot sich ein Oberpriester, Adurabad-Mabrasphand, die
Feuerprobe zu bestehen. Er schlug vor, daß man über seinen nackten Körper achtzehn
Pfund geschmolzenes Kupfer, wie es aus dem Ofen ablauft und ganz weißglühend, gießen
solle, unter der Bedingung, daß wenn er dadurch nicht verletzt würde, die
Ungläubigen sich einem so großen Wunder fügen würden. Er soll diese Probe mit
solchem Erfolg bestanden haben, daß sie alle bekehrt wurden. Diese Feuerprobe war
aber, wie ich im Folgenden zeigen werde, ein ganz einfacher, nichts weniger als
wunderbarer Versuch.
In Frankreich, England, Italien, überall wo ich meine Versuche hinsichtlich des
sphäroidischen Zustandes der KörperPolytechn. Journal Bd. LXXXIII S. 157
und Bd. CIV S. 78. mittheilte, fragte man mich, ob diese Erscheinungen nicht mit denjenigen
zusammenhängen dürften, daß Menschen ihre Hand in geschmolzenes Blei steckten, mit
bloßen Füßen über das noch weißglühende, aus dem Hohofen abgestochene Roheisen
liefen etc.; ich antwortete stets, daß diese Erscheinungen in inniger Beziehung zu einander
stehen müssen, und nahm mir vor, über jene Thatsachen, welche von Einigen eben so
bestimmt behauptet als von Andern geläugnet werden, sichere Erkundigungen
einzuziehen.
Ich schrieb deßhalb zuerst an meinen Freund Dr. Roché, welcher als Arzt in einer Gegend des
Eure-Departement lebt, wo sich viele Hohöfen befinden. Auf mein Ersuchen um
genaue Nachrichten, konnte er mir bloß mittheilen, daß ein gewisser La Forge, ein wohlbeleibter Mann von 35 bis 36 Jahren, im
Schritt mit nackten Füßen über Gänze nach dem Abstechen des Hohofens ging; mein
Freund sah dieß aber nicht selbst. Dieß war also nicht hinreichend, meine Zweifel zu
beschwichtigen.
Später wurde ich mit Hrn. Alph.
Michel bekannt, welcher mir versprach, über die oben erwähnten
Thatsachen bei den Arbeitern an den Frischfeuern der Franche-Comté
Erkundigung einzuziehen. Ich theile hier eine Stelle aus seinem Briefe vom 26. März
d. J. mit: „Im Frischwerk zu Magny bei Luve befragte ich einen Arbeiter
über das Eintauchen des Fingers in das flüssige und weißglühende Roheisen,
welcher mir antwortete, daß nichts einfacher sey, und um es zu beweisen, steckte
er in dem Augenblick wo das geschmolzene Roheisen aus einem Kupolofen floß, den
Finger in den weißglühenden Strahl; ein Angestellter des Hauses wiederholte
diesen Versuch ohne Benachtheiligung, wodurch auch ich dazu ermuthigt wurde. Um
diesen Versuch zu machen, hat keiner von uns seinen Finger befeuchtet. Ich
beeile mich Ihnen diese Thatsache mitzutheilen, welche Ihre Ansichten über den
kugelförmigen Zustand der Flüssigkeiten zu bestätigen scheint; da nämlich die
Finger immer mehr oder weniger feucht sind, so ist wohl deren augenblickliche
Unverbrennlichkeit dieser in den sphäroidischen Zustand übergehenden
Feuchtigkeit zuzuschreiben.“
Ich gehe nun auf meine eigenen Versuche über:
Ich theilte oder zerschnitt mit der Hand einen 2 Zoll dicken Strahl, welcher durch
die Abstichöffnung ausfloß und steckte dann sogleich die andere Hand in eine mit
weißglühendem Roheisen gefüllte Gießkelle. Ich schauerte unwillkürlich, aber die
eine und die andere Hand bestanden die Probe siegreich. Jetzt wundere ich mich nur
noch darüber, daß solche Versuche nicht ganz gewöhnlich sind.
Man wird mich nun fragen, welche Vorsichtsmaßregeln zu befolgen sind, um sich gegen
die zerstörende Wirkung des geschmolzenen Eisens zu schützen. Ich antworte: keine,
man muß keine Furcht haben, den Versuch mit Vertrauen machen und mit der Hand rasch,
jedoch nicht zu schnell, durch das vollkommen geschmolzene Roheisen fahren. Denn
wenn man den Versuch mit
Furcht anstellen würde, und mit einer zu großen Geschwindigkeit, so könnte man die
Abstoßungskraft der weißglühenden Substanz überwinden, so daß solche die Haut
wirklich berührte, welche dann zerstört darin zurückbleiben müßte. Um zu begreifen
wie gefährlich es wäre, mit der Hand zu rasch durch das geschmolzene Metall zu
fahren, braucht man nur zu wissen, daß der Widerstand dem Quadrat der
Geschwindigkeit proportional ist, und in einer dichten Flüssigkeit, wie das
geschmolzene Eisen, nimmt dieser Widerstand gewiß in einem größeren Verhältniß
zu.
Der Versuch gelingt besonders, wenn man die Haut feucht hat, und da man beim Anblick
von Massen geschmolzenen Metalls unwillkürlich erschreckt, so wird die Haut fast
immer in den zum Gelingen erforderlichen feuchten Zustand versetzt: wenn man aber
einige Vorsichtsmaßregeln ergreift, so wird man wahrhaft unverwundbar. Folgendes
Verfahren gelang mir am besten: ich reibe mir die Hände mit Seife, um ihnen eine
glatte Oberfläche zu ertheilen, dann tauche ich die Hand gerade bevor der Versuch
angestellt werden soll, in eine kalte Auflösung von Salmiak, welche mit schwefliger
Säure gesättigt wurde, oder auch nur in Wasser, welches Salmiak enthält; in
Ermangelung von solchem genügt auch frisches Wasser.
Regnault, welcher sich mit dieser Frage beschäftigte,
sagt: „die Personen, welche ein Geschäft daraus machen in öffentlichen
Versuchen ihre scheinbare Unverbrennlichkeit zu zeigen, wenden zuweilen eine
Mischung von gleichen Theilen Schwefelgeist (flüssige schweflige Säure),
Salmiak, Rosmarinöl und Zwiebelsaft an.“
Da alle diese Substanzen flüchtig sind, so machen sie bei ihrem Verdunsten eine
gewisse Summe von Wärme latent.
Wir wollen nun diese Thatsachen zu erklären suchen.
Die Formel mct gibt die in irgend einem Körper
enthaltene Wärmemenge; m bezeichnet darin die Masse, in
Kilogrammen ausgedrückt, c die specifische Wärme des
Körpers und t seine Temperatur in Centesimalgraden.
Hier muß man aber von dem Factor m absehen, weil zwischen
der Hand und dem geschmolzenen Metall keine Berührung stattfindet und der Versuch
keinen Unterschied darbietet, man mag ihn mit 10 oder 1000 Kilogr. Roheisen
anstellen. Die Empfindung ist in beiden Fällen dieselbe, weil die Abstoßungskraft
der glühenden Oberflächen sich der Berührung jedes Körpers widersetzt.
Der Finger oder die Hand befinden sich also inmitten der geschmolzenen Masse isolirt
und dadurch gegen die zerstörende Wirkung der glühenden den Materie geschützt. Ich
wiederhole es, man muß von der Masse abstrahiren.
Es bleiben also noch die zwei Factoren c und t. Der Werth von c ist
annähernd = 0,15 und der von t = 1500°, der
Temperatur des geschmolzenen Roheisens; es ist also das Product 1500 × 0,15 =
225.
Hienach befände sich die Epidermis der Hand 225 Wärme-Einheiten gegenüber;
dieß ist eine sehr starke Hitze, aber zu hoch bestimmt, wie ich nun zeigen will.
Es findet zwischen der Hand und dem Metall keine Berührung statt; dieß ist für mich
ausgemachte Thatsache. Wenn keine Berührung erfolgt, kann die Erhitzung nur durch
Ausstrahlung stattfinden, und diese ist allerdings eine bedeutende; wird aber die
Ausstrahlung durch Reflexion aufgehoben, was geschieht, so ist der Fall derselbe als
wenn sie nicht vorhanden wäre, und im Grunde genommen befindet sich also die Person,
welche den Versuch anstellt, so zu sagen unter normalen Umständen.
Ich habe schon vor längerer Zeit bewiesen, daß das Wasser im sphäroidischen Zustand
die Eigenschaft besitzt, die strahlende Wärme zurückzuwerfen, und daß es niemals die
Temperatur seines Siedepunkts erreicht; da nun der Finger oder die Hand feucht sind,
so können sie niemals die Temperatur von + 100° C. erreichen, weil der
Versuch nicht so lange dauert, daß die Feuchtigkeit gänzlich verdunsten könnte.
Die Erklärung des Versuchs ist also folgende: die Hand, mit welcher man durch das
geschmolzene Metall fährt, isolirt sich; die Feuchtigkeit, mit welcher sie überzogen
ist, geht in den sphäroidischen Zustand über, reflectirt die strahlende Wärme und
erhitzt sich nicht bis zum Kochpunkt.
Dieser anscheinend gefährliche Versuch ist also in der That ziemlich unbedeutend. Ich
habe ihn oft mit geschmolzenem Blei, Bronze etc. wiederholt und immer mit demselben
Erfolg.In der neuen Bearbeitung von Gehler's physikalischem Wörterbuch, Leipzig 1841, Bd. II
erste Abtheilung, sind S. 498–508 die verlässigsten Nachrichten über
die Feuerprobe der Alten und die Darstellungen neuerer Künstler bezüglich
der scheinbaren Unverbrennlichkeit des menschlichen Körpers
zusammengestellt; ebendaselbst sind die Ergebnisse der von verschiedenen
Physikern bis auf die neueste Zeit über das Leidenfrost'sche Phänomen angestellten Untersuchungen S.
486–498 und S. 1047 mitgetheilt.Eine schon seit langer Zeit gebräuchliche technische Anwendung des im
sphäroidischen Zustand verdampfenden Wassers, ist das Verfahren der
Glasbläser, in die aufzublasenden Glasmassen Wasser mit dem Munde zu
bringen, wodurch sie sich zu einer hohlen Kugel ausdehnen, in welcher
einzelne Wasserkügelchen umherrollen.E. D.