Titel: | Ueber das Brennen des Gypses mittelst erhitzten Wasserdampfes; von Hrn. Violette. |
Fundstelle: | Band 112, Jahrgang 1849, Nr. LXXVI., S. 360 |
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LXXVI.
Ueber das Brennen des Gypses mittelst erhitzten
Wasserdampfes; von Hrn. Violette.
Aus dem Technologiste, Mai 1849, S.
411.
Mit Abbildungen auf Tab.
VI.
Violette, über das Brennen des Gypses mittelst erhitzten
Wasserdampfs.
Das Brennen des Gypses bildet in Paris einen der wichtigsten Industriezweige, wegen
des bedeutenden Verbrauchs von gebranntem Gyps theils zu baulichen Zwecken
(Gypsmörtel), theils zur Darstellung von Gegenständen der bildenden Künste
(Gypsmarmor, Stuck), endlich für die Landwirthschaft als Dünger (auf Wiesen,
Kleefeldern).
Das gegenwärtige Verfahren den Gyps zu brennen, ist in mehrfacher Hinsicht
mangelhaft; die Steine werden in den verschiedenen Theilen der Oefen nicht
gleichmäßig gebrannt; bisweilen werden die Beschickungen nur unvollkommen oder zu
stark gebrannt; endlich beeinträchtigen der Rauch und der Kohlenstaub die weiße
Farbe des Gypses.
Man hat allerdings versucht, den Gyps in Kohksöfen zu brennen, oder auch mittelst
eines heißen Luftstroms; endlich brannte man auch den zuvor in Pulver verwandelten
Gypsstein in fixen oder beweglichen Apparaten aus Eisenblech, welche über freiem
Feuer erhitzt wurden etc. Aber die verschiedenen Verfahrungsarten welche einen dem
gewöhnlichen vorzuziehenden Gyps liefern, sind insofern mangelhaft, als sie nicht
gestatten die Temperatur zu regeln und zu fixiren; man ist daher auf die blinde
Uebung angewiesen, daher Producte von wandelbarer Güte unvermeidlich sind; überdieß
gestatten diese Verfahrungsarten nicht den Gyps in großen Quantitäten zu
brennen.
Das neue Verfahren, welches ich jetzt beschreiben will, vereinigt alle zum Brennen
des Gypses nöthigen Bedingungen, wodurch es zu einer der einfachsten und sichersten
Operationen wird.
Das Heizmittel, welches das Holz- oder Steinkohlenfeuer ersetzt und anstatt
einer Flamme den Gypsstein durchdringt, ihn entwässert und in einer gegebenen Zeit
vollkommen brennt, ist der überhitzte Wasserdampf, nämlich der Dampf welcher aus dem
Kessel durch ein besonders erhitztes Schlangenrohr zog und darin die erforderliche
Temperatur erlangte.
Der Apparat besteht aus einem gewöhnlichen Dampfkessel, einem metallenen
Schlangenrohr und einem den Gypsstein enthaltenden doppelten Recipient aus
Ziegelsteinen gemauert. Dieser eirunde Recipient gleicht einem Kalkofen und hat zwei
entgegengesetzte Oeffnungen, welche welche man luftdicht schließen kann; durch sie
wird der Gyps eingetragen und herausgenommen; mit Hähnen versehene Röhren stellen
die Verbindung zwischen diesen verschiedenen Theilen des Apparates her; die
Temperatur des Dampfes vor seinem Eintritt in den Recipient zeigt ein in der Nähe
dieses letzten angebrachter Thermometer an.
Folgendes ist der Gang der Operation. Der im Kessel erzeugte Dampf circulirt im
Schlangenrohr, erhitzt sich darin auf den erforderlichen Grad, gelangt in den ersten
Recipient, umhüllt alle darin enthaltenen Gypsstücke, erhitzt sie, indem er in ihre
Poren eindringt, brennt sie nach und nach und gleichmäßig, circulirt in allen
Zwischenräumen derselben, geht dann in den nächsten Recipient über, welcher
ebenfalls mit Gypsstein gefüllt ist, und entweicht dann in die Luft, indem er alle
Feuchtigkeit des Gypses, welche er in Folge seiner hohen Temperatur aufzunehmen
vermochte, mit sich nimmt.
Das Brennen erfolgt in den zwei Recipienten nicht gleichmäßig. In dem ersten oder dem
Dampfkessel zunächst befindlichen Recipient findet es vollkommen statt, weil der
Dampf aus dem Schlangenrohr unmittelbar in denselben mit der erforderlichen
Temperatur von 200° C. (160° R.) gelangt. Bei seinem Eintritt in den
zweiten Recipient hat hingegen der Dampf nicht mehr die hinreichende Wärme; er
bereitet daher das Brennen des Gypses nur vor, indem er allmählich dessen Temperatur
erhöht, und man benutzt diesen Dampf zu diesem Zweck, anstatt ihn ohne Nutzen in die
Luft entweichen zu lassen.
Nachdem der aus dem ersten Recipient in den zweiten übergegangene Dampf seine Wirkung
in letzterem vollbracht hat, verändert man die Richtung des Dampfs, indem man ihn
aus dem Schlangenrohr unmittelbar in den zweiten Recipient leitet (in welchem er das
Brennen des schon vorbereiteten Gypses schnell beendigt) und ihn aus letzterm in den
ersten, mit frischem Gyps beschickten Recipient abziehen läßt.
Das Brennen des Gypses mittelst Dampf, welcher auf 200° C. erhitzt ist, beruht
darauf, daß solcher Dampf ziemlich viel Wasser aufnehmen kann und solches allen
Körpern, womit er in Berührung kommt, entzieht; er läßt sich deßhalb, wie ich schon
früher zeigte, vortheilhaft zum Verkohlen des Holzes und zum Backen des Brodes oder
Zwiebacks benutzen.
Das neue Verfahren den Gyps mittelst erhitzten Wasserdampfs zu brennen, ist durch die
Erfahrung bewährt. Ich habe nämlich auf diese Weise ziemlich bedeutende Quantitäten
Gyps gebrannt, indem ich dazu den Apparat anwandte, womit in der Pulverfabrik zu
Esquerdes das Holz verkohlt wird. Dieser Apparat ist im vorhergehenden Jahrgang des
polytechn. Journals Bd. CX S. 193
beschrieben und daselbst auf Tab. IV in Fig. 15, 16, 17 und 18 abgebildet. Ich
brachte in den Cylinder K von 0,180 Kubikmeter Hohlraum
150 Kilogr. Gypsstein, in kubische Stücke von 10 bis 15 Centimeter Seitenlänge
zerschlagen. Der Gypsstein war von verschiedener Beschaffenheit, es war einerseits
gelber, weicher, zerreiblicher, leicht zu brennender, andererseits harter, dichter,
krystallinischer und schwer zu brennender Gyps. Es wurde Dampf von bloß 1/2
Atmosphäre Spannung angewandt und während der ganzen Dauer des Versuchs seine
Temperatur (welche ein an der Austrittsstelle angebrachter Thermometer anzeigte)
zwischen 190° und 200° erhalten. Die Dampfmenge welche im Apparat
circulirte, betrug 20 Kilogr. per Stunde.
Der Versuch wurde neun Stunden ohne Unterbrechung fortgesetzt; nach Verlauf der drei
ersten Stunden öffnete ich den Apparat und nahm an verschiedenen Stellen Gypssteine
heraus. Nach Verlauf der sechs ersten Stunden nahm ich neuerdings Proben heraus;
dasselbe that ich nach neun Stunden, wo die ganze Beschickung herausgenommen und
sogleich gewogen wurde. Der Gyps hatte 18 Procent an Gewicht verloren und war daher
vollkommen gebrannt, was auch sein Aussehen anzeigte, denn er war blendend weiß,
zerreiblich, mehlig und fett anzufühlen. Zur Sicherheit mußte ich mich noch auf
andere Weise von der Güte der neuen Producte überzeugen.
Der vollkommen gebrannte Gyps muß nach Payen 3/4 seines
Gewichts Wasser absorbiren, mit demselben erhärten und nach einigen Minuten eine
feste Consistenz erlangen. Ich rührte daher 10 Gr. gut pulverisirten und gesiebten
Gyps mit 32 1/2 Gr. Wasser an und ließ ihn stehen. Wenn die Mischung keine
Consistenz hat, der Gyps in sandartigem und pulverförmigem Zustande sich auf dem
Boden des Wassers absetzt, so ist er schlecht und entweder nicht hinreichend oder zu
stark gebrannt; wenn die Mischung eine weiche Consistenz hat, so ist der Gyps
mittelmäßig, und die Menge Wasser welche über ihm steht, zeigt in der Probe das
Verhältniß der schlecht gebrannten Theile an. Wenn die Mischung von Consistenz hart
und fest ist, ohne überstehendes Wasser, so ist der Gyps vollkommen gebrannt.
Ich verglich nun die neuen Producte einerseits mit dem besten gebrannten Gyps,
welchen man in Paris zu baulichen Zwecken anwendet, und andererseits mit demjenigen
welchen man zum Gießen von Büsten etc. benutzt; ich fand:
1) daß der drei Stunden lang mittelst Dampf gebrannte Gyps das Wasser ebenso bindet
wie der gewöhnliche zu Mörtel dienende Gyps und demselben vollkommen gleicht, jedoch
blendend weiß ist, während der gewöhnliche Gyps eine graue Farbe hat; daß er jedoch
das Wasser nicht so gut bindet wie der zum Gießen von Büsten etc. dienende Gyps;
2) daß der sechs Stunden lang im Dampf gebrannte Gyps mit Wasser ebenso gut erhärtet
wie derjenige der Büstengießer und letzterm vollkommen gleicht;
3) das der neun Stunden lang mittelst Dampf gebrannte Gyps vortrefflich ist, aber vor
dem bloß sechs Stunden lang gebrannten keinen merklichen Vorzug besitzt.
Ich habe einen zweiten ganz ähnlichen Versuch angestellt, wobei ich jedoch Dampf von
1 Atmosphäre Spannung anwandte; in diesem Falle circulirten 40 Kilogr. Dampf per Stunde im Apparat und der Gyps wurde zwar in
kürzerer Zeit vollständig gebrannt, welche jedoch mit den größeren Kosten nicht in
Verhältniß stand. Es ist daher am vortheilhaftesten Dampf von höchstens 1/2
Atmosphäre Spannung anzuwenden, vielleicht nur von 1/4 oder wie sie hinreicht um der
Circulation versichert seyn zu können.
Wir haben gesehen daß es, um 150 Kilogr. Gypsstein zum Bereiten von Gypsmörtel
genügend zu brennen, hinreicht ihn drei Stunden lang in einem Strom erhitzten
Wasserdampfs zu lassen, oder mit anderen Worten: 60 Kilogr. erhitzten Dampfs durch
ihn ziehen zu lassen. Da nun der Kubikmeter zerschlagener Gypssteine 1300 Kilogr.
wiegt und 1000 Kilogr. gebrannten Gyps liefert, so folgt daß zum Brennen von 1
Kubikmeter zerschlagener und gemengter Steine 520 Kilogr. Dampf erforderlich sind.
Nun muß man aber berücksichtigen, daß die Oefen für das neue Verfahren doppelte sind
und daß der Dampf, welcher seine erste Wirkung in dem ersten Ofen ausgeübt hat, aus
demselben beiläufig 200° C. heiß in den zweiten beschickten Ofen abzieht, um
in letzterm das Brennen des Gypses vorzubereiten. Dasselbe wird schon in ziemlichem
Grade vorgerückt seyn, wenn man den aus dem Schlangenrohr kommenden Dampf, nach
Beendigung des Brennens im ersten Ofen, unmittelbar in den zweiten Ofen einziehen
läßt; der Dampf hat
also in letzterm weniger zu leisten, wird den Gyps schneller fertig brennen und man
kann daher die oben angegebene Dampfmenge füglich um 1/3 reduciren. Es wären daher
zum Brennen von 1 Kubikmeter zerschlagener Gypssteine (welcher 1000 Kilogr. Product
liefert) mittelst des in Fig. 23 und 24
abgebildeten Apparats 350 Kilogr. Dampf erforderlich und hinreichend. Ein
Dampfkessel mit zweckmäßiger Feuerung erzeugt mit 1 Kilogr. Steinkohlen 6 Kilogr.
Wasserdampf. Um 1 Kubikmeter Gypssteine zu brennen, werden daher bei dem neuen
Verfahren 58,3 Kilogr. Steinkohlen erforderlich seyn, wonach sich die
Gestehungskosten des Products für alle Localitäten berechnen lassen.
Die Vortheile des neuen Verfahrens sind also:
1) daß man einen gebrannten Gyps von besserer Qualität mit Sicherheit erzielt;
2) daß derselbe weiß ist, also nicht die schmutziggraue und trübe Farbe des
gewöhnlichen zur Mörtelbereitung dienenden Gypses hat, welche durch Kohlenstaub
verursacht wird;
3) daß die Operation des Brennens sehr leicht auszuführen ist, weil man bloß einen
Dampfkessel zu heizen hat;
4) daß der Gyps wohlfeiler gebrannt werden kann als bisher, was sich aus den oben
mitgetheilten Daten ergibt.
Der schätzbarste Vortheil des neuen Verfahrens ist aber vielleicht der, daß es
gestattet den Dampf ohne größere Unkosten als Triebkraft zu benutzen, bevor man ihn
als Heizmittel verwendet. Man kann nämlich den Dampf nach seinem Austritt aus dem
Kessel zum Betrieb einer Dampfmaschine anwenden und ihn beim Austritt aus derselben
in das Schlangenrohr leiten, um ihn zu erhitzen und dann in die Gypsöfen einziehen
zu lassen. Bei einem Apparat, wie ich ihn vorschlage um täglich 100 Kubikmeter Gyps
brennen zu können, reicht die Dampfmenge hin, um vorher eine Maschine von 80
Pferdekräften in Betrieb zu setzen. Man müßte für diese Dampfmaschine allein täglich
6000 Kil. Steinkohlen verbrennen; folglich wird durch die zum Brennen des Gypses
erforderlichen Kohlen die Maschine umsonst gespeist.
Die Abbildungen zeigen die Construction eines Apparats, mit welchem man täglich 100
Kubikmeter Gypsstein durch erhitzten Wasserdampf brennen kann.
Fig. 23 ist
der senkrechte Durchschnitt nach der Linie ABCD in
Fig. 24,
und Fig. 24
ist der Grundriß nach der Linie EFGH der Fig. 23.
Dieser Apparat besteht aus zwei Dampfkesseln a, a von
zusammen 80 Pferdekräften, mit einem Schlangenrohr k und
drei aus Ziegeln gebauten Oefen c, d, e, welche durch
ein System mit Hähnen versehener Röhren verbunden sind; man trägt den Gyps durch die
obere Oeffnung f, f, f, ein, und schafft ihn nach dem
Brennen durch die untere Oeffnung g, g heraus.
Folgendes ist der Gang der Operation. Angenommen die drei Oefen c, d, e seyen mit Gypsstein gefüllt und der Ofen c empfange den Dampf aus dem Schlangenrohr, welcher dann
in den Ofen d abzieht; man öffnet bloß die Hähne 1, 2,
3, 5, 6, 7, alle anderen bleiben geschlossen. Der in den Kesseln a, a erzeugte Dampf dringt durch das Rohr h in das Schlangenrohr k,
erhitzt sich darin, tritt durch das Rohr i, an welchem
ein Thermometer angebracht ist, aus, zieht im Rohr j
hinauf, bringt dann in das Rohr v, hierauf in das Rohr
l, gelangt von oben nach unten in den Recipient c, dringt durch die Gypsstücke, erhitzt und brennt sie,
steigt durch das verticale und gebogene Rohr m wieder
hinauf, zieht in den horizontalen Schenkel n dieses
Rohrs, tritt in den Recipient d, dringt von oben nach
unten durch denselben und steigt durch das verticale und gebogene Rohr o wieder auf, um durch einen Hahn am horizontalen Theil
des Rohrs p in die Luft zu entweichen.
Wenn das Brennen im Ofen e beendigt ist, muß man den
Dampf aus dem Schlangenrohr in den Ofen d und aus
letzterm in den Ofen e gelangen lassen. Hiezu öffnet man
bloß die Hähne 1, 2, 3, 6, 9, 10 und läßt die anderen geschlossen. Der Dampf gelangt
in das Rohr j, dringt in das Rohr q, dann in das Rohr n, durchzieht den Ofen d von oben nach unten, steigt durch das Rohr o auf, gelangt durch das Rohr p in den Ofen e, durch welchen er zieht, und
steigt durch das verticale und gebogene Rohr r auf, um
sich in der Luft zu verlieren, indem er durch einen Hahn austritt, welcher an einer
Stelle des horizontalen Theils des Rohrs angebracht ist.
Will man nach dem Brennen des Gypses im Ofen d den Dampf
des Ofens e in den Ofen c
gelangen lassen, welcher neuerdings mit Gyps beschickt wurde, so öffnet man bloß die
Hähne 1, 2, 10, 11, 4, 5 und läßt die anderen geschlossen. Der Dampf gelangt nun aus
dem Rohr j in das Rohr t,
hierauf in das Rohr u, zieht von oben nach unten durch
den Ofen e, steigt durch das Rohr r auf, gelangt durch das Rohr s, l in den Ofen
c, welchen er ganz durchdringt und steigt durch das verticale und
gebogene Rohr m auf, um durch einen am Rohr n angebrachten Hahn in die Luft zu entweichen.
Auf diese Weise wird das Brennen von Gyps ununterbrochen fortgesetzt.