Titel: | Ueber das von Hrn. Vincent vorgeschlagene Verfahren um die spinnbaren Fasern verschiedener Pflanzen zu unterscheiden; von Prof. Payen. |
Fundstelle: | Band 115, Jahrgang 1850, Nr. XXXI., S. 150 |
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XXXI.
Ueber das von Hrn. Vincent vorgeschlagene Verfahren um die spinnbaren
Fasern verschiedener Pflanzen zu unterscheiden; von Prof. Payen.
Aus dem Moniteur industriel, 1849, Nr.
1397.
Payen, über Vincent's Verfahren die spinnbaren Fasern verschiedener
Pflanzen zu unterscheiden.
Hr. Vincent gab ein Verfahren an, mittelst dessen es ihm
gelang, nicht nur die Fasern des Phormium tenax, sondern
auch die aus denselben verfertigten Gespinnste zu erkennen. Dieser Gegenstand ist
von Wichtigkeit, weil der neuseeländische Flachs, als ein schwächeres und minder
dauerhaftes Gespinnst als Leinen, in das Segeltuch und andere Gewebe für den
Seedienst gebracht, diesem zum Nachtheil gereichen könnte.
Vincent's VerfahrenPolytechn. Journal Bd. CIV S.
357. ist sehr einfach; man braucht die Gespinnste oder Gewebe nur einen
Augenblick in salpetrige Säure enthaltende Salpetersäure von 36° Baumé
zu tauchen, wo man dann, wenn sie aus Fasern des Phormium
tenax bestehen, eine rothe Färbung derselben eintreten sieht, während die
Gespinnste und Gewebe des Hanfs und Leins gar nicht oder nur sehr schwach gefärbt
werden.
Ich muß nun bemerken, daß dieses Verhalten mit der Natur der eigentlichen spinnbaren
Fasersubstanz nichts zu schaffen hat, weil diese in den verschiedenen
Pflanzenfamilien und -Arten eine und dieselbe ist; die vollkommen gereinigte
Zellensubstanz wird auch durch jenes Reagens nicht gefärbt. Es ist daher
einleuchtend, daß die Fasersubstanz, man mag Gespinnste oder Gewebe anwenden, den
speciellen Reactionen entgehen könnte, wovon ich mich auch überzeugte, indem ich
verschiedene Muster von Gespinnsten und Geweben stark bleichte, ehe ich obige
Versuche damit anstellte. Alle Pflanzen enthalten aber mehrere der Zellensubstanz
fremde organische Materien, z.B. stickstoffhaltige, fette, harzartige Substanzen,
welche, je nach den Pflanzenspecies, in ihrer Natur und ihrem Mengenverhältniß
verschieden sind und der äußern und innern Oberfläche der langen Röhrchen anhangen,
aus welchen die spinnbaren Fasern bestehen. Einmaliges, manchmal selbst mehrmaliges
Laugen der Faser reicht zur vollständigen Absonderung dieser fremdartigen Stoffe nicht hin, daher
das vorgeschlagene Mittel dennoch seine Wirksamkeit behält, namentlich bei der zum
Seedienst gelieferten Waare, welche aus rohem oder unvollkommen gebleichtem Gewebe
besteht.
Eine später von Hrn. Vincent vorgeschlagene
ProbirmethodePolytechn. Journal Bd. CX S. 118. gestattet die Unterscheidung der Phormium-Faser von der Hanf- und Leinfaser und sogar die der
beiden letztern untereinander. Man verfährt dabei wie folgt: man taucht die Probe
der Fasersubstanz, Gespinnst oder Gewebe, in eine gesättigte Chlorlösung; zweifelt
man, daß Kette und Einschlag aus gleichem Gespinnst bestehen, so zieht man an den
beiden Seiten eines Winkels der viereckigen Probe einige Fäden aus, um ihre Färbung
leichter beurtheilen zu können. Nachdem die Muster eine Minute lang im Chlor
gelegen, nimmt man sie heraus, legt sie auf eine Porzellanplatte und begießt sie mit
Ammoniak in schwachem Ueberschuß; die besondern Färbungen treten sogleich ein.
Das Phormium-Gespinnst nimmt eine lebhaft rothe
Farbe an, welche nach einer Minute dunkel und braun wird; der in fließendem Wasser
geröstete französische und der italienische Hanf werden orangegelb und in einer
Minute dunkel, ohne jedoch weder die Nüance noch die Intensität der Farbe des Phormium zu erreichen.
Der in stehendem Wasser geröstete französische Hanf nimmt
eine dunklere Farbe an als der vorhergehende, die aber von geübten Augen mit den
lebhaftern, röthern und intensivern Nüancen beim Phormium nicht verwechselt werden können.
Der im fließenden oder stehenden Wasser geröstete Flachs
nahm nach dem Eintauchen in Chlor und eine Minute andauernder Berührung mit
Ammoniak, einen schwächern Ton an als der Hanf; doch kömmt dieser Ton demjenigen des
im fließenden Wasser gerösteten Hanfs so nahe, daß man in Zweifel bleiben könnte,
wenn man nicht gleich anfangs den rosenrothen Ton erkannt hätte, welchen der Hanf
annimmt.
Die Baumwolle gibt so schwache Töne, daß sie immer leicht
zu unterscheiden sind. Uebrigens sind die biegsamen, röhrenförmigen, dünnwandigen,
plattzudrückenden und gebänderten Haare der Samenwolle unier dem Mikroskop ohnedieß
leicht von den spinnbaren Fasern des Hanfs und Leins zu unterscheiden, welche unter gleichen
Umständen cylindrisch bleiben und von einem geübten Auge sogar nach dem Verarbeiten
zu Papierzeug noch erkannt werden können.
Hr. Vincent untersuchte die Wirkungen derselben Reagentien
auf die spinnbaren Fasern verschiedener Pflanzen und fand keine, welche mit den
Fasern des Phormium verwechselt werden könnte.