Titel: | Ueber Schmelzung und Verflüchtigung strengflüssiger Körper, insbesondere der Kohle; von Despretz. |
Fundstelle: | Band 115, Jahrgang 1850, Nr. LV., S. 271 |
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LV.
Ueber Schmelzung und Verflüchtigung
strengflüssiger Körper, insbesondere der Kohle; von Despretz.
Im Auszug aus den Comptes rendus, Dec. 1849, Nr.
25.
Despretz, über Schmelzung und Verflüchtigung strengflüssiger
Körper
Meinen frühern Mittheilungen über die Schmelzung und Verflüchtigung strengflüssiger
KörperPolytechn. Journal Bd. CXIV S. 342
und S. 203 in diesem Bande. schließt sich gegenwärtige über die Resultate meiner zahlreichen Versuche
mit dem Kohlenstoff in seinen verschiedenen Zuständen an. Ich bediente mich zu
denselben einer Bunsen'schen Batterie von 600, je nach
dem Fall verschieden geordneten Elementen. Die Versuche wurden mit der in den
Retorten zur Leuchtgasbereitung sich absetzenden Kohle, mit Anthracit, Graphit und
der Kohle welche man beim Verkohlen von Zucker und durch Zersetzung rectificirten
Terpenthinöls in einer stark erhitzten Porzellanröhre erhält, überdieß mit Diamant
angestellt.
Ungeachtet der über die Schmelzbarkeit der Kohle von Hare,
Silliman, West etc. angestellten Versuche liest man doch in allen
Lehrbüchern der Chemie den stereotypen Satz: „die Kohle ist fix und
unschmelzbar.“ Ich habe aber in meiner frühern Mittheilung dargethan,
daß sie verflüchtigt werden kann, wie alle sogenannten unschmelzbaren Körper,
nämlich bei der Temperatur, welche eine aus 5–600 Elementen bestehende, in 5
bis 6 parallelen Reihen zusammengestellte Bunsen'sche
Batterie hervorbringt. Diese Verflüchtigung thut sich durch eine, von der ganzen
Oberfläche der Kohle ausgehende schwarze Wolke kund, welche sich an den Wänden des
Gefäßes absetzt, worin sich die die beiden Pole der Batterie verbindende Kohle
befindet.
Ich habe mich seitdem von der Verflüchtigung der Kohle im luftleeren oder mit Gas
erfüllten Raum hundertmal überzeugt. Durch ihre Verflüchtigung werden bisweilen
andere Körper verunreinigt; wenn man z.B. die Verflüchtigung des Platins in der
Luft, oder diejenige des Eisens im luftleeren Raum oder im Stickstoff
bewerkstelligen will, so findet man in der Porzellanschale, welche vier Zoll über
dem Kohlentiegel angebracht ist, worin sich der mit dem elektrischen Feuer zu
behandelnde Körper befindet, dem verflüchtigten Metalle Kohle beigemengt.
Da ich sah, daß die Kohle sich durch ihre Verflüchtigung und Verbrennung schnell
zerstreut, so suchte ich ihre Verflüchtigung zu schwächen und ihre Verbrennung
unmöglich zu machen, indem ich die Versuche in Stickstoff oder sonst einem nicht
verbrennenden Gas und bei einem höhern Druck als dem atmosphärischen anstellte.
Diesen doppelten Zweck erreichte ich durch folgenden von Hrn. Deleuil construirten Apparat.
Derselbe ist von Gußeisen; ein beweglicher Deckel gestattet eine Schale über und
unter der der Einwirkung des elektrischen Stroms oder Feuers ausgesetzten Substanz
anzubringen; eine verticale Stange geht durch eine am Deckel angebrachte
Lederbüchse; diese Stange ist durch zwei Glasplatten und zwei kleine lederne
Scheiben isolirt; am Ende dieser Stange ist eine der aus Kohle bestehenden Klemmen
befestigt; die andere Klemme wird von einer ähnlichen horizontalen Stange gehalten,
welche durch eine in der Wand des Apparates angebrachte Tubulatur geht. Man sieht in
das Innere des Apparats durch zwei große Tubulaturen, welche durch dicke Glasplatten
mit parallelen Seiten verschlossen sind. Eine vierte Tubulatur wird nach einander
mit einer Luftpumpe und einer Druckpumpe in Verbindung gesetzt. Eine fünfte
Tubulatur ist an eine Manometerröhre geschraubt.
Mittelst dieses Apparats kann man den elektrischen Strom durch einen die beiden Pole
vereinigenden Draht, oder durch den luftleeren Raum oder irgend ein Gas gehen
lassen.
Ich ließ einen zweiten Deckel verfertigen, an welchem zwei Lederbüchsen angebracht
sind; die durch diese Büchsen gehenden Stangen sind behufs der Isolirung ebenso
vorgerichtet, wie die obigen; an jeder dieser Stangen ist eine Kohlenklemme
befestigt.
Dieser zweite Deckel dient zu den Versuchen, wobei eine verticale Kohle dem
elektrischen Feuer zweier in Abstand gehaltener horizontalen Kohlen ausgesetzt wird.
Da die drei Stangen beweglich sind, so können die Kohlen so wie es der Versuch
erfordert, gestellt werden.
Der Apparat hat einen Hohlraum von etwa 10 Liter.
Ich benutzte ihn zu den Versuchen, welche ich bei höherm als dem atmosphärischen
Druck anstellte.
Wenn ich den Versuch im luftleeren Raum oder in irgend einem Gas bei gewöhnlichem
Druck anstellen wollte, benutzte ich statt dieses Apparats eine große
Krystallglocke, welche auf den beweglichen Teller einer Luftpumpe gesetzt wird. Eine
kreisförmige Eisenplatte und ein Metallgitter schützten den Teller und die Glocke
gegen das Umherschleudern stark erhitzter Kügelchen und Splitter. Ohne diese Vorsicht könnten nur zu oft
Teller und Glocke zerbrechen.
Zu den Versuchen in der atmosphärischen Luft benutzte ich eine Büchse, in welche die
beiden Conductoren der Batterie gesteckt werden. Diese Büchse ist auf der Seite der
Batterie offen, auf der Seite des Beobachters aber geschlossen. Zwei Oeffnungen,
wovon die eine mit blauem Glas verschlossen ist, gestatten alle bei dem Versuch
nöthigen Bewegungen.
Diese Vorkehrung verhütet die Gefahr, welche mit diesen Versuchen verbunden wäre,
wenn man sich nicht vor der elektrischen Hitze, dem elektrischen Licht und den
entwickelten Dämpfen schützt. Namentlich kann man sich vor dem elektrischen Licht,
wenn es auf eine gewisse Intensität gebracht wird, nicht genug schützen. Das Licht
von 100 Elementen kann schon sehr schmerzhafte Augenübel veranlassen; noch viel
größer ist die Gefahr bei dem Licht einer Batterie aus 600 Elementen; wenn man sich
demselben nur einen Augenblick nähert, setzt man sich sehr heftigen Kopf- und
Augenschmerzen aus und das Gesicht verbrennt einem wie durch starken Sonnenstich.
Seitdem ich jene Vorkehrungen getroffen, werden weder ich noch meine Gehülfen im
geringsten mehr belästigt; dennoch lassen wir niemals eine und dieselbe Person das
elektrische Feuer eine ganze Reihe von Versuchen hindurch dirigiren, es sey denn,
daß die Versuche nur langsam auf einander folgen.
Wir gehen nun zu den sehr zahlreichen Versuchen über, wobei die Kohle durch die
elektrische Hitze gebogen, zusammengeschweißt und geschmolzen wurde (von welchen
Versuchen übrigens hier nur die entscheidendsten mitgetheilt werden).
Bei vielen Versuchen, wo ich den Strom der Batterie durch ein nadelförmiges
Kohlenstäbchen gehen ließ, sah ich die Kohle sich kreis- oder Sförmig biegen; dieß war bei Retortenkohle, Zuckerkohle,
Terpenthinölkohle, Anthracit und Graphit der Fall. Vorzüglich gelingt das Experiment
im Stickstoffgas. Die Kohlenstäbchen zwischen den zwei Klemmen waren 2 bis 4 1/2
Centimeter lang und 2 Millimeter dick. Ein Theil der Gasretortenkohle erhält beim
Schmelzen das Aussehen von Hammerschlag oder Graphit.
Das Zusammenschweißen der Kohle gelingt, wenn man bei der
elektrischen Erhitzung zugleich ein Zusammendrücken vornimmt; es wurden nämlich die
auf einander passenden Enden aneinander gedrückt.
Die positive Kohle drang 4–5 Millimeter tief in die negative ein. Beim Auseinandernehmen des
Apparats brach die Kohle, aber nicht an der Stelle wo sie zusammengeschweißt
war.
Es gelingt diese Schweißung mit der Retorten- und der Zuckerkohle; ein Strom
Sauerstoffgas schien sie zu befördern.
Die Schmelzbarkeit der Kohle scheint durch eine große
Anzahl von Versuchen außer Zweifel gesetzt zu seyn. Stäbchen von Retorten-
und Zuckerkohle, zwischen den zwei Klemmen dem Feuer einer Batterie von 600
Elementen ausgesetzt, werden blendend weißglühend, brechen, und die beiden
Bruchstellen sind jedesmal um das zwei- bis dreifache Volum angeschwollen,
was von nichts anderm herrühren kann als einer anfangenden Schmelzung. Die so
veränderten Theile haben die Eigenschaften des Graphits. Der Staub von Zuckerkohle
verwandelt sich hiebei in warzenförmige Schlacken. Diese Versuche wurden
größtentheils in Stickgas von mehrfachem Atmosphärendruck angestellt; doch gelingen
sie auch, obgleich etwas schwieriger, in atmosphärischer Luft.
Bei einer Reihe anderer Versuche wurden Zuckerkohlenstückchen in einem Graphittiegel
einem Strome Sauerstoffgas und zugleich der Erhitzung mittelst der Batterie
ausgesetzt. Die Stückchen wurden nach dem Versuche an einander und an den Tiegel
geschweißt gefunden. Zuckerkohletiegel geben ähnliche Resultate und überziehen sich
innerlich mit einer grauen, graphitähnlichen Masse von Kügelchen. Terpenthinölkohle
scheint bei diesem Versuche von der Hitze noch stärker durchdrungen zu werden und
die Kohle vereinigt sich dabei zu einer Masse, welche dem bei der Zersetzung des
Wassers gebildeten Eisenoxyd ähnlich ist. Anthracit schmolz wie schwarzes Glas. Ein
größeres Stück blätterte sich bei der Einwirkung einer geschwächten Batterie ab und
verwandelte sich in wahrhaften Graphit. Alle Kohlenarten verwandelten sich also in
Graphit; Graphit selbst, erhitzt bis er sich auf das Viertheil seines Volums
reducirte, blieb immer Graphit. Kohlenwasserstoffgas eignet sich zu diesen Versuchen
nicht, weil sich aus ihm Kohlenstoff auf die andere Kohle absetzt; in Kohlenoxydgas
gelingen aber die Versuche ebenso gut wie in Stickstoff.
Nadelförmige Kohlenstäbchen, mit leichter schmelzbaren Körpern, wie Kieselerde,
Thonerde, Talkerde, umhüllt und getränkt, zeigten sich nicht schmelzbarer; diese
Erden zerstreuten sich in Dampfform und die Kohle blieb unverändert zurück. Ein
nadelförmiges Kohlenstäbchen, in einem irdenen Tiegel mit trockenem Sand umgeben,
wurde durch den elektrischen Strom geschmolzen und verflüchtigt; man erhielt eine Art
sehr sehr harter Blitzröhre, die innerlich mit Rauchtopas überzogen war.
Am besten eignet sich zu diesen Versuchen die Grove'sche
Platinbatterie oder die Bunsen'sche Kohlenbatterie.
Zum Beschluß das Resultat einer Reihe von Versuchen mit Diamanten. Damit die
Diamanten bei den Versuchen nicht, wie alle Edelsteine, durch zu starke Hitze
zerspringen und umhergeschleudert werden, wurden sie in Röhren aus Kohle von
7–8 Millimeter äußerm Durchmesser die mit Kohlenstöpsel versehen waren,
eingeschlossen und erhitzt. Es ergab sich, daß der Diamant beim rothen Weißglühen
der Kohlenröhre, wenn dieses lange genug (20 Minuten) fortdauerte (zwischen zwei
Kohlenklemmen durch die Batterie erhitzt), beinahe jedesmal zu einem größern Volum
anschwoll, graulichschwarz wie Graphit, und ein Leiter der Elektricität wurde, dann
auch wie Graphit auf Papier abfärbte. Auch unmittelbar im Tiegel durch die Batterie
erhitzt, nahm er diese Eigenschaften an. Bei einem Versuche ritzte sogar die im
Tiegel aus ihm erzeugte Kohle nicht nur das Glas nicht mehr, sondern ließ sich sogar
zwischen den Fingern zerreiben, und zeichnete wie Graphit, nur schwärzer.
Diamantblättchen mit Zuckerkohlenstaub so behandelt, zeigten dieselbe Verwandlung
wie dieser. Wird die Hitze fortgesetzt, so bilden sich kleine geschmolzene
Kügelchen, ähnlich jenen der Kohle, welche Kügelchen aber ihrer Natur nach nicht zu
verwechseln sind mit jenen glasigen, oft durchsichtigen, manchmal farblosen, beinahe
immer aber schwarzgefärbten, die man von unreinem Anthracit und Graphit und von den
meisten Retortenkohlen erhält; letztere Kügelchen werden gewöhnlich vom Magnet
angezogen und bestehen aus kieselsaurem Eisenoxydul oder kieselsauren Erden. Reine
Zuckerkohle, Oelkohle oder Diamant geben solche nie, reiner Anthracit sehr
selten.
Den meisten meiner Versuche wohnten mehrere ausgezeichnete Chemiker und Physiker bei,
deren Beobachtungen mit den meinigen übereinstimmten. Die erhaltenen Resultate
lassen sich in folgende Sätze zusammenfassen:
1) Die Kohle verwandelt sich im luftleeren Raum durch die Hitze welche eine
galvanische Batterie von 5 bis 600 Bunsen'schen Elementen, in fünf bis 6 Reihen
vereinigt, hervorbringt, offenbar in Dampf. In einem Gase erfolgt dieser Proceß
langsamer, findet jedoch ebenfalls statt.
2) Bei der auf angegebene Art erzeugten Hitze kann die Kohle gebogen,
zusammengeschweißt und geschmolzen werden.
3) Alle Kohlenarten verlieren in dem Maaß an Härte, als sie einer hohen Temperatur
längere Zeit ausgesetzt werden. Zuletzt verwandelt sich die Kohle in Graphit.
4) Der reinste Graphit zerstreut (verflüchtigt) sich nach und nach durch die
Einwirkung der Hitze, wie die Kohle; der nicht verflüchtigte Theil ist Graphit.
5) Der Diamant verwandelt sich, wie jede Kohle, durch die Hitze einer hinlänglich
starken Batterie in Graphit, und gibt lang genug erhitzt, wie die Kohle kleine
geschmolzene Kügelchen.
6) Wenn man die Resultate unserer Versuche mit der Erzeugung des Graphits in den
Hohöfen und mit der heraedrischen Form des natürlichen Graphits zusammenhält, welche
Krystallform mit dem regelmäßigen Oktoëder unvereinbar ist, so wird man auf
den Schluß geleitet, daß der Diamant nicht durch Einwirkung einer intensiven Hitze
auf organische oder kohlige Substanzen erzeugt worden seyn kann.Brewster (Proc. of the
Geolog. Society of London Nr. 31, 1833) kam bei seiner Untersuchung
einiger Diamanten, in deren Innerem sich Höhlungen befanden, die mit Gas
erfüllt waren, auf die Vermuthung, daß der Diamant vegetabilischen Ursprungs
sey, sich anfangs in weichem Zustande befunden habe, und dann erst in den
festen übergegangen sey, wie ein Gummi vor unsern Augen erhärtet.