Titel: | Beschreibung und Vergleichung der galvanischen Telegraphen Deutschlands, nach Besichtigung im April 1849. Von C. A. Steinheil. |
Autor: | Dr. Prof. Karl August Steinheil [GND] |
Fundstelle: | Band 115, Jahrgang 1850, Nr. LXXIII., S. 353 |
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LXXIII.
Beschreibung und Vergleichung der galvanischen
Telegraphen Deutschlands, nach Besichtigung im April 1849. Von C. A. Steinheil.
(Beschluß von Seite 270 des vorigen
Heftes.)
Steinheil, über die galvanischen Telegraphen
Deutschlands.
Galvanischer Telegraph von München nach
Nannhofen.
Zur Controle des
Eisenbahndienstes.
Man beabsichtigte von Seite der Administration durch diesen Telegraphen eine
vollständige Controle zu erlangen:
1) über die Zeit des Abganges jedes Bahnzuges,
2) über die Geschwindigkeit des Zuges in jedem Punkte,
3) über die Dauer des Aufenthaltes auf jeder Station,
4) über die Präsenz jedes einzelnen Bahnwärters und
5) über die Dauer der ganzen Fahrt.
Man verlangte ferner daß der Oberconducteur von jedem Bahnwärter aus Mittheilungen
nach den nächsten Stationen zu machen im Stande sey, um nöthigenfalls die
erforderliche Hülfe zu requiriren.
Der Telegraph sollte überdieß, in Zeiten wo kein Zug unterweges, zu dienstlichen
Mittheilungen benutzt werden. Zur Erreichung dieses Zweckes gab ich dem Telegraphen
folgende Einrichtung: Die Leitungskette beginnt mit einem zusammengerollten
Kupferblech von 240 Quadratfuß Oberfläche. Zwischen die Windungen sind Kohks
gebracht. Die ganze Rolle an den Kupferdraht der Kette angelöthet, ist versenkt in
einen Brunnen im Bahnhofe zu München. Die Kette aus dreifach zusammengewundenem
Kupferdrahte führt nun, auf Stangen befestigt, bloß durch Umschlingen eines mit Filz
umwickelten Stiftes über
Pasing
22710
Fuß
nach
Lochhausen
17290
„
„
Olching
22940
„
„
Maisach
19674
„
von da mit einfachem
Kupferdraht bis
Nannhofen
20966
„
–––––––––––
im Ganzen
103650
Fuß
und endigt mit einem Zinkblech von 240 Quadratfuß Oberfläche,
welches auf dem Grunde der Maisach flach ausgebreitet und befestigt ist. Durch die
Kette geht ein kräftiger galvanischer Strom (hervorgerufen durch die Endplatten),
welcher gesauertes Wasser reichlich zersetzt und ausreichend stark ist zum Geben von
Zeichen. Die Stromstärke hatte nach einem Jahr nicht merklich abgenommen. Diese
höchst einfache Batterie scheint sich also besonders für Telegraphlinien zu eignen
welche mit Relais arbeiten.
In die Leitungskette sind nun eingeschaltet:
1) auf den beiden Endstationen elektromagnetische Apparate, die
wir später näher beschreiben werden;
2) sechs Klappen zur Unterbrechung der Kette in den sechs
Stationsgebäuden zu München, Pasing, Olching, Lochhausen, Maisach und
Nannhofen;
3) 42 Klappen zur Unterbrechung der Kette in den Häuschen der
42 Bahnwärter;
4) zwei Daniel'sche Batterien an den Endstationen zur
Verstärkung des Stromes um recht kräftige Zeichen direct geben zu können.
Die Apparate der Endstationen sind zur Aufzeichnung der
Controlen bestimmt. Eine Uhr führt das horizontale Zifferblatt in zwei Stunden
einmal herum. Auf diese Scheibe wird Papier gelegt, welches in Uebereinstimmung mit
dem Gange der Uhr am Rande von Minute zu Minute getheilt ist. Diese Theilung ist
lithographischer Abdruck. Das Papier wird auf der drehenden Scheibe festgehalten durch einen
übergeschobenen Ring, welcher nur den äußersten Rand desselben klemmt. Auf der
Rückseite der Uhr ist nun ein Elektromagnet befestigt, dessen beide Pole nach oben,
etwas höher als das Zifferblatt, in flachen Eisenplatten endigen. Ueber diesen steht
der Anker, dessen Verlängerung über das Zifferblatt diametral herüber reicht, an der
Theilung des Papiers ein mit schwarzer Oelfarbe gefülltes Schreibgefäß trägt und mit
einem Hammer endigt. Unter dem Hammer befindet sich eine Uhrglocke vorn an dem
Uhrkasten befestigt. Da beständig Strom durch die Kette geht, ist der Anker
angezogen. Wird aber eine der Klappen, welche sich in der Kette befinden, geöffnet,
so fällt der durch Gegengewichte regulirte Anker ab. Jetzt ruht das Schreibgefäß auf
der Fläche des Papieres und der Hammer auf der Glocke, deren Schlag damit gedämpft
ist. Wie aber durch die Klappe die Kette wieder geschlossen wird, geht auch wieder
Strom durch die Elektromagnete. Diese ziehen ihre Anker an und es erhebt sich somit
Schreibgefäß und Hammer. Auf dem Papier ist nun eine Zeichnung entstanden. Entweder
nur ein Punkt, wenn nämlich das Schreibgefäß nur kurze Zeit liegen blieb, oder ein
Strich. Der Strich ist entstanden durch die Drehung des Papieres vermittelst der Uhr
unter dem feststehenden Schreibgefäß. Er mißt also so viele Theile des getheilten
Papierrandes in seiner Länge, als das Schreibgefäß Minuten gelegen hat.
Hiemit ist schon ein Theil der beabsichtigten Zwecke erlangt. Denn denken wir uns,
der erste Bahnwärter gebe beim Abgang des Zuges dadurch ein Zeichen, daß er seine
Unterbrechungsklappe niederdrückt, so setzt das Schreibgefäß auf das Papier einen
Punkt, welcher der Abgangszeit entspricht. Wie nun der Bahnzug am 2ten, 3ten, 4ten
Bahnwärter vorüberfährt, gibt auch jeder mit seiner Klappe das Zeichen. Der Abstand
des ersten Punktes auf dem Papier vom 2ten, des 2ten vom 3ten u.s.f. entspricht der
Anzahl von Minuten, welche der Bahnzug gebraucht hat um von einem Bahnwärter zum
andern zu gelangen. Da aber der Abstand der Bahnwärter bekannt ist, so wird damit
auch die Geschwindigkeit bekannt, mit welcher der Bahnzug geht. Denn wäre z.B. der
Abstand des 3ten vom 4ten Bahnwärter 1800 Fuß, der Abstand des 3ten vom 4ten Punkte
auf dem Papier aber 1 Minute oder 60 Secunden, so ist die Geschwindigkeit des Zuges
in der Secunde
1800/60 = 30 Fuß.
Bleibt aber das Zeichen eines Bahnwärters aus, so beweist dieß daß er nicht an seiner
Station war. Kömmt nun der Zug auf einer Station an, so hebt der Cassier die Klappe
und schließt sie erst wieder bei Abgang des Zuges. Auf dem Papier hat sich also ein
Strich gebildet, so viele Minuten lang, als der Aufenthalt des Zuges gedauert hat.
So entstehen also auf beiden Endstationen übereinstimmende Zeichnungen von der
ganzen Fahrt und das mit der Nr. des Bahnzuges überschriebene Blatt ist ein
gedrucktes Document über den ganzen Verlauf der Fahrt.
Sollte dem Bahnzug ein Unfall begegnen, was sich an den Endstationen gleich erkennen
läßt aus dem Ausbleiben der Bahnwärterzeichen, so begibt sich der Oberconducteur des
Zuges an die nächste Bahnwärterhütte und gibt mit der Klappe daselbst das
verabredete Zeichen an den Endstationen. Ja er kann auch jede Mittheilung mit
Buchstaben und Worten machen; denn wie er die Klappe schnell niederdrückt und wieder
ausläßt, schlägt der Hammer einen klingenden Schlag auf die Glocken der
Endstationen. Läßt er aber die Klappe etwas niedergedrückt, so entsteht ein
gedämpfter Glockenschlag. Diese zweierlei Zeichen, welche sich durch das Gehör sehr
gut unterscheiden lassen, dienen, in Gruppen geordnet, zur Bildung des Alphabetes,
wie ich schon früher angegeben habe. Soll der Conducteur auch Nachricht erhalten
können von den Endstationen, so bedarf er bloß eines transportabeln Elektromagnetes
mit Hammer und Glocke, dessen Draht er in die Leitungskette bei dem Bahnwärter
einschaltet.
In ganz gleicher Weise kann auch zwischen den Endstationen die den Bahndienst
betreffende Mittheilung erfolgen. Bei der Analogie zwischen den für die Tongruppen
gewählten Bezeichnungen und den großen lateinischen Lettern, erlernt man das
Alphabet ungemein leicht. Ich gebe z.B. ein A durch tiefen Ton, hohen Ton, tiefen Ton. Ich bezeichne die Gruppe mit Punkten wie sie
in der Zeit nach einander folgen mit tief hoch tief . · .
Ich verbinde die Punkte nach der Zeitfolge durch Linien, so wird ∧, d.h. ein
A daraus. Ebenso bezeichne ich V durch ∨, S durch
, F durch , L
durch , M durch . . ., N durch . ., I durch ., Z durch . Für alle diese Buchstaben weiß man sogleich die
Bezeichnung. Es sind also nur noch wenige zu merken. Dieß hat sich auch in der
Erfahrung bewährt. Jeder ohne Ausnahme, der es versucht, kann nach wenig Stunden das
Alphabet und damit auch telegraphiren. Indessen sind die meisten Menschen sehr schwer dazu zu
bewegen etwas Neues zu erlernen, und so mag sich denn auch hieraus erklären, daß nur
wenige der Bahnbeamten telegraphiren lernten, die andern aber ein kleines
Zifferblatt vorzogen, auf welchem der Zeiger bei jedem Niederdrücken der Klappe um
ein Zeichen weiter ging und so in derselben Art, nur unvollkommener, benutzt werden
konnte wie die Zeigertelegraphen. Der Anker des Ganges für die Uhr ist dazu bloß mit
dem Anker des Elektromagneten in Verbindung gesetzt. Diese Einrichtung hatte die
Bahnverwaltung beigefügt. Man konnte also den einen oder den andern dieser Apparate
benutzen.
Man sieht leicht daß dieser Telegraph mit verschiedenen Schwierigkeiten zu kämpfen
hat. Denn es gehört in der That sorgfältige Aufsicht dazu um eine so große Anzahl
von Unterbrechungsstellen in der Kette – es sind deren 50 – stets in
gutem wirksamen Stande zu erhalten. Dazu kömmt aber eine noch viel größere
Schwierigkeit, nämlich die, daß gerade diejenigen, welche den Telegraphen
beaufsichtigen und im Stande erhalten sollen, durch ihn einer sehr strengen Controle
unterliegen und sich daher auch wohl nicht veranlaßt sehen mögen, nach besten
Kräften für seinen regelmäßigen Gang zu sorgen.
Doch gibt es Mittel diese beiden Schwierigkeiten zu beseitigen. Bringt man nämlich
wie bei den amerikanischen Telegraphen an jeder Unterbrechungsklappe eine
Sperrschraube an, durch welche der metallische Contract jedesmal nach dem
Zeichengeben ganz sicher wieder hergestellt wird, so
verschwindet die erste Classe von Störungen. Die zweite aber, wenn man, wie es in
Preußen und Oesterreich allenthalben geschieht, ein eigenes Aufsichtspersonal für
den Telegraphen bestimmt, so daß wenigstens auf jede Station ein Wächter trifft. Nun
ist das allerdings viel verlangt. Indessen hat sich die Unterlassung von Seite der
Verwaltung dadurch bestraft, daß große Strecken der Drahtleitung längs der Eisenbahn
hin entwendet wurden, und daß der Telegraph nur selten im Stande war. Es hatten sich
übrigens auch sonst noch mancherlei Störungen gezeigt, welche ich anführen werde,
weil theils belehrende Erfahrungen, theils die Mittel ihnen entgegen zu wirken,
daraus hervorgegangen sind.
Der größte Theil der Leitungskette ward in meiner Abwesenheit durch das Personal der
Bahnwerkstätte aufgezogen. Dabei wurden, wie der Erfolg später nachwies, mehrere
Versehen begangen. Wir wollen sie aber durch die Erfahrung kennen lehren.
In der ersten Zeit nach der Herstellung des Telegraphen im Sommer 1846 gingen die
Mittheilungen den Bahndienst betreffend, so wie die Anfertigung der
Controlkarten ganz gut von statten. Nach etwa 6 Wochen begann der Telegraph während
heftigen Windes plötzlich selbstständige Zeichen zu geben – die Kette öffnete
und schloß sich also ohne menschliches Zuthun. Wie ich alsbald fand, lag der Grund
darin, daß die Leitungskette an vielen Verbindungsstellen nicht so wie ich angegeben
hatte verlöthet war, sondern bloß eingehängt war durch Oehren, an welchen sich
Kupferoxyd bildete, was manchmal die Kette galvanisch trennte; bei Bewegung durch
den Wind aber oft tactmäßig mit den Schwingungen wieder verband und so die
beobachteten Zeichen bewirkte.
Auch die Drahtleitung ist verhältnißmäßig sehr oft gerissen. Meist durch Sturm, auch
durch Reif und Eis, welches die Drähte oft umgibt. Dieß trat besonders bei der
einfachen Drahtleitung zwischen Maisach und Nannhofen ein. Der Grund liegt wohl
darin daß die Säulen zu fern van einander stehen (150'), daß die Drahte zu stark
gespannt und beim Aufziehen der Kette nicht gehörig geschont wurden, vor kurzen
Bügen die später immer brechen. Dagegen waren Unterbrechungen an der mehrfach
gewundenen Drahtleitung schwerer zu repariren, da ihrer Steifigkeit wegen mehrere
Mann mit Vorrichtung (Spannhebel) eigens dazu abgeschickt werden mußten. Ich mache
auf diese unbedeutend scheinenden Erfahrungen aufmerksam, weil gerade der Erfolg des
Ganzen von ihnen abhängt.
Bedeutende Störungen hat auch der Blitz anfangs verursacht. Am 17. Julius 1846 schlug
ein Blitz in die Kette und beschädigte mehrere Bahnwärter in ihren Hütten bedeutend,
jedoch nicht lebensgefährlich. Es wurden deßhalb sogleich die Unterbrechungsklappen
aus den Bahnwärterhäuschen entfernt und die Auslösung mittelst einer Schnur bewirkt.
Zweckmäßiger wäre jedoch gewesen, das bei dieser Gelegenheit gefundene Schutzmittel,
welches später an den Stationszimmern angebracht wurde, auch hier bei jeder
Auslösung anzubringen um die Auslösung nach dem Gebrauche jedesmal mit Sperrschraube
anziehen, also völlig sichern zu können.
Die von mir ausgedachte Vorrichtung um die Wirkungen des Blitzes von bestimmten
Theilen der galvanischen Leitungskette abzuhalten, beruht darauf, daß die
Reibungselektricität kleine Schlagweiten bei einer gewissen Spannung überspringt, um
sich den nächsten Weg der Vereinigung zu bahnen. Wenn man aber beispielsweise einen
Blitzableiterdraht unterbrechen, die Trennungsflächen aber sich sehr nahe bringen
würde, eine metallische Verbindung beider Enden aber durch eine aus sehr dünnem Draht
gebildete lange Schleife erwirkte, so würde der Blitz nicht der dünnen langen
Schleife folgen, sondern der großen elektrischen Spannung wegen überschlagen von
einem Ende zum andern. Hätte man die sich entgegenstehenden oder genäherten Enden
des Blitzableiterdrahtes zu großen Flächen erweitert, so müßte das Ueberspringen des
Blitzes mit noch größerer Vollständigkeit erfolgen, und es würde kaum eine Spur von
Reibungselektricität in der dünnen Schleife zu beobachten seyn.
Anders verhält sich aber die hier beschriebene Vorrichtung gegen galvanische Ströme.
Diese finden an den Oberflächen der Metalle ein unübersteigliches Hinderniß. Sie
werden also der metallischen Verbindung folgend durch die dünne Schleife gehen, so
lange der Zwischenraum zwischen den genäherten Drahtenden – welche wir
Blitzplatten nennen wollen – keine leitende Verbindung bietet. Denken wir uns
diese Einrichtung jetzt angebracht an der Leitungskette des Telegraphen, also an
jedem Stationspunkte die Leitungskette unterbrochen durch Blitzplatten, diese aber
metallisch verbunden durch eine dünne Schleife, welche allein ins Innere der
Stationsgebäude und zu den Apparaten führt, so wird die Reibungselektricität oder
die atmosphärische Elektricität allenthalben durch die Blitzplatten überschlagen und
somit das Innere der Gebäude und die Apparate nicht berühren, während der
galvanische Strom dem vorgezeichneten Weg der metallischen Verbindung wie sonst
folgt.
Man kann daher durch dieses Mittel die Wirkungen des Blitzes ganz abhalten von den
zum Telegraphiren bestimmten Apparaten, und somit auch die damit Beschäftigten
völlig sichern. Die schützende Wirkung solcher Platten, zwischen welche zur
isolirenden Tennung bloß ein dünner Seidenzeug gelegt wurde, hat sich an dem
hiesigen so wie an dem Karlsruher Telegraphen vielfach bewährt. Die Einrichtung wird
daher wohl allgemeinen Eingang finden.
Den hiesigen Telegraphen traf auch bald nach seiner Herstellung der Unfall, daß der
eine Apparat der Endstation mit dem Bahnhofe in München verbrannte. Die Verwaltung
hat jedoch denselben nicht wieder ersetzen lassen, auch Niemand mit der Aufsicht und
Erhaltung ausschließlich beauftragt, selbst die entwendeten Drähte nicht wieder
ersetzt. Sie hat somit die ganze Anstalt als Telegraph selbst aufgegeben. Ich habe
wohl kaum nöthig zu erwähnen, daß unter diesen Verhältnissen von einem günstigen
Erfolge auch keine Rede seyn kann. Ich glaubte jedoch die Beschreibung desselben
nicht umgehen zu dürfen wegen der vielseitigen Belehrungen, die er auch bei dieser
stiefmütterlichen Behandlung doch geliefert hat, und weil das Angeführte bei gehöriger Ausführung
sichern Erfolg verbürgt.
Vergleichung der verschiedenen
ausgeführten Telegraphsysteme.
Fassen wir zuerst die Leitungskette ins Auge, so ist ersichtlich, daß bei allen
galvanischen Telegraphen ohne Ausnahme die Leitungsfähigkeit des Bodens benutzt ist
als halbe Kette. Auch besteht in ganz Deutschland nur ein Telegraph mit doppeltem
Drahte für dieselbe Mittheilung, der von Bremen nach Bremerhafen. Es hat sich also
das einfachste Princip einer einzigen Metallleitung ungeachtet der vielen
Künsteleien, welche man in der Zwischenzeit in dem sonst so praktischen England
versucht hat, Geltung verschafft. Aber in dem Bau und den Mitteln zum Schutze und
zur Erhaltung dieser einen Leitung sind wesentliche Fortschritte sichtbar. Die
unvollständigen Isolirungen wie sie noch an den Bahntelegraphen von Stuttgart nach
Eßlingen, von Frankfurt nach Castel etc. wahrzunehmen, sind überboten durch die
isolirenden Auflagen in Steingutconen – Karlsruhe-Durlach –
oder die Holzrollen (Hannover), oder die Porzellanösen (Oesterreich) gedeckt durch
besondere Dach- oder Schutzkästchen. Aber auch diese sind wieder überboten
durch die höchst einfachen und sinnreichen Glockenköpfe von Glas, welche von
Nordamerika zu uns übergesiedelt sind. Diese bedürfen keines Daches, welches vor
Regen schützt, weil letzterer ohne leitende Verbindung herzustellen abfließt. In
Preußen sind diese Köpfe aus Porzellan gemacht. Sie sind aber gebrechlicher als die
von Glas gepreßten. Sehr zweckmäßig sind auch die im Hannöver'schen aus
Steinkrugmasse gebildeten; sie sind zugleich wohlfeil und stark. Ihre Form gestattet
den Draht um den Kopf herumzuschlingen, und so ist zugleich eine sehr bequeme
Befestigung der Leitungskette erzielt.
Nur wenig Eingang haben die englischen verzinkten Eisendrahtleitungen gefunden. Nicht
der 30ste Theil der deutschen Telegraphen besteht aus Eisendraht. Ich glaube mit
Recht. Denn es sind zwar diese Leitungen viel fester als die Kupferdrahtleitungen.
Sie sind weniger zufälligen und böswilligen Unterbrechungen, weniger dem
EntwendenDieß kam übrigens nur in Bayern in großartiger Weise vor. ausgesetzt als Kupferdrahtleitungen; dagegen fordern sie viel stärkere Stützen, sind
schwieriger und von dem Bahnwärter im Augenblick gar nicht zu repariren, behalten
keinen bleibenden Metallwerth, bieten verhältnißmäßig dem galvanischen Strom sehr
großen Widerstand,Der sehr abhängig ist von der Temperatur des Drahtes und bei höherer
Temperatur bedeutend größer wird. dagegen der störenden Luftelektricität weit größere Oberfläche, veranlassen
weit größere Anlagekosten als die Kupferdrahtleitungen. Sie waren ihrer größern
Festigkeit wegen so lange besser bei großen Telegraphlinien, als man noch kein
Mittel hatte die Drähte unter der Erde zu isoliren. Sie werden jetzt durch diese
unterirdischen Leitungen, die eine ungemein viel größere Sicherheit bieten und
unabhängig sind vom Blitze, bei Anlage großer Linien sicher bald verdrängt werden.
Für den Bahndienst und seine Mittheilungen genügen die einfachen billig
herzustellenden Kupferdrahtleitungen; ja sie gewähren den Vortheil, daß sie jeder
Bahnwärter repariren kann. All diese Gründe zusammen müssen sich Geltung verschafft
haben, weil, wie gesagt, in Deutschland nicht der 30ste Theil der Telegraphen
Eisendrahtleitungen hat. Bezüglich der Apparate muß nach der Bestimmung der
Telegraphen unterschieden werden. Für den Bahndienst taugen nur Apparate, mit
welchen jeder Bahnbeamte telegraphiren kann ohne vorgängige Einübung. Für diese sind
also die Zeigerapparate ohne alle Frage die geeignetsten. Aber auch unter diesen
besteht bereits eine große Auswahl: Wheatstone's Apparat und eine wenig abgeänderten Nachbildungen von
Fardely, Geiger u.a. ist in Sicherheit des Ganges
überboten von dem Inductionsapparat von Stöhrer. Viel
vollendeter in Construction, ich möchte sagen die Aufgabe eines Zeigerapparates
erschöpfend, ist der Apparat von Siemens. Nur scheint mir
für den Bahndienst seine Behandlung etwas zu schwierig. Namentlich die Regulirung
des Ganges, wenn viele Apparate in dieselbe Kette eingeschaltet sind, fordert mehr
Ueberlegung als man oft unter diesen Verhältnissen voraussetzen darf. Ferner ist
auch die Erhaltung der Batterie für das Bahnpersonal sehr lästig, so daß mir für
diesen Zweck Stöhrer's Apparat
als der geeignetste erscheint.
Anders dagegen werden die Anforderungen an Telegraphapparate für Staats- und
Handelsmittheilungen. Hier ist Schnelligkeit der Mittheilung und Sicherheit der
Maaßstab der Beurtheilung, und darin kann kein anderer Apparat in Concurrenz treten
mit dem Schreibapparat von Morse mit Relais. Denn er
arbeitet wie wir gesehen haben 6mal schneller als der Siemens'sche und liefert
ein gedrucktes Document über die Mittheilung was nachgelesen werden kann und was
unabhängig ist von der Aufmerksamkeit des Telegraphisten der die Nachricht empfängt.
Diese Vortheile sind so überwiegend, daß seine Mängel – Schwierigkeit des
Telegraphirens, mehr Batterien als Stationen etc. – doch dagegen
verschwinden.
In Bezug auf die galvanischen Batterien muß man nach dem Telegraphsystem
unterscheiden zwischen denen, welche beständig zu wirken haben, wie bei Anwendung
der Relais, und denen welche nur während des Zeichens wirken. Für den letzten Fall,
also bei den meisten Zeigerapparaten, möchte die Batterie von Fardely oder die ähnliche von Eisenlohr vor
allen zu empfehlen seyn. Denn Fardely's Batterie wirkt ohne Auseinandernehmen etc. über ein Jahr.
Die von Eisenlohr hat nach 60 Tagen noch keine meßbare
Abnahme an Stärke gezeigt. Aber beide werden bald erschöpft, wenn sie continuirlich
wirken sollen. Für letzten Fall ist jetzt die Daniel'sche
Batterie in Anwendung. Ich glaube jedoch daß es gelingen wird das einfache
Erdelement der Endplatten der Leitung als constanten Strom für den Relais zu
benützen. An dem Münchener Telegraphen war der Strom eines solchen Elementes noch
nach einem Jahr Wirkung nach meinen Messungen nicht wesentlich schwächer geworden
und hiezu ausreichend kräftig. Uebrigens wäre es auch denkbar, daß man für diesen
Zweck mit größerem Vortheil thermische Erreger, welche
bloß Temperaturdifferenz fordern, benützen könnte. Ich behalte mir hierüber weitere
Mittheilungen für später vor.
Noch haben wir über die Störungen zu sprechen, welche die Luftelektricität in den
oberirdischen Leitungen erzeugt. Es ist ihnen mit Ausnahme weniger Orte nur sehr
unvollkommen begegnet. Ein dünner Platindraht, der schmilzt ehe der Blitz die
Apparate erreicht, und Blitzableiter nahe an die Leitungskette gebracht, sind fast
allenthalben zu finden. Weit vollständiger wird dieser Zweck erreicht durch die
Blitzplatten wie ich sie im polytechn. Journal Bd.
CIX S. 350 beschrieben habe. Man kann sogar die selbstthätigen Zeichen,
welche durch Blitze veranlaßt sind, damit vermeiden, wenn der Abstand der Platten
sehr gering und der zu den Apparaten führende Leitungsdraht sehr dünn ist. Von
diesen Störungen ist der Relais unabhängig, sobald er mit Blitzplatten verbunden
wird.
Während so die Leitungen durch die Luft mit den Gewittern zu kämpfen haben, zeigen
sich bei den unterirdischen Leitungen ebenfalls störende Ströme, vielleicht
thermischer Natur. Durch sie ist man gezwungen die Wirkung der Batterien stets zu ändern und auf große
Distanzen dürften sie nur durch den Relais, den constanten Strom in der Kette, zu
überwinden seyn.
Verbesserung an Morse's
Apparat.
Wir haben gesehen daß Morse's Apparat unter allen jetzt in
Deutschland angewendeten Telegraphen am sichersten und schnellsten Mittheilungen zu
machen gestattet. Dennoch glauben wir, daß zwei Punkte bei demselben noch einer
wesentlichen Verbesserung fähig sind.
Der erste schon berührte betrifft die Wahl der Zeichen. Man kann ohne Abkürzungen in
derselben Zeit mehr mittheilen als durch das jetzt übliche Alphabet, wenn man das
von mir gegebene einführt. Dieß gilt für Mittheilungen ohne Abkürzungen. Aber ich
sehe nicht ein, warum man sich nicht auch der Abkürzungen bedienen will. Denn sowohl
der Schreibende als der Lesende sind angestellte Telegraphisten, welchen man ohnehin
schon zumuthet die Fertigkeit des Telegraphirens erlernt zu haben. Warum sollen sie
nicht eben so gut stenographiren und dieses lesen lernen? Diese Zumuthung ist
keineswegs neu. In Oesterreich besteht auf allen Telegraphlinien seit Anfang ein
Phrasen- und Wörterbuch. Auch sink, wenn mit Buchstaben telegraphirt wird,
viele Abkürzungen gebräuchlich. (Siehe telegr. Correspondenzbuch für den
Eisenbahnbetrieb. Wien.)
Die zweite Verbesserung betrifft den Apparat, an welchem getadelt werden kann, daß er
nöthigt ungleichartige Zeichen mit der Hand zu geben – kurze und längere. Sie
entstehen dadurch, daß die Klappe nur kurze oder längere Zeit niedergedrückt wird.
Offenbar wäre es viel leichter und schneller zu vollziehen, wenn man nur Eine Art
von Bewegung und gleich lange Zeit für jedes der beiden Zeichen benöthigte. Ich
werde nun zeigen daß man ganz ohne Aenderung an dem Relais und an dem
Schreibapparat, bloß durch Anbringung einer zweiten Klappe zur Unterbrechung der
Kette mit gleichförmigem Niederdrücken, also mit
gleichförmigen Zeichen von der Hand gegeben, doch zweierlei Zeichen auf den
Papierstreifen aller Stationen fixiren kann. Dazu ist bloß nöthig, daß die zweite
Klappe, bei einem Gange auf und zu, die Kette zweimal unterbreche. Man bewirkt dieß, indem nicht bloß
in der ruhenden Lage durch die Klappe die Kette geschlossen wird, sondern auch in
der niedergedrückten Lage. Jedes Tippen auf die Klappe bewirkt also von der
Verbindung aus Trennung, Verbindung, Trennung, Verbindung. Weil aber der Schreibapparat nur so lange wirkt als
die Kette getrennt ist, so entstehen hierdurch zwei
Punkte oder Eindrücke auf dem Papiere, während die gewöhnliche Klappe durch dieselbe
Bewegung der Hand nur Einen Eindruck gemacht hat. Die Eine Klappe erzeugt also
einfache Eindrücke, die andere doppelte, zusammengenommen von derselben Länge wie
der einfache.
Man gibt also gleichförmige Zeichen mit der Hand und erzeugt doch mit jeder Klappe
verschiedene Zeichen. Dieß ist nicht nur leichter für den Telegraphisten, sondern
fordert auch weniger Zeit und erscheint um so leichter durchzuführen, als an jedem
der jetzigen Apparate nur die zweite Klappe angebracht zu werden braucht. Will man
sich derselben zeitweise nicht bedienen, so bleibt alles wie bisher.
––––––––––
Beilage.
Alphabet
von
1. Gerke.Dreierlei Zeichen.
2. Steinheil.Zweierlei Zeichen.
3. Morse.Viererlei Zeichen.
1
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1
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1
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2
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3
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3
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∑ 42
∑ 39
∑ 42
Alphabet
von
1. Gerke.Zweierlei Zeichen.
2. Steinheil.Zweierlei Zeichen.
3. Morse.Viererlei Zeichen.
a
. –
a
– . –
a
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ä
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b
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∑ = 73
∑ = 77