Titel: | Ueber Desinficirung des Düngers und Verwendung der Salinenmutterlauge dazu; von Ch. Calloud. |
Fundstelle: | Band 115, Jahrgang 1850, Nr. LXXX., S. 387 |
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LXXX.
Ueber Desinficirung des Düngers und Verwendung
der Salinenmutterlauge dazu; von Ch. Calloud.
Aus dem Journal de Pharmacie, Januar 1850, S.
28.
Calloud, über Desinficirung des Düngers und Verwendung der
Salinen-Mutterlauge dazu.
Die Desinfection des Düngers bildete in den letzten Jahren eine der wichtigsten
landwirthschaftlichen Fragen. Wegen der Wichtigkeit und des Werthes des Ammoniaks
und seiner Salze zur Ernährung der Pflanzen, war man bemüht wirksame
Verfahrungsarten zu ermitteln, damit sie dem Inhalt der Abtrittgruben und selbst dem
der Luft ausgesetzten landwirthschaftlichen Dünger nicht verloren gehen.
Unter den bisherigen Verfahrungsarten erfüllt jedoch noch keine die beiden
Bedingungen, die Ammoniakdünste zu neutralisiren und zugleich gewisse
Mineralsubstanzen zu erhalten, deren Vorhandenseyn im Dünger von so großem Nutzen
ist.
Schon früherCourrier des Alpes, 1848, Nr. 119. veröffentlichte ich eine Kritik der verschiedenen gebräuchlichen
Desinficirmittel, z.B. der Metallsalze, deren allgemeine Anwendung von einigen
Industriegesellschaften aus speculativen Gründen empfohlen wurde. Nach einem
umfassenderen Studium komme ich nun auf diesen wichtigen Gegenstand zurück.
Man hat auflösliche Blei-, Kupfer- und Eisensalze als Desinficirmittel
in Vorschlag gebracht; in letzterer Zeit wurden auch die Mangansalze, welche bei der
Chlorbereitung als Rückstand bleiben, hiezu empfohlen. Alle diese Metallsalze
neutralisiren zwar sehr gut den lästigen Geruch während des Räumens der Gruben; wenn
aber der so desinficirte Inhalt als Dünger verwendet werden soll, so fragt es sich,
ob die durch die Sättigung des schwefelwasserstoffsauren und kohlensauren Ammoniaks
erzeugten Niederschläge nicht sehr schädlich auf das Wachsthum der Pflanzen
einwirken können. Ohne directe Beweise für die Vergiftung der Pflanzen durch die
Metallsalze zu besitzen, weiß man doch, daß sie, mit solchen Salzlösungen begossen,
nicht gedeihen. Die in den desinficirten Excrementen verbleibenden Niederschläge
(Schwefelmetalle und kohlensaure Metalloxyde) können sich zum Theil in dem Saft der Pflanzen
auflösen, welcher immer Essigsäure enthält; ferner fand Becquerel, daß diese Säure sich während der Keimung bildet.
Das Vorkommen von Metalloxyden in den Pflanzen ist zwar eine unbestreitbare
Thatsache; die Pflanzenasche enthält immer Eisen- und Manganoxyd, manchmal
auch Kupfer-, seltener Bleioxyd; Kupfer findet sich in einigen Leguminosen,
namentlich im Trifolium pratense (Wiesenklee). Es ist
aber nicht nachgewiesen, daß das Vorhandenseyn dieser verschiedenen Metalloxyde in
den Pflanzen zur vollkommenen Entwickelung ihrer Organe nothwendig sey; man kann
hierin nur eine von der Beschaffenheit des Bodens herrührende Zufälligkeit
erblicken; denn es gediehen Pflanzen herrlich in Bodenarten welche kein Kupfer,
Blei, Mangan etc. enthalten. Auf demselben Weg, wie Kalk und Bittererde, gelangen
auch die Metalloxyde in die Pflanzen, und wahrscheinlich wäre dieß in noch höherem
Grade der Fall, wenn nicht einerseits die Auflösungsmittel (Kohlensäure und
Essigsäure) vorzugsweise auf die erdigen Basen einwirkten, und andererseits die
aufgelösten Metallsalze durch die erdigen Salze, nämlich die phosphorsauren und
kieselsauren Alkalien, wieder durch doppelte Wahlverwandtschaft zersetzt würden.
Dieß sind allerdings nur theoretische Folgerungen, welche uns veranlassen müssen mit
dem Einbringen von Metallsubstanzen in den Dünger behutsam zu seyn, weil solche im
angebauten Lande schädlich werden können. Aber eine Betrachtung von größerer
Wichtigkeit veranlaßt mich die Anwendung der desinficirenden
Metallsalze zu verwerfen. Sie besteht darin, daß die im Harn und den
Excrementen enthaltenen phosphorsauren Salze, durch den Zusatz von Eisen-,
Blei-, Kupfer-, Mangansalze etc. in unlösliche Salze verwandelt, somit
verloren gehen oder unnütz werden. Die phosphorsauren Metallsalze sind nämlich
schwer auflöslich, selbst in starken Säuren; die Kohlensäure und Essigsäure, welche
als die vorzüglichsten Auflösungsmittel der bei der Vegetation in Anwendung
kommenden Mineralsubstanzen zu betrachten sind, und wirklich die phosphorsauren
Kalk- und Bittererdesalze so leicht auflösen, greifen die phosphorsauren
Metallsalze gar nicht an. Da man nun aber weiß, daß die Phosphorsäure zur Ernährung
der Pflanzen ebenso wichtig ist wie die Ammoniak- und
Kohlenstoffverbindungen, so kann man die vorerwähnten Metallsalze zum Desinficiren
des thierischen Düngers, unter dem Vorwand dadurch das Ammoniak zurückzuhalten,
nicht mehr empfehlen. Denn die in der Flüssigkeit der Gruben und Dungstätten
enthaltenen phosphorsauren Alkalien müssen durch die Anwendung von Metalllösungen
zersetzt werden und folglich zu Verlust gehen. Wiederholte Versuche überzeugten mich auch davon, daher
ich im Interesse der Landwirthschaft der Verbreitung jener metallischen
Desinficirmittel entgegentrete.
Schwefelsäure und Salzsäure, auf den Grubeninhalt geschüttet, können nicht als
Desinficirmittel betrachtet werden, weil sie Schwefelwasserstoffgas aus ihm
entbinden, dessen Geruch unerträglich ist; in landwirthschaftlicher Beziehung sind
sie aber wirklich vortheilhaft; das Ammoniak wird durch sie vollständig fixirt und
die phosphorsauren Salze bleiben erhalten. Wenn das Umgehen mit so ätzenden
Flüssigkeiten für Ungeübte nicht mit einiger Gefahr verbunden wäre, könnte ihre
allgemeine Anwendung anempfohlen werden.
Man bedient sich zu demselben Zwecke auch des schwefelsauren Kalks,Man vergleiche S. 305 in diesem Bande des polytechn. Journals. welcher um geringe Kosten in Menge zu haben ist; da der Gyps sich aber nur
in geringer Menge im Wasser auflöst, so gehen die beabsichtigten Doppelzersetzungen
nur sehr unvollständig vor sich und das Resultat bleibt ein unvollkommenes. Ein
auflösliches Kalksalz, wie das Chlorcalcium (salzsaurer Kalk) wäre zu diesem Zweck
geeigneter, wo man es sich in hinreichender Menge und wohlfeil genug verschaffen
kann. Die verschiedenen zum Desinficiren des Düngers und Fixiren seines Ammoniaks
bisher angewandten Agentien, genügen also nicht allen Anforderungen, welche darin
bestehen, einerseits das Ammoniak nicht verloren gehen zu lassen, und andererseits
die salzigen Bestandtheile des Grubeninhalts, besonders die phosphorsauren Salze, in
auflöslichem Zustande zu erhalten.
Mehrere Chemiker haben sich diese Zwecke zur Aufgabe gemacht. Boussingault
Polytechn. Journal Bd. CIV S.
391. bediente sich des Chlormagnesiums (der salzsauren Bittererde), welches in
den Harn geschüttet, in Folge der allmählichen Zersetzung des Harnstoffs in
kohlensaures Ammoniak, einen Niederschlag von phosphorsaurer
Ammoniak-Bittererde darin erzeugt. Hierdurch wird der größte Theil des bei
der Fäulniß des Harns flüchtig gewordenen Ammoniaks zurückgehalten und die
phosphorsauren Salze bleiben in ihrem vollen Werthe. Bekanntlich findet man die
phosphorsaure Ammoniak-Bittererde fertig gebildet in den Samen der Gasarten
und sie ist zur vollkommenen Ausbildung des Samens unentbehrlich. Das Einbringen
dieses Doppelsalzes in den Dünger kann also für den Getreidebau nur von größtem
Nutzen seyn.
Boussingault's Zweck war, die
fixen Bestandtheile des Harns der öffentlichen Pißanstalten in trockenen Zustand
überzuführen, um seine Versendung an die Landwirthe zu erleichtern. Es ist bekannt,
daß in großen Städten eine ungeheure Menge Harns verloren geht, welcher,
insbesondere der Menschenharn, der reichhaltigste Dünger ist, weil er Phosphorsäure
und Stickstoff, in Form von saurem phosphorsaurem Natron, Kali und Ammoniak,
Harnsäure und Harnstoff, enthält. Durch die Fäulniß desselben verschwindet aber fast
aller Harnstoff als flüchtiges kohlensaures Ammoniak. Die auflöslichen
Bittererdesalze, indem sie den größten Theil des während der Fäulniß des Harnstoffs
entstehenden Ammoniaks fixiren, bilden phosphorsaure Ammoniak-Bittererde,
deren geringe Löslichkeit gerade für die Vegetation paßt; dieses Doppelsalz ist, wie
gesagt, ein physiologischer Bestandtheil der als Nahrungsmittel so wichtigen
Samenkörner; höchst wahrscheinlich ist es auch fertig gebildet in dem
satzmehlhaltigen und käsigen Eiweißkörper des Obstes, der Hülsenfrüchte und der
mandelartigen Kerne enthalten.
Die Bildung der während des Wachsthums der Pflanzen verbrauchten phosphorsauren
Ammoniak-Bittererde im Boden läßt sich leicht erklären; jeder Boden enthält
in gewisser Menge mineralische Ueberreste von darin zu Grunde gegangenen Thieren
aller Art; das Knochenskelett dieser Thiere, sowohl der gewirbelten als
ungewirbelten, enthält viel phosphorsaure Salze, nämlich phosphorsaure Bittererde
und phosphorsauren Kalk. Das durch die Fäulniß der organischen Materien erzeugte,
sowie das durch das Regenwasser auf den Boden niedergeschlagene kohlensaure Ammoniak
zersetzt die phosphorsauren Erden und verdrängt Kalk und Bittererde in äquivalenter
Menge; dadurch wird der Boden mit seinem natürlichen Vorrath an phosphorsauren
Doppelsalzen von Ammoniak mit Bittererde oder Kalk versehen. Die Bildung dieser
Doppelsalze kann aber nur in dem Maaße vor sich gehen, als die phosphorsauren Erden
durch Zersetzung der Knochen unter dem gleichzeitigen Einfluß von Luft und
Feuchtigkeit ihren Zusammenhang verlieren, was sehr langsam geschieht, daher wir dem
angebauten Boden so viel von diesen künstlich bereiteten Salzen zuführen müssen, als
wir aufzubringen vermögen.
Bouchardat's Untersuchungen
über die Wirkung der Ammoniaksalze bei der Vegetation haben ihn in der Ansicht
bestärkt, daß bloß das kohlensaure Ammoniak den Pflanzen zuträglich sey; Schattenmann rühmt hingegen das schwefelsaure und
salzsaure Ammoniak zur Bewässerung der Wiesen, wobei sie eine üppige Vegetation
hervorbringen sollen;
auch lobt er ein in der Schweiz gebräuchliches Verfahren, welches darin besteht, das
Wasser der Gruben und des Düngers mit Eisenvitriol zu sättigen, um die Ammoniaksalze
zu fixiren und es dann auf den Wiesen zu verbreiten. Versuche überzeugten ihn von
der Wirksamkeit der im Dünger fixirten Ammoniaksalze, sowohl des schwefelsauren als
des salzsauren Ammoniaks.Polytechn. Journal Bd. XCI. S. 210,
217 und 218.
Diese Ansicht ist aber mit jener von Bouchardat nicht
anders in Einklang zu bringen, als durch die Annahme, daß Schattenmann seine Versuche unter andern Umständen anstellte, oder die
Bodenarten verschieben waren. Boussingault und Barral, von der Ansicht ausgehend, daß nur das
kohlensaure Ammoniak der Vegetation zuträglich sey, erklären die von einigen
Chemikern beobachtete Wirksamkeit anderer Ammoniaksalze durch die Annahme, daß
dieselben durch irgend eine Reaction zuvor in kohlensaures Ammoniak umgewandelt
werden.
Ohne einerseits zu verkennen, daß das Ammoniak bei der unter dem Einfluß der
Lebenskräfte stattfindenden Vegetation vielfache organische Verwandlungen durchgeht,
ist doch andererseits zu bemerken, daß es bei der Analyse der Pflanzen nicht als
schwefelsaures, salpetersaures oder salzsaures, sondern als phosphorsaures Ammoniak in Verbindung mit Kalk und Bittererde in denselben
gefunden wird. Sollte daraus nicht zu schließen seyn, daß das Ammoniak in dieser
Verbindung der Vegetation am nützlichsten sey; daß es als neutrales Salz ohne
Zersetzung in dem Pflanzenorganismus nicht assimilirt werde, wohl aber wenn es mit
einer mineralischen Basis verbunden ist? Dieß ist um so wahrscheinlicher, weil wir
stets Phosphorsäure, Alkalien, Kalk und Bittererde in den sehr stickstoffreichen
Eiweißkörpern, dem Albumin, Casein und Kleber finden. Die Vergesellschaftung der fixen Mineralsubstanz mit der beweglichen organischen Substanz ist daher eine Hauptbedingung bei der
Ernährung der Pflanzen.
Man hat zwar beobachtet, daß das isolirt angewandte Ammoniak ein Wachsthum von
herrlichem Aussehen zur Folge hatte; dieß kann aber einem ähnlichen Einfluß
zugeschrieben werden, welcher im thierischen Organismus bei gewisser Lebensordnung
Verstopfungen, Anschwellen der Gewebe hervorbringt, was aber kein normaler
lebenskräftiger Zustand ist. Wenn man eine Wiese so mit Ammoniak begießt, daß
Buchstaben gebildet werden, so kann man nach einiger Zeit die begossenen Stellen an der
Saftigkeit des Grases, an der viel kräftigeren Vegetation erkennen; dieß sind aber
nur vereinzelte Beweise, welche nicht als Gesetz gelten können. Die Pflanzen, welche
durch das Ammoniak so gediehen, sind vielleicht von besonderer Schönheit, es fehlt
ihnen aber an Straffheit, Festigkeit, sie biegen sich unter ihrem eigenen Gewicht;
sie haben nicht den Charakter hübscher, natürlicher Gewächse. Allerdings kommt es in
der Landwirthschaft auf den Ertrag an; solange aber nicht erwiesen ist, daß der
durch Kunst überreizte Ertrag in seiner Güte dem natürlichen gleichkömmt, so lange
sorgfältige Versuche nicht dargethan haben, daß das Heu von vorzugsweise mit
Ammoniak bewässerten Wiesen bei der Viehzucht viel mehr leistet (was als Maaßstab
dienen kann), muß man die verschiedenen vorgeschlagenen Düngmethoden mit der größten
Umsicht anwenden. Jedenfalls ist die Desinficirung des Düngers eine bei weitem noch
nicht erschöpfte Frage, sondern erfordert noch viele Untersuchungen und Forschungen.
– Bei dem Nutzen, welchen die Ammoniaksalze in Verbindung mit phosphorsauren
Salzen als Dünger gewähren, ist es gewiß ganz zweckmäßig als Desinficirmittel solche
Salze anzuwenden, welche alle fruchtbarmachenden Substanzen in dem Wasser der
Abtrittgruben und Dungstätten zu erhalten vermögen; dazu eignen sich die
auflöslichen Kalk- und Bittererdesalze sehr gut. Ich habe mich durch Versuche
überzeugt, daß der Harn durch die Bittererdesalze neutralisirt wird; die festen
Excremente aber, welche auch Schwefelammonium enthalten, werden durch die
Kalk- und Bittererdesalze nicht desinficirt; setzt man ihnen aber eine
gewisse Menge Kohlenstaub zu, so verschwindet, wie ich
mich überzeugt habe, jeder unangenehme Geruch. Ich konnte den Koth mittelst eines
Gemenges von Bittersalz und Kohlenpulver einen Monat lang in einem Zimmer stehen
lassen, ohne davon belästigt zu werden. Die desinficirende Kraft der Kohle ist
bekannt; sie verdankt dieselbe ihrer Porosität und ihrer Eigenschaft die Gase zu
verdichten.
Andererseits wird das Schwefelammonium an der Luft (wie wenn es in den Poren der
Kohle zurückgehalten wäre) durch Oxydation zuerst in unterschwefligsaures, dann in
schwefligsaures Ammoniak verwandelt, beides geruchlose und bei gewöhnlicher
Temperatur fixe Salze, und dadurch seinem Verschwinden in den festen Excrementen
eine Gränze gesetzt.
Meinen Versuchen und obigen Betrachtungen zufolge halte ich die Desinficirung der
flüssigen Excremente durch Bittererdesalze und Kohle für empfehlenswerth, um das in
denselben enthaltene Ammoniak zu fixiren. Es wäre nun noch zu ermitteln, ob so
desinficirter Dünger beim Feldbau in der That wirksamer ist.
Die Mutterlauge der Salinen, welche viel salzsauren Kalk und salzsaure Bittererde
enthält, sollte überall, wo man sich dieselbe verschaffen kann, als Desinficirmittel
der flüssigen Excremente benutzt werden.