Titel: | Ueber ein neues Reagens um den Zucker in Flüssigkeiten zu entdecken; von Hrn. Maumené. |
Fundstelle: | Band 116, Jahrgang 1850, Nr. XII., S. 60 |
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XII.
Ueber ein neues Reagens um den Zucker in
Flüssigkeiten zu entdecken; von Hrn. Maumené.
Aus den Comptes rendus, März 1850, Nr.
11.
Maumené, über das Entdecken des Zuckers in
Flüssigkeiten.
Wir besitzen mehrere Verfahrungsarten um die Gegenwart des Zuckers in Flüssigkeiten,
selbst im diabetischen Harn, zu entdecken; leider ist aber keine derselben so
einfach und leicht ausführbar, daß sie in der ärztlichen Praxis benutzt werden
könnte. Ich liefere nun den Chemikern und Aerzten ein Reactionspapier oder vielmehr einen
Reactionszeug, mittelst dessen sie augenblicklich die geringste Menge Zucker in
einer Flüssigkeit entdecken können.
Ich habe mich durch eigene Versuche überzeugt, daß das Chlor selbst im trockenen
Zustande auf den Zucker wirkt; die Reaction beginnt bei 80° R. sogleich,
hingegen in der Kälte erst nach längerer Zeit; es entsteht hiebei eine braune
Substanz, welche zum Theil in Wasser löslich und ausgetrocknet glänzend schwarz
ist.
Die Umänderung des Zuckers welche das Chlor bewirkt, kann man eben so leicht oder
noch leichter mittelst der Chloride (besonders der Superchloride) bewerkstelligen.
Alle Zuckerarten verhalten sich zu den Chloriden wie der Rohrzucker; sie verlieren
Wasserstoff und Sauerstoff im Verhältniß der Wasserbildung und geben als letztes
Product die braunschwarze Substanz. Wie es sich erwarten läßt, erleiden alle
Substanzen, deren Zusammensetzung dem Zucker analog ist (sich also durch Kohle und
Wasser ausdrücken läßt), dieselbe Veränderung; solche sind Holzstoff, Hanf, Leinen,
Baumwolle, Stärkmehl etc.
Um ein Reagens auf Zucker zu erhalten, brauchen wir daher nur eine feste Substanz,
welche durch Zinnchlorid bei hoher Temperatur nicht verändert wird, mit einer
Schicht desselben zu überziehen, indem wir sie mit einer concentrirten Auflösung
dieses Salzes tränken und dann austrocknen. Wenn wir den so präparirten festen
Körper in eine selbst sehr verdünnte Auflösung von Zucker tauchen und ihn dann einer
Temperatur von 104 bis 120° Reaumur aussetzen, so wird der eingetauchte Theil
sogleich seine Farbe verändern und mehr oder weniger dunkel braunschwarz werden.
Offenbar kann man weder Papier, noch leinenen oder baumwollenen Zeug als
Reactionsmaterial benutzen, weil dieselben gleichzeitig mit dem Zucker zersetzt
würden; man kann aber einen Wollenzeug, z.B. weißen Merinos, anwenden.
Man tränkt den Merinos drei bis vier Minuten lang in einer Auflösung von 100 Theilen
Zinnchlorid (krystallisirtem Zweifachchlorzinn) in 200 Theilen Wasser, läßt die
Flüssigkeit abtropfen, trocknet den Merinos auf einem Streifen desselben Stoffs im
Wasserbad, und der Reactionszeug ist fertig. Man zerschneidet ihn in Streifchen von
2 1/2 bis 4 Zoll Länge und 1 Zoll Breite wie die gewöhnlichen Reactionspapiere.
Mit einem solchen Merinosstreifen kann der Arzt ohne alle Mühe bestimmen ob der Harn
eines Kranken eine kleine Menge Zucker enthält. Er braucht nur einen Tropfen Harn auf diesen
Merinosstreifen zu gießen und denselben über eine glühende Kohle oder die Flamme
eines Lichts zu halten, um in einer Minute einen sehr sichtbaren schwarzen Fleck
hervorzubringen. Die Empfindlichkeit dieses Reagens ist sehr groß: zehn Tropfen
diabetischen Harns in 100 Kubik-Centimeter Wasser gegossen, bilden eine
Flüssigkeit womit man den Reactionsmerinos vollkommen braunschwarz macht. Der
gewöhnliche Harn, der Harnstoff die Harnsäure geben mit Zinnchlorid gar keine
Färbung.