Titel: | Ueber ein neues Verfahren zum Beleuchten und Heizen mittelst reinen Wasserstoffgases; von Ossian Henry. |
Fundstelle: | Band 116, Jahrgang 1850, Nr. XLII., S. 222 |
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XLII.
Ueber ein neues Verfahren zum Beleuchten und
Heizen mittelst reinen Wasserstoffgases; von Ossian Henry.
Aus dem Journal de Pharmacie, Febr. 1850, S.
105.
Henry, über ein neues Verfahren zum Beleuchten und Heizen mit
Wasserstoffgas.
Beleuchtung.
Im September v. J. wurde ich, als Mitglied des Athenäums für Künste und
Wissenschaften zu Paris, beauftragt dieser Gesellschaft über eine neue
Beleuchtungsmethode Bericht zu erstatten, welche von Hrn. Gillard in einer Gasanstalt zu Passy ausgeführt
worden ist. Die neuen Verfahrungsarten beruhen auf Principien, welche man bisher
nicht mit Vortheil zur Gasbeleuchtung anzuwenden vermochte. Das Hauptagens ist bei
denselben das reine Wasserstoffgas, welches man durch Zersetzung des Wasserdampfs
mittelst Kohle oder Eisen bei höherer Temperatur darstellt.
Erstes Verfahren. Zum ersten Verfahren dient folgender
Apparat: ein Ofen aus Backsteinen enthält zwölf gußeiserne Retorten, welche vertical
eingemauert sind, sechs auf einer Seite und sechs auf der andern; jede Retorte
enthält einen Bündel Eisendraht. Ein starkes Rohr, welches an der Mitte aller dieser
Retorten hinzieht und mit jeder derselben communicirt, versieht sie reichlich mit
Kohlenoxydgas, welches besonders bereitet wird; endlich liefern zwei Röhren von
kleinerem Durchmesser in jede Retorte Wasserdampf, welcher in besonderen
Dampfkesseln erzeugt wird.
Um die Beschreibung zu erleichtern, bezeichne ich mit Reihe A die sechs Retorten zur rechten des Rohrs, welches das Kohlenoxydgas
liefert; und mit Reihe B die sechs andern Retorten.
Eine außerhalb des Ofens angebrachte Kurbel C öffnet die
Communication zwischen den gepaarten Retorten der Reihe A und dem Wasserdampf, schließt hingegen die Communication derselben
Retorten mit dem Kohlenoxydgas-Strom ab. Eine ähnliche Kurbel C', welche an der anderen Seite angebracht ist, öffnet
die Communication der ungepaarten Retorten der Reihe B
mit dem Wasserdampf und sperrt zugleich die Verbindung derselben Retorten mit dem
Kohlenoxydstrom ab.
Endlich sind noch zwei Kurbeln C'', C''' angebracht, die
eine in der Reihe A und die andere in der Reihe B, welche ebenso wirken, erstere auf die ungepaarten
Retorten von A, letztere auf die gepaarten Retorten der
Reihe B.
Angenommen der Ofen sey gehörig geheizt und das in den Retorten enthaltene Eisen sey
in den gepaarten Retorten der Reihe A sowie in den
ungepaarten Retorten der Reihe B vollkommen rothglühend;
so öffnen wir C' und C'', wo
dann der auf das rothglühende Eisen gelangende Wasserdampf sich zersetzt und
Wasserstoffgas frei wird, wogegen sich der Sauerstoff mit dem Eisen verbindet und es
oxydirt.
Schließen wir hierauf C und C'', und öffnen C' und C''', so wird die Communication der ungepaarten Retorten von A und der gepaarten Retorten von B dem Wasserdampf geöffnet, während diese Communication mit den
vorhergehenden Retorten nicht mehr besteht, die im Gegentheil nun Kohlenoxydgas
empfangen.
In den Retorten 1, 3, 5 (A) und 2, 4, 6 (B) findet dieselbe Zersetzung statt, wie bald darauf in
den anderen Retorten; aber in 2, 4, 6 (A) und 1, 3, 5
(B), wo das Eisen oxydirt ist, verbindet sich das
reichlich einströmende Kohlenoxyd mit dem Sauerstoff des Eisenoxyds, daher
Kohlensäure und reducirtes Eisen entstehen.
Das Kohlenoxydgas erzeugt man mittelst Kohks, welche man in einem besonderen Ofen
sehr stark erhitzt. Die Hitze ist so groß, daß man Wasserdampf einziehen läßt, um
sie zu mäßigen; dieser Wasserdampf zersetzt sich; auch enthält das Kohlenoxyd,
welches zum Eisenoxyd gelangte, stets Wasserstoff, daher mit der Kohlensäure immer
zugleich Wasser gebildet wird.
Die Kohlensäure und der Wasserdampf werden durch einen starken Ventilator aus den
Retorten gezogen.
Bei dieser sinnreichen Operation geschehen die Oxydation und Desoxydation des Eisens
gleichzeitig, so daß das unaufhörlich desoxydirte oder reducirte Eisen stets zur
Zersetzung des Wassers dienen kann. Eine Stunde reicht zum Durchführen einer
Operation hin, worauf man die Reihe mittelst der Kurbeln wechselt, wie ich es
angegeben habe.
Das erzeugte Wasserstoffgas wird durch einen starken Ventilator aus den Retorten in
einen Condensator gezogen, aus welchem es in den Gasometer abzieht. Nach diesem
Verfahren bereitete Gillard sehr beträchtliche
Quantitäten reinen Wasserstoffgases.
Da dieses Verfahren aber nicht ohne Uebelstände war, so änderte der Erfinder es auf
folgende Weise ab.
Zweites Verfahren. Der Apparat besteht in einem Ofen aus
feuerbeständigen Ziegeln, welcher drei gußeiserne Retorten in Form eines ,
also eines Halbcylinders mit plattem Boden enthält; sie sind horizontal in dem Ofen
angebracht. Jede Retorte besteht aus zwei Theilen, dem Kopf und dem Körper. Den
Körper bildet der ganze im Innern des Ofens angebrachte Theil; der Kopf oder Mund
tritt hingegen aus dem Mauerwerk hervor. Auf die Mündung dieses Kopfs paßt ein
gußeiserner Deckel, der mittelst eines an der Retorte befestigten Bügels und einer
Schraube fest aufgedrückt werden kann, nachdem man ihn mit Thon lutirt hat.
Am Kopf jeder Retorte, außerhalb des Ofens, ist ein Rohr aufgesteckt, welches das
Wasserstoffgas in den Condensator führt. Diese drei Röhren münden in ein weites
cylindrisches Rohr (barillet) aus, welches selbst mit
dem Condensator communicirt. Man erhitzt den Ofen mittelst eines heftigen
Kohksfeuers, unter welchem man eine Schicht Wasser unterhält, theils um die durch
den Rost fallenden Kohksstückchen abzulöschen, theils um den Rost abzukühlen, damit
er länger brauchbar bleibt.
Unter jedem Kopf tritt in die Retorte ein Rohr ein, welches Wasserdampf zubringt, der
(wie bei dem ersten Verfahren) in einem besondern Kessel erzeugt wird. Dieses Rohr
lauft horizontal durch die Retorte, in welcher es auf kleinen Ziegeln liegt. Den
Zutritt des Wasserdampfs kann man mittelst eines Hahns reguliren, so daß nur die
gewünschte Menge von ihm in die Retorte gelangt. Dieser Hahn ist folgendermaßen
construirt: die Oeffnung durch welche der Dampf zieht, ist ein in zehn Theile von je
1 Millimeter getheilter Ausschnitt; der Schlüssel des Hahns dreht sich auf einem
graduirten Kreis, dessen Abtheilungen denjenigen im erwähnten Ausschnitt
entsprechen; je nachdem man nun den Schlüssel zur rechten oder linken dreht, wird
der Hahn geöffnet oder geschlossen; wenn er im Centrum, das heißt senkrecht und
folglich bei Nro. 5 steht, ist er halb geöffnet.
Der Wasserdampf muß in der Retorte stets im Ueberschuß vorhanden seyn; man erzeugt
ihn, wie gesagt, in einem besonderen Dampfkessel; nach der Anzahl von Atmosphären
welche der Manometer anzeigt, läßt man mehr oder weniger Dampf zutreten, z.B.
für
2
Atmosphären
öffnet
man den
Hahn
um
10 Millim.
2 1/2
–
–
–
–
9
3
–
–
–
–
8
3 1/2
–
–
–
–
7 1/2
etc.
Nachdem wir nun den Ofen und den Apparat beschrieben haben, gehen wir auf die
Operation über. Man heizt zuerst diese Retorten bis zum hellen Rothglühen und bringt
dann in ihrer ganzen Länge eine bestimmte Quantität Kohle, vorzugsweise
grobgepulverte Holzkohle, hinein. Diese wird bald ebenfalls vollkommen glühend; nun
läßt man den Wasserdampf in die Retorten eintreten; die Zersetzung desselben erfolgt
sogleich, das Wasserstoffgas zieht durch die auf den Retorten angebrachten Röhren
ab, gelangt in einen cylindrischen Behälter und von diesem in den Condensator,
endlich in die Reinigungsapparate. Letztere sind dieselben welche man gewöhnlich bei
der Leuchtgasfabrication anwendet; nämlich kleine Gasometer, bestehend in einer Kufe
welche ein Gemenge von Kalkhydrat und Moos enthält und mit einer Blechglocke bedeckt
ist. Der Kalk entzieht dem einströmenden Gas die Kohlensäure und das gereinigte
Wasserstoffgas zieht dann in einen großen Gasbehälter ab. In den Gasanstalten wendet
man den Kalk in diesen Apparaten nur einmal an; für Gillard's Zweck braucht man den Kalk aber nur wieder zu
brennen, um ihn neuerdings anwenden zu können.
Wir gehen nun auf die Hauptanwendungen dieses Wasserstoffgases über.
Wenn man reines Wasserstoffgas bei seinem Austreten aus dem Apparat, worin es erzeugt
wurde, in atmosphärischer Luft anzündet, so gibt es bekanntlich nur eine sehr blasse
blaue Flamme, welche sehr wenig leuchtet; gelangt der Wasserstoff aber auf glühendes
Platin, so verbindet er sich mit dem Sauerstoff der Luft und erzeugt bei dieser
chemischen Reaction ein sehr lebhaftes und stetiges Licht. Diese Thatsache ist die
Basis des uns beschäftigenden Verfahrens. Das aus dem Gasometer tretende Gas wird
über den Brennern auf einen kleinen Cylinder geleitet, welcher durch ein kleines
Netz von außerordentlich feinem Platindraht gebildet wird. Wenn man das
Wasserstoffgas bei seinem Austritt aus den Brennern anzündet, entsteht eine
bläuliche Flamme, dann wird das Platin glühend, und nun hat man ein höchst lebhaftes
und außerordentlich weißes Licht, welches sich insbesondere noch dadurch
auszeichnet, daß es niemals schwankt.
Für sich allein angezündet, gibt das reine Wasserstoffgas ein wenig leuchtendes
Licht, welches aber ungemein lebhaft wird, wenn dieses Gas mit gewöhnlicher Luft
gemischt ist. Gillard läßt daher mittelst eines Rohrs,
welches von einem kleinen mit atmosphärischer Luft gefüllten Gasometer ausgeht,
zugleich soviel Luft zutreten, als erforderlich ist um das schönste Licht zu erhalten.
Die günstigsten Verhältnisse sind zwei Theile Wasserstoff auf 1 Theil
atmosphärischer Luft.
Ich habe Hrn. Gillard die
Bemerkung gemacht, daß unter diesen Umständen die Luft und der Wasserstoff in
Berührung mit dem glühenden Platin sehr Wohl detoniren könnten. Diesen Einwurf hatte
er aber schon vorhergesehen und die Gefahr auch beseitigt; er empfiehlt nämlich in
der Decke des zu beleuchtenden Zimmers eine Oeffnung von einigen Zollen Durchmesser
anzubringen; diese Oeffnung dient als Ventilator und gestattet dem Wasserstoff den
Austritt, welcher sich also nicht anhäufen kann, weil er leichter als die
atmosphärische Luft ist und daher immer über dieselbe zu gelangen strebt. Bei dieser
Einrichtung ist eine Explosion nicht möglich, denn bekanntlich findet eine solche
nur statt, wenn zwei gemischte Gase in einem Raum eingeschlossen sind, welcher sie
verhindert sich auszudehnen. Diese Ventilation muß aber bei dem neuen Verfahren
nothwendig angewandt werden, weil sonst bedeutende Nachtheile zu befürchten
wären.
Man könnte auch glauben, daß ein Ueberschuß von Luft eine Detonation veranlassen
müßte, wenn man sie in großer Menge zutreten läßt; Versuche haben mich aber in
dieser Hinsicht vollkommen beruhigt; denn wenn man eine etwas beträchtliche
Quantität Luft über einen Strahl brennenden Gases leitet, so erlöscht das Licht
plötzlich, ohne daß eine Detonation stattfindet.Die Redaction des Journal de Pharmacie macht auf
einen Umstand aufmerksam, welcher genau untersucht werden muß; es fragt sich
nämlich, ob in der erzeugten Mischung von Wasserstoff und Kohlensäure nicht
etwas Kohlenoxyd zurückbleibt, welches Gas vom Kalk nicht absorbirt wird und
sehr gefährlich einzuathmen ist.
Heizung.
In dieser Hinsicht sind die Versuche vollständig gelungen, und der größte Vortheil
welcher sich dabei herausstellte, ist der, daß alle Wärme im Zimmer bleibt, was bei
der Heizung mit Steinkohlen oder Holz bei weitem nicht der Fall ist.
So werden beim Heizen der Wohnungen mit Holz nur 6 Procent der erzeugten Wärme im
Zimmer verwendet; beim Heizen mit Steinkohlen oder Kohks erhält man nur 12
Wärme-Einheiten, d.h. es gehen 88 Proc. Wärme verloren. Beim Heizen mit Wasserstoffgas
wird hingegen die erzeugte Wärme ganz verwendet; auch hier, wie bei der Beleuchtung,
ist es aber nothwendig, eine gute Ventilation herzustellen.
Mehrere Anwendungen dieser neuen Heizmethode haben bereits vortreffliche Resultate
gegeben und es ist dieser Erfindung der beste Erfolg zu wünschen.