Titel: | Ueber ein wohlfeiles Verfahren zum nachhaltigen Desinficiren der Abtrittgruben, Gossen und stehender Wässer, und zur Verwandlung der desinficirten Stoffe in Dünger; von V. Louvet-Milan. |
Fundstelle: | Band 116, Jahrgang 1850, Nr. XLVI., S. 237 |
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XLVI.
Ueber ein wohlfeiles Verfahren zum nachhaltigen
Desinficiren der Abtrittgruben, Gossen und stehender Wässer, und zur Verwandlung der
desinficirten Stoffe in Dünger; von V. Louvet-Milan.
Aus dem Moniteur industriel, 1849, Nr.
1403.
Louvet-Milan, über das Desinficiren der Abtrittgruben
etc.
I. Ueber das Desinficiren der Abtritte,
Abtrittgruben etc.
Der lästige Geruch und die schädlichen Dünste der Abtritte etc. sind bekanntlich
Folge der Verflüchtigung des kohlensauren Ammoniaks und der Bildung von
Schwefelwasserstoffgas, welches auf Menschen asphyktisch wirkt und Metalle schwärzt.
Das unten mitgetheilte Verfahren zur Vermeidung dieser Uebelstände hat sich durch
Erfahrung längst bewährt, ist das wohlfeilste und am leichtesten auszuführende,
daher es in vielen Städten zur Gesundmachung öffentlicher Anstalten, der Gossen, des
Pißplätze etc. gute Dienste leisten könnte. Nebenbei wäre es sehr wünschenswerth,
daß den Abtrittsräumern Vorschriften gegeben würden, wonach sie die mit ihrem
Gewerbe verbundene Gefahr und Krankheiten möglichst vermeiden können, ferner die
Landwirthe auf den Nutzen der in bequem anzuwendenden und fruchtbaren Dünger
umgewandelten, desinficirten Excremente aufmerksam zu machen.
II. Zubereitung der desinficirenden
Flüssigkeiten.
Diese Zubereitung ist mit sehr geringen Kosten verbunden. Die Flüssigkeit besteht
nämlich aus 2 Litern (Kilogr.) Wasser, 1 Kilogr. Eisenvitriol, 3 Decilitern (3/10
Liter) Kalkpulver, 2 Decilitern gestoßener Kohle, 2 Decilitern Ruß.Man kann etwas Wohlriechendes oder in Weingeist aufgelösten Kampher
zusetzen. Der Eisenvitriol wird zuerst im Wasser aufgelöst; warmes Wasser löst ihn
schneller auf; die Auflösung wird durch Umschütteln befördert. Nach dem Erkalten
werden die andern Substanzen zugesetzt.
Behufs einer bleibenden Desinficirung schüttet man in nicht zu langen Zwischenzeiten
von dieser Flüssigkeit in die Gruben, auf die Pißsteine, in die Gossen, sowie in die so
ungesunden Mistpfützen, und zwar mittelst einer Gießkanne; die Flüssigkeit muß
nämlich allmählich auf die zu desinficirende Materie fallen, damit die
beabsichtigten Verbindungen vor sich gehen können.
Dieß ist die bleibende und präventive Desinfection, durch welche der lästige und
ekelhafte Geruch der Wohnungen verhütet wird.
III. Desinficiren während des
Räumens.
Wo eine beständige Desinficirung nicht vorgenommen wird, begegnet man beim Räumen dem
üblen Geruch und der schädlichen Wirkung der Gase dadurch, daß man die
Eisenvitriollösung mit Ruß und Kalk vorher in die Grube schüttet. Die Schwefelsäure
des Eisenvitriols verwandelt das bei 3° R. sich schon verflüchtigende
kohlensaure Ammoniak in schwefelsaures Ammoniak, welches sich nicht oder doch nicht
so leicht verflüchtigt, und das Eisen verbindet sich mit dem Schwefel und bildet
(mit der Zeit) schwefelsaures Eisen, welches kein Schwefelwasserstoffgas mehr
erzeugt. Man rechnet ungefähr 3 Kilogr., in 6 Liter Wasser zergangenen Eisenvitriols
auf jeden Hektoliter Grubeninhalt, schüttet die Flüssigkeit entweder durch die
Abtrittbrille oder durch das Räumloch hinab, und rührt dann mit einer Stange recht
gut um. In dem Maaße, als die Verbindung vor sich geht, tritt die Desinfection ein
und der ammoniakalische Geruch verschwindet, nur einen schwachen, eigenthümlichen,
von den in dem Gemische vorhandenen Pflanzenstoffen herrührenden Geruch
zurücklassend. Die Excremente bilden nun eine schwärzliche Flüssigkeit, welche den
widerlichen Geruch nicht mehr besitzt. Der feste Theil derselben löst sich
großentheils auf und das wenige Zurückbleibende fällt zu Boden.
Man hat zum Räumen Pumpen, Schaufelwerke etc. anzuwenden versucht; aber alle diese
Mittel haben ihre Uebelstände; am zweckmäßigsten bedient man sich, wie im nördlichen
Frankreich, einfacher Eimer, deren Henkel am Ende einer Stange befestigt wird; der
Eimer, wenn er hinaufkömmt, stürzt sich in den auf dem FaßDie Fässer fassen 1 bis 1 1/2 Hektoliter. befindlichen Trichtet um, und so hat die Operation nichts Ekelhaftes und
nichts Gefährliches. Die mit einem Spund wohlverstopften Fässer können ohne Anstand
bei Tag fortgeführt werden. Die desinficirten Gruben gewähren den Vortheil, daß sie,
je nach dem Bedarf des Unternehmers, mit Unterbrechung geleert werden können, ohne
daß die Bewohner des Hauses dadurch belästigt werden. Wenn eine alte Grube zu leeren
ist, so schüttet man zuerst durch die Abtrittsbrille einige Hektoliter
desinficirender Flüssigkeit hinunter, und wenn beim Oeffnen der Grube nicht aller
Geruch verschwunden ist, noch weitere durch die Räumöffnung, mischt recht gut mit
der Stange u.s.f.
IV. Ueber die vortheilhafteste Anwendung
der desinficirten Excremente als Dünger.
Man kann als erwiesen annehmen:
1) daß die Speisen in unserm Körper eine Art Verkohlung erfahren, durch welche sie
eine dunkle, sich mehr oder weniger der Kohle nähernde Farbe erhalten;
2) daß die festen Excremente einer Person täglich ungefähr 750 Gramme, jährlich also
281 Kilogr. oder in runder Zahl 3 Hektoliter betragen;
3) daß die 3 Procent Stickstoff enthalten, welcher für die Pflanzen so nothwendig
ist;
4) daß sie zur Düngung von 20 Are Acker- oder Wiesenlandes und zur Erzeugung
von 400 Kilogr. Weizen, Roggen oder Hafer, oder 450 Kil. Gerste hinlänglich
Stickstoff liefern;
5) daß sie annähernd einen Werth von 5, 10 und selbst 20 Fr. haben, je nach den
Localverhältnissen und dem Preise des Düngers.
Nach diesen Daten und der Anzahl der auf landwirthschaftlichen Gütern etc. gewöhnlich
beschäftigten Personen, können Gutsbesitzer, große und kleine Landwirthe, Gärtner
etc. sogleich berechnen, welchen Nutzen ihnen die Desinfection der Excremente
gewährt.
Die Desinficirung der Excremente mittelst Eisenvitriols erfüllt den doppelten Zweck,
jede Belästigung zu entfernen und diesen Stoffen ihre ganze Düngkraft zu erhalten;
während, wenn man die Excremente in ihrem natürlichen Zustand verbreitet, das darin
enthaltene kohlensaure Ammoniak, ihr wirksamster Bestandtheil, sich verflüchtigt und
durch den Einfluß der Luft und Sonne bald verloren geht.
Der mit Eisenvitriol gesättigte flüssige Dünger von 2° Baumé für
gesäete oder gepflanzte Ernten und von 3° Baumé für natürliche Wiesen
ist folgendermaßen anzuwenden: 2 Liter reichen zum Düngen eines Quadratmeters (1/100
Are) Wiese, und die Hälfte davon für ebensoviel mit Weizen, Gerste oder Hafer
bebautes Ackerland hin. Uebrigens lehrt die Erfahrung, daß ein Hektoliter feste
Excremente mit ihrem dreifachen Volum Wassers, im Zustande eines flüssigen Schlammes
mit dem zweifachen, und die flüssigen mit zwei Dritteln ihres Volums Wassers
verdünnt werden müssen. Wenn man von solchem Dünger zuviel anwendet, so wachsen die
Getreidearten zu stark, legen sich um und geben mehr Stroh und weniger Korn.
Der Gehalt der Excremente an Ammoniak ist je nach der Nahrung der Menschen, von
welchen sie kommen, oft auch weil Wasser hineingegossen wird, verschieden; man muß
die Menge des Eisenvitriols dem Ammoniakgehalt derselben anpassen; in der Regel
genügen 2–3 Kil. Eisenvitriol zum Sättigen von 100 Litern Excremente. Weit
entfernt schädlich zu seyn, ist der Eisenvitriol der Vegetation sogar sehr
zuträglich, wenn man ihn in kleiner Menge, 8 bis 10 Gramme per Liter Dünger anwendet.
Uebrigens gibt es verschiedene Zubereitungen für diese Stoffe; allein aber dürfen sie
nicht angewandt, sondern ihre Kraft muß etwas gemildert werden durch Vermengung
entweder mit Stroh- oder Stalldünger und dergl., oder mit kohlenhaltigem Sand
etc., oder auch mit Flüssigkeiten.
In der Umgegend von Reims pflegt man eine große Menge solchen Inhalts der Abtritte im
Zustand einer dicken Flüssigkeit in der Art zu verbrauchen, daß man den Strohmist
aus Ställen damit stark begießt, wo dann die Wirksamkeit der im Stroh enthaltenen
thierischen Excremente durch diesen Gährungsstoff sehr erhöht wird.
Von allen Verfahrungsweisen ist die zu Lille und in Belgien gebräuchliche die
wohlfeilste und wenigst kostspielige. Hier sammelt man diese Stoffe das ganze Jahr
hindurch, schüttet sie in cisternenartige, gemauerte Reservoirs neben dem Wege, am
Ende eines Stück Landes, auf einem unbenützten Fleck; in diesen verschlossenen
Behältern sind die Excremente vor den vorzüglichen Ursachen der Gährung, nämlich
gegen den Zutritt der Luft, gegen Erhöhung und Wechsel der Temperatur geschützt.
Will man sich ihrer nun zum Begießen bedienen, so schöpft man eine Portion heraus,
die man mit ihrem 3-, 4-, bis 6fachen Gewicht Wassers verdünnt, je
nach ihrer Dicke und Stärke, und füllt Fässer damit an. Diese Mischung wird auf dem
Boden ausgebreitet mittelst eines auf einem Wagen befindlichen Fasses, aus welchem
man die Flüssigkeit durch ein Loch von 1 Zoll Durchmesser auf ein rückwärts
geneigtes Brett ausfließen läßt, welches sie recht gleichförmig vertheilt, oder, wenn der Boden
schon seine Ernte trägt, durch ein kleines Faß, das von zwei Männern getragen wird,
und aus welchem man mit einer Wasserschaufel schöpfte, um sie im Fluge weithin über
die Pflanzen zu gießen.