Titel: | Ueber das beim Eisenbahnwesen verwendete Eisen. Bericht der zur Untersuchung dieses Gegenstandes von der englischen Regierung angeordneten Commission. |
Fundstelle: | Band 116, Jahrgang 1850, Nr. LIII., S. 264 |
Download: | XML |
LIII.
Ueber das beim Eisenbahnwesen verwendete Eisen.
Bericht der zur Untersuchung dieses Gegenstandes von der englischen Regierung
angeordneten Commission.
Aus dem Civil Engineer and Architect's Journal, März und
April 1850.
(Schluß von Seite 207 des vorhergehenden
Heftes.)
Ueber das beim Eisenbahnwesen in England verwendete
Eisen.
Von den vielen Versuchen, welche die Commission mit verschiedenen Roheisensorten
anstellte, die in dem Märzhefte des erwähnten englischen Journals weitläuftig
beschrieben sind und den daraus abgeleiteten Formeln und Folgerungen erwähnen wir
hier nur das Folgende, welches hauptsächlich Werth für die Technik hat. Wir beginnen
mit Bemerkungen über die schnelle Zunahme der Querstärke von
quadratischen Stäben bei geringer Zunahme der Querdurchschnitte. Diese
Schnelligkeit, mit welcher die Querfestigkeit oder Querstärke quadratischer Stäbe
bei geringer Zunahme ihrer Durchschnittsdimensionen zunimmt, scheint nicht immer bei
verschiedenen Versuchen zu gleichen Resultaten geführt zu haben. Bei quadratischen
Stäben von bestimmter Länge zwischen den Auflagepunkten wechselt die Querstärke wie
der Cubus der Seiten des Quadrats. Bei Stäben welche nicht viel stärker sind als 1
Zoll im Quadrat – von welcher Dimension sehr viele zu Versuchen verwendet
wurden – wird also ein Fehler z.B. von 1/10 Zoll bei den
Durchschnittsdimensionen, in Beziehung auf die Stärke in der Querrichtung, einen
Fehler von fast 1/3 veranlassen. Selten haben jedoch gußeiserne Stäbe ihre
Nominalstärke, weil es bei dem Guß großer Stücke schwierig ist, dieselbe mit
Genauigkeit zu erreichen, so daß Abweichungen von ungefähr 1/10 Zoll gewöhnlich
unberücksichtigt bleiben.
Bei den Versuchen, welche die Commission angestellt hat, versuchte man es, diese
Fehlerquelle dadurch zu vermeiden, daß man die Querschnittsdimension bis auf 1/1000
Zoll maß und mittelst der Theorie die Dimensionen auf die beim Guß beabsichtigten
zurückführte. Die Beschaffenheit und Größe der Fehler läßt sich leicht aus der
nachstehenden Tabelle erkennen, welche die Differenz der Festigkeit von
quadratischen Stäben, deren Querschnittsdimensionen um 100 Theile eines Zolles
zunehmen, enthält. Die zerbrechende Belastung von 1 Zoll im Quadrat starken Stäben
ist zu 448 Pfd. angenommen worden, was die Mittelzahl von vielen Versuchen mit
Gußeisen ist. Man ersieht aus dieser Tabelle, daß eine Differenz von weniger als
1/12 Zoll der Dimension einer Seite von einem Quadratstabe, eine Verschiedenheit der
Festigkeit von 1/4 Zoll veranlaßt; eine solche Differenz von 1/10 Zoll veranlaßt
eine Verschiedenheit von 1/3 in der Festigkeit, und eine Differenz von weniger als
1/7 Zoll eine Festigkeitsverschiedenheit von 1/2 Zoll.
Vergleichende Querfestigkeit bei
Querschnitten, welche nur wenig von einem Quadratzoll verschieden sind.
SeitenderQuadratstäbe.
Kubus der Seiten.
Größedes zerbrechendenGewichts.
AnnäherndeDifferenz wenn derStab 1 Zoll
imQuadrat hat.
1,00
1,000
448
–
1,01
1,0303
462
1/32
1,02
1,0612
475
1/17
1,03
1,0927
489
1/11
1,04
1,249
504
1/8
1,05
1,1576
519
1/6
1,06
1,1910
534
1/5
1,07
1,2250
549
5/22
1,08
1,2597
564
1/4
1,09
1,2950
580
5/17
1,10
1,3310
596
1/3
1,11
1,3676
613
10/27
1,12
1,4049
623
2/5
1,13
1,4429
646
10/23
1,14
1,4815
664
1/2
1,15
1,5209
681
10/19
Empirische Formeln über die
Zusammendrückung und Ausdehnung des Gußeisens in Verbindung mit der
entsprechenden Elasticität.
Das Gesetz über die Elasticität bildet die eigentliche Basis aller genauen Kenntnisse
von den statischen und dynamischen Eigenschaften eiserner Balken. Wenn man dieß aber
annimmt, so dürfen selbst die geringsten Irrthümer nicht unberücksichtigt bleiben,
weil die Formel nicht aus der abstracten Theorie, sondern aus den Versuchen selbst
abgeleitet wurde, und daher eigentlich bloß ein kurzer Ausdruck ihrer Resultate
ist.
Jeder Fehler in dem empirischen Gesetz vergrößert sich außerordentlich, sobald er auf
die Theorie der Balken angewendet wird. Das Resultat der Integrirung oder eines
andern analytischen Verfahrens bei dieser Theorie besteht darin, daß die Größe des
ursprünglichen Fehlers überall nicht der Größe derjenigen Fehler, welche er
veranlassen kann, angemessen ist. Wir erinnern hier, daß das ältere Gesetz der
Elasticität (des directen Verhältnisses der Längenkräfte zu der Ausdehnung oder
Zusammendrückung) zu der Folgerung führte, daß bei einem Balken die mittlere Biegung
und der in der Querrichtung wirkende Druck im geraden Verhältniß ständen. Dieses
Resultat ist aber nicht ganz richtig. Es wurde eine geringe Zunahme der Biegung über diejenige bemerkt, welche von der
verhältnißmäßigen Zunahme des Druckes herrührt, und diese Zunahme rührte von einem
kleinen Fehler in dem angenommenen Elasticitätsgesetz
her. Nun sind zwar diese geringe Zunahme und dieser kleine Fehler an und für sich
gering, aber bedeutend in Beziehung zu einander.
Was nun die empirische Formel betrifft, so hängt eine solche von keinen abstracten
Entwickelungen ab, aber ein solches Verfahren ist einerseits ganz unwissenschaftlich
in seinen Principien, andererseits ungenügend in seinen Resultaten. In der
Formel
w = ae – be²,
in welcher w die ausdehnende Kraft
und e die Ausdehnung bezeichnen, sind zwei empirische
Coefficienten a und b
vorhanden.
Wäre nun die Formel absolut richtig, und könnte man absolut genaue Versuche machen,
so würden zur Bestimmung von a und b zwei Versuche hinreichend seyn. Eine solche absolute
Genauigkeit ist aber unerreichbar, und man erhält bei den Versuchen oft gänzlich von
einander abweichende Resultate.
Dagegen sind die mathematischen Gesetze der Combination von Beobachtungen bestimmt
und genau. Bei der Astronomie kommen sie fortwährend in Anwendung und man erhält
dabei möglichst genaue Annäherungen. Die Wichtigkeit des Gegenstandes für die
allgemeine Physik hat die Mathematiker schon längst zu der Ueberzeugung gebracht,
daß sie ihre Resultate nach bestimmten Grundsätzen und nicht nach willkürlichen
Mittelzahlen combiniren müssen. Seitdem Gauß seine Theoria combinationis observationum veröffentlichte, ist
diese Lehre den berühmtesten Mathematikern aller Länder, und sogar den Praktikern
zugänglich geworden. Prof. Adams zu Cambridge hat die Theorie der Beobachtungscombinationen
auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden gesucht, indem er eine sehr einfache
Methode ausfindig machte, um die Formel zu erweitern und die Kubikzahl der
Ausdehnung darin aufzunehmen. Die Uebereinstimmung der theoretischen und der aus den
Beobachtungen berechneten Resultate ist alsdann groß und genau; und die dazu
erforderliche Arbeit ist bei weitem nicht so bedeutend, als wenn Mittelzahlen ohne
Regelmäßigkeit angenommen werden.
Wir wenden uns auch zu den Versuchen über die Zusammendrückung, welche in dem hier auszugsweise mitgetheilten Bericht
besprochen sind. Sie können nicht genau durch eine Formel ausgedrückt werden, welche
bloß zwei Kräfte und nicht auch eine dritte dabei einführt. Wir sind dabei zu der
Ueberzeugung gekommen, daß die Unregelmäßigkeiten in den Versuchen selbst ihren
Ursprung haben, und die Beobachtungsfehler wahrscheinlich weit größer sind als die
bei den Versuchen über die Spannung begangenen.
Die Versuche über die Zusammendrückung wurden auf folgende Weise angestellt: ein 10
Fuß langer und 1 Zoll im Quadrat starker Stab wurde in ein an beiden Enden offenes,
aber sehr starkes Gestell gebracht, so daß er der Länge nach zusammengedrückt werden
konnte, die Seitenbiegung aber möglist vermieden wurde. Das Gestell bestand aus zwei
parallelen, zusammengeschraubten Stücken, so daß sie nur so weit aus einander lagen
als es die Stärke der Stäbe erforderte, von welchen vorauszusetzen war, daß sie von
der geraden Linie nicht abweichen könnten. Diese Abweichung ließ sich jedoch nicht
gänzlich vermeiden, wahrscheinlich weil das Gestell nicht stark genug war; denn man
konnte bei einem Druck von 16–18 Tonnen eine Biegung in der Längenrichtung
wahrnehmen. Man beschränkte daher den Druck auf 14 Tonnen, wobei man keine Biegung
wahrnahm, und leitete die Wirkungen der höheren Drucke aus den Wirkungen der
geringern ab.
Wenn nun, wie der Bericht über die Versuche ausdrücklich besagt, die Stäbe bei einem Druck von
16–18 Tonnen eine sehr merkliche Biegung hatten, so dürfen wir annehmen, daß
diese Biegung bei geringern Pressionen nicht wegfiel, sondern nur dem unbewaffneten
Auge nicht bemerkbar war. Eine dem unbewaffneten Auge gänzlich unbemerkbare Biegung
kann aber die Versuche für Schlüsse auf das Gesetz der Elasticität ebenfalls
unbrauchbar machen. Die Verkürzung des Stabes durch die Biegung rührt alsdann nicht
bloß von der Zusammendrückung in der Längenrichtung, sondern zum Theil auch von der
Verkürzung der Sehnen gewisser Curven, nämlich der Biegungscurve, her, und die
Verkürzung dieser Sehnen hat auf die Glieder der Formeln einen größern Einfluß als
der Ausdruck für den Mangel an Elasticität.
Verläßt man aber die geometrische Betrachtung und geht zu dem rein mechanischen
Gesichtspunkte über, so bietet der Fall große Schwierigkeiten dar. Die äußere
zusammendrückende Kraft erleidet nicht allein durch directe Pressung, sondern auch
durch dieselbe in Verbindung mit dem Querdruck Widerstand. Wenn auch der Stab
ursprünglich genau in das Innere des Rahmens paßt, so werden doch dessen Seiten
durch einen starken Druck aus einander gedrängt und es weicht das Ganze von der
geraden Linie ab.
Nun lassen sich die Wirkungen des fraglichen Drucks auf folgende Weise erläutern: man
lege einen dünnen flachen Stab von Holz, Fischbein oder Stahl auf eine Tafel und
stütze seine beiden Enden gegen feste Punkte, so daß sich der Stab etwas nach
aufwärts biegen muß. Wenn man nun einen geringen Druck auf den Scheitel dieser Curve
anbringt, so wird er sich mit bedeutender Vervielfältigung zu den festen Punkten
fortpflanzen, und zwar um so mehr, je weniger der Stab gebogen ist. Hienach ist
einleuchtend, daß der gebogene gußeiserne Stab, wenn er gegen die Seiten des ihn
umschließenden Gestelles drückt, dadurch einen großen Widerstand gegen die äußere
Kraft, welche der Experimentator anwandte, erlangte. Eben so einleuchtend ist es
aber, daß große Irrthümer durch die Annahme entstehen werden, daß die einzigen
äußern Kräfte, welche auf den Stab einwirken, diejenigen an den Enden seyen.
Diese Betrachtungen führen zu dem Schluß, daß die Versuche Abweichungen zeigen
müssen, und dieß scheint auch ohne Zweifel der Fall zu seyn.
Wir wollten in dem Mitgetheilten nur einige Andeutungen über den Gegenstand geben,
dessen große praktische Wichtigkeit einleuchtet, in dessen Details wir aber nicht
näher eingehen können.