Titel: | Bericht über die Bereitung des Stärkmehls aus Roßkastanien und die Anwendung aller Theile dieser Frucht, ferner über die Stärkmehlbereitung aus der Aronswurzel und der Zaunrübe; von A. Chevallier. |
Fundstelle: | Band 116, Jahrgang 1850, Nr. LXII., S. 310 |
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LXII.
Bericht über die Bereitung des Stärkmehls aus
Roßkastanien und die Anwendung aller Theile dieser Frucht, ferner über die
Stärkmehlbereitung aus der Aronswurzel und der Zaunrübe; von A. Chevallier.
Aus dem Bulletin de la Société
d'Encouragement, Febr. 1850, S. 68.
Chevallier, über die Bereitung des Stärkmehls aus Roßkastanien,
Aronswurzel etc.
Dem Comité der Gesellschaft für chemische Gewerbe wurde eine Abhandlung des
Hrn. Calmus übergeben, welche
zum Gegenstand hat: 1) die Bereitung des Stärkmehls aus der Roßkastanie und die
Anwendung aller Theile dieser Frucht; 2) die Bereitung von Stärkmehl aus dem Arum maculatum (Aronswurzel); 3) die Bereitung des
Stärkmehls aus der Zaunrübenwurzel. Folgendes ist das Ergebniß unserer Prüfung
dieser Arbeit.
Hr. Calmus sagt, es sey nach
seinen Versuchen überflüssig, mit der Roßkastanie chemische Operationen vorzunehmen,
um ein von Bittere freies Stärkmehl zu erhalten; es könne dasselbe auf folgende
Weise bereitet werden:
Man zerreibt die Kastanien und wäscht das Product um das Satzmehl zu erhalten; ist
dieses abgesondert, so läßt man es 12 Stunden lang mit Wasser weichen, indem man von
Zeit zu Zeit umrührt. Alsdann wird das Wasser abgegossen und das Satzmehl noch
zweimal auf dieselbe Art ausgewaschen; man wirft letzteres nun auf ein feines
Leinentuch, damit das Wasser vom Stärkmehl ablauft.
Ferner, sagt Hr. Calmus, kann
1) die Schale der Kastanien zum Gerben verwendet werden; das zum Auswaschen des
Kastanienstärkmehls dienende Wasser kann bei Färbern und Fleckenputzern Anwendung
finden; 3) mit dem Mark kann man Geflügel, Schweine etc. füttern.
Die Schwester des Hrn. Calmus
bereitete Stärkmehl aus Kastanien ohne Alkali; auch bediente sie sich des
Waschwassers dieser Stärke, um Seidenzeuge von Flecken zu reinigen, ohne daß die
Farbe des Zeugs Schaden litt.
Versuche hinsichtlich der Brodbereitung mit diesem Stärkmehl ergaben, daß es sich
dazu nur mit Zusatz von 50 Procent Getreidemehl eignet.
Bei seinen Versuchen mit der Wurzel von Arum maculatum
erhielt Calmus ein geschmackfreies Stärkmehl, welches als
Nahrungsmittel dienen und mit Zusatz von 50 Procent Weizenmehl zu Brod verbacken
werden kann.
Die Aronswurzel, sagt Calmus, die in kühlem, waldigem
Boden wächst, dürfte wohl der Cultur werth seyn, weil sie an Plätzen wächst, wo
andere Nutzpflanzen nicht fortkommen. Das Arum-Satzmehl ist nach ihm leichter zu gewinnen, als dasjenige der
Kastanie; davon haben wir uns auch überzeugt.
Auch aus der Zaunrübenwurzel (bryonia) kann das Stärkmehl
gewonnen werden und jedenfalls als Ersatzmittel des gewöhnlichen Stärkmehls
dienen.
Folgendes ist über fragliche Gegenstände schon früher veröffentlicht worden:
Die Roßkastanie betreffend haben 1) Parmentier, Baumé,
Couverchel etc. schon von Bittere freies Stärkmehl durch bloßes Auswaschen
derselben mit Wasser erhalten; 2) Marcandier im Jahr 1757
und später d'Argicourt die Anwendung des Waschwassers zum
Reinigen des Weißzeugs und zum Walken von Wollenzeugen empfohlen; 3) eine Menge
Schriftsteller auf die Anwendbarkeit des Kastanienbreies als Futter für Vieh und
Geflügel hingewiesen.
Die Früchte von Arum maculatum anbelangend, sagt 1) Bosc im Nouveau dictionnaire
l'histoire naturelle, 1803, daß die Aronswurzel in einen Teig verwandelt,
ausgetrocknet, und wie die Cassave präparirt, bei Hungersnoth als Nahrungsmittel
dienen, auch mit Nutzen zur Bereitung von Stärkmehl verwendet werden könnte; auch
sey sie als Surrogat der Seife anwendbar;
2) bemerkte Dulong, Apotheker zu Astafort, im Jahr 1826,
daß er bei Behandlung des Arum maculatum, um den
wirksamen Bestandtheil daraus abzuscheiden, ein Satzmehl ohne Schärfe und Bittere
erhielt; er sagt, daß wegen der Menge desselben und der Leichtigkeit, mit welcher es
von dem scharfen und giftigen Bestandtheil zu trennen ist, die Wurzel in Zeiten der
Hungersnoth von Werth sey; dazu komme noch ihre leichte Fortpflanzung in ganz
uncultivirtem Land.
Schon vor Bosc und Dulong war
man auf Benützung des Arum bedacht; am Anfang des 18ten
Jahrhunderts wurde nachgewiesen, daß diese Wurzel sehr gutes Stärkmehl liefere, auf
dessen Bereitung sich auch ein Hr. Vaudreuil im Jahr 1714 ein Patent für 20 Jahre ertheilen ließ,
welches er unter der Bedingung erhielt, daß wenn die Wurzelstärkefabrik ein Jahr
lang ruhe, das Patent erlösche.
Bei der Bereitung von Stärkmehl aus der Aronswurzel muß man sich auf mechanische
Mittel beschränken, weil ihr Teig auf der Haut Rothlauf erzeugt und die Fabrication
im Großen also den Arbeitern gefährlich werden könnte.
Hinsichtlich des Stärkmehls der Zaunrübenwurzel zeigte nach Bosc zuerst Baumé, daß es ganz identisch
ist mit demjenigen der Kartoffeln. Ferner sagt Bosc (a.
a. O.), daß dasselbe viel Aehnlichkeit habe mit dem Amidon des Manihot, und daß Morand aus dem Stärkmehl des Arons eine gute Cassave nach dem in Amerika für die Manihotwurzeln
gebräuchlichen Verfahren bereitet habe.
Während der Hungersnoth der ersten Revolution, sagt Bosc, habe er Zaunrübenstärkmehl bereitet und öfters gegessen, und
sich von dessen Nahrhaftigkeit überzeugt; doch habe er es durch Waschen von dem
dieser Wurzel eigenthümlichen Geruch und Geschmack nicht ganz befreien können,
welcher Fehler aber nicht von Belang sey und durch etwas stärkere Würzung
verschwinde;“ weiter sagt er: die Zaunrübenwurzel müsse zur Gewinnung
des Stärkmehls im Herbst und Winter gezogen werden.
Dulong hat sich auch mit dieser Wurzel beschäftigt und
sagt, daß man sich ihrer zur Nahrung bedienen könne wie des Arons.
Die Commission schließt ihren Bericht mit Anerkennung der nützlichen Bemühungen des
Hrn. Calmus.
Paris, 19 Dec. 1849.
Nachtrag.
Die Notices de l'almanach sous verre des associés de la
rue du Petit-Pont, Paris 1797, enthalten folgende Stelle:
„Stärke und Kleister. Beide können aus den Roßkastanien, besonders aber aus der
sogenannten Aronswurzel gewonnen werden. Man bedient sich ihrer hiezu in
Deutschland und hat schon im Jahr 1741 in Frankreich einen Versuch gemacht; ein
Kräutersammler bereitete daraus sehr gute Stärke und Kleister für Papier-
und Papparbeiter.
Zweiter Bericht über die Bereitung des
Stärkmehls aus der Roßkastanie und der Aronswurzel; von Hrn.
Chevallier.
Dem Comité liegt eine zweite Abhandlung des Hrn. Calmus vor, welcher derselbe, behufs damit
anzustellender Versuche, beilegte: 1) aus Roßkastanie und der Aronswurzel
gewonnenes, von Bittere befreites Stärkmehl, welche er als zur Nahrung geeignet
bezeichnet; 2) aus diesem Stärkmehl bereitetes Brod und ein Zeugniß von dem Bäcker,
welcher es bereitete.
Nachdem ich mich über dieses Stärkmehl und seine Anwendungen im ersten Berichte schon
ausgesprochen habe, bemerke ich hinsichtlich der Brodbereitung noch, daß wenn das
Stärkmehl, es mag von der Roßkastanie, oder von der Arons-, oder sonst einer
Wurzel herrühren, von seiner Bittere gänzlich befreit ist, kein Hinderniß mehr da
ist, es zur Brodbereitung zu verwenden, wie dieß auch in Jahren, wo die Mehlpreise
sehr hoch waren, mit der Kartoffelstärke geschah. Ich erfuhr, daß die
Stärkefabrikanten zu einer solchen Zeit wöchentlich oft 80 Säcke Kartoffelstärkmehl
an ein einziges Haus ablieferten, welches dasselbe dem für die Pariser Bäcker
bestimmten Mehl beimengte.
Im Jahr 1839 ließen wir durch den geschickten Bäcker, Hrn. Robin, Brod mit 50 Procent Kartoffelstärkmehl
backen, welches als sehr gut befunden wurde.
Man hat also, wenn man Stärkmehl aus Kastanien, Arons- oder Zaunrübenwurzel
als Nahrungsmittel verwenden will, nur darauf zu sehen, daß es durch wiederholte
Waschungen von den Bestandtheilen befreit werde, die ihm seinen bittern Geschmack
ertheilen.
Seit unserm ersten Bericht erfuhren wir erst, daß aus den Kastanien bereits Stärkmehl
als Nahrungsmittel gewonnen und die Aronswurzel in den Haushaltungen angewandt
wird.
In Folge einer von Dr. Flandin
im Jahr 1848 der Akademie der Wissenschaften gemachten Mittheilung,Polytechn. Journal Bd. CX S. 319. Man
vergleiche auch über die von Dr. Hedenus mit den Roßkastanien erzielten Resultate
die Mittheilung von Prof. Schloßberger im polytechn. Journal Bd. CXI. S. 77. daß er das Kastanienmehl mittelst kohlensauren Natrons von seiner Bittere
befreit erhalte, erklärte Hr. Ch.
Bouchotte, Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Metz, daß das
Kastanienstärkmehl schon seit langer Zeit frei von Bittere ohne Beihülfe eines
chemischen Agens gewonnen werde; er erinnerte, daß solches Stärkmehl im Jahr 1847
auf der Ausstellung der Gartenbaugesellschaft war. Mit der Untersuchung dieses
Gegenstandes wurden im Jahr 1849 die HHrn. Bouchotte, Bournier, Terquem und Langlois als Commission beauftragt; dieselben
fanden bei ihren Versuchen, daß man, gleichviel ob reines oder mit kohlensaurem
Natron versetztes Wasser angewandt wird, aus den Kastanien ungefähr 20 Procent ganz
weißes, und von seiner Bittere vollkommen befreites Stärkmehl erhält. Die Anwendung
von kohlensaurem Natron ist daher ganz unnütz, und bloßes
Wasser vollkommen ausreichend, wie Hr. Bouchotte behauptet hatte. Hr. Langlois bemerkt schließlich in
seinem Bericht, daß man zur Zeit einer Hungersnoth den nahrhaften Bestandtheil der
Kastanie wohl zunutze machen könne, daß es aber nicht anzurathen sey, der Cultur des
Roßkastanienbaums zu diesem Zweck für gewöhnlich eine größere Ausdehnung zu
geben.
Hr. Delpech hat uns seit unserm
ersten Bericht eine Abhanglung eingesandt, worin das Verfahren mitgetheilt ist,
wonach in den Departements der Isère und der Eure das Stärkmehl aus den
Kastanien gewonnen wird.
Sie werden nämlich von der Schale befreit und mit kaltem Wasser gewaschen, um sie vollkommenvollkommmen zu reinigen; hierauf werden sie mittelst des Reibeisens in einen feinen
Brei verwandelt, welcher mit vielem Wasser auf einem dichten Haarsieb ausgewaschen
wird. Damit wird fortgefahren, so lange das Wasser noch Stärkmehl mitreißt; das so
von der Fasersubstanz getrennte Stärkmehl wird in einem kegelförmigen Gefäß, über
welchem das Auswaschen vorgenommen wurde, gesammelt. Wenn es sich recht gesetzt hat,
so wird das überstehende Wasser, ohne es aufzurühren, abgegossen, dann der Bodensatz
(das Satzmehl) in recht reines Wasser eingerührt, worauf man das Gemisch durch ein
sehr feines Seidensieb laufen läßt; man läßt nun abermals 5–6 Stunden lang
ruhen, gießt ab wie das erstemal, rührt das Stärkmehl neuerdings mit seinem
50–60fachen Volum Wassers an und läßt ruhen. Nach einigen Stunden hat sich
die Stärkmehlsubstanz zu Boden begeben; wenn dieses letzte Waschwasser seine
Durchsichtigkeit wieder erlangt hat, so gießt man es ab.
Man bringt nun das Stärkmehl auf einen mit Füßen versehenen Rahmen, welcher mit
weißem dichten Zwillich bespannt ist, der vorher befeuchtet wird, um es abtropfen zu
lassen; nachdem es die nöthige Consistenz erlangt hat, zertheilt man es in Stücke,
welche man auf Brettchen in eine auf 29° R. geheizte Trockenkammer bringt
oder der Sonne aussetzt; man schützt das Stärkmehl dabei vor Staub durch Bedecken
mit grobem Musselin.
Die Stärke ist trocken genug, wenn sie recht zerreiblich ist; sie gleicht dann der
besten Getreidestärke an Weiße und Feinheit, eignet sich zu denselben Zwecken wie
die Kartoffelstärke und ist ein sehr gesundes Nahrungsmittel.
Das beschriebene Verfahren wurde vor einigen Jahren der Société d'Agriculture zu Dijon mitgetheilt und zugleich
mehrere Stücke Leder, welche mit dem in den ersten Waschwassern der Kastanien
enthaltenen Farbstoff gelb gefärbt waren.
Hinsichtlich der Fütterung des Viehs mit der Aronswurzel theilte Hr. Delvaux-Lousier der
Ackerbaugesellschaft zu Blois mit, daß diese Knollen gekocht, ein vortreffliches
Mittel zur Mästung der Schweine seyen und in der ganzen Gegend benützt werden; so
sehr man sich bei der Schärfe dieser Pflanze darüber verwundern müsse, so sey doch
noch nie ein Unfall dabei vorgekommen; er sah diesen Brei, mit einer Handvoll Kleien
versetzt, Morgens und Abends in Portionen von etwa 15 Litern auf jedes Schwein
austheilen.
Hr. Delvaux ist der Meinung,
daß das scharfe Princip des Arum hiebei wie ein Narcoticum wirkt, nämlich die
Lebenskraft abspannt, hingegen das Fettwerden auf dieselbe Weise begünstigt wie der
Lattich. Andere
betrachten bekanntlich das scharfe Princip des Arum als sehr flüchtig; in diesem
Falle würde es sich in der Wärme bald verflüchtigen.
Es wäre im Allgemeinen wünschenswerth, daß von Seite der landwirthschaftlichen
Gesellschaften Anleitungen zur Benützung einer Menge bisher noch wenig in Gebrauch
gezogener Pflanzenproducte veröffentlicht würden, als da sind die Kastanien und ihre
Schalen, die Arons- und die Zaunrübenwurzel, die Eicheln, die Wurzeln
verschiedener Orchisarten, welche Salep liefern können, der Kornraden, die so
zahlreichen und so verschiedenfarbigen Flechten, die Pilze, selbst die giftigen,
welche nach Prof. Pouchet's
Versuchen vermittelst einer gewissen Behandlung zur Fütterung der Hausthiere
verwendet werden, und nach andern für die Färbereien geeignete Stoffe liefern
können.
Paris 15. Febr. 1850.