Titel: | Skizzen über einzelne Zweige der brittischen Industrie; gesammelt von Dr. F. Knapp, außerordentlichem Professor der Technologie und Chemie an der Universität zu Gießen. |
Fundstelle: | Band 116, Jahrgang 1850, Nr. LXXIII., S. 370 |
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LXXIII.
Skizzen über einzelne Zweige der brittischen
Industrie; gesammelt von Dr. F.
Knapp, außerordentlichem Professor der Technologie und Chemie an der
Universität zu Gießen.Die früheren Mittheilungen des Verfassers, welche die Gaswerke von London und Glasgow, die Salinen von Chester und die Spiegeltafelgießerei zu Ravenhead in England betreffen, erschienen im
polytechn. Journal Bd. CII S. 381 und
440, Bd. CIV S. 182.
Knapp, über Bierbrauerei und Destillation in England.
D. Bierbrauerei und Destillation in England.
I. Bierbrauerei.
Das brittische Brauwesen hat denselben geschichtlichen Verlauf genommen wie
anderwärts: man braute Jahrhunderte lang das Bier lediglich aus Getreide und
Wasser, ohne ein anderes wesentliches Ingredienz. Die Beschaffenheit und
beschränkte Haltbarkeit eines solchen Getränkes würde seinen Absatz in jetziger
Zeit wahrscheinlich unmöglich machen. Der charakteristische Zusatz unserer
modernen Biere, nämlich der Hopfen, ist
verhältnißmäßig neu; er ist in England erst ums Jahr 1549 eingeführt worden, und
theilte das Schicksal vieler wichtigen Erfindungen, welche bei ihrem Aufkommen
in die Acht erklärt wurden. In dem genannten Jahr reichten nämlich die Bürger
der City von London bei dem Parlament eine Petition um ein Verbot des Hopfens
„als einer schädlichen und übelschmeckenden“ Panscherei
ein. Dieser Petition wurde auch zweimal, nämlich unter Heinrich VI und VIII
Folge gegeben. So sehr man sich versucht fühlt, über die Beschwerde der Cockney's zu lächeln, so ist sie doch, was das
„schädlich“ betrifft, nicht ohne Grund und mehr
übertrieben als unwahr. Man muß sich nämlich erinnern, daß der Hopfen im
Arzneischah in seiner doppelten Eigenschaft als diureticum
undnnd
narcoticum anerkannt und Vergiftungen durch Hopfen,
selbst äußerliche, völlig constatirt sind. Das Leben des gewohnheitsmäßigen
Biertrinkers hat insofern unläugbar einiges mit dem des Opiumessers gemein, denn
in den gedachten Eigenschaften ist das Bier der Erbe des Hopfens. Ich überlasse
übrigens die Nutzanwendung dieses Satzes auf die Vier- und Weinländer,
auf Geschichte und Politik, auf Ruhe und Revolution, dem Leser und wende mich
zur Sache.
Auf dem Continent, ganz besonders aber in Deutschland, wird das Braugeschäft nie
auf eigentlich fabrikmäßigem Fuß betrieben; selbst die Brauereien ersten Ranges
haben mit einer Fabrik nur die Ausdehnung, keineswegs die Methode des Betriebes
gemein. Die überwiegende, meist sogar ausschließende Handarbeit, sowie die
unvollkommene Theilung der Arbeit, gibt unsern Brauereien stets den Charakter
des Handwerkbetriebes, wenn auch in großem Maaßstabe. Ganz anders verhält sich
dieß in Großbritannien: dort gehört die Bierbrauerei zu denjenigen Geschäften,
die – zumal an den großen Consumtionsorten – nicht bloß in
großartiger Ausdehnung, sondern, soweit es die Natur des Geschäftes erlaubt,
nach dem Princip der Fabriken, d.h. durch systematisches Ineinandergreifen der
einzelnen Operationen, besonders aber durch Mitwirkung von Maschinen- und
großen Capitalkräften betrieben werden.Der Compagnon eines Brauhauses in London zog (schon vor 1830) als seinen
Antheil am Jahresgewinne 53000 Pfd. St. Im Jahr 1829 soll der Besitzer
einer Viertelsactie bei Barclay und Perkins einen Jahresantheil vom Gewinn von
59000 Pfd. St. bezogen haben. (Vergl. polytechn. Journal Bd. XXXVII S. 76 und Bd. XLI S. 400.) Einige der in
der unten zu beschreibenden Brauerei angestellten Actionäre erhalten
neben der Dividende noch 3000 Pfd. St. Salair.
Die brittische Brauerei beruht zugleich auf einer anderen commerciellen
Grundlage: sie überläßt stets das Malzgeschäft den Gerstenproducenten und
bezieht das Malz von diesen unter Ersparniß an Transport durch den Handel, und
ist in der Regel mit einem ausgedehnten Wirthschaftsbetriebe verbunden. Von
dieser Art sind unter andern die beiden größten Brauereien in London
„Barclay und Perkins“ und „Truman,
Hanbury, Buxton und Comp.“
Beide werden durch Actiengesellschaften betrieben und besitzen die
Zapfgerechtigkeit (license) einer großen Anzahl
Schenkwirthschaften der Stadttheile, welche sie versehen. Diese bilden den
Hauptabsatz. Man braut auch für den Export, aber nur auf Bestellung und ohne
Risico zu übernehmen. Das Nachstehende ist eine Skizze der Einrichtung des
Brauhauses der letzteren Compagnie nach ihren Hauptzügen.
Das Brauhaus ist vermittelst durchbrochener eiserner Böden in mehrere Stockwerke
abgetheilt und mit zwei mächtigen Dampfmaschinen ausgestattet, wovon die eine
bei Reparaturen u.s.w. zur Reserve dient. Die Brauerei bezieht das Malz von
sechs Malzern aus verschiedenen Grafschaften Englands, und zwar eine Sorte für
Ale und drei Sorten für Porter. Die dunkelste von diesen ist chokoladebraun und
dient nur zum Färben des Porters und gibt für sich keine gährungsfähige Würze
mehr. Der jährliche Malzverbrauch beträgt 100000 Quarters, das Quarter (= 8
Bushels oder 2,91 Hektoliter) zu 3 Pfd. Sterl. durchschnittlich. Die Treber
davon sollen sich in der Hauptstadt so hoch als Futter verwerthen lassen, daß
davon angeblich 2/3 vom Malzpreis gedeckt werden. Die Abhängigkeit vom Handel
macht es unvermeidlich, einen Vorrath von Malz zu halten, dessen Mittelwerth
beiläufig 50000 Pfd. Sterl. entspricht. Der Vorrath ist in einer Reihe sehr
trocken liegender Behälter oder Kammern von Holz aufgespeichert. Der Transport
und die längere Aufbewahrung bedingen wieder eine sorgfältige und umständliche
Reinigung des Malzes vor seiner Verwendung. Die Windmühle, worin die Körner
gefegt werden, führt sie zwischen zwei Sieben hindurch; ein grobes hält
Stückchen Holz, Steinchen u.s.w. zurück, ein feines läßt den Staub durch, den
der Luftstrom des Ventilators durch einen Canal ins Freie führt. Das gereinigte
Malz wird in einer Jakobsleiter – breite, über Rollen laufende
Lederriemen, woran blecherne Schöpfkasten angenagelt sind – dem als Rumpf
dienenden Behälter der Schrotmühle zugeführt. Sie besteht aus zwei Walzen,
welche verdeckt unter einer Verschalung arbeiten und dazu bestimmt sind, das
Malzkorn lediglich zu zerquetschen, nicht zu zerreißen oder zu brechen. Beim
Beginn des Schrotens fängt man etwas Malz mit einer Schaufel auf, welche gerade
so breit ist als die Walzen lang sind. Wenn die Walzen richtig stehen, so muß
das aufgefangene Schrot in der ganzen Breite der Schaufeln gleiche
Beschaffenheit zeigen. Man justirt den Gang der Walzen so lange mittelst dazu
vorhandener Stellschrauben, bis dieser Fall eingetreten ist. Die Schütze, welche
das Malz aus dem Rumpf zwischen die Walzen läßt, hängt durch Leinen und Hebel
mit dem Regulator der Dampfmaschine zusammen; ein rascherer Gang der Maschine, also auch
der Mühle, bewirkt dadurch reicheren Malzzufluß und umgekehrt. Stockt auf der
andern Seite der Abfluß des Schrotes durch irgend eine Veranlassung, so drückt
das sich anhäufende Schrot gegen ein Brett, und setzt mittelst dieses einen
Wecker in Bewegung. Eine zweite Jakobsleiter führt das Schrot in eine große
hölzerne Kammer von 8 bis 10 Fuß im Geviert. Eine solche Kammer befindet sich
über jedem Maischbottich und befördert das Malzschrot in denselben durch zwei im
Boden angebrachte Trichter mit Schiebern. Die eisernen Maischbottiche, drei an
der Zahl, sind rund, mit einem Seiheboden versehen, der stückweise
herausgenommen werden kann und dessen Löcher sich nach unten trichterförmig
erweitern. Das Wasser tritt von unten zwischen die zwei Böden ein, hebt das
Malzschrot in Gestalt einer compacten, schwimmenden Decke an die Oberfläche und
in das Bereich eines von der Betriebsdampfmaschine bewegten Einteigapparates.
Der wesentliche Theil desselben sind Gitter oder Rechen, welche die gewöhnlichen
Rührscheite oder Maischhölzer ersetzen. Je vier oder fünf solcher Rechen sind um
eine horizontale Welle angeordnet, die mit einem Ende auf dem Rande des
Maischbottichs, mit dem anderen auf einer in seinem Mittelpunkte aufgestellten
Säule ruht und durch eine Kette und Rolle in Umdrehung versetzt wird. Solcher
Wellen sind zwei in der Richtung eines Durchmessers angebracht; durch ihre
Umdrehung gerathen die gitterförmigen Flügel in eine, den Schaufeln der
Dampfschiffe analoge, nur viel langsamere Bewegung, reißen das Schrot
unaufhörlich unter die Oberfläche und vertheilen es in der Flüssigkeit. Auf
diese Art wurde indessen nur an zwei Stellen im Maischbottich gewirkt, was für
ein gleichförmiges, richtiges Einteigen nicht ausreicht. In der That wird dieses
erst dadurch vervollständigt, daß dem ganzen System der beiden Wellen mit
rechenförmigen Flügeln eine kreisförmig fortschreitende Bewegung angewiesen ist,
und zwar auf eine einfache Weise. Die Säule in der Mitte ist um ihre Achse
drehbar, das ihr entgegengesetzte Ende der beiden horizontalen Wellen an der
Peripherie geht in ein Zahnrad aus, was mit dem gezahnten Rade des Bottichs
dergestalt in Eingriff steht, daß die Umdrehung der Flügel zugleich ihr
Fortschreiten bedingt. Der beaufsichtigende Arbeiter unterstützt die Maschinerie
dadurch, daß er das Malzschrot hie und da den Rechen mit Krücken
entgegenschiebt. – Man pflegt die Durchfeuchtung des Schrotes auch durch
Begießen mit warmem Wasser in Form eines Regens zu unterstützen. Dieser Regen
liefert eine an der Decke herlaufende Wasserleitung, von welcher gerade über dem
Maischbottich ein senkrechter Schenkel herabgeht, der als Achse ein
horizontales, durch die Dampfmaschine im Kreise bewegtes Röhrenkreuz trägt. In der abwärts
gekehrten Fläche der vier Röhrenarme sind reihenweise feine Oeffnungen
eingebohrt, welche das Wasser in eben soviel dünnen, in Tropfen zerstiebenden
Strahlen ausspeien und durch ihre Kreisbewegung über dem Malz verbreiten.
Das Malz wird, je nach der Biersorte, bis zu fünfmal ausgezogen und sämmtliche
Würzen nach einander im Bräukessel vereinigt. Er gehört zu den geschlossenen,
ist von Eisen und mit Vorwarmpfannen versehen; seine Einrichtung ist die
bekannte schon in Prechtl's Encyklop. beschriebene. Der Hopfenzusatz ist bei Ale
stärker als bei Porter, nämlich 4 bis 5 Pfd. per
Barrel.1 Barrel, das englische Braumaaß, = 36 Gallons = 163,55 Liter oder 1,022
Darmst. Ohm. 1 Gallon = 4,54 Liter = 3,968 preuß. Quart. Der Hopfen wird in flachen Behältern mit durchbrochenem Boden abgeseiht
und mit den schwachen Würzen nachgewaschen. Für das Abholen der Hopfenrückstände
allein erhalten die Fuhrleute jährlich 100 Pfd. St. und sämmtlichen Pferdedünger
aus der Brauerei.
Die Kühlschiffe sind auf dem Speicher des Hauses aufgestellt, die älteren von
Holz, die neueren von Eisen. In jedem Kühlschiffe steht ein Paar hölzerne Schuhe
mit Absätzen, welche die Arbeiter beim Reinigen anlegen. An zwei
gegenüberstehenden Wänden sind Laden für den Durchzug der Luft in gleichem
Niveau mit dem Rande des Kühlschiffes angebracht. An den Sommertagen, wenn die
Abkühlung durch die Luft nicht mehr genügt, unterstützt man sie durch einen
Kühlapparat aus concentrisch in einander gesetzten Röhren. In der inneren Röhre
circulirt kaltes Wasser, in dem Zwischenraume, und zwar in entgegengesetzter
Richtung, das Bier.
Die Behandlung bei der Gährung ist für die verschiedenen Biersorten wesentlich
verschieden, indem der Porter anfangs in Masse, das Ale dagegen in getheilten
Portionen diesem Proceß unterworfen wird.
Der gekühlte Porter kommt für diesen Zweck in ein aufrechtstehendes Gährfaß aus 4
Zoll starken Dauben, von oben bis unten in Eisen gebunden, welches 54000
Gallonen = 1500 Barrels, d.h. ein ganzes Gebräu auf einmal faßt. Des ungeheuren
Gewichtes wegen stehen diese Fässer – von denen zwei vorhanden sind
– auf einem soliden Fundament, welches ein radförmiges, gußeisernes
Gerüst mit vier Säulen aus demselben Material trägt. Auf diesem Gerüste ist das
Faß aufgebaut und
dadurch seine Basis nach allen Seiten zugänglich; bei seiner Höhe (von mehr als
30 Fuß) aber ragt es in das obere Stockwerk, von welchem aus dann der obere
Theil zugänglich ist. In diesem ist seitlich eine Schauöffnung, eine Art
Fenster, angebracht, um die Gährung beobachten zu können. Steigt die Schaumdecke
über dieses Niveau, so dämmt man die Oeffnung mit einem dichtschließenden
Schieber ab. – Durch die große Masse gewinnt die Gährung der Würze
beträchtlich an Intensität und kräftigem Gang, aber freilich mehr als sich für
eine gute Nachgährung auf den Lagerfässern eignet. Es ist darum nothwendig, im
letzten Stadium die Hauptgährung durch Brechen dieser Masse herabzustimmen. Dieß
ist der Zweck der nachfolgenden Operationen. Sobald nämlich der erste stürmische
Act der Hauptgährung beendigt ist, vertheilt man den Porter in eine
entsprechende Anzahl kleiner, stehender Gährbottiche, jeder zu ungefähr 6
Barrels, und am oberen Rande mit einem hölzernen Ausguß versehen, durch welchen
der Hefenausstoß stattfindet. Die Bottiche sind in drei Reihen aufgestellt; vor
jeder Reihe ist ein gemeinschaftlicher Trog zur Aufnahme der ausgestoßenen Hefe
angebracht. Der Hefenausstoß kann in dieser Art nur vor sich gehen, so lange die
Bottiche auf das ursprüngliche Niveau gefüllt bleiben. Es muß also was an Hefe
abfließt, durch Würze ersetzt werden und zwar – wenn keine Störung im
Verlauf der Gährung stattfinden soll – mit Würze, die sich genau in
demselben Gährungsstadium befindet. Diesen Bedingungen geschieht durch einen
besonders zu diesem Zweck eingerichteten Auffüllbottich Genüge, dessen Inhalt in
gleichem Schritt mit der Würze der Gährbottiche vergährt. Weil aber sein Inhalt
größer ist und seyn muß als der der Gährungsbottiche, so neigt er zu einer
rascheren Vergährung hin und wird daher mit den letzteren nicht von selbst
gleichen Schritt halten. Man zwingt ihn aber dazu, indem man den Einfluß der
Masse durch Verminderung des Gährungserregers compensirt. Es geschieht durch
einen selbstthätigen Regulator, den „Parachute.“ So nennt
man einen in den Auffüllbottich mit der Spitze nach unten eingesetzten großen
Trichter von Eisenblech. Seine untere Mündung, die Röhre, geht vermittelst einer
Stopfbüchse durch den Boden, worin er sich also wasserdicht bewegen kann. Der
Trichter, der wie ein Schwimmer fungirt, ist nämlich so aufgehängt, daß er durch
den Druck der umgebenden Würze getragen wird, mit ihr steigt und fällt. Er wird
dadurch von selbst in der richtigen Stellung, nämlich mit dem oberen Rande ganz
nahe über dem Spiegel der Flüssigkeit erhalten. Sein Durchmesser ist so groß,
daß zwischen diesem Rande und dem Bottich nur ein schmaler, ringförmiger
Zwischenraum von 1 Zoll bleibt. Die aufsteigende Hefe wird mithin in diesen
engen Raum getrieben, wo sie – verhindert sich auszubreiten – über
den Rand des Trichters steigt und durch diesen abfließt. Die Würze im Innern des
Füllbottichs ist mithin während der ganzen Operation mit viel weniger Hefe in
Berührung als unter den gewöhnlichen Umständen, wodurch die Gährung auf den
gewünschten Grad ermäßigt wird. Eine andere Vorrichtung die Hefe abzuführen,
würde entweder nicht so gut mit der Flüssigkeit steigen und fallen, oder deren
Spiegel zu viel der Luft bloßgeben. Dagegen läßt der Parachute von der
Oberfläche der Würze gerade so viel frei, als noch hinreichend von der
aufschwimmenden Hefe bedeckt wird.
Die Würze selbst fließt auf ein Zwischenfaß mit Schwimmer, welches die
Gährbottiche der drei Reihen speist. In diesen erreicht die Hauptgährung ihr
Ende. – Das Jungbier kann aber auch jetzt nicht unmittelbar zur
Nachgährung gefaßt werden, weil in Folge des ungewöhnlich großen Gehaltes der
Lagerfässer die Nachgährung durch die Masse des Jungbiers zu stark angefacht
würde. Sie muß also vorher gewissermaßen auf den Nullpunkt herabgestimmt werden,
zu welchem Behuf das Jungbier erst auf kleinere, sehr flache Gefäße abgelassen
wird; sie kühlen das Bier beträchtlich ab; die Gasentwickelung hört völlig auf,
die Hefe sinkt, von der Ruhe begünstigt, zu Boden, der Rest der Kohlensäure
entweicht, und zwar so, daß das Bier für diese Zwischenzeit völlig schaal wird.
Allein die englischen Brauer wissen, daß dieses Abfallen nur vorübergehend und
bei der Stärke ihrer Biere ohne verderbliche Folgen ist. So kommt es in die
Lagerfässer.
Das Ale, seinem Begriffe nach ein substantiöses, unzersetzten Zucker enthaltendes
Bier, darf durchaus nicht bis zu dem Grad vergähren wie der Porter. Große
Gährgefäße würden es nur sehr erschweren, einen gewissen Theil des Zuckers dem
Biere zu erhalten, daher die Alewürze schon von vornherein in kleineren
Gährgefäßen gestellt wird. Diese sind meist viereckig, eher Kasten als Bottiche
zu nennen, und ebenfalls reihenweise gestellt. Nach vollendeter Hauptgährung
kommt das Ale unmittelbar in die Lagerfässer, die von derselben Art sind, wie
für den Porter.
In England ist es schon längst und allgemein üblich, den Extractgehalt der Würze
vor, während und nach der Gährung zu vergleichen und darnach den Vergährungsgrad
festzusetzen. Der Gehalt wird jedesmal mittelst eines Saccharometers bestimmt,
dessen Graduirung die Pfunde Extract im Barrel Bier anzeigt.
Nicht weniger hält man auf die richtigen Temperaturverhältnisse beim Brauen. Wie
sehr der gute Erfolg in der Meinung der Geschäftsführer davon abhängt, beweist
unter andern der Umstand, daß die im Brauhaus gebrauchten Thermometer mit
blinder Scale versehen sind. Auf diese Art ist es den Untergebenen völlig
unmöglich gemacht, das Geheimniß der als Norm dienenden Temperaturgrade zu
verletzen.
Die Lagerung des Biers ist bei der brittischen Brauerei durchaus eigenthümlich
und sie weicht in diesem Punkte am weitesten von den übrigen Braumethoden ab.
Dem Erfolg nach dürfte schwerlich eine andere als die bayerische mit ihr in die
Schranken treten; denn die englischen Biere nehmen, was gute Beschaffenheit,
besonders Glanzhelle und Geschmack (letzteren auf die Nationalgewohnheit
bezogen) betrifft, einen sehr hohen Rang ein. Was man nach dem bayerischen und
den ihm ähnlichen Brauverfahren durch das besondere eigenthümliche
Maischverfahren, durch die Untergährung und durch die niedere Temperatur beim
Lagern erzielt, das erreicht man in gleicher Vollkommenheit jenseits des Canals
– aber mit bedeutend höheren Kosten – durch langes Ablagern des
Bieres in ungewöhnlich großen Massen. Dieser Weg ist übrigens nur für Biere von
der Stärke und dem Gehalt der englischen und für ein ähnliches Inselclima
geeignet.
Die Locale zum Lagern sind zwar nicht tief genug unter der Erde angelegt, um
eigentliche Keller genannt zu werden, allein bei den weit geringeren
Schwankungen in der Temperatur der Jahreszeiten, wie sie den brittischen Inseln
eigen ist, reicht die halbunterirdische Lage jener Locale nichtsdestoweniger
hin, um ihnen den Hauptcharakter, nämlich einen nahe gleichbleibenden Wärmegrad
zu sichern. Sie besitzen in der erwähnten Brauerei eine Temperatur von
13° C., wobei die Temperatur des Bieres zwischen Sommer und Winter
angeblich nur um 1–2° C. verschieden ist. Es liegt auf der Hand,
daß bei der ungeheuren Masse des Bieres in einem solchen Keller, in
verhältnißmäßig wenige, aber durch ihre Größe sprüchwörtlich gewordene Behälter
vertheilt, der Biervorrath eher die Kellertemperatur beherrscht als umgekehrt.
Angenommen man lege diesen Vorrath der fraglichen Brauerei auf gewöhnliche
Ohmfässer, so würden diese der Luft eine ungefähr 12mal größere Oberfläche
bieten als in den großen Lagerfässern. Bringt man dazu in Anschlag, daß die in
Folge der Nachgährung entwickelte Wärme in Gefäßen, deren Inhalt gegen ihren
Umfang so sehr bedeutend ist, sich eben so langsam zerstreut als äußere
Temperaturveränderungen aufgenommen werden, so sieht man, daß diese Lagerfässer
eben durch ihre Größe einen Wärmeregulator abgeben.
Die Lagerfässer (vats) halten zwischen 1000 und 3000
Barrels (= 1635 bis 4907 Hektol.); man hatte sie früher bis zu 6000 Barrels.
Weil aber dieses Quantum viel größer ist als das augenblickliche Bedürfniß in
der Regel beträgt, und weil ein solches Faß, einmal angestochen, gleich ganz in
die Versandtfässer abgelassen werden muß und nicht halbvoll stehen kann, so
wurde deßhalb eine solche Größe zu unbequem. Von jenen Fässern sind 120 Stück
vorhanden, die also durchschnittlich zu 2000 Barrels angenommen, zusammen 240000
Barrels (= 245280 Ohm darmst. = 392400 Hektol.) Vorrath fassen. Nimmt man den
Preis von einem Barrel Bier zu 54 Sh. durchschnittlich an, so hält ein kleineres
Faß für 2700 Pfd. St., ein größeres für 8100 Pfd. St. Bier, und der ganze
Vorrath entspricht einem Capital von 648000 Pfd. St. Die Zinsen dieses Capitals,
welches den bloßen Bierwerth repräsentirt, die Fässer selbst gar nicht
gerechnet, betragen zu 5 Proc. jährlich mehr als 32000 Pfd. St.
Die Construction der Lagerfässer ist dieselbe wie die bei den großen
Gährbottichen beschriebene. Die Fundamente im Boden sind umgekehrte Gewölbe,
worauf zunächst ein gußeisernes Gestell und auf diesem das Faß aus 2 Zoll
starken Dauben aufrecht stehend errichtet wird. Es ist fast cylindrisch oder
nach oben nur soviel verjüngt als das Anziehen der Reife erfordert. Der obere
(also nicht mit dem Bier in Berührung befindliche) Boden ist mit feuchtem Sand
bedeckt. Das Bier lagert in diesen Gefäßen, unter einer bedeutend verminderten
Berührung mit der Luft 12–18 Monate, bis es trinkbar ist. Während dieser
Zeit setzt sich ungefähr 1 Zoll Hefe ab.
An einem, aufs Gerathewohl aus dem Betriebsjournal herausgegriffenen Tag gingen
aus dem Lager 200 Barrels Ale und 1760 B. Porter (ein Werth von 5000 Pfd. St.)
aus dem Brauhaus in die verschiedenen, damit in Verbindung stehenden Zapfhäuser
der benachbarten Quartiere.
Für diesen Transport, für den der leeren Fässer und verschiedene Nebendienste
werden Jahr aus Jahr ein 120 Stück Zugpferde einer prächtigen und weltberühmten
Race (jedes zu 60–80 Pfd. Sterl. im Ankaufspreis) unterhalten. Sie füllen
zwei große Stallungen. Eine kleinere Dampfmaschine von 6 Pferdekr. ist
ausschließlich damit beschäftigt, für diesen Marstall das trockene Futter zu
schneiden und mit Frucht zu vermengen. Dazu kommt die Veterinäranstalt mit einem
besonders angestellten Thierarzt und einem Krankenstall mit 6 Ständen, ferner
hie Schmiede mit Zubehör und Personal zum Hufbeschlag.
Das Bier, was auf diese Art in die Wirthschaften vertheilt wird, ist übrigens
nicht bloß altes und abgelagertes. Derjenige eigenthümliche Geschmack (flavour) nämlich, welcher der jetzt herrschenden
Neigung und Gewohnheit des brittischen Publicums entspricht, kann nur durch
Versetzen des abgelagerten mit jüngerem Bier erzielt werden, wie denn auch in
der Praxis üblich.
Im Ganzen beläuft sich die Arbeiterschaft in der Brauerei auf 300 Mann. Sie haben
vollkommen freien Trunk, aber unter der Bedingung augenblicklicher Entlassung im
Falle vorkommender Trunkenheit. Die Ablöhnung der Arbeiter macht, der kleinen
Münze wegen, eine ständige rückläufige Communication mit den Zapfhäusern
nothwendig. Zu diesem Zweck geht täglich ein eigener Karren in die verschiedenen
Quartiere und holt für 60 Pfd. St. Kupfermünze ein.
Es läßt sich leicht denken, daß die Reinigung der Fässer, besonders der zahllosen
Versandtfässer, in einer solchen Brauerei ein wichtiges und bedeutendes Geschäft
ist. Es geschieht nach der Methode von Davison und
Symington: das Faß wird zuvörderst in den Rahmen
einer besondern Maschine befestigt, welche ihm eine schaukelnde Bewegung und
zwar in den beiden verticalen Richtungen ertheilt. Dadurch scheuert ein Bündel,
vom Spund in das Faß hängender scharfer Ketten mit Zacken etc. die innere Fläche
rein. Um endlich allen Geruch zu entfernen und alle Keime der Gährung oder
Säuerung abzutödten, läßt man schließlich einen Strom heißer Luft von
300–400° F. hindurchstreichen. Diese Methode hat sich gegen das
früher übliche Ausschwanken mit heißem Wasser, sowohl in Beziehung auf das Bier
als auf Ersparniß an Arbeit und Zeit wohl bewährt. Daß aber dabei Umsicht und
Aufmerksamkeit, überhaupt gehörige Ueberwachung nothwendig ist, beweist ein
Vorfall in Alsop's East
India Ale-Brauerei, welcher dieses Geschäft dem Falliment nahe brachte.
Durch Ueberhitzung der Luft war nämlich das innere Holz der Dauben so sehr
verkohlt, daß dem Bier auf dem Transport fast alles Bitter und Aroma entzogen
wurde.
Um die zahlreichen vorkommenden Reparaturen an Dampfmaschinen und Geräthen kurzer
Hand zu besorgen, ist in einem Nebenbau der Brauerei eine mechanische Werkstätte
eingerichtet.
Endlich macht das Verhältniß der Brauerei zu den von ihr betriebenen
Schenkwirthschaften – welche nicht die Firma des Wirthes, sondern ohne
Ausnahme die der Brauer-Compagnie führen – ein Atelier nothwendig, worin
ein Jünger der höheren Weißbinderkunst in fester Anstellung dazu verwendet wird,
Aushängeschilder mit der Aufschrift: „Truman,
Hanbury, Buxton und Comp.“ zu
malen.
Die bei den Engländern übliche Bezeichnung für die verschiedenen Qualitäten der
stärkeren Porter, oder Stout, mit X, XX, XXX etc., bezog sich ursprünglich auf
die Schüttung, so daß X z.B. 10 Q. auf so und so viel Bier bedeutete. Später
vergaß man diese Bedeutung und verdoppelte oder verdreifachte die X schlechthin,
ohne darunter eine doppelte oder dreifache Schüttung zu verstehen.
Bei dem Porter und seinen Abarten sieht das Publicum sehr auf das sogenannte
„heading“, d.h. eine
gewisse bräunliche Farbe des Schaums, die er schwächer oder gar nicht mehr
zeigt, wenn er mit Wasser verdünnt worden. Betrügerische Wirthe, die sich damit
abgeben, halfen sich damit, daß sie dem Porter Alaun und schwefelsaures
Eisenoxyd zusetzen, wodurch eine subtile Fällung entsteht, die dann den Schaum
braun färbt. Die Alesorten werden am gewöhnlichsten mit Quassia gefälscht, um
ihnen durch Vermehrung des bittern Geschmacks den Anschein stärkerer Hopfung zu
geben.
II. Destillation.
Nicht minder interessant und schwunghaft, aber weniger berühmt und besucht sind
die Destillirgeschäfte in London. Ich rede hier natürlich von denjenigen
Geschäften, welche die Production einer geistigen Flüssigkeit betreiben, die
nicht für sich zum Genusse taugt, sondern gleichsam das corpus pro balsamo zu zahlreichen gemischten Branntweinen, wie der Ein
und Liqueure dienen etc. – Alle diese Sprite sind aus Frucht erzeugt,
denn die FabricationFabrieation von Kartoffelbranntwein ist ein in England unbekannter Industriezweig.
Spritfabriken ersten Ranges jener Art zählt London fünf, darunter die von den
Gebrüdern Currie in Bow; leider war mir nur ein
kurzer und flüchtiger Besuch daselbst gestattet, so daß ich Ihnen nur
oberflächliche Notizen darüber gebe, die ich lediglich zur Orientirung künftiger
Besucher hier folgen lasse.
Der Rohstoff für die Spritfabrication bei Currie's ist Gerste mit Hafer und einem
mäßigen Zuschlag von Malz, welche auf drei Luftnachdarren zuerst gedarrt und
dann geschroten, oder vielmehr gemahlen werden, denn das Schrot ist mehr mehlig
als körnig. Ein riesenhafter Maischbottich von 25 Fuß Durchmesser mit
mechanischem Rührapparat und ähnlicher Einrichtung wie die oben beschriebenen,
empfängt das Schrot zum Einteigen und Maischen. Ein Kessel von gleichem
Durchmesser und
einer Tiefe die durch zwei Stockwerke hindurch reicht, liefert das erforderliche
warme Wasser. Nach vollendeter Zuckerbildung zieht man die dünne aber nicht
klare Würze in die Kühlschiffe ab und wascht die Treber nach. Man will ermittelt
haben, daß der Stärkegehalt der letztern bis auf 1 Proc. in die Würze übergeht.
Die Kühlschiffe weichen von den in den Brauereien üblichen nicht wesentlich und
zwar nur insofern ab, als sie auf dem Boden mit zickzackförmigen Röhren versehen
sind, worin kaltes Wasser circulirt. Damit die warme Würze um so rascher auf die
Gährtemperatur abgekühlt wird, ist in jedes Kühlschiff ein hölzernes Gitter
eingesenkt; die mit den Röhren parallel laufenden Stäbe desselben legen sich in
die Zwischenräume zwischen die einzelnen Röhren und lassen nur einige Linien
Raum dicht um diese herum frei, so daß die Würze der kühlenden Fläche nirgends
entgehen kann. Die Kühlschiffe bei Currie's nehmen zusammen den Raum von 1/2 Acre (= 0,6 bayer.
Tagw.) ein und liefern die gekühlte Würze sofort auf die Gährgefäße, viereckige
hölzerne Kasten von 25000 Gallonen Inhalt und 22 an der Zahl. Solange sie leer
stehen, sind sie inwendig mit Kalk ausgestrichen.
Die ganze Destillation der weingahren Würze wird mit zwei Apparaten und jeder von
diesen direct mit Dampf betrieben. Ein solcher Apparat hat das Ansehen von einem
sehr großen Wandschrank, und ist ein hölzerner, stark gefugter, viereckiger
Kasten, dessen größte Dimension seine Höhe bildet. Er besteht aus zwei Theilen
von verschiedener Function, einem unteren, der Blase (still), und einem oberen, dem Dephlegmator. Die Blase ist mittelst
durchlöcherter, metallener Zwischenböden in eine große Anzahl Abtheilungen
geschieden, welche wieder durch außerhalb angebrachte Knieröhren communiciren.
Die weingahre Würze fließt durch diese Art Gradirwerk langsam von oben nach
unten, wobei sie durch die Sieblöcher der Metallplatten vielfach vertheilt wird.
Der Würze entgegen, also von unten nach oben, geht der Dampfstrom von Abtheilung
zu Abtheilung durch die verschiedenen Knieröhren über und durch die regenförmig
niederträufelnde Würze, sättigt sich auf diesem Weg mit Alkoholdampf und gelangt
so als spirituöser Dampf von einer gewissen Stärke in den Dephlegmator. In
diesem scheidet sich der Dampf in ein Phlegma, welches in die Blase zurückfließt
und in einen geistigeren Dampf, der nach dem Condensator geht und darin zu dem
verkäuflichen Gut von der angegebenen Stärke verdichtet wird. Dieses passirt in
einem mächtigen Strom durch einen verschlossenen Glaskasten worin man den Gang
der Destillation und die Aräometer beobachten kann.
Am Boden des Apparates, der, wie man steht, im wesentlichen auf den von Coffey herauskommt, ist ein Abzugsrohr für die
Schlämpe. Man destillirt stündlich tausend Gallonen. Die jährliche Production
der Brennerei der Gebrüder Currie beläuft sich auf 1 Million und 39000 Gallonen, welche sie
jährlich mit der Summe von 406000 Pfd. St., d. i. mit fast 1/15 der gesammten
Steuer-Abgabe versteuern, welch ein Großbritannien von spirituösen
Fabricaten erhoben wird.