Titel: | Ueber den sphäroidischen Zustand der Flüssigkeiten und die sogenannte Feuerprobe; von J. Légal in Dieppe. |
Fundstelle: | Band 116, Jahrgang 1850, Nr. XC., S. 457 |
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XC.
Ueber den sphäroidischen Zustand der
Flüssigkeiten und die sogenannte Feuerprobe; von J. Légal in
Dieppe.
Aus den Comptes rendus, April 1850, Nr.
15.
Légal, über den sphäroidischen Zustand der
Flüssigkeiten.
Hr. Boutigny hat durch viele
Versuche gezeigt, daß das Wasser im sphäroidischen Zustand nur sehr langsam
verdampft, z.B. in einer auf + 200° C. erhitzten Schale 50mal langsamer als
beim Sieden, dann aber um so schneller, je höher die Temperatur des dasselbe
enthaltenden Gefäßes ist. Diese Langsamkeit der Verdampfung des Wassers im
sphäroidischen Zustand könnte wohl die Ursache der Unverbrennlichkeit des
menschlichen Körpers im geschmolzenen Metall seyn. Zur Unterstützung dieser Ansicht
erinnere ich an eine bekannte Thatsache, welche mir mit der in Rebe stehenden die
größte Aehnlichkeit zu haben scheint.
Die Schiffer, welche die Polargegenden durchfahren haben, er zählen, daß sie und ihre
Reisegesellschafter eine Temperatur von – 40 und – 42° C. ohne
Beschwerden ertrugen, vorausgesetzt, daß die Luft ruhig war, während eine Kälte von
nur – 25 bis – 30° C., von einem leichten Wind begleitet, ihnen
unerträglich war und große Nachtheile zur Folge haben konnte.
Vergleicht man diese Thatsache mit unserm Gegenstand, so erscheint die Aehnlichkeit
auffallend; nur ist in dem einen Fall von Kälte, d.h. vom Minus-Wärmestoff
die Rede, und im andern von Hitze, d.h. vom Plus-Wärmestoff. Die kalte Luft
nämlich von – 25° C., welche bewegt ist,
entzieht den Theilen, womit sie beständig in Berührung kommt, den in ihnen
enthaltenen Wärmestoff, bringt deren Temperatur rasch zum Sinken und kann sogar
Gefrieren veranlassen; sowie andererseits das siedende Wasser durch seine rasche
Verdampfung dem Wärmestoff des hineingetauchten Theils fortwährend und rasch neuen
Wärmestoff zuführt und daher Verbrennung bewirkt. Die kalte Luft hingegen von
– 40 bis – 42° C., welche ruhig ist,
spielt vollkommen die Rolle des Wassers im sphäroidischen Zustand mit seiner
langsamen Verdampfung. In letzterm Fall ist es eine Schicht kalter Luft, welche,
indem sie mit den ihrer Einwirkung ausgesetzten Theilen des Körpers lange in
Berührung bleibt, sich mit denselben ins Gleichgewicht der Temperatur setzt, aber so
langsam, daß die wärmeerzeugende Kraft des Individuums mehr als hinreicht, um dessen
Wärmeverlust zu ersetzen; daher keine schmerzhafte Empfindung und kein Erfrieren.
Deßgleichen gestattet die Langsamkeit, womit die beschützende Flüssigkeit verdampft,
welche sich, wohlgemerkt, in sphäroidischem Zustande befindet, wenn man einen Finger
oder die Hand in das schmelzende Metall taucht, derselben Menge Dampfs längere Zeit
in Berührung mit diesen Theilen zu bleiben; es sucht sich dann das Gleichgewicht der
Temperatur herzustellen zwischen der Flüssigkeit und dem eingetauchten Theil, und es
würde sich auch wirklich herstellen, wenn die kurze Dauer der Versuche dieß nicht
verhinderte; deßwegen keine Verbrennung, sondern bloß ein Wärmegefühl, welches nach
dem Temperaturgrad der schützenden Flüssigkeit und der Dauer des Eintauchens
verschieden ist. Einige Versuche, welche ich anstellte, scheinen diese Ansicht
ebenfalls zu bestätigen.
Ich brachte in einem eisernen Topfe Blei zum Schmelzen; nachdem es vollkommen
geschmolzen war, tauchte ich zu wiederholtenmalen meine Hand hinein, nachdem ich sie
vorher einmal mit Aether, ein zweitesmal mit Wasser, und das drittemal mit
Terpenthinöl benetzt hatte. Nun ist, nach Boutigny's
Versuchen, die Temperatur des Aethers im sphäroidischen Zustand + 34,25° C.;
diejenige des Wassers + 96,5° C.; diejenige des Terpenthinöls muß ungefähr +
135° C. seyn. Bei diesen Versuchen hatte ich mit Aether eine Empfindung von
Kühle; mit Wasser eine Empfindung von gelinder Wärme und mit Terpenthinöl war die
Wärme ein wenig intensiver. Die Dauer des Eintauchens war in allen drei Fällen
gleich. Ich änderte diese Versuche dann auf folgende Weise ab. Nachdem ich das
geschmolzene Blei von der dünnen Oxydschicht auf seiner Oberfläche gereinigt hatte,
goß ich zuerst einige Gramme Aether, und nachher einige Gramme Wasser und
Terpenthinöl darauf; dann tauchte ich nacheinander den Finger in jedes dieser
Sphäroide, jedoch mit Vorsicht, um nicht in das Metall selbst zu gelangen, und der
Erfolg war genau derselbe wie bei den vorhergehenden Versuchen.
Hieraus ersteht man also, daß die Wärme-Empfindung um so stärker ist, je höher
der Siedepunkt der schützenden Flüssigkeit und folglich deren Temperatur im
sphäroidischen Zustand ist, was Boutigny's Beobachtungen
bestätigt. Man sieht aber auch, daß die Empfindung hinsichtlich ihrer Intensität
sehr verschieden ist von derjenigen, welche dieselben Flüssigkeiten kochend, oder
doch bei einer ihrem Siedepunkt nahen Temperatur hervorbringen würden. Das
Terpenthinöl z.B., welches im sphäroidischen Zustand nur ein sehr erträgliches
Wärmegefühl hervorbringt, würde, wenn man die Hand in einen mit dem kochenden oder
dem Siedepunkt nahen Oel gefüllten Kessel tauchte, eine starke Verbrennung
verursachen.