Titel: | Ueber Cabirol's Verfahren zur Verfertigung chirurgischer Instrumente, wie Sonden, Bougies und dgl. aus Guttapercha; Bericht der HHrn. Pelouze und Civiale. |
Fundstelle: | Band 117, Jahrgang 1850, Nr. XXIX., S. 145 |
Download: | XML |
XXIX.
Ueber Cabirol's Verfahren zur Verfertigung
chirurgischer Instrumente, wie Sonden, Bougies und dgl. aus Guttapercha; Bericht der
HHrn. Pelouze und
Civiale.
Aus den Comptes rendus, Mai 1850, Nr.
20.
Ueber Cabirol's Verfahren zur Verfertigung chirurgischer
Instrumente.
Die gereinigte Gutta-percha fühlt sich wie Seide an und ist leicht zu
verarbeiten; um sie aber so rein zu erhalten, muß sie zuvörderst von ihrem holzigen,
lederartigen, harten Theil und den darin befindlichen fremdartigen Körpern befreit
werden. Sobald sie nach dem Zerschneiden in siedendem Wasser erweicht und in einen
Teig verwandelt ist, knetet man sie zwischen den vorher in kaltes Wasser
eingetauchten Fingern, wodurch die Unreinigkeiten sich leicht ablösen. Will man mehr
oder weniger dünne Platten oder Blätter daraus herstellen, so läßt man sie, noch
weich, durch die Plätt- (oder Streck-) Maschine laufen. Sollen Röhren
daraus gemacht werden, so bedient man sich eines ähnlichen Apparats wie zur
Verfertigung der Macaroni. Man erhält so Röhren von verschiedener Länge und Weite,
mit mehr oder weniger dicken Wänden. Diese Röhren werden dann regulirt und
vollendet, indem man sie, nachdem man einen passenden Dorn oder Metalldraht
hindurchgesteckt hat, durch ein Zieheisen zieht. Man rundet das Ende dieser Röhren
ab, schweißt sie aneinander, indem man sie einer brennenden Kerze nähert, und knetet
sie, sobald sie erweicht sind, zwischen den Fingern, um sie zu dem beabsichtigten
Gebrauch geeignet zu machen.
Die Wichtigkeit und Unentbehrlichkeit der Sonden und Bougies in der operativen
Medicin, namentlich zur Bekämpfung der Verletzungen der Harnorgane, ist bekannt, und
das Bestreben der Chirurgen ging stets dahin, diese Instrumente möglichst biegsam
herzustellen. Dieser Zweck wurde aber nicht früher erreicht, als bis man den
Kautschuk aufzulösen im Stande war. Man erhielt nun biegsame Instrumente, die jedoch
hinlänglich fest waren, um kein Brechen befürchten zu lassen und deren glatte
Oberfläche die Harnröhre nicht belästigte.
Diese biegsamen Sonden zeigen aber noch Mängel, an welchen ihr Material Schuld ist;
sie werden nämlich, wenn sie längere Zeit in der Harnröhre stecken, hart und
runzelig; die Schichten an der Oberfläche bekommen Risse, heben sich und springen
ab. Ihre Berührung mit den Wänden des Canals wird schmerzhaft; sie müssen manchmal
in sehr kurzer Zeit und jedenfalls zu oft gewechselt werden, was für viele eine
schwere Aufgabe, für alle aber lästig ist, weil eine neue Sonde immer schwieriger zu
ertragen ist, bis sie sich den Formen des Canals angepaßt hat. Diese äußere
Veränderung der Kautschuksonden veranlaßt auch eine Entzündung der Harnröhre, welche
oft noch schlimmere Umstände im Gefolge hat. Durch die Concurrenz in den Preisen
sind überdieß seit einigen Jahren Sonden in den Handel gekommen, deren Masse von
schlechter Beschaffenheit ist; solche können in der Blase zerbrechen, welcher Unfall
heutzutage auf erschreckende Weise nur zu häusig vorkömmt.
Im J. 1849 wurden in London Sonden aus Gutta-percha nach einem vor Alters
gebräuchlichen Verfahren verfertigt. Man windet um einen Dorn in Spiralform
Gutta-percha-Streifen, deren Ränder man durch Dampfhitze
zusammenhängend macht; diesen Instrumenten fehlt es aber an Dauerhaftigkeit, und
wenn man sie ohne Dorn einführt, verlieren sie ihre Gestalt. Durch die Wärme des
Harncanals rollen sich die Spiralen wieder auf und statt einer Sonde wird nur mehr
ein Band oder Riemen aus der Blase gezogen, wenn nicht gar ein Theil davon in der
Blase zurückbleibt und künstlich herausgenommen werden muß.
Cabirol's Verfahren beseitigt diesen Uebelstand. Er
bedient sich der reinen Gutta-percha (die er nach Hancock's Verfahren mit anderen Substanzen verbindet) und verfertigt
daraus überall gleich dicke glatte Röhren ohne Naht, deren gleichmäßige und
regelmäßige Krümmung nach Erforderniß abgeändert werden kann. Auch ist das
Augenende, welches kegelförmig, wie ein zugerundeter Cylinder geformt ist, eben so
glatt wie der Körper der Sonde. Eine und dieselbe Bougie, deren jedes Ende an
Gestalt und Volum verschieden ist, kann zu zweierlei Gebrauch dienen.
Wir fanden jedoch die uns vorgelegten Sonden nicht alle gleich sorgfältig ausgeführt,
daher manche den Anforderungen nur unvollkommen entsprachen. Viele leisteten aber
vortreffliche Dienste; unter andern wurde eine Sonde bei einem Kranken, der ohne
solche nicht harnen konnte, 74 Tage lang in der Harnröhre gelassen, ohne daß sie
sich merklich veränderte; sie hätte noch länger Dienste gethan, wenn der Kranke
ihrer bedurft hätte, und wurde nur alle acht Tage ausgewaschen. Dieser und ähnliche
Fälle beweisen, baß hinsichtlich der Dauerhaftigkeit und Unveränderlichkeit die Sonden und Bougies von Gutta-percha das
Beste leisten.
Man kann sich ihrer mit oder ohne Dorn bedienen. In letzterm Falle müssen sie der
Harnröhre anpassend gebogen werden, wozu man sie in warmem Wasser erweicht und in
einer Form oder über einem Dorn wieder erkalten läßt. Vorzüglich diese gebogenen
Sonden sind es, welche den Kranken vortreffliche Dienste leisten. Eine Sonde, welche
sich nach dem Canal geformt hat, wird von demselben zwar fester zurückgehalten als
jede andere, so daß man, um sie herauszuziehen, eine gewisse Kraft anwenden muß;
dieses Ausziehen ist aber weder schmerzhaft, noch hat es sonst üble Folgen.
Die Cabirol'schen Sonden und Bougies versprechen daher der
Chirurgie neue, nützliche Dienste, doch können sie die bisherigen nicht in allen
Fällen ersetzen, und zwar behalten 1) die Bougies von weichem Wachse ihren Vorzug
bei Verengungen der Harnröhre; 2) gibt es Fälle, wo wegen großer Härte der
Harnröhrewände, biegsame Sonden sehr schwer in die Blase einzuführen sind; die
Gutta-percha-Sonden, welche schneller erweichen, verbiegen sich dann
gerne und verlieren ihre Gestalt, während die gewöhnlichen biegsamen Sonden dem
Zweck entsprechen; 3) wenn ein steifer Dorn in eine hohle Bougie, welche schon
vorher in die Harnröhre eingeführt wurde, gesteckt werden soll, um einen Druck auf
die Innenwand des Blasenhalses auszuüben, sind die leicht erweichbaren
Gutta-percha-Sonden nicht anwendbar, weil sie dann Verletzungen
veranlassen können.