Titel: | Ueber die Bildung des Salpeters in der Natur und über die künstliche Darstellung dieses Salzes; von Longchamp. |
Fundstelle: | Band 117, Jahrgang 1850, Nr. LXXXIX., S. 436 |
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LXXXIX.
Ueber die Bildung des Salpeters in der Natur und
über die künstliche Darstellung dieses Salzes; von Longchamp.
Nach der Révue scientifique et industrielle, tome
XXXIII, bearbeitet.
Longchamp, über Salpeterbildung.
Es dürften wohl wenige Gegenstände mehr geeignet seyn, die Aufmerksamkeit der
Naturforscher in hohem Grade zu fesseln, als die Frage von der
Bildung der Salpetersäure in der Natur, eine Frage, welche zwei
Jahrhunderte hindurch von den bedeutendsten Naturforschern zum Gegenstande emsiger
Untersuchungen und fleißiger Forschungen gemacht wurde. So verschieden auch die
theoretischen Ansichten seyn mochten, von denen diese Gelehrten bei ihren Arbeiten
über diesen Gegenstand geleitet wurden, so stimmten sie dennoch sämmtlich in der
Meinung überein, daß die Salpetersäure stets durch Zersetzung
thierischer Substanzen gebildet werde, und daß sie sich nie und nirgend
erzeuge, wenn und wo derartige Stoffe fehlten.
Nach einem fast zweihundertjährigen Harmoniren der Meinungen von Stahl's, Glauber's und Lavoisier's Schülern unternahm es Longchamp die vorhandenen Thatsachen einer neuen Prüfung zu unterwerfen,
sie auf experimentellem Wege zu erörtern, und er gelangte dabei zu Schlüssen, welche
den bisher herrschenden Ansichten über die Sache geradezu entgegengesetzt sind.
Indeß sind die von ihm aufgestellten Sätze über die Bildung der Salpetersäure in der
Natur noch keineswegs allgemein angenommen;.wie dieß zwei sehr bedeutende, erst in
der neuesten Zeit in Frankreich erschienene chemische Lehrbücher, das von Regnault und das von Pelouze,
beweisen, deren Verfasser der bisher herrschenden Ansicht der älteren Chemiker über
diesen Gegenstand gleichfalls zu huldigen scheinen. Regnault sagt nämlich in seinem „Cours
élémentaire de Chimie“ (ins Deutsche übersetzt von Dr
Boedeker) S. 516 Bd. I
des Originals:
„Man erhält den Salpeter auf künstlichem Wege, indem man die Umstände
erzeugt und die Bedingungen erfüllt, von denen aller Wahrscheinlichkeit nach die
Bildung dieses Salzes in der Natur abhängt. Die künstliche Erzeugung dieses
Salzes erfordert stets das Vorhandenseyn eines Gemenges von stickstoffhaltigen
thierischen Substanzen und möglichst fein vertheiltem kohlensaurem
Kalke.“
„Die Ansichten der Chemiker über die Bildung des natürlichen Salpeters sind
verschieden. Die Meisten nehmen an, daß sie unter dem Einflusse der Zersetzung
thierischer Stoffe, ebenso wie in unsern Salpeterplantagen, stattfinde, und daß
der nöthige Stickstoff ausschließlich von diesen Stoffen herrühre. Andere
huldigen der Ansicht, daß sich der Stickstoff und der Sauerstoff der
atmosphärischen Luft unter ge wissen Umständen, z. B. bei gleichzeitiger
Gegenwart von porösen Körpern und den Carbonaten der starken Basen direct
verbinden können; indeß ist diese Möglichkeit durch directe Versuche bis jetzt
noch nicht dargethan.“
Unter „directen Versuchen“ scheint Regnault nur solche zu verstehen, welche von einem Chemiker im Laboratorim
angestellt werden; und in seinen Augen vermag, dem Anschein nach, eine aufmerksame,
vorurtheilsfreie Beobachtung der Processe, welche uns die Natur zu Tausenden in den
Höhlen der Kreidegebirge, in Scheunen, Gewölben, Kellern etc. darbietet, es nicht,
einen im Laboratorium gemachten Versuch aufzuwiegen. Uebrigens befindet sich Regnault in dieser Hinsicht geradezu im Irrthum; denn es
sind allerdings directe Versuche angestellt worden, und
zwar von Thouvenel.
Auch Pelouze gibt in seinem „Cours de Chimie générale, Paris 1848“
eine „Theorie der Salpeterbildung,“
und nennt als deren Begründer Gay-Lussac, Liebig und Kuhlmann, ohne Longchamp's
Namen zu erwähnen. Rücksichtlich der Bildung von Salpetersäure in der Natur, sagt er
(Bd. II, S. 28) folgendes:
„Die Fälle, in denen sich Salpeter bei Abwesenheit jeder stickstoffhaltigen
Substanz erzeugt, sind höchst selten, und es scheint bewiesen (démontré) zu seyn, daß sich
Salpeter gewöhnlich dann bildet, wenn Wasser, welches thierische Stoffe
aufgelöst oder suspendirt enthält, längere Zeit in Berührung mit fein
zertheilten Materialien steht, die alkalische Carbonate oder kohlensaure
Kalkerde enthalten.“
Dennoch ist die von Longchamp aufgestellte Theorie hie und
da mit Beifall angenommen worden, und manche Chemiker haben zugestanden, daß sich in
„nitrisicabeln“ Stoffen auch bei gänzlichem Mangel von thierischen Substanzen Salpeter bilden könne.
Die Gewinnung des Salpeters war für alle Völker Europa's eine Sache von der höchsten
Wichtigkeit, und so läßt es sich denn leicht erklären, daß die verschiedenen
Regierungen sich aufs ernstlichste mit den Mitteln beschäftigten, dieselbe auf jede
mögliche Weise zu vereinfachen und zu erleichtern.
Die scwedische Regierung publicirte in den Jahren 1747,
1757 und 1771 „Anweisungen zur Anlage von Salpeterplantagen“;
das preußische Gouvernement setzte im Jahr 1749 einen
Preis auf die Erfindung der besten und vortheilhaftesten Methode zur Darstellung
dieses Salzes, und um dieselbe Zeit veröffentlichte die Berner Cantonalregierung die Arbeiten von Bertrand und Gruner über die Erzeugung des
Salpeters; die französische Provinz Franche-Comté endlich, welche die Last
von einhundertundfünfzig Salpeterplantagen zu tragen hatte, ließ durch die Akademie
zu Besançon im Jahre 1765 einen Preis aussetzen, für die
Angabe der in ökonomischer Beziehung vortheilhaftesten und für die Provinz am
wenigsten lästigen Methode, Salpeter im Großen darzustellen. In allen den
angeführten Aufsätzen werden stets die stickstoffhaltigen thierischen Stoffe als die
Bildung des Salpeters bedingend angesehen.
In Folge aller dieser Untersuchungen schrieb Turgot, in
der Absicht Frankreich von der durch die Salpeterhütten verursachten Plage zu
befreien, am 17. August 1775 an die Akademie der Wissenschaften zu Paris: sie möge
einen Preis, zu welchem der betreffende Minister die Fonds schaffen würde,
„aussetzen für denjenigen, welcher nach dem Urtheile der Akademie der
Natur ihr Geheimniß bei Bildung und Erzeugung (formation
et génération) des Salpeters am meisten abgelauscht und die
zweckmäßigsten, am raschesten zum Ziele führenden Mittel angegeben hätte, dieß
Salz im Großen und in mehr als genügender Menge zu erzeugen.“
Am 15. November desselben Jahres veröffentlichte die Akademie das Programm dieser
Preisaufgabe, und verbreitete es in 3000 Exemplaren; sie bestimmte das Jahr 1778 als
Termin zur Einlieferung der Preisschriften.
Zur Redaction dieses Programmes war eine aus fünf Mitgliedern bestehende Commission
erwählt, und dieselbe war zugleich beauftragt worden, alle bisher über die Bildung
des Salpeters erschienenen Werke, Broschüren, Aufsätze etc. zu sammeln und für die
Uebertragung derselben, soweit sie nicht in französischer Sprache gedruckt waren, in
dieselbe zu sorgen. Diese „Salpetterlitteratur“ bildete einen
Band von mehr als 600 Seiten, welcher im Jahr 1776 erschien.
Es gingen 38 Preisschriften ein, aber nicht eine einzige von denselben entsprach den
von der Akademie gemachten Anforderungen; deßhalb wurde die Preisfrage nochmals
ausgeschrieben und das Jahr 1782 zum Einlieferungstermin bestimmt. Es fanden sich in
diesem Jahre 22 Preisbewerber; folglich waren im Ganzen sechzigIm Originale steht, wohl in Folge eines Druckfehlers, 70, und später
66. Schriften eingegangen, deren wesentlicher Inhalt, nebst dem
Wortlaute des Textes von dreizehn derselben, denen der
Preis oder das Accessit zuerkannt oder die von der Commission für wichtig genug
erklärt worden waren, um vollständig bekannt gemacht zu werden, in einem Quartbande
von fast 900 Seiten der Oeffentlichkeit übergeben wurde. Schwerlich hat von den
Chemikern welche Longchamp's Theorie bestreiten, ein
einziger dieses Buch, sowie den bereits erwähnten, im Jahr 1776 erschienenen Band
ganz durchgelesen. Ja, es möchten überhaupt wohl nur wenige Chemiker, wenn sie
aufrichtig sind, sagen können, daß sie diese beiden Werke kennen!
Sicherlich gehört ein geübter kritischer Blick dazu, aus sechzig verschiedenen
Schriften über einen und denselben Gegenstand eine Ansicht klar herauszufinden und
zu isoliren, welche der Wahrheit nahe kommt, zumal da der größte Theil dieser
Schriften Leute zu Verfassern hat, denen jedwede chemische Kenntniß fehlte, und die
sehr häufig schlecht beobachtete oder wohl gar gänzlich unwahre erdichtete
Thatsachen berichteten. Longchamp kam, nachdem er beide
von der Akademie herausgegebenen Bücher mehrmals durchgelesen und alle in denselben
angeführten Untersuchungen aufs sorgfältigste mit einander verglichen hatte, zu der
Erkenntniß, daß alle Preisbewerber durchaus Unrecht haben, wenn sie die Gegenwart
von thierischen Substanzen als Bedingung für die Bildung von Salpeter angenommen. Er
bildete sich nun eine eigene Theorie der Salpeterbildung und suchte dieselbe zwölf
Jahre lang durch Beobachtungen in Gewölben, Kellern, Schuppen, Höhlen, und anderen
Orten, an denen sich Salpeter bildet, zu begründen, wobei er selbst stets Zweifel in
ihre Richtigkeit setzte, und bereit war sie aufzugeben, sobald sich nicht eine völlige
Uebereinstimmung zwischen ihr und den beobachteten Thatsachen zeigen sollte.
Im Jahre 1820 sollten in Frankreich „Salpeterplantagen“ angelegt
werden, und zwar in derselben Art, wie sie schon früher vorgeschlagen worden waren;
zu dem Behuf wurde ein Aufruf an alle Landleute erlassen, des Inhalts, sie möchten
in der Nähe ihrer Wohnungen kleine Salpeterplantagen anlegen, in welchen sie den als
im Uebermaaße vorhanden angenommenen Mist verwenden und wozu sie ihre als unnütz
verloren gehend vorausgesetzte Zeit benutzen sollten. Auch wurde eine
„Anleitung zur Salpeterfabrication“ herausgegeben; die
Verfasser derselben scheinen aber vergessen zu haben, daß sie nicht im Jahre 1775
schrieben, wo die Bauern nichts als Frohnen leistende Sklaven und Leibeigene ihrer
Grundherren waren. Diese „Instruction“ oder
„Anleitung“ ist noch jetzt merkwürdig hinsichtlich der
beiden folgenden Sätze, welche sie als den wesentlichen Inhalt aller bis dahin
bekannt gewordenen Thatsachen aufstellt.
1. In den zur Salpeterbildung geeigneten Materialien bildet
sich an der Luft niemals Salpeter wenn nicht ein thierischer Stoff vorhanden
ist.
2. Die ganze zur Bildung von Salpetersäure nöthige Menge
Stickstoff rührt von diesen thierischen Substanzen her.
Longchamp legte am 24 November 1823 seine Theorie der
Akademie der Wissenschaften vor. Diese ernannte zwar fünf Commissarien; indeß konnte
Longchamp durchaus keinen Bericht erlangen, um
welchen er einzig und allein angehalten hatte. Der mannichfaltigen Vorwände, mit
denen er drei Jahre lang hingehalten wurde, des Vorschützens von
Geschäftsüberhäufung, Reisen u. s. w., endlich überdrüssig machte er seine Ansichten
in den Annales de Chimie et de Physique (Septemberheft
1826) und in einer besondern, einen Monat später erschienenen Broschüre bekannt.
Auf diese letztere antwortete Gay-Lussac mit einem in der eben genannten Zeitschrift (t. XXXIV, p. 86, Jahrg. 1826) abgedruckten „offenen
Briefe,“ aus welchem wir hier folgende merkwürdige Stelle
hervorheben: „.…Wenn Sie gesagt hätten, daß sich unter gewissen
noch unbekannten Umständen Salpetersäure ohne die Gegenwart von
stickstoffhaltigen Substanzen bilden könne, so würde ich diese Behauptung nicht
widerstreiten.“ Diese Stelle ist denn doch ein förmlicher Widerruf der beiden in der
„Instruction zur Salpeterfabrication“ aufgestellten
Sätze!
Als die Verwaltung der Pulverfabriken Versuche über die Salpetergewinnung auf
künstlichem Wege machen ließ, sandte Longchamp seine eben
erwähnte Broschüre dem Kriegsminister ein, und dieser forderte am 23 Februar 1828
die Akademie der Wissenschaften auf, sie möge durch eine Commission untersuchen
lassen, ob es von Nutzen seyn würde Versuche über die Darstellung von künstlichem
Salpeter nach Longchamp's System anstellen zu
lassen—einem Systeme, welches darin besteht, die nitrificable Erde mit reinem (d. h. von allen organischen Stoffen freiem) Wasser zu begießen. Zum Berichterstatter wurde Beudant erwählt; der von ihm gegebene Bericht hat
augenscheinlich nur den Zweck, die älteren Ansichten über die Salpeterbildung, denen
von Proust und Longchamp
gegenüber, aufrecht zu erhalten, und dem letztgenannten das Eigenthumsrecht an
seinen Ansichten streitig zu machen, wie dieß aus folgender Stelle des Berichtes
hervorgeht: „......Die Commission fühlt sich, indem
sie die Ansicht aller Chemiker theilt, zu dem Glauben veranlaßt, daß
wie Hr. Longchamp annimmt, in hinlänglich porösem
Kalkboden, bei einem gewissen Feuchtigkeitsgrade und einer gehörigen Temperatur,
Salpetersäure, ohne Mitwirkung thierischer Stoffe, einzig und allein aus den
Bestandtheilen der atmosphärische Luft sich bilden kann.“
Longchamp glaubt gegen diese Stelle um so stärker
auftreten zu müssen, als sie nichts weniger als klar und deutlich ist, und sich auf
verschiedene Weise deuten läßt. Soll damit gesagt seyn, daß heutzutage alle
Chemiker, nach Longchamp's Vorgange, die im Berichte
berührte Ansicht als die richtige zulassen? Dann hätte Beudant unstreitig sagen müssen, daß ohne Zweifel alle Chemiker Longchamp's Ansicht theilen werden.
Oder soll es vielmehr heißen, daß sie schon vor Longchamp
die von ihm aufgestellte Meinung theilten? — Dieß steht nun wieder in geradem
Wiederspruche mit dem ersteren der beiden von Gay-Lussac, einem Manne den Beudant doch wohl ohne Zweifel auch zu den
„Chemikern“ rechnet, in der
„Instruction“ aufgestellten Sätzen! — Nicht ein einziger von allen diesen
Chemiker kann mit der Behauptung auftreten, daß er früher als Longchamp jene Ansicht aufgestellt hätte!
Noch ehe Beudant seinen Bericht abstattete, griff auch Liebig die Longchamp'sche
Theorie der Salpeterbildung an, und zwar in einer „Bemerkung über die Salpeterbildung“ (Ann. de Chim.
et de Phys. t. XXXV, p. 329, Jahrg. 1827). Seit zwei
Jahren mit Untersuchungen über das Regenwasser
beschäftigt, hatte er gefunden, daß der nach Gewittern gefallene Regen
Salpetersäure, an Kalkerde oder Ammoniak gebunden, enthalte, und dieß schien ihm im
Hinblick auf die Bestandtheile der atmosphärischen Luft durchaus nicht überraschend;
er hielt aber seine Beobachtung für neu und erklärte durch dieß Factum den Gehalt
des Bodens an salpetersauren Salzen, wenn schon in demselben thierische,
stickstoffhaltige Substanzen, welche die Bildung von Salpetersäure zu vermitteln im
Stande gewesen wären, nicht zugegen sind. In einem bereits 1809 geschriebenen
Aufsatze von Longchamp
„Ueber einige Erscheinungen bei der Bildung des Salpeters“ (Journal de Physique, t. LXIX, p. 107) findet man jedoch
sowohl die Erwähnung jener von Liebig mitgetheilten
Thatsache, als auch die von ihm für den Gehalt des Bodens an Nitraten gegebene
Erklärung. Longchamp machte auf diese Priorität in einer
am 28. April 1828 in der Akademie gelesenen Bemerkung, sowie in einem im Februar
1829 in den Annales des sciences d'observation
abgedruckten Aufsätze über die Bildung des Salpeters aufmerksam.
Gaultier de Claubry erwähnt in seinem im Jahr 1833 der
Akademie vorgelegten Aufsatze „Ueber den
salpeterbildenden Kalkstein des Pariser Bodens“ (Annales de Chimie et de Physique, t. LII, p. 24) nicht
ein einzigesmal der Arbeiten Longchamp's, welche doch den
von ihm behandelten Gegenstand bereits erschöpft hatten.
Wir müssen hier noch der von Kuhlmann veröffentlichten
merkwürdigen Beobachtungen „über die Umänderung des Ammoniaks in
Salpetersäure“ erwähnen, welche unter dem Einflusse von
atmosphärischer Luft und Platinschwamm stattfindet. Für einen Irrthum erklärt es Longchamp freilich, wenn der gedachte Chemiker in dieser
Beobachtung eine Erklärung für die Vorgänge bei der Salpeterbildung zu finden
glaubt, zumal wenn er sagt: „Man kann mit Sicherheit annehmen, daß die
Kenntniß der von mir constatirten Thatsachen unser Vaterland über die
Schwierigkeiten oder gar die Unmöglichkeit zu beruhigen im Stande seyn dürste,
welche damit verknüpft sind, im Falle eines allgemeinen Seekrieges eine
genügende Menge Salpeter zu erzeugen; daß diese Kenntniß Veranlassung dazu geben
dürfte, die frühere Art der Verproviantirung mit Salpeter für die Bedürfnisse
des Staates aufzugeben und durch eine neue zu ersetzen.“ (Comptes rendus etc., t. VII, p. 1109, Jahrg. 1838.)
Es unterliegt gegründetem Zweifel, ob das gesammte Geld Frankreichs hinreichen würde,
um die durch die Erzeugung von 1 Million Kilogrammen Salpetersäure mittelst Ammoniak und
Platinschwamm verursachten Kosten zu decken.
Uebrigens verwahrt sich Longchamp ausdrücklich gegen jede
Mißdeutung seiner Absicht bei Abfassung dieser Abhandlung; die Bildung des Salpeters
ist ihm durchaus nur ein Gegenstand wissenschaftlicher Kritik, mit welchem sein Name
seit 25 Jahren aufs engste verbunden ist.
Seine Theorie von der Bildung des Salpeters gibt er im Nachfolgenden so, wie er sie
schon früher brachte, mit denselben Beweisen für ihre Richtigkeit; und Jedermann
wird sich leicht überzeugen können, ob irgend ein anderer Chemiker bis auf den
heutigen Tag die geringste neue Ansicht oder Beobachtung dem hinzugefügt hat, was er
in seinen verschiedenen Arbeiten über diesen Gegenstand gesagt.Diese sind: Ueber einige Erscheinungen bei der Bildung
des Salpeters (sur quelques phénomènes, qui
se passent dans la formation du salpètre; Journ. phys., t. LXIX,
ann. 1809). — Neue Theorie der
Salpeterbildung (théorie nouvelle de la
nitrification; Ann. de Chimie et de Phys., t XXXIII, p. 5).—
Neue Theorie der Salpeterbildung und Jdeen über
die Anlage von Salpeterplantagen (théorie
nouvelle de la nitrification et idées sur l'établissement des nitrières
artificielles); eine im Jahre 1826 erschienene Broschüre. —
Brief an Hrn. Gay-Lussac über die
Salpeterbildung (lettre à Mr. Gay-Lussac
sur la nitrification; Ann. de Chimie et de Phys., t. XXXIV, p.
215). — Bemerkungen zu meiner Theorie der
Salpeterbildung (note additionnelle à ma
théorie de la nitrification; im April 1828 der Akademie vorgelegt).
— Ueber die Salpeterbildung (sur la nitrification; Annales des sciences
d'observation,1829).
Theorie der Salpeterbildung.
Die von Longchamp aufgestellte Theorie, wie er sie im
Jahre 1825 der Pariser Akademie der Wissenschaften vorlegte, ist folgende:
Der Sauerstoff und der Stickstoff der atmosphärischen Luft
verbinden sich unter Einwirkung poröser Körper, bei Gegenwart von Wasser und
einer Salzbase, zu Salpetersäure.
Thierische oder pflanzliche Stoffe tragen zur Bildung der
Salpetersäure in der Natur nichts bei.
Die Thatsachen und Beobachtungen, auf welche diese Theorie basirt ist, entwickelt Longchamp unter folgenden Abschnitten:
I. Salpetersaure Salze kommen in
Stoffen oder an Orten vor, an denen weder vegetabilische, noch animalische
Substanzen vorhanden und welche nie dem Einflusse thierischer Ausdünstungen
ausgesetzt gewesen sind.
II. Salpetersäure bildet sich an
freier Luft, in Materialien welche keine Spur von thierischen oder pflanzlichen
Stoffen enthalten.
III. Die Salpetersäure bildet sich
ausschließlich aus den Bestandtheilen der Atmosphäre.
(Bezüglich dieser drei Abschnitte vergleiche man Longchamp's Abhandlung im polytechnischen Journal,
Jahrgang 1827, Bd. XXIII S. 450–468.)
IV. Die in der Natur gebildete
Salpetersäure ist keineswegs Product der Wirkung des in der atmosphärischen Luft
enthaltenen Sauerstoffs auf das Ammoniak.
Ueber diesen Gegenstand läßt Longchamp hier zum erstenmal
sein Urtheil hören; denn seine letzte Arbeit über Salpeterbildung datirt vom Jahre
1829, und erst im Jahre 1838 wurde die Thatsache bekannt, daß sich bei der durch
Platinschwamm vermittelten Einwirkung der atmosphärischen Luft auf Ammoniak
Salpetersäure bildet.
Kuhlmann's höchst interessante und merkwürdige
Untersuchungen über diesen GegenstandPolytechn. Journal Bd. LXXIII S. 60. gaben diesem
Chemiker Veranlassung zur Aufstellung folgender Sätze, die wir hier wörtlich
aufführen und mit Nummern bezeichnen, um bei der Widerlegung derselben
Wiederholungen zu vermeiden.
§. 1. „Wird ein Gemenge von Ammoniak und atmosphärischer Luft in
Berührung mit Platinschwamm auf eine Temperatur von 300° C. erhitzt, so
wird es zersetzt, und der in ihm enthaltene Stickstoff auf Kosten des
Sauerstoffs der Luft vollständig in Salpetersäure verwandelt.“
§. 2. „In keinem Fall konnte sich freier Stickstoff mit freiem
Sauerstoff verbinden, aber alle stickstoffhaltigen
Verbindungen verwandeln sich durch die Einwirkung des Platinschwammes in
Salpetersäure.“
§. 3. „Das Stickstoffoxydul, das Stickstoffoxyd die
Untersalpetersäure und die Salpetersäure werden, wenn sie, mit einer genügenden
Menge
Wasserstoff gemengt, mit Platinschwamm in Berührung kommen, in Ammoniak
umgewandelt. Dieser Proceß geht so energisch vor sich, daß bei demselben öfters
eine heftige Explosion stattfindet.“
§. 4. „Freier Stickstoff kann sich mit freiem Wasserstoff nicht
verbinden, wohl aber können alle stickstoffhaltigen
Verbindungen durch freien oder gebundenen Wasserstoff in Ammoniak
umgewandelt werden.“
§. 5. „Salpetersaure Salze als Dünger angewendet, wirken nur
insofern, als durch die desoxydirende Wirkung der Fäulniß ihre Säure in Ammoniak
umgewandelt wird.“
§. 6. „Die salpetersauren Salze werden in Ammoniak umgewandelt, wie
dieß folgende Ergebnisse beweisen:
a) „Wenn man einige Stückchen Salpeter in ein
Gemenge von Eisen oder Zink und Schwefelsäure bringt, so wird die Entwickelung
von Wasserstoff so lange gehemmt, bis der ganze Säuregehalt des salpetersauren
Salzes in Ammoniak umgewandelt worden ist.“
b) „Eine gleiche Umwandlung bewirkt
Schwefelwasserstoffgas im Augenblicke seiner Bildung (in
statu nascente), indem Schwefel ausgeschieden wird.“
§ 7. „Wenn ich einerseits überzeugt bin, daß die salpetersauren
Salze nur dann als Dünger wirksam werden, nachdem sie bis zu einer gewissen
Tiefe in dem Boden eine Zersetzung erlitten haben, in Folge deren kohlensaures
Ammoniak gebildet worden ist, so bin ich der nicht weniger festen Ueberzeugung,
daß die Fruchtbarmachung des Bodens auch noch von einer Reaction in umgekehrter
Reihenfolge der Processe bedingt wird — einer Reaction, welche die
Verflüchtigung des Ammoniaks verhindert; nämlich von der Umwandlung der
Ammoniaksalze in Nitrate — eine Umwandlung, welche in den oberflächlich
gelegenen Theilen des Bodens stattfindet, falls dieser die passende chemische
Zusammensetzung hat, und falls die nöthigen Bedingungen, nämlich ein gehöriger
Feuchtigkeitsgrad und eine passende Temperatur, erfüllt werden.“
§ 8. „In der Umwandlung des Ammoniaks in Salpetersäure liegt also
die einfachste und folgerichtigste Erklärung der
Salpeterbildung.“
Nach Kuhlmann's Theorie spielt also der Stickstoff der
atmosphärischen Luft bei der Salpeterbildung gar keine Rolle; und der Sauerstoff
derselben wirkt nur, indem er zunächst den Wasserstoff des Ammoniaks verbrennt, und
sich dann, obschon er keineswegs in statu nascente ist,
mit dem dadurch
freiwerdenden in statu nascente befindlichen Stickstoffe
verbindet. Offenbar bietet dieser letztere Punkt von Kuhlmann's Ansicht nichts Neues dar; denn diese Ansicht theilt beinahe
Jedermann, mit Ausnahme von z. B. Longchamp. Neu dagegen
ist es, wenn Kuhlmann eine Bildung von Ammoniak annimmt,
während die Chemiker bis heutzutage dieß Zwischenglied, diese Uebergangsstufe in der
Salpeterbildung nicht angenommen hatten, denn nach ihrer Theorie entwickelt sich der
Stickstoff aus den thierischen Substanzen, sobald die Elemente derselben aus ihrer
gegenseitigen Verbindung frei werden.
Die neue Theorie beruht also auf der Annahme der Gegenwart von thierischen
Substanzen; denn fehlen diese letztern, so kann auch kein Ammoniak gebildet werden,
dann ist folglich die ganze Theorie durchaus ohne feste Basis und stürzt von selbst
zusammen. Nun stellt ja aber Longchamp gerade die
Nothwendigkeit der Gegenwart von thierischen Stoffen in Abrede, und zwar, indem er
Thatsachen zu Gunsten seiner Theorie anführt, welche von vielen ausgezeichneten
Chemikern beobachtet und bestätigt sind.
1. Lavoisier, der beredte Vertheidiger der Ansicht von der
Nothwendigkeit der Gegenwart thierischer Substanzen bei der Salpeterbildung, hat die
Gegenwart von salpetersauren Salzen in Stoffen nachgewiesen, welche keine Spur von
thierischen Substanzen enthielten (man vergleiche die citirte Abhandlung Longchamp's im polytechn. Journal).
Er nitrificirte gut ausgewaschene Kreide, welche er in Körben zwei Fuß hoch über
faulendem Blute aufhing; wenn sich nun bei diesem Fäulnißprocesse Stickstoff
entwickelte, so wirkte er nicht anders wie der Stickstoff der atmosphärischen Luft,
und war folglich ohne Wirkung.— „Aber“, wird freilich
Kuhlmann einwerfen, „es entwickelte sich
kein Stickstoff; es war Ammoniak, welches von der Kreide fixirt
wurde.“ Allerdings, wenn der Versuch in einem geschlossenen Gefäße
vorgenommen worden wäre; allein er wurde in dem großen Raume eines Zimmers oder im
Laboratorium angestellt, und wenn sich Ammoniak entwickelte, so verbreitete es sich
in die Luft des ganzen Raumes, und die Kreide konnte höchstens einige Spuren davon
aufnehmen, d. h. im Verhältnisse ihres Volums zum Volum der sie umgebenden
atmosphärischen Luft.
2. Der Autor „ohne Namen“ laugte Ackererde aus und entfernte
dadurch alle Salze und thierischen Stoffe; in derselben Erde bildeten sich einfach
dadurch, daß sie längere Zeit der Einwirkung der atmosphärischen Luft ausgesetzt
wurde, salpetersaure Salze.
(A. a. O.)
3. Die Erde aus Kellern, Gewölben, Scheunen etc. gibt, wenn sie vollkommen ausgelaugt
und dann wieder an ihre Stelle gebracht wird, nach Verlauf einer gewissen Zeit
nochmals salpetersaure Salze; dieß kann man ein zweites-,ein
drittes-,ein zehntesmal mit demselben Resultate wiederholen, und da dieß nur
in Zwischenräumen von je 8 bis 10 Jahren geschehen kann, so müßte die Erde in
Scheunen, Gewölben, Kellern etc. aus einer concentrirten, verdichteten thierischen
Substanz bestehen, und diese Substanz müßte eine solche Beschaffenheit haben, daß
sie der Einwirkung von Jahrhunderten widerstände, indem sie sich nur ganz
allmählich, nach jedesmaligem Auslaugen, zersetzte.
4. Thouvenel, ein so eifriger Parteigänger für die Theorie
der Mitwirkung thierischer Stoffe bei der Salpeterbildung, daß ihm die Akademie den
ausgesetzten Preis von 6000 Frcs. zuertheilte, erhielt aus Kreide, welche er,
nachdem er sie tüchtig ausgelaugt hatte, in einen dicht verschlossenen, mit
atmosphärischer Luft gefüllten Gefäße längere Zeit stehen ließ, salpetersaure
Salze.
5. Proust beobachtete die Bildung von Salpeter in dem
nicht gedüngten Boden Spaniens und Indiens. — Wir wollen ein anderes
salpeterreiches Land, Aegypten nämlich, hier nicht weiter in Betracht ziehen, denn
man könnte einwerfen, die Gewässer und der Schlamm des Niles führten thierische
Substanzen herbei, obschon dieß nicht richtig ist; denn das mit solchen Stoffen am
stärksten beladene Wasser enthält als Maximum kaum einige Milliontheile
„Baregin“, eine stickstoffhaltige organische Substanz,
welche in allen Gewässern enthalten ist, die aus dem Schooß der Erde hervorkommen;
an manchen Stellen dieses Landes enthält solcher Boden Salpeter, der gar nicht
überschwemmt worden ist.
6. Endlich hat Gay-Lussac ein in diesem Aufsatze bereits erwähntes glänzendes Zeugniß zu
Gunsten von Longchamp's Theorie aufgestellt, indem er
sagt: „Hätten Sie behauptet, daß unter gewissen, noch nicht näher
erkannten Umständen Salpetersäure ohne die Mitwirkung
organischer Substanzen sich bilden könne, so würde ich dieß nicht in
Abrede stellen.“
Wenn nun, ungeachtet aller dieser Zeugnisse der ausgezeichnetsten Beobachter, Regnault und Pelouze doch noch
behaupten, daß die Mitwirkung thierischer Substanzen zur Bildung von Salpetersäure
wirklich nothwendig sey, so heißt dieß einer offenen Wahrheit die Anerkennung
Versagen wollen. Wenn ferner in salpeterhaltigen Kellern, Gewölben und dergl., in
den Steinbrüchen von Bon-Fouquière, Mousseaux, la Roche-Guyon, in den
Grotten von Ceylon, im Boden der pyrenäischen Halbinsel und Ostindiens, kurz an
allen den Orten und in allen den Bodenarten, in und aus welchen man Salpeter
gewinnt, thierische Stoffe durchaus nicht vorhanden sind, wo ist dann jenes
Ammoniak, welches nach Kuhlmann's Theorie seinen
Stickstoff hergeben soll, um Salpetersäure zu bilden? Da dieses Ammoniak in der
Wirklichkeit gar nicht existirt, so hat die auf die Annahme von seiner Existenz
basirte Theorie nicht den geringsten Halt, sondern bricht von selbst zusammen.
Deßhalb ist es wohl überflüssig, auf einen Widerspruch aufmerksam zu machen, welcher
klar vor Augen liegt; nach Kuhlmann findet nämlich die
Verbrennung des Wasserstoffs durch den Sauerstoff der Luft und seine Vereinigung mit
dem Stickstoffe derselben zu Ammoniak erst bei einer Temperatur von 300° C.
statt (vergl. §. 1); wer hat nun aber eine so hohe Temperatur im Boden von
Kellern und Gewölben oder in der Erde der Felder jemals nachgewiesen?
Auch die in §. 7 ausgesprochene Ansicht von der Bildung von Ammoniak in einer
Tiefe von 8 bis 10 Centimeter, und von der Umwandlung dieses Ammoniaks in
Salpetersäure auf der Oberfläche des Bodens, zu dem Zweck, damit das kohlensaure
Ammoniak sich nicht in die Luft verflüchtigt, läßt sich nicht wohl begreifen; ein
solches Spiel von Verbindung und Zersetzung hat mindestens nicht viel
Wahrscheinliches, keine einzige Analogie auf dem weiten Gebiete der Chemie.
Die von Kuhlmann beobachteten Thatsachen sind gewiß vom
höchsten Interesse für die allgemeine Theorie der Wissenschaft, aber auf die
Erscheinungen bei der Salpeterbildung sind sie durchaus nicht anzuwenden.
Rückblick. — Die von Longchamp seit fünfundzwanzig Jahren debattirte Theorie der
Salpeterbildung hat die Aufmerksamkeit der Chemiker bei weitem nicht in dem Grade
erregt, wie sie das große Phänomen der Nitrification, welches Glauber
subjectum universale genannt hat, gewiß verdient. Denn
der Salpeter zeigt sich in der That auf der ganzen Erdoberfläche verbreitet, wo die
poröse Beschaffenheit des Bodens die Absorption der Bestandtheile der Atmosphäre
begünstigt, und diese Thätigkeit des Bodens wirkt vielleicht mit einer viel
ausgedehntern, großartigeren Kraft als alle Lungen sämmtlicher lebender Wesen. Der
Lebensproceß der Pflanzenwelt gibt der Luft den beim Processe der Verbrennung des
Kohlenstoffs verbrauchten Sauerstoff zurück, aber vergebens suchen wir nach einem
Vorgange, welcher ihr die Sauerstoffmenge zurückzugeben vermag, die der Stickstoff
bei seiner Umwandlung
in Salpetersäure bindet. Wo bleibt diese Säure? Werden die salpetersauren Salze
vielleicht im Schooße der Gewässer durch die belebte Welt zersetzt, mit welcher die
letztern bevölkert sind? Denn Marcet hat im Meere
vergebens die Gegenwart von Nitraten nachzuweisen gesucht, und doch werden diese vom
Regen aus dem Boden ausgewaschen, in die Bäche und von diesen in die Ströme geführt,
und die Ströme münden ins Meer!
Die Gewinnung des Salpeters auf künstlichem
Wege.
Der Salpeter, welcher vor zwanzig Jahren den Verbrauch in Frankreich deckte, wurde
aus gegrabener Salpetererde (Gayerde) und aus dem Schutt alter Gebäude gewonnen.
Jetzt ist diese Darstellungsmethode aufgegeben; Longchamp's Bemühungen gelang es, eine neue Fabricationsmethode
allgemeiner zu machen, und es dahin zu bringen, daß die Salpetergräber nicht mehr
den Boden durchwühlen.
Die Lösungen vom Auslaugen der salpeterhaltigen Stoffe, die Rohlaugen (Grundwasser, Siedelaugen) enthalten eine Menge Salze, und zwar
besonders salpetersaures Kali, salpetersaure Kalkerde und
salpetersaure Magnesia; ferner Chlorcalcium, Chlornatrium und Chlorkalium.
In der Kunstsprache der Salpetersieder bezeichnet man mit dem Ausdrucke
„das Brechen“ (saturation) die Operation, durch welche die
salpetersaure Kalkerde der Siedelauge durch Zusatz von Kalisalzen, den sogenannten
„Bruch“ zersetzt und in salpetersaures Kali verwandelt
wird. Früher setzte man nur diejenige Menge von Kali zu, welche man zur Zersetzung
des salpetersauren Kalkes für nöthig hielt; es blieb in Folge dessen nach dem
Versieden und Krystallisiren eine bedeutende Menge Mutterlauge zurück, welche, wie
man annahm, nur soviel salpetersaures Kali als nicht hatte krystallisiren können,
sowie eine gewisse Quantität salpetersaure Kalkerde enthielt, welche aus Mangel
einer genügenden Menge von Kali nicht hatte zersetzt werden können, und man glaubte,
diese Mutterlauge bestände zum größten Theile aus Chlorcalcium und einer kleinen
Menge Chlornatrium, welche beide schon vorher in der Salpetererde existirten. Man
schritt zu einem nochmaligen Brechen, um den salpetersauren Kalk zu zersetzen,
siedete, um den Salpeter zu erhalten, und die zuletzt übrigbleibende Mutterlauge
wurde als unbrauchbar,
d. h. als nicht mehr mit Vortheil zu verarbeiten, weggegossen.
Wie natürlich, enthielt diese Mutterlauge noch eine große Menge Salpeter, dessen
Krystallisation durch die Gegenwart von Chlorcalcium verhindert wurde. Longchamp machte im Jahr 1817 (s. Ann. de Chimie et de Phys., t. V.) den Vorschlag, dieses Chlorcalcium
durch schwefelsaures Natron zu zersetzen; es blieb dann nur noch eine Auflösung von
Salpeter und Chlornatrium, und beim Versieden erhielt man die ganze in der Lauge
enthaltene Menge dieser Salze. Die durch das schwefelsaure Natron gebildete Menge
von Chlornatrium compensirte die durch das verbrauchte Glaubersalz verursachten
Kosten, und die in der Mutterlauge noch außerdem enthaltenen Quantitäten Salpeter
und Kochsalz waren reiner Gewinn. Dieß ist die erste der von Longchamp eingeführten Verbesserungen in der Salpeterfabrication.
Andere folgten bald im J. 1818 (vergl. Ann. de Chimie et de
Phys., t. IX.), welche, als Resultate theoretischer Forschungen, der
Salpeterfabrication eine ganz andere Gestalt hätten geben müssen; allein Gründe, auf
welche wir hier nicht eingehen können, verhinderten den Staat, Nutzen daraus zu
ziehen.
Wie erwähnt, nahm man an, daß durch das Brechen nur der salpetersaure Kalk,
keineswegs aber das Chlorcalcium zersetzt würde. Durch das von Berthollet auf die Wirkung der Verwandtschaft so scharfsinnig angewendete
Gesetz der Massen kam Longchamp auf den Gedanken, daß das
Chlorcalcium so gut wie die salpetersaure Kalkerde, im Verhältniß ihrer Massen, d.
h. im Verhältniß ihrer relativen Quantität, zersetzt würde. War dieß wirklich der
Fall, so durfte man nicht länger bei einem nur theilweisen Brechen oder Saturiren
stehen bleiben; man mußte vielmehr den Grundwässern der Salpetersieder die ganze zur
Zersetzung des Chlorcalciums sowohl, als der salpetersauren Kalkerde nöthige Menge
Bruch (Kalisalze) zusetzen. — Longchamp fand seine
Annahme durch folgenden Versuch bestätigt.
Nachdem er sich Lösungen von reinem salpetersaurem Kalk und von reinem Chlorcalcinm
bereitet hatte, suchte er durch Versuche genau zu bestimmen, welche Menge einer
gesättigten Lösung von kohlensaurem Kali nöthig war, um jene Lösungen vollständig zu
zersetzen. Er erhielt folgende Resultate:
300 Thle. der Lösung von kohlensaurem Kali zersetzten 400 Thle. der
Lösung von salpetersaurer Kalkerde.
300 Thle. der Lösung von kohlensaurem Kali zersetzten 389,5 Thle.
der Chlorcalcium-Lösung.
Nun brachte er 400 Thle. einer Lösung von salpetersaurem Kalk und 389,5 Thle. einer
Chlorcalciumlösung zusammen in ein Gefäß, und setzte diesem Gemenge 300 Thle., d. h.
die zur vollständigen Zersetzung der salpetersauren Kalkerde (ohne daß ein Theil des
Chlorcalciums zersetzt werden könnte) nöthige Menge einer Lösung von kohlensaurem
Kali zu. Zwei in dieser Weise angestellte Versuche ergaben nach dem Abdampfen der
Lauge folgende Resultate:
salpetersaures Kali und
Chlorkalium.
Der erste Versuch gab
23,647
8,926
Der zweite Versuch gab
24,407
8,711
Hiedurch wurde Longchamp's Annahme bestätigt. Das
Chlorcalcium wurde so gut zersetzt wie der salpetersaure Kalk; folglich muß man von
vornherein durch das Kalisalz (den Bruch) alle in der Rohlauge enthaltenen Kalksalze
zersetzen, wodurch man die Anhäufung der so schwierig zu verarbeitenden
Mutterlaugen, welche früher alle disponibeln Räume in den Salpetersiedereien und den
Regierungsraffinerien erfüllten, zu vermeiden im Stande ist.
Wie man sieht, bildete sich beim Processe des Salpetersiedens eine Menge Chlorkalium;
man hatte es bis dahin mit Chlornatrium verwechselt, und verkaufte es als unreines
Seesalz zu einem so niedrigen Preise, daß dieser öfters nicht der an die Verwaltung
der indirecten Steuern zu zahlenden Abgabe gleichkam; in solchen Fällen wurde dieß
so nützliche Salz in Gegenwart von Agenten des Fiscus ins Wasser geworfen.
Lemery d. Jüng. machte im Jahre 1716 auf die merkwürdige
Thatsache aufmerksam, daß wenn man in einer gesättigten Lösung von Salpeter
Chlornatrium (Seesalz) auflöst, die Salpeterlösung dadurch fähig wird eine neue
Quantität salpetersaures Kali aufzulösen. Berthollet
erklärte diese Erscheinung in seiner „Statique
chimique“ (Bd. I, S. 51) durch
die Annahme einer gegenseitigen Einwirkung der Salze auf einander; so wurde nach
dieser Theorie eine gesättigte Lösung von Salpeter durch Versetzen mit Chlorkalium
fähig eine neue Quantität Salpeter aufzulösen. Longchamp
bestritt diese Theorie Berthollet'sLongchamp's Arbeit über diesen Gegenstand führt
den Titel: „Ueber die gegenseitige Einwirkung der
Salze“ (sur l'action mutuelle des
sels). Dieser Titel hat einige Chemiker, welche den Aufsatz nur
durchblättert haben, irre geführt, so daß sie annahmen, Longchamp theile Berthollet's Ansichten; ersterer beabsichtigte vielmehr diese
letzteren zu bekämpfen, und nachzuweisen daß in der Lösung eine Zersetzung
der Salze stattfinde.
und nahm an, daß wenn
eine Vergrößerung oder Verstärkung der Auflösungsfähigkeit des zuerst gelösten
Salzes auf Zusatz eines andern Salzes wirklich hervorgebracht wird, dieß darin
seinen Grund hat, daß die beiden Salze zersetzend auf einander einwirken. Diese
Annahme wurde durch das Experiment bestätigt, wie wir später anführen werden;
zunächst müssen wir aber angeben, wieviel Salpeter die ursprüngliche Salpeterlösung
noch aufzulösen vermag. Mittelst der im Folgenden angegebenen Zahlen können wir ohne
Analyse bloß durch die Bestimmung des specifischen Gewichtes der Lösungen, die Menge
von salpetersaurem Kali und Chlornatrium, welche in einer Lösung dieser beiden
Salze, wenn dieselbe mit Salpeter gesättigt, enthalten ist, ziemlich genau
schätzen.
Die Temperatur, bei welcher Longchamp seine Untersuchungen
anstellte, war + 18° C., und diese Temperatur hatten auch alle Lösungen. Das
specifische Gewicht einer gesättigten Salpeterlösung ist bei derselben = 1,151, und
sie enthält
Wasser
78,37
Salpeter
21,63.
Die erste Columne der nachstehenden Tabelle gibt die Menge der angewendeten
Salpeterlösung an; die zweite die Quantität des der Salpeterlösung zugesetzten
Chlornatriums (Kochsalzes); die dritte die Menge des auf diesen Zusatz gelösten
Salpeters; die vierte die Menge des zuerst vor jenem Zusätze aufgelösten Salpeters;
die fünfte Spalte gibt die Gesammtmenge des in der Lösung enthaltenen Salpeters und
die sechste gibt das specifische Gewicht der Salpeter- und
Chlornatriumlösungen an.
Textabbildung Bd. 117, S. 452
Menge der angewendeten
Salpeterlösung.;Menge des der Salpeterlösung zugesetzten Chlornatriums;Menge des
auf Zusatz von Chlornatrium gelösten Salpeters.;Menge des ursprünglich vor
diesem Zusatze gelösten Salpeters;Gesammtmenge des in 100 Gram. der Lösung
enthaltenen Salpeters.;Specifisches Gewicht der Lösungen; Grm.; deßgl.
Das letzte Resultat gibt das Maximum von salpetersaurem Kali und von Chlornatrium an,
welches eine Lösung bei dem angegebenen Temperaturgrade enthalten kann.Bei + 4° C. ist das specifische Gewicht einer gesättigten Lösung von
Salpeter und Chlornatrium = 1,3057; sie enthält:Wasser61,74Salpeter16,06Chlornatrium22,20Nun können bei dieser Temperatur 61,74 Wasser nur 9,827 Salpeter auflösen;
folglich ist die Löslichkeit dieses Salzes um 55 Proc. größer geworden, und
es ist klar, daß es eine Gränze gibt, wo diese Löslichkeit vielleicht um 100
Proc., und mehr noch, größer wird; denn bei einigen Graden unter 0°
ist der Salpeter wenig löslich, während salpetersaures Natron und
Chlorkalium es in noch verhältnißmäßig hohem Grade sind: es wird sich also
soviel Salpeter lösen, als Kali nöthig ist, um die Menge Chlorkalium zu
bilden, welche sich bei dem Temperaturgrade, bei welchem man operirt, zu
lösen vermag. Hat man nun eine gesättigte Salpeterlösung, welche
nur Chlornatrium beigemengt enthält, so wird man ihre Zusammensetzung sofort kennen,
sobald man ihr specifisches Gewicht bestimmt. Hat eine solche Lösung z. B. bei +
18° C. ein specifisches Gewicht = 1,2523, so wird sie enthalten:
Wasser
78,37
Salpeter
23,29
Chlornatrium
15,00.
Die Auflösung des Salpeters in Folge der Gegenwart von Chlornatrium war es nicht
allein, welche in Longchamp die Vermuthung der
gegenseitigen Zersetzung des salpetersauren Natrons und des Chlorkaliums erregte; er
wurde zu derselben außerdem auch durch folgende, noch gewichtigere und entscheidende
Betrachtung geführt.
Chlornatrium ist in der Wärme nicht merklich leichter löslich als in der Kälte;
dagegen ist das Chlorkalium unverhältnißmäßig leichter löslich bei höherer als bei
niederer Temperatur. Wenn man nun, so folgerte er, eine Lösung von salpetersaurem
Natron und Chlorkalium in den passenden Mengenverhältnissen der beiden Salze
abdampft, so wird sich Chlornatrium niederschlagen, und die übrigbleibende
Flüssigkeit wird beim Krystallisiren Salpeter geben. Wird die hiernach
zurückbleibende Mutterlauge wiederum abgedampft, so wird von Neuem Chlornatrium
niederfallen und beim Erkalten wird nochmals Salpeter herauskrystallisiren, und wenn
man nun das Abdampfen und Krystallisiren nach einander fortsetzt, so wird man
zuletzt dahin gelangen, das salpetersaure Natron vollständig in salpetersaures Kali
und das Chlorkalium in Chlornatrium umzuwandeln.
Dieser Schluß war so einleuchtend, daß es Longchamp für
unnöthig hielt, ihn auf experimentellem Wege zu bestätigen; um indeß den
Anforderungen derjenigen Chemiker, welche von dem Resultate nicht ebenso überzeugt
seyn sollten, völlig Genüge zu leisten, stellte er folgenden Versuch an (Ann. de Chimie et de Phys., t. IX, p. 9) Er löste 33
Thle. salpetersaures Natron und 33 Thle. Chlorkalium in Wasser auf und erhielt,
nachdem er das während des Abdampfens abgeschiedene Kochsalz von der Flüssigkeit
getrennt hatte, 28 Thle. salpetersaures Kali. Das angewendete Gemenge von
salpetersaurem Natron und Chlorkalium war keineswegs in den gehörigen Verhältnissen
zusammengesetzt; Longchamp hatte ja aber auch nur
nachzuweisen, ob eine gegenseitige Zerlegung stattfindet oder nicht, und somit hatte
er sich um die anzuwendenden Mengen beider Salze nicht weiter zu kümmern.
Soll eine ganz vollständige Zerlegung stattfinden, so müssen die beiden Salze in
folgenden Verhältnissen gemengt werden:
1
Aequivalent salpetersaures Natron
1356,84
100,00
1
Aequivalent Chlorkalium
932,50
68,72
––––––––––––––––
2289,34
168,72.
und man wird daraus erhalten:
1
Aequivalent salpetersaures Kali
1264,30
93,17
1
Aequivalent Chlornatrium
1025,04
75,55
––––––––––––––––
2289,34
168,72.
Demnach geben 100 Thle. salpetersaures Natron 93,17 Thle. salpetersaures Kali.
Zu der Zeit als Longchamp diese Versuche bekannt machte,
im Jahr 1818, kannte man den Natronsalpeter, der gegenwärtig von der Westküste
Südamerika's in so ungeheuren Mengen zu uns gebracht wird, noch nicht, und Longchamp machte den Vorschlag, ihn durch Zerlegung der
aus der Salpetererde gewonnenen Rohlaugen mittelst schwefelsaurem Natron
darzustellen. Chlorkalium war damals noch nicht Gegenstand chemischer Fabrication;
Longchamp fand es in der in Frankreich fabricirten
Potasche (bekannt unter dem Namen Vogesen-Potasche, potasses des Vosges) und
in den Aschenlaugen. Die Arbeit hätte also, wie noch heutzutage, in den
Salpetersiedereien darin bestanden, einen Theil der Rohlauge durch Glaubersalz,
einen andern Theil derselben durch Vogesen-Potasche oder
Holzaschen-Lauge zu zersetzen, beide Theile zusammen zu mengen, und dann zu
versieden. Somit hat Longchamp bereits vor 30 Jahren
nicht allein die gegenseitige Zerlegung des salpetersauren Natrons und des
Chlorkaliums gekannt und bekannt gemacht, sondern auch das Verfahren zur Darstellung dieser beiden in der
chemischen Industrie damals noch nicht bekannten Salze im Großen angegeben.
Das jetzt in Frankreich allgemein eingeführte Verfahren, Kalisalpeter durch die
gegenseitige Zerlegung von Natronsalpeter und Chlorkalium darzustellen, findet man
wohl in den Lehrbüchern angegeben, keineswegs aber Longchamp als den Entdecker dieses Processes genannt.
Zu der Zeit, wo er diese Methode zur fabrikmäßigen Darstellung des Salpeters angab,
bezahlte die französische Regierung den Salpetersiedern die 100 Kilogr. mit 239
Francs. Der Preis sank unmittelbar darauf (im J. 1819) auf 204 Fr.; jedoch in Folge
der hohen Eingangssteuer auf den ostindischen Salpeter — 85 Fr. 82 Cent.,
inclus. Zehnten (décime) — führten nur wenige
Salpetersieder die verbesserte Fabricationsmethode ein, bis zum Triumphe für die
Wissenschaft und zum größten Nutzen für die Industrie die Eingangssteuer auf
indischen Salpeter von 52½ Fr. (mit Einschluß des décime, 58 Fr. 92 Cent.) auf 15 Fr. herabgesetzt wurde.Schon früher, im J. 1829, war diese Steuer auf Veranlassung einer Commission,
zu welcher die Chemiker Chaptal, d'Arcet und Thénard gehörten, von 85 Fr. 82 Cent. auf 58 Fr.
92 Cent. herabgesetzt worden; allein diese Erniedrigung der Steuer war nicht
hinreichend, um die Salpeterlieferanten der Regierung zur Einführung des
verbesserten Verfahrens zu veranlassen. Uebrigens liefert diese Herabsetzung
der Eingangssteuer auf fremden Salpeter, welche zwanzig Jahre hindurch in
den gesetzgebenden Kammern Frankreichs Gegenstand der lebhaftesten
Verhandlungen war, in der Geschichte der Technik eines der merkwürdigsten
Beispiele von den Schwierigkeiten, mit denen Verbesserungen jeder Art bei
Ueberwindung von Vorurtheilen und Besiegung des materiellsten Egoismus zu
kämpfen haben, besonders wenn die letztern sich auf irgend ein Monopol
stützen. Jetzt blieb als das einzige Mittel zur Erhaltung dieses
Industriezweiges — der Salpeterfabrication — in Frankreich, nur die
Einführung von Longchamp's Verfahren in den
Salpetersiedereien übrig, wie dieß der Kriegsminister in seinem Vorworte zum Budget
auf das Jahr 1838 selbst erklärte.
Sehen wir jetzt, welche Ersparnisse die französische Regierung gemacht haben würde,
wenn Longchamp's Verfahren bereits im Jahre 1818, als er
es zuerst bekannt machte, in die Praxis allgemein eingeführt worden wäre. Von 1818
bis 1848 hat die Direction der Pulverfabriken etwa 42 Millionen Kilogr. Salpeter zur
Pulverfabrication verbraucht. Dieser Salpeter wurde, wie schon erwähnt, im J. 1818
mit 239 Fr. die 100 Kilogr. bezahlt, während der jetzige Preis 100 Fr. beträgt.
Demnach beträgt die Preis-Erniedrigung für den metrischen Centner 139 Fr., für die 42
Millionen Kilogr. = 420000 metrischen Centnern, also die Summe von 58,380,000
Fr.
Die Salpeterprobe.
Die noch jetzt übliche Methode den Salpeter zu probiren, welche von Riffault angegeben wurde, besteht im Wesentlichen darin,
daß man etwa 400 Gram. Rohsalpeter mit 500 Kubikcentim. (= ½ Liter) einer
gesättigten Auflösung von reinem Salpeter unter Umrühren wäscht. Nachdem man das
Waschwasser decantirt und durch 250 Kubikcentimet. (= ¼ Liter) derselben
Auflösung von reinem Salpeter ersetzt hat, wäscht man von Neuem, gießt das Ganze auf
ein Filter, und legt dieses, sobald die Flüssigkeit durch den Trichter abgelaufen
ist, über Fließpapier auf eine poröse Unterlage, am besten auf Holzasche, welche die
vom Salpeter noch zurückgehaltene Flüssigkeit einsaugt. Der auf diese Weise
getrocknete Salpeter wird in eine kupferne Schale und diese in ein Sandbad gebracht,
dessen Temperatur man auf 120 bis 130° C. steigert. Auf diese Weise kann man
fünfzehn bis zwanzig Proben auf einmal vornehmen.
Dieses Verfahren ist zwar einfach, aber auch sehr ungenau. Enthält der zu probirende
Salpeter Chlornatrium, so begünstigt dasselbe die Auflösung eines Theiles des
Salpeters, wie wir dieß oben hinreichend auseinandergesetzt haben. Enthält der
Salpeter Chlorkalium, so erzeugt dieses Salz bei seiner Auflösung eine nicht
unbedeutende Temperatur-Erniedrigung, in Folge deren ein Theil des Salpeters
aus der angewendeten Lösung niedergeschlagen wird. Im erstern Falle gibt also die
Probirmethode weniger Salpeter an, als der Rohsalpeter wirklich enthält; im zweiten
Falle dagegen gibt sie den Salpetergehalt viel zu hoch an. Correctionen sind hier
nicht möglich, da man nie weiß, in welchen Mengenverhältnissen die Chlorüre im
Rohsalpeter vorhanden sind. Wenn nun früher die Salpetersieder an die Raffinerien
einen Salpeter ablieferten, dessen von der in ihm enthaltenen Mutterlauge, von
salpetersaurer Kalkerde, von Chlorcalcium, Chlorkalium und Chlornatrium herrührender
Abgang 20 bis 30 Proc. betrug, so gab das Probiren eines solchen Salpeters den
wirklichen Gehalt des Rohsalpeters an reinem Salpeter durchaus nicht an; und wenn
dabei die Raffinerien der Regierung nicht wesentlich im Vortheile oder im Nachtheile
standen, so rührte dieß davon her, daß im Laufe eines Jahres drei- bis
vierhundert verschiedene Lieferungen eingingen, daß folglich die damit angestellten
drei-bis vierhundert Proben einen mittleren Werth angaben, welcher die
Ueberschüsse und die Verluste ins Gleichgewicht brachte. Um endlich einmal aus
dieser für beide Theile so nachtheiligen Ungewißheit herauszukommen, hatte Longchamp die Salpetersieder aus dem Commissariate von
Dijon, welches er früher dirigirte, veranlaßt, den Salpeter, bevor sie ihn
ablieferten, zu waschen.Dieses Waschen ist eine sehr einfache Operation. Man bringt den Rohsalpeter
in einen großen Kasten mit doppeltem Boden, und gießt Siedelauge darüber.
Nach einer drei-bis vierstündigen Berührung läßt man das Waschwasser
ablaufen und nimmt den Salpeter am folgenden Tage, wenn er gut abgetropft
ist, wieder aus dem Waschkasten heraus. Longchamp
führte dieses Waschen des Rohsalpeters in der Raffinerie zu Dijon ein. Er
brachte 1000 Kil. Rohsalpeter und 300 bis 400 Kilogr. von dem Waschwasser
des raffinirten Salpeters in das Krystallisirbecken. Es gelang ihm auf diese
Weise einen Salpeter mit einem Gehalte von kaum 0,03 bis 0,04 Proc. fremder
Salze, und frei von dem Schaum und der Erde, welche ihn stets verunreinigen,
in den Raffinirkessel zu bringen, so daß er ¼ Salpeter mehr als
früher in demselben Kessel raffiniren und den Raffinirungsproceß mit weit
weniger Mühe und in viel kürzerer Zeit zu Ende bringen konnte. In
den Raffinerien der Regierung braucht kein Salpeter angenommen zu werden, dessen
Abgang mehr als 5 Proc. beträgt, und da gegenwärtig der Salpeter kein Chlorkalium
mehr enthält, weil dieses Salz einen großen Werth für die Salpetersieder hat, so
könnte die Riffault'sche Probirmethode ohne sehr
bedeutende Nachtheile immer noch angewendet werden.
Freilich dürfte das von Longchamp im J. 1818 angegebene
Verfahren zum Probiren des Rohsalpeters sowohl hinsichtlich seiner größern
Genauigkeit, als auch in Rücksicht auf die mit seiner Anwendung verknüpfte nicht
unbedeutende Zeitersparniß, den Vorzug verdienen. Es besteht darin, eine bestimmte
Gewichtsmenge des zu probirenden Salpeters, etwa 20 Gram., in etwa 400 Gram. Wasser
aufzulösen, und das specifische Gewicht dieser Lösung zu bestimmen. Aus vorher
berechneten Tabellen liest man die Resultate für die Temperatur-Grade ab, bei
welchen die Probe vorgenommen wird, und die man leicht zwischen + 10° und +
20° C. halten kann.
Diese Probirmethode empfiehlt sich außer durch ihre Einfachheit auch durch eine
solche Genauigkeit, wie sie von keinem andern Verfahren zu erreichen ist; mit einer
etwas genauen Waage kann man den Salpetergehalt bis auf 0,001 nachweisen.
Eine andere Probirmethode ist die von Gossart, Commissär
der französischen Pulverfabriken, angegebene.Polytechn. Journal Bd. CIII S. 291. Sie besteht
darin, die Auflösung einer bestimmten Gewichtsmenge Rohsalpeters und eine titrirte
Lösung von schwefelsaurem Eisenoxydul mit Schwefelsäure zusammen zu erhitzen. Die dadurch
entwickelte Salpetersäure verwandelt das Eisenoxydul in Oxyd, dessen Gegenwart
bekanntlich durch Kaliumeisencyanid nicht angezeigt wird. Man setzt so lange von der
Eisenoxydulsalz-Lösung hinzu, bis das Kaliumeisencyanid die Gegenwart des
Oxyduls angibt; und mittelst der verwendeten Menge der Eisenvitriollösung bestimmt
man die Menge der Salpetersäure, welche frei werden mußte, um das Eisenoxydul in
Oxyd zu verwandeln. Pelouze hat dieses Verfahren
modificirt und wesentlich verbessert.Polytechn. Journal Bd. CIV S. 111. Auf Rohsalpeter läßt sich diese Methode aber nicht anwenden,
denn obgleich man mittelst derselben die Quantität der in einem Salzgemenge
enthaltenen Salpetersäure bestimmen kann, so läßt sich doch mittelst ihrer nicht
erkennen, ob die Säure mit Kalkerde, mit Kali oder mit Natron verbunden ist, so daß
man in Gefahr geräth, Kalk- oder Natronsalpeter als Kalisalpeter zu
bezahlen.