Titel: | Ueber die Stöhrer'schen telegraphischen Apparate. |
Fundstelle: | Band 119, Jahrgang 1851, Nr. VIII., S. 30 |
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VIII.
Ueber die Stöhrer'schen telegraphischen Apparate.Aus dem sehr empfehlenswerthen Werk: „Der elektromagnetische Telegraph in den einzelnen
Stadien seiner Entwicklung und in seiner gegenwärtigen Ausbildung und
Anwendung, von Dr. H. Schellen, Oberlehrer an der
Realschule zu Düsseldorf. Braunschweig, Verlag von Friedrich Vieweg und
Sohn. 1850.“
Der magnetoelektrische
Zeigerapparat.
Ueber die Stöhrer'schen telegraphischen Apparate.
Der magnetoelektrische Zeigerapparat des Mechanikus E. Stöhrer
in Leipzig unterscheidet sich von den anderen Telegraphen wesentlich in
drei Punkten. Stöhrer wendet zum Betriebe seines
Apparates statt der gewöhnlichen hydrogalvanischen, aus
Metallen und Flüssigkeiten zusammengesetzten Batterien, die magnetoelektrische
Rotationsmaschine an, durch deren Vervollkommnung er sich schon längst verdient
gemacht hat.
Während ferner bei den übrigen Telegraphen das Anziehen und das Abfallen der Anker
und dadurch die Bewegung des Zeigers durch das Unterbrechen und Wiederherstellen des Stromes
erfolgt, erreicht Stöhrer denselben Zweck durch
fortwährende Umkehrung des Stromes und durch den dadurch
hervorgerufenen Polwechsel des Elektromagneten.
Endlich geschieht das Telegraphiren nicht durch Niederdrücken von Tasten, sondern
durch die Drehung eines Zeigers, den der Telegraphist mit beliebiger Geschwindigkeit
und in beliebiger Richtung auf das beabsichtigte Zeichen
stellt.
Damit die Magnete der magnetoelektrischen Maschine durch langen Gebrauch ihre Kraft
nicht verlieren, verwendet Stöhrer zum Betriebe seines
Telegraphen nur den Kraftüberschuß derselben, welcher bleibt, wenn die Pole durch
einen vorgelegten Anker verbunden sind. Sind die beiden Schenkel eines Stahlmagneten
durch eine Armatur geschlossen, so bleibt bekanntlich der Magnetismus in
ungeschwächter Kraft, und bei der Einrichtung, die Stöhrer seinen Maschinen gibt, behalten die armirten Magnete Kraft genug,
um vermittelst der Inductionsströme den Zeiger in Bewegung zu setzen.
Die magnetoelektrischen Maschinen liefern bei jeder Umdrehung zwei Paar
entgegengesetzt gerichteter Ströme, die sich zwar durch Anwendung eines Commutators
auf eine und dieselbe Richtung bringen lassen, aber auch bei der Stöhrer'schen Einrichtung in ihrer ursprünglichen Form
zur Zeichengebung ganz geeignet sind. Der Richtungswechsel des Stromes bewirkt einen
Polwechsel des Elektromagneten, wodurch der Anker, der hier einen permanenten
Stahlmagneten bildet, bald angezogen, bald abgestoßen wird, und durch diese pendulirende Bewegung
mittelst eines Rades auf den Zeiger einwirkt.
Ueber die nähere Einrichtung und die Anwendung dieses Telegraphen hat Stöhrer uns folgende Mittheilungen zukommen lassen:
1) In dem Innern eines Schränkchens von Mahagoniholz mit verschließbarer Thür
befindet sich eine magnetoelekrische Maschine, deren Stahlmagnet aus 7 Lamellen von
11 Zoll Schenkellänge zusammengesetzt ist. Diese Maschine wird durch ein Triebwerk,
woran ein Gewicht von beinahe 90 Pfd. hängt, in Bewegung gesetzt. Das Gestell, sowie
die Räder des Triebwerkes sind von Messing, die Triebe und Wellen von gehärtetem
Stahl. Der Aufzug des Triebwerkes geschieht mittelst eines eisernen Schlüssels,
welcher an der Seite des Schränkchens durch ein Loch gesteckt auf den Zapfen der
Aufzugswelle paßt.
Damit man der Rotation der Maschine eine bestimmte Geschwindigkeit geben könne, ist
am Triebwerke ein Centrifugalregulator angebracht. Unter der Welle der
magnetoelektrischen Maschine ist rechtwinkelig mit derselben ein Schieber
angebracht, welcher außerhalb des Schrankes in einen Knopf endet. Sobald man diesen
Knopf herauszieht, kommt die Maschine in Rotation, welche durch das Triebwerk
unterhalten wird.
2) In der Thür des Schrankes, welche man, ohne den Gang des Apparates zu stören,
öffnen kann, befindet sich, mit dem Buchstaben- und Zifferblatt nach außen
gekehrt, der Zeichenapparat, welcher sowohl zum Zeichengeben als auch zum Zeichenempfangen dient.
Die Bewegung des Zeichenapparates beruht auf dem Richtungswechsel des Stromes der
magnetoelektrischen Maschine. Ein horizontal liegender Elektromagnet bewegt zwischen
seinen Polen einen an einer Welle hängenden Eisenanker hin und her, sobald der Strom
der Maschine die Inductoren (Drahtrollen) desselben durchläuft. Der Eisenlappen
macht zwei Schwingungen bei einem Umlaufe der Welle der
Maschine.
An derselben Welle, die den Eisenanker trägt, sitzt ein Haken von gehärtetem Stahl,
welcher in ein Steigrad von Neusilber eingreift. An der Welle des Steigrades welches
18 Zähne hat, sitzt der Zeiger, der sich über die 36 Felder der Buchstabenscheibe
bewegt. Die Form des Hakens und diejenige der Steigradzähne sind nach vielen
Versuchen so gewählt, daß ein Ueberspringen oder Hängenbleiben bei der schnellsten Bewegung des erstern
unmöglich ist.
Unter dem Zeiger ist ein concentrisch mit der Bewegung desselben drehbarer Arm von
Messing angebracht, welcher sich vor- und rückwärts auf ein beliebiges Zeichen stellen läßt. Dieser
Führungsarm trägt einen Hebel, welcher vom Zeiger
niedergedrückt wird, wenn letzterer über denselben zu stehen kommt. Der Strom muß
von der Maschine aus durch den erwähnten Hebel laufen, ehe er zu den Drahtrollen des
Elektomagneten gelangt. Solange daher der Zeiger den Hebel niederhält, ist die
Leitung unterbrochen, sobald aber der Führungsarm mit dem Hebel vom Zeiger weg auf
eine andere Stelle gedreht wird, so bewegt sich sofort der Zeiger, bis er wieder
über den Hebel zu stehen kommt, welchen er niederdrückt und somit seine eigene
Bewegung aufhebt.
3) Das Telegraphiren mit dem Apparate besteht hiernach in
Folgendem:
Im Ruhezustande steht der Führungsarm und Zeiger auf dem untersten leeren Felde der
Zeichenscheibe. Man zieht nun das Register, um die Maschine in Gang zu setzen. Dreht
man sodann den Führungsarm auf dem kürzesten Wege vor- oder rückwärts auf ein Zeichen, so
folgt der Zeiger immer rechts umgehend sofort nach und
bleibt auf dem Zeichen stehen, solange der Führungsarm nicht weiter gerückt wird.
Sobald letzteres geschieht, setzt auch der Zeiger seinen Lauf fort und bleibt auf
dem mit dem Führungsarm bedeckten Zeichen stehen, so oft und solange man will.
Dasselbe thun natürlich alle in die Leitung eingeschlossenen Apparate.
Solange das Register der Maschine eingeschoben ist, kann man mit demselben Zeichenapparate das telegraphische Zeichen der
entfernten Station erhalten, indem durch das Einschieben des Registers von selbst
der Weg des Stromes durch den Hebel des Führungsarmes aufgehoben und dafür ein
directer durch die Spiralen des Elekromagneten unmittelbar hergestellt wird. Daher geht bei dem Zeichenempfangen der Zeiger über den Führungsarm weg, ohne von demselben
angehalten zu werden.
Die Schnelligkeit der Bewegung des Zeigers hängt von der Geschwindigkeit ab, mit
welcher die magnetoelektrische Maschine rotirt, und letztere kann mittelst des
Regulators und der Veränderung des Zuggewichtes beliebig verändert werden;
jedenfalls aber ist es ein Vorzug des Apparats den alle anderen nicht besitzen, daß
die Geschwindigkeit der Zeigerbewegung nicht vom Telegraphirenden oder von der
Stärke des Stromes, sondern von der regelmäßigen Bewegung des Triebwerkes abhängig
ist.
4) Ueber dem Zeichenapparate ist ferner noch ein Wecker angebracht, dessen Thätigkeit
auf demselben Principe beruht. Die metallene Glocke des Weckers ist außerhalb auf
eine Metallplatte angebracht; über derselben hängt an einer Welle ein eiserner
Klöppel, welcher unmittelbar vom Elektromagneten hin und her bewegt wird. Auf
derselben Metallplatte sind noch zwei Register angebracht, von denen das eine dazu
dient den Wecker ein- oder auszuschließen, das andere aber, den Apparat
gänzlich von der Leitung abzusperren.
5) Die Stärke des Stromes der beschriebenen Apparate reicht aus um damit bei dem
gewöhnlichen Widerstande der Leitung auf 20–30 geographische Meilen
Entfernung zu telegraphiren. Mit Vergrößerung der magnetoelektrischen Maschine kann
die Länge der Linie bis wenigstens auf das Doppelte, also 60 Meilen und noch mehr,
angenommen werden.
6) Der Preis eines solchen Apparates ist ohne Verpackung und Transportkosten 200
Thlr. Ein Apparat mit doppeltem Zeichenapparat für die Sectionspunkte einer Linie ist 220 Thlr.
Die Stöhrer'schen Zeichenapparate sind zuerst im September
des Jahres 1847 auf der Linie von 20 deutschen Meilen von Leipzig nach Hof
eingeführt worden. Diese Linie ist in 4 Sectionen eingetheilt, auf welchen 10
einfache und 3 doppelte Apparate in Thätigkeit sind; bis dahin waren Fardely's Zeigertelegraphen, in denen noch eine
Communicatorscheibe mittelst Speichen durch die Hand des Telegraphisten gedreht
wird, in Anwendung.
Die Linie von Leipzig nach Dresden ist 16 deutsche Meilen lang und hat zwei
Drahtleitungen, von denen die eine die Correspondenz des Eisenbahndienstes durch 9
magnetoelektrische Buchstabentelegraphen besorgt.
In Bayern verbindet die telegraphische Linie die Städte
Hof, Bamberg, Nürnberg, Augsburg, München und Kaufbeuren, und hat ebenfalls zwei
Eisendrahtleitungen, von denen die eine mit 56 magnetoelektrischen
Buchstabentelegraphen nach Stöhrer's Construction für den
Eisenbahndienst ausgerüstet wird.
Der Doppeltstiftschreibapparat.
In der neuesten Zeit hat E. Stöhrer, dem die elektrische
Telegraphie auch in anderer Hinsicht bedeutende Vervollkommnungen verdankt, an dem
Morse'schen Telegraphen Verbesserungen angebracht und
dieselben bereits im Großen ausgeführt. Der Unterschied zwischen diesem Stöhrer'schen und dem Morse'schen Apparat liegt in folgenden zwei Punkten.
Stöhrer wendet unter Beibehaltung eines einzigen Leitungsdrahtes zwei
Elektromagnete am Räderwerke mit zwei Schreibstiften an,
welche nach der Willkür des Telegraphisten unter Anwendung zweier Schlüssel abwechselnd in Bewegung gesetzt werden können. Der Morse'sche Telegraph hat nur einen Schreibstift. Die zum Betriebe des Telegraphen erforderlichen
galvanischen Ströme werden nicht, wie bei Morse, durch
eine galvanische Batterie, sondern durch eine magnetoelektrische Rotationsmaschine entwickelt und gehören also zu der
Classe der Inductionsströme.
Dem freundlichen Entgegenkommen des Hrn. Erfinders verdanken wir folgende
Mittheilungen:
1) Auf einem Untersatze von Mahagoniholz befindet sich ein kleines Triebwerk, welches mittelst Aufzug eines Gewichtes,
nachdem es durch elektromagnetische Thätigkeit gelöst ist, einen Papierstreifen
bewegt.
2) Vor dem Triebwerke stehen zwei Elektromagnete, welche
zwei entsprechende Hebel in abwechselnde Thätigkeit
setzen. Die letzteren tragen abgestumpfte Stahlspitzen, welche Punkte und Striche in
den bewegten Papierstreifen niederdrücken.
3) Zur Seite des Werkes steht eine bewegliche Papierrolle
von Messing, worauf der Papierstreifen vorräthig aufgewickelt wird.
4) Unter der Papierrolle, verdeckt durch einen Kasten, steht das sogenannte Relais (Uebertrager), d. h. diejenige Vorrichtung, welche
durch elektromagnetische Wirkung die Extrasäule
(Localbatterie) für die Schreibelektromagnete öffnet und schließt.
5) Auf der Vorderseite des Holzgestelles befindet sich ein Vorsprung, ebenfalls von
Mahagoniholz. Dieser Vorsprung trägt zwei messingene Drücker (Schlüssel), welche von dem Telegraphisten in Thätigkeit gesetzt
werden und die Wirkung der Schreibelektromagnete mittelst des Relais auf die
schreibenden Stifte hervorbringen.
6) Eine Weckerglocke läßt sich mit dem Triebwerke in Verbindung setzen, damit beim
Anfange einer Depesche die Aufmerksamkeit des Telegraphisten erregt werden kann.
7) Bei dem Morse'schen Apparate hat man nur über die
beiden Elementarzeichen — und zu verfügen, welche in einer Linie abwechselnd gegeben werden können. Der beschriebene Apparat
bringt bei abwechselndem Niederdrücken der beiden unter 5) beschriebenen Drücker
zwei Stifte zur Thätigkeit, mit welchen man in zwei Reihen Zeichen abwechselnd geben
kann. Man hat also über vier Elementarzeichen zu verfügen, dem untern __ und . und
dem obern -- und •
Es ist klar, daß dadurch die Zusammensetzung der Elementarzeichen zu Buchstaben
bedeutend einfacher wird, als wenn man nur zwei Elementarzeichen hat, wie bei dem
Morse'schen Apparate. Um hiervon ein Bild zu geben,
folgen beide Alphabete:
a) Das Alphabet
des Doppelstiftapparates:
Textabbildung Bd. 119, S. 36
b) Das Alphabet
des Morse'schen Apparates.
Textabbildung Bd. 119, S. 36
Wenn man die Zeit, welche während des Gebens des Punktes verfließt, als Einheit
rechnet, so kommt auf den Strich die Zeit 2, auf die leeren Räume zwischen den
Elementarzeichen des Morse'schen Alphabets, wie bei h…, bei p…. u.
s. w. ebenfalls die Zeit 1. Diese leeren Räume fallen bei dem Alphabet a) weg und erleichtern dadurch das Verständniß
bedeutend. Die folgenden Worte zeigen, wie viel weniger Zeit man bei dem
Doppelstiftapparate braucht, als bei dem Einstiftapparate:
Mittelst Doppelstift:
Textabbildung Bd. 119, S. 36
24 Zeittheile.
Mittelst Einstift:
Textabbildung Bd. 119, S. 36
40 Zeittheile.
Mittelst Doppelstift:
Textabbildung Bd. 119, S. 37
22 Zeittheile.
Textabbildung Bd. 119, S. 37
Mittelst Einstift.
36 Zeittheile.
8) Der Preis eines Doppelstiftapparates beträgt ohne Säule 200 Thlr.
Die Linie von Leipzig nach Dresden (16 deutsche Meilen) enthält zwei Drahtleitungen,
von denen die eine für die directe Correspondenz zwischen den Endpunkten derselben
mit dem Doppelstiftapparate versehen ist. Dieselben Apparate werden für die
Correspondenzlinien im Königreiche Bayern angewendet. Diese Linie verbindet die
Städte Hof, Bamberg, Nürnberg, Augsburg, München und Kaufbeuren, und ist ebenfalls
mit zwei Drahtleitungen versehen, von denen die eine für den Eisenbahndienst 56
magnetoelektrische Buchstaben oder Zeigertelegraphen nach der Stöhrer'schen Construction, die andere für die Regierungs- und
Privatcorrespondenzen fünf Doppelstiftapparate erhält.