Titel: | Merkwürdiger Einfluß des Luftdrucks auf den Gefrierpunkt des Wassers; von William Thomson. |
Fundstelle: | Band 119, Jahrgang 1851, Nr. IX., S. 37 |
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IX.
Merkwürdiger Einfluß des Luftdrucks auf den
Gefrierpunkt des Wassers; von William Thomson.
Aus dem Journal de Pharmacie, Nov. 1850, S.
372.
Thomson, über den Einfluß des Luftdrucks auf den Gefrierpunkt des
Wassers.
In einer der Royal Society eingereichten Abhandlung hatte
James Thomson durch die Theorie nachgewiesen, daß der
Gefrierpunkt des Wassers von dem Druck auf diese Flüssigkeit nicht ganz unabhängig
seyn kann, und daß das Wasser bei einer um so niedrigeren Temperatur gefrieren muß,
je beträchtlicher der Druck auf dasselbe ist. Der gelehrte Physiker stellte sogar
Formeln auf, mittelst deren sich die jeder Atmosphäre entsprechende Erniedrigung des
Gefrierpunkts berechnen läßt.
Es war seinem Bruder, dem Professor William Thomson
vorbehalten, die Richtigkeit dieser merkwürdigen Thatsache durch das Experiment zu
bestätigen.
Um eine solche Erscheinung ohne Anwendung beträchtlicher Pressionen beobachten zu
können, war ein Thermometer von außerordentlicher Empfindlichkeit erforderlich; denn
für einen zehn Atmosphären entsprechenden Druck betrug die Erniedrigung des
Gefrierpunkts nach der Theorie nicht viel mehr als den zehnten Theil eines
Fahrenheit'schen Grades. Das Quecksilber ließ sich daher nicht als thermometrische
Flüssigkeit gebrauchen, wohl aber der Aether.
Bekanntlich besitzt der Schwefeläther einen acht- oder neunmal größeren
Ausdehnungs-Coefficient als das Quecksilber, während die Dichtigkeit des
Aethers kaum der zwanzigste Theil von derjenigen des Quecksilbers ist. Dieß war für
den beabsichtigten Versuch ein doppelt glücklicher Umstand, weil er gestattete ein
sehr empfindliches Thermometer zu erhalten, ohne den Fehlern ausgesetzt zu seyn,
welche die Formveränderung der Thermometerhülle bei Anwendung einer Flüssigkeit von
großer Dichtigkeit verursacht.
Thomson ließ daher ein höchst empfindliches
Aether-Thermometer herstellen; jede seiner Theilungen, welche mit
unbewaffnetem Auge sehr leicht zu unterscheiden war, entsprach dem 75sten Theil
eines Fahrenheit'schen Grades, also dem 135sten Theil eines Centesimalgrades. Um die
Kugel dieses Instruments gegen Formveränderung innerhalb einer comprimirten
Flüssigkeit zu schützen, begnügte er sich sie mit einer Hülle von Glas zu versehen,
die ihr als Gehäuse diente, in welches das Thermometer gesteckt und darin luftdicht
verschlossen wurde. Die Angaben des Instruments mußten sich deßhalb langsam
einstellen, konnten aber unter den eigenthümlichen Umständen des Versuchs nichts an
Genauigkeit verlieren.
Nun handelte es sich darum, ein Gemisch von Wasser und Eis einer allmählich
zunehmenden Druckkraft unterziehen zu können, wozu Thomson den Oersted'schen Apparat anwandte,
welchen er folgendermaßen anordnete:
Nachdem der Compressions-Cylinder zum Theil mit einem Gemisch von ganz reinem
Eis und Wasser gefüllt war, stellte er eine gerade Röhre hinein, welche als
Manometer diente und durch das wechselnde Volum ihrer Luft den wechselnden auf das
Gemisch ausgeübten Druck anzeigte. Das Aether-Thermometer wurde alsdann in
den Cylinder gesenkt,
und in einer solchen Stellung erhalten, daß das untere Ende seiner Glashülle auf dem
Boden des Gefäßes ruhte; hierauf füllte man das Gefäß vollends, indem man besorgt
war mittelst einer doppelten Scheibe von Blei den ganzen Theil der Thermometerröhre,
auf welchem die Ablesungen voraussichtlich gemacht werden mußten, von Eis frei zu
erhalten.
Als nun das Thermometer bei der 67sten Abtheilung stationär blieb, trieb man den
Kolben des Apparats hinab, bis die Luft des Manometers auf 1/12 ihres Volums
reducirt war, was einen Druck von zwölf Atmosphären anzeigte. Man sah alsdann die
Aethersäule rasch fallen, und in einigen Minuten war sie schon unter 61° F.
Der Druck wurde plötzlich aufgehoben, und plötzlich stieg auch das Thermometer
wieder. Als man mehrmals hintereinander den Druck herstellte und wieder aufhob,
zeigten sich die Wirkungen auf das Thermometer stets vollkommen deutlich und
fcharf.
Auf diese Art überzeugte man sich, daß durch einen Druck von einigen Atmosphären der
Gefrierpunkt des Wassers merklich erniedrigt wird. Thomson fand hierbei, daß ein Druck von acht Atmosphären den Gefrierpunkt
um den zehnten Theil eines Fahrenheit'schen Grades erniedrigt, oder nahezu um den
achtzehnten Theil eines Centesimalgrades; diese Ziffer stimmt auch mit den
theoretischen Berechnungen seines Bruders vollkommen überein.
Obgleich der Einfluß des Drucks auf den Gefrierpunkt des Wassers höchst gering ist,
so ist doch die Thatsache an und für sich wichtig, und kann einiges Licht auf die
Molecular-Erscheinungen werfen, welche in dem Augenblick vorgehen, wo die
Körper ihren Zustand verändern. Dieser Einfluß des Drucks auf den Gefrierpunkt muß
nothwendig für alle Flüssigkeiten gelten welche beim Gefrieren an Volum zunehmen;
während für alle Flüssigkeiten welche sich beim Uebergang in den festen Zustand
zusammenziehen, der Einfluß des Drucks die umgekehrte Wirkung hervorbringen muß.
H.
Buignet.