Titel: | Durchsicht der bisher gebrauchten Verfahrensarten den blauen Farbstoff in den Indigosorten zu bestimmen, und Beschreibung einer neuen zum genannten Zweck; von Professor Dr. Bolley. |
Fundstelle: | Band 119, Jahrgang 1851, Nr. XXVII., S. 114 |
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XXVII.
Durchsicht der bisher gebrauchten Verfahrensarten
den blauen Farbstoff in den Indigosorten zu bestimmen, und Beschreibung einer neuen zum
genannten Zweck; von Professor Dr. Bolley.
Aus dem schweizerischen Gewerbeblatt, 1850, 2tes
Semester, S. 95.
Bolley, über Verfahrensarten den Farbstoffgehalt der Indigosorten
zu bestimmen.
Es ist leicht begreiflich, daß der vielfältige Verbrauch des Indigo, der
außerordentlich abweichende Gehalt der verschiedenen Sorten an blauem Farbstoff,
neben dem ziemlich, hohen Preis desselben, zur Aufsuchung von Mitteln hindrängen
mußte, um den eigentlichen Werth dieser Handelswaare zu untersuchen. Und in
Wirklichkeit sind eine verhältnißmäßig große Reihe von Vorschlägen in der chemischen
Literatur niedergelegt, die wir, ehe wir sie mit einem neuen vermehren, nach ihrer
Licht- und Schattenseite zuerst näher zu untersuchen haben.
Die uns bekannten dieser Vorschriften sind folgende:
1) förmlich analytisches Verfahren, also Ausscheidung, Reindarstellung und Abwägen
des Indigoblau;
2) Colorimetrische, d. h. solche, bei welchen aus der Farbentiefe verschieden
verdünnter Lösungen auf den Farbstoffgehalt geschlossen werden soll;
3) Färbeversuche mit Garn oder Tuchläppchen;
4) die Löslichkeit des Indigo in Schwefelsäure als Maaßstab für dessen Güte;
5) man sucht aus der zum Entfärben eines gewissen Gewichts von Indigo verbrauchten
Chlormenge auf dessen Farbstoffgehalt zu schließen.
Eine vollständige, mit allen wissenschaftlichen Hülfsmitteln angestellte chemische
Analyse, welche sonst das mit ihr verbundene Uebel großen Zeitverbrauchs und der
Erforderniß einer nicht jedem Techniker zuzumuthenden Geübtheit durch Genauigkeit
ihrer Ergebnisse aufwiegt, hat leider in diesem Falle nicht einmal den letztern
Vortheil, während die Schwierigkeiten der Arbeiten verhältnißmäßig größer sind als
in ähnlichen Fällen.
1) Berzelius selbst,Siehe Berzelius' Lehrbuch, Artikel
Indigo. dem wir das Meiste unserer Kenntnisse über den Indigo
verdanken, erklärt die successive Ausscheidung von Indigleim, Indigbraun und
Indigroth, und die Darstellung des reinen Blau aus dem Rückstand als eine sehr
mühevolle, langwierige Arbeit und verwirft deren Brauchbarkeit zur Indigometrie.
Derselbe gibt aber ein anderes, ursprünglich von Pugh
vorgeschlagenes Verfahren als zweckdienlicher an, die sogenannte Vitriolprobe. Es
ist dieß nichts anderes, als das Ansetzen einer kleinen Vitriolküpe mit abgewogenem
Indig- und mit abgemessenem Wassergehalt. Aus einem abgemessenen (etwa dem
vierten) Theil der vom Ganzen mittelst eines Hebers abgezogenen Flüssigkeit wird
durch Luftberührung das Indigblau ausgeschieden, etwas Salzsäure zugegeben, um den
Kalk vor dem Niederfallen zu bewahren, das ausgeschiedene Indigblau getrocknet und
abgewägt. In der letztern Arbeit liegt für den Techniker aber die eigentliche
Schwierigkeit, und sie ist wohl auch die Ursache, daß diese Methode so wenig Eingang
fand. Aussüßen eines Niederschlags, der in Wasser nicht ganz unlöslich ist,
vollkommenes Austrocknen und genaues Abwägen desselben — setzt Uebung, Zeit
und Geräthschaften voraus, Bedingungen, die in den meisten Fällen alle drei
fehlen.
Man hat einen andern Weg der Reduction und Ausscheidung des blauen Farbstoffs aus
einer gewogenen Indigomenge angegeben. Es soll nach Fritsche der fein geriebene Indigo mit Aetzkali, Krümelzucker (Honig oder
Stärkesyrup) und wässerigem Weingeist ersetzt werden. Aus einem gewissen Antheil der
abgezogenen Flüssigkeit aber, auf ganz ähnliche Weise wie im vorhergehenden Falle,
soll das Blau durch Luftberührung geschieden und durch Abwägen bestimmt werden.
Diese Methode, welche wir schon angewendet haben, verdient vor der vorhergenannten
den Vorzug, daß man die ganze Küpe flüssig erhält, während dort das ungelöste
Kalkhydrat und Eisenoxydhydrat einen Theil des Farbstoffs einhüllen und zurückhalten können. Aber der
nämliche Vorwurf, welcher die Vitriolprobe trifft, fällt auch auf diese sogenannte
Zuckerprobe.
2) Das colorimetrische Verfahren, längst auf die meisten Farbstoffe angewendet,
ursprünglich eine Abänderung, oder vielmehr umgekehrte, von Dubrunfaut versuchte Anwendung des von Payen
zur Bestimmung der entfärbenden Kraft der Thierkohle vorgeschlagenen Decolorimeters,
beruht darin: aus der Dicke der Schicht, welche man von einer Farbflüssigkeit, die
sich zwischen zwei durchsichtigen Wänden befindet, braucht, um so intensiv zu
erscheinen, als eine andere ebenso verdünnte, aber vielleicht in dünnerer oder
breiterer Schichte betrachtete, den Farbstoffgehalt zu bestimmen.
In etwas anderer Form ist in jüngster Zeit, angewendet auf den Indigo, diese Idee von
Hugo Reinsch aufgefrischt worden. Er macht von den zu
untersuchenden Indigosorten Lösungen in Schwefelsäure und verdünnt dieselben, jede
so weit bis sie in zwei gleichen Glascylindern bei durchfallendem Lichte die gleiche
Farbentiefe zeigen. Die Güte des Indigo soll den zugesetzten Wassermengen
proportional seyn. Einfachheit wollen wir diesem Vorschlag nicht absprechen, wohl
aber Sicherheit. Es ist sehr bekannt, daß beim Uebergießen von Indigo mit
Schwefelsäure sich eine wechselnde Menge von sogenanntem Indigpurpur bildet, der
sich in Schwefelsäure nicht eigentlich löst, sondern in der Flüssigkeit in fein
vertheiltem Zustand suspendirt bleibt. Die kleinsten Theilchen eines solchen in der
Lösung schwebenden Körpers ändern, wie schon Berzelius
darauf aufmerksam macht, nicht nur seine Farbentiefe, sondern auch die Nüance. Es
ist unmöglich, daß, so lange die Bildung dieses Körpers bei Behandlung des Indigo
mit Schwefelsäure nicht ganz ausgeschlossen ist, seine Gegenwart nicht Täuschungen
veranlasse. Ein anderes wird vom Verfasser selbst angegeben; ersagt, daß die
Java-Indigosorten mit einer andern Farbe sich lösen als die bessern
Bengalsorten, die ersteren mit etwas ins Violette ziehender, die letzteren mit mehr
blauer Farbe; daß sich einzelne Indigosorten auch mit mehr ins Grünliche
schimmernder Farbe lösen, wird von ihm ebenfalls angeführt.
Wie sollte da ein vergleichender Maaßstab herstellbar seyn, wenn die Farben sich
nicht unterscheiden durch Helle oder Tiefe, sondern wenn die Farben unter sich
verschieden sind? Bei der in Reinsch's Abhandlung
befindlichen kleinen Tabelle ist nirgends angeführt, daß die gemachten Proben mit
einem andern indigometrischen Verfahren verglichen worden seyen, was doch wohl
gerade darum nöthig erscheint, da nur so zu entscheiden ist, ob die Basis überhaupt, auf welcher diese Versuche ruhen, eine
solide, alle Täuschung ausschließende ist. Richtig ist zwar, daß die immer doppelt
angestellten Prüfungen mit der nämlichen Indigosorte ziemlich annähernd ausfielen.
Allein das beweist für die Methode so lange nichts, als nicht der Zusammenhang des
Blaufarbstoffgehalts mit der Tiefe sowohl als Nüance der Lösung nachgewiesen ist.
Dazu kommt, was uns selbst vorgekommen und berichtet worden ist (vergl. Schubarths techn. Chemie, Art. Indigo), daß verdünnte
Lösungen von Indigo in Schwefelsäure mit der Zeit sich verändern. Reinsch empfiehlt die Herstellung einer solchen Lösung
aus gutem Bengalindigo mit bekanntem Wasserzusatz, und Aufbewahren derselben zum
jedesmaligen Vergleich der zu prüfenden Lösung (polytechn. Journal Bd. CXV S.
139).
3) Chevreul,Polytechn. Journal Bd. Bd. XXV S. 534.
der übrigens jede einzelne Probe zur Werthbestimmung des Indigo für unzureichend
hält und ein der Wahrheit nächstkommendes Resultat nur durch gleichzeitige Anwendung
von vier verschiedenen Proben erreichbar sieht, legt in 1 Kubikcentimeter einer
schwefelsauren Indigolösung, die mit 30 Kubikcentimetern Wasser verdünnt worden (er
bereitete die Lösung aus 5 Grammen Indigo mit 45 Grammen concentrirter
Schwefelsäure, zweistündiges Erhitzen im Wasserbad und Verdünnen mit 200 Grammen
Wasser nach dem Erkalten), 10 Stunden lang 1 Grm. Seide und 1 Grm. Wolle, wiederholt
den Versuch mit neuer Seide und Wolle, von jedem immer 1 Grm., bis der Farbstoff
ganz ausgezogen ist. Aus der Tiefe und dem Glanz der Farbe, sowie aus der Menge des
gefärbten Stoffes wird auf die Güte des Indigo geschlossen. Chevreul gibt in dem Dictionnaire
technologique nicht ausführlicher an, in welcher Weise er die Werthung des
Indigo aus dieser Probe vornimmt. Mit welchem Factor werden die drei Erfolge der
Probe, woraus die Güte des Indigo geschlossen wird, in die Schätzung eingeführt?
4) Die Löslichkeit des Indigo in Schwefelsäure als Maaßstab für dessen Güte ist
ebenfalls in neuerer Zeit von Hugo Reinsch in Anregung
gebracht worden. Schwerlich macht der Verfasser selbst Anspruch auf einen Grad
großer Genauigkeit. Unter allen Umständen wird jede Indigosorte nutzbare in
Schwefelsäure lösliche und darin ungelöst bleibende Farbstoffbestandtheile zeigen,
und von der größten
Menge der nicht nutzbaren Bestandtheile, den anorganischen oder
Aschenbestandtheilen, wird ein Theil sich lösen, ein anderer ungelöst bleiben; ganz
ähnlich ist es mit den nicht nutzbaren organischen Bestandtheilen, dem Indigoleim z.
B., der sich aber mitlöst. Nur im Falle absichtlicher Beimengung von Thon. Kiesel,
oder ähnlichen in Schwefelsäure nicht oder schwer löslichen Materien könnte diese
Probe einigen Anhaltspunkt bieten. Wir verlassen sie, als zu weit abliegend von der
Erfüllung des Zweckes, den wir bei einer Indigowerthung vor Augen haben.
5) Der Mittel, aus der zu Entfärbung einer Indigolösung nothwendigen Chlormenge auf
des Indigo Farbstoffgehalt zu schließen, sind mehrere angegeben, d. h. dieselbe
Grundidee ist in verschiedener Weise zur Ausführung gekommen.
In Betreff der Form, wie der Indigo zur Anwendung kommt, unterscheiden sich die
Verfahrensarten dadurch, daß die einen Indigo gelöst in Schwefelsäure, die andern
fein gepulvert anwenden.
Das Chlor aber wird von einigen Autoren als Chlorwasser, von andern als
Chlorkalklösung zur Anwendung gebracht.
Berzelius beschreibt seine Chlorprobe in seinem Handbuch
der Chemie wie folgt:
Die Chlorprobe bewerkstelligt man mit Chlorwasser. Man nimmt davon ein gewisses Maaß,
wiegt eine Portion feingeriebenes, durch Reduction gereinigtes Indigoblau ab, und
schüttet es nach und nach in kleinen Antheilen in das Chlorwasser, so lange nämlich
als noch die blaue Farbe zerstört und in Gelb umgeändert wird; auf diese Weise
erfährt man, wie viel Indigoblau das Chlorwasser zu zerstören vermag. Dann nimmt man
ein gleiches Maaß von demselben Chlorwasser und mischt ihm gleichfalls kleine
Portionen von einer feingeriebenen und abgewogenen Probe von Indigo zu, bis das
Chlorwasser darauf zu wirken aufhört. Die hierzu verbrauchte Menge zeigt dann, daß
sich in derselben eine gleiche Menge von Indigoblau befand, als erforderlich war, um
bei der ersten Probe das Chlor wegzunehmen. Diese Probe gibt immer ein scheinbar
besseres Resultat, als es in der That ist, indem nämlich dabei sowohl der
Pflanzenleim als das Indigoroth und Indigobraun auf das Chlor wirken; indessen ist diese Wirkung unbedeutend und kann übersehen
werden. Größere Fehler begeht man leicht dadurch, daß man zuletzt zu viel
zusetzt. Man muß jedesmal die vergleichende Probe mit dem reinen Indigoblau machen,
weil der Chlorgehalt des Chlorwassers Veränderungen unterworfen ist.
Chevreul, welcher die Chlorprobe neben der oben erwähnten Färbeprobe und neben einem Versuche auf die
Aschenfarbe anwendet, verfährt etwas anders. Er löst Indigo in der fünffachen Menge
Vitriolöl und setzt zu der Lösung Chlorkalklösung.
Diese Chlorprobe ist ohne Widerrede am vollständigsten besprochen und ausgeführt
worden von H. Schlumberger in Mülhausen, einem in der
Farbenchemie wohlbekannten Manne. Das Wesentlichste des von ihm veröffentlichten
Berichtes über diese Sache (polytechn. Journal Bd.
LXXXIV S. 369) ist das Folgende.
Die käuflichen Indigosorten bieten rücksichtlich ihres wahren Werthes und
Indigoblaugehaltes Differenzen von 55 Procent dar. Durch das bloße Ansehen läßt sich
der reelle Farbstoffgehalt keineswegs genau genug beurtheilen, und es bieten daher
selbst gleich theure Sorten immer noch bedeutende Unterschiede dar. Eine leicht
auszuführende und sichere Indigoprobe ist daher für den Einkauf wesentliches
Erforderniß. Der Verfasser bedient sich seit längerer Zeit mit Erfolg einer Methode,
die darin besteht, den Indigo in rauchender Nordhäuser Schwefelsäure aufzulösen, die
Lösung durch eine verdünnte Chlorkalklösung zu entfärben und die verbrauchte Menge
der letztern zu bestimmen. Der Verfasser hat sich überzeugt, daß der Chlorkalk
allein auf das Indigoblau wirke, nicht auf die andern Bestandtheile des Indigo's und
daher den wahren Gehalt an Indigoblau, auf dessen Kenntniß allein es hier ankommt,
kennen zu lehren ganz geeignet sey.
Man verfährt am besten so, daß man bei jedem Versuche einen Normalversuch mit reinem
Indigoblau anstellt und die zu Entfärbung dieses letztern gebrauchte Chlorkalkmenge
= 100 setzt. Es ist dieß besser, als sich ein für allemal des Resultates eines
Normalversuchs als Ausgangspunkt zu bedienen, da nur so die Bedingungen für
Normal- und Probeversuch in jedem Falle ganz gleich seyn können. Das reine
Indigoblau verschafft man sich, indem man von einer Vitriolküpe (1 Th. Indigo, 3 Th.
Kalk, 3 Theile Vitriol, 5–6000 Theile Wasser) den Schaum abnimmt, mit
verdünnter Salzsäure behandelt, den Absatz vollkommen auswäscht, trocknet und in
wohlverschlossenen Gläsern (zu Vermeidung hygrometrischer Differenzen) aufbewahrt.
Hat man keine Indigoküpe, so muß man sich im Kleinen eine solche darstellen, indem
man 1 Th. Indigo, 3 Th. Kalk, der vorher gelöscht wurde, und 3 Th. Eisenvitriol mit
50 Th. Wasser gut zusammenrührt, dann absetzen läßt, klar abgießt, und die klare
Flüssigkeit so lange mit einem Besen schlägt, bis alles Indigoblau sich oxydirt und
abgesetzt hat. Den Absatz behandelt man wie oben den Schlamm der Indigoküpe.
Um eine Probe anzustellen, wiegt man zuerst von jeder Indigosorte genau 1 Gramm ab,
bringt die Proben in Porzellanschalen von acht Centimetern Weite, übergießt jede mit
zwölf Grammen Nordhäuser Schwefelsäure mittelst einer Pipette, die gerade diese
Quantität faßt, reibt das Gemenge mit einem Porzellanpistill durch einander, läßt
dann die Schalen bei 20–25° C. zwölf Stunden lang bedeckt stehen,
gießt dann zu jeder Probe 1 Liter destillirtes Wasser allmählich und unter stetem
Umrühren hinzu, bringt die Lösungen in Glasbecher und wäscht die Schalen mit einer
von dem Liter zurückgehaltenen Wasserportion nach.
Gleichzeitig hat man sich eine Chlorkalklösung von ungefähr 1° B. verfertigt.
Man mißt sie mit einer 3–4 Milliliter fassenden Pipette. Von jeder
Indigolösung mißt man nun mit einer hunderttheilig graduirten Röhre einen Theil ab,
nachdem man wohl umgerührt hat, bringt ihn in eine Porzellanschale und setzt nun
eine Pipette voll Chlorkalklösung zu. Wird die Probe gleich gelb, so fügt man so
lange Indigolösung zu, bis man eine grünliche Färbung erreicht hat, bestimmt dann
die verbrauchte Indigomenge und wiederholt nun den Versuch, bis man mit einer Mischung von Chlorkalk- und Indigolösung auf
einmal die richtige olivengrünliche Färbung erreicht hat, bei der keiner von beiden
Stoffen im Ueberschuß ist. Mit allen Indigoproben und mit dem reinen Indigoblau
verfährt man auf gleiche Weise.
Die Güte eines Indigos steht im verkehrten Verhältniß mit der Menge von Indigolösung,
welche verbraucht wurde, um mit einer Pipette Chlorkalklösung den richtigen
Entfärbungsgrad zu geben.
Zu völliger Zuverlässigkeit ist noch Folgendes nöthig: Alle Indigosorten müssen
gleichen Feuchtigkeitsgrad besitzen, also trocken aufbewahrt oder vor dem Versuche
getrocknet seyn. Finden sich in einer Indigokiste
verschieden gefärbte Partien, so prüft man sie entweder besonders oder nimmt von
jeder etwas, stellt durch Mengung eine mittlere Qualität her und prüft diese.
Vielleicht würde die Anwendung von mehr als 12 Theilen Schwefelsäure auf 1 Theil
Indigo gut seyn, um sich ganz gegen die Bildung von Indigopurpursäure zu sichern.
Die vollständigste Mischung ist Hauptsache. Die Verdünnung der Flüssigkeiten läßt
die Farbeveränderung leichter erkennen; indessen ist doch der richtige
Entfärbungsgrad bei den unreineren und sich weniger vollständig auflösenden
Indigosorten nicht immer leicht zu erkennen.
Schon Chevreul hatte dasselbe Mittel zur Indigoprüfung
unter andern vorgeschlagen, hielt es aber für nicht zulässig gut. Der Verfasser hat indessen in
mehreren Versuchen gefunden, daß die Nüancen, welche man beim Ausfärben von
Kattunproben in den mit geprüften Indigosorten auf gleiche Art angestellten Küpen
erhält, stets sehr gut mit den bei der Prüfung erhaltenen Graden der Indigosorten
übereinstimmen, und daß man mit verschiedenen Sorten gleiche Nüancen erhält, wenn
man die Flüssigkeiten in dem den Graden der Sorten entsprechenden Maaße verdünnt.
Endlich stellte man aus geprüften Indigosorten auf die angegebene Weise das reine
Indigoblau dar und die Ausbeute stand stets nahe im Verhältniß der Grade. So erhielt
man aus Indigo von Java (84°) 78,6 Procent Indigoblau, aus Indigo von Caracas
(56°) 51,8 Procent. Man stellte Indigoküpen mit reinem Indigoblau, Indigo von
Java (84°) und von Caracas (56°) an, und es mußte die erste 1756, die
zweite 1506, die dritte 1000 Wasser enthalten, wenn alle drei beim Färben gleiche
Nüancen geben sollten. Als man den Indigo von Java durch Wasser und Alkohol
erschöpfte, den Rückstand mit verdünnter Salzsäure und nochmals mit kochendem
Alkohol behandelte, blieben 86 Procent unreines Indigoblau.
Schlumberger theilt eine Tabelle mit, welche die bei
Prüfung verschiedener Indigosorten erhaltenen Resultate enthält.
Das Täuschende, was der Chlorprobe in all ihrer variirten Praxis zukommt, ist von den
Urhebern derselben zum Theil selbst angegeben. Es liegt darin, daß das Chlor auch
etwas auf die organischen nicht aus blauem Farbstoff bestehenden Bestandtheile des
Indigo einwirkt, und daher, wenn man reines Indigoblau als Grundlage der
Vergleichungen nimmt, die Resultate etwas zu hoch ausfallen, d. h. etwas zu günstig
sprechen für die geprüfte Indigosorte. Es wird der Indigoblaugehalt nämlich
proportional gesetzt der verbrauchten Chlorlösung, aber ein Theil des Chlor ist
nicht durch Indigoblau, sondern durch andere Bestandtheile zerstört worden. Indeß
sagt Berzelius über diese Fehlerquelle ausdrücklich: sie
sey unbedeutend und könne übersehen werden.
Schubarth sagt über die gleiche Sache: Es ist bekannt, daß
das Chlor das Indigoblau zerstört, nicht das Indigoroth, Indigobraun, welche mit
erzeugter Salzsäure sich aus der schwefelsauren Auflösung in Flocken abscheiden;
deßgleichen wirkt das Chlor auch auf den im Indigo enthaltenen Pflanzenleim.
Schlumberger will sich von diesem Verhalten der
Nichteinwirkung des Chlor auf Indigolösung selbst überzeugt haben.
Was Berzelius über diese Sache sagt, möchte wohl das
eigentlich Wahre seyn. Es ist nicht einzusehen, warum Chlor nicht auf Indigoroth
etc. einwirken solle, während es doch alle organischen Stoffe so rasch zerstört; in
Wirklichkeit haben wir uns überzeugt, daß in einer der blauen Farbe durch Chlor
vollkommen beraubten Lösung starke Zusätze von Chlor ein Umwandeln des Rothbraun in
Hellgelb zu bewirken vermögen. Es ist aber eine größere Widerstandsfähigkeit gegen
Chlor diesen Körpern ganz gewiß eigen, und ihre Anwesenheit kann bis zum Moment, wo
das Blau zerstört ist, nicht namhafte Mengen von Chlor in Anspruch uehmen. Wir
halten diesen Umstand mit den erwähnten in der Chemie und Technik wohl erfahrenen
Berichterstattern für zu unbedeutend, als daß der Methode daraus ein gegründeter
Vorwurf der Ungenauigkeit gemacht werden könnte.
Aber der Genauigkeit sowohl, als der Bequemlichkeit der Chlorproben geschieht mehr
Eintrag durch das folgende Verhalten.
Kein Chlorwasser oder Chlorkalkauflösung bleibt auch nur ganz kurze Zeit sich gleich,
und noch schwerer ist es, eine neue Lösung zu machen, die der vorigen gleichkäme.
Zur Prüfung der Stärke der Chlorkalklösung wird gewöhnlich Indigo angewendet, und um
den Indigo zu prüfen, braucht man Chlorkalk; die Unsicherheit wird so von zwei
Seiten begünstigt.
Berzelius' Methode verlangt immer die gleichzeitige
Vornahme eines Versuchs mit reinem Indigoblau; daß dieß die Methode sehr beschränkt,
ist begreiflich. Es ist nicht ganz leicht, sich immer ganz reines Indigoblau
vorräthig zu machen, und die doppelte Arbeit für nur ein einziges Resultat ist
jedenfalls nicht im Sinne der hier so sehr nöthigen Schnelligkeit. Mit dem Chlorkalk
aber, wie er von Hrn. Schlumberger gebraucht wird, ist es
sehr schlimm. Diese Waare variirt bekanntlich ganz außerordentlich in ihrem Gehalt.
Wohl ist die Vesorgniß, zu sehr abweichende Ergebnisse zu erhalten, die Ursache, daß
die Chlorprobe von Schlumberger nicht viel allgemeinen
Eingang gefunden hat. Ich halte aber dafür, daß diese Chlorprobe sich die
Anerkennung als die sicherste, leichteste und beförderlichste erwerben wird, sobald
sie von der letztgenannten schwachen Seite befreit seyn und sobald man eine
Chlorquelle haben wird, die leicht herstellbar und durchaus constant ist.
Es soll Aufgabe des Folgenden seyn, nun solche zu zeigen und sie anwenden zu lehren
in der Indigometrie.
Es ist nichts neues, daß man bei chemischen Arbeiten die Zerstörung organischer
Beimengungen mittelst chlorsauren Kalis und Chlorwasserstoffsäure bewirkt. Die
Anwendung dieser beiden, zersetzend auf einander wirkenden Stoffe hat große
Annehmlichkeit vor jeder andern Art Chlor zu entwickeln, das die zerstörende oder
oxydirende Wirkung ausüben soll.
Es ist bis dahin aber meines Wissens unbeachtet geblieben, aus dem unveränderlichen Verhältniß zwischen dem entwickelten
Chlor und der Menge des verbrauchten chlorsauren Kalis Nutzen zu ziehen. Und doch
führt schon die theoretische Ueberzeugung zu der Annahme, daß ein solches constantes
Verhältniß stattfinden müsse.
Bekanntlich ist das aus der Einwirkung wässeriger Salzsäure und chlorsauren Kalis
hervorgehende Gas nicht eigentlich Chlor, sondern die von Hrn. Davy entdeckte Euchlorine, eine wie spätere Untersuchungen zeigten, nicht
aus Chlor und Sauerstoff unmittelbar zusammengesetzte chemische Verbindung, sondern
ein Gemenge von freiem Chlor mit unterchloriger Säure. Es ist für die Frage der
Anwendung, die wir in dieser Thatsache suchen, ganz gleichgültig, ob wir freies
Chlor, gemengt mit einer niedrigen Sauerstoffverbindung haben, oder ein höheres Oxyd
des Chlors, wenn nur das Verhältniß zwischen Sauerstoff und Chlor ein
unveränderliches ist. Das letzte ist aber unzweifelhaft der Fall.
Es entwickelt sich beim Erhitzen mit wässeriger Salzsäure eine der zugesetzten Menge
chlorsauren Kalis proportionale Menge Euchloringas, und
dieß hat, obschon nur ein Gemenge zweier Gase, constanten
Gehalt an beiden darin befindlichen Elementarbestandtheilen, Chlor und
Sauerstoff.
Hiemit ist der Weg zu einem ganz unveränderlichen Quell der Chlorentwickelung
gezeigt. Zu beachten ist bei der Benützung dieses Verfahrens nur, daß von Anfang an
Chlorwasserstoff genug vorhanden sey, daß dieser sich nicht durch Verdampfen zu sehr
mindere, und daß durch Kochhitze vollkommene Gelegenheit zur Einwirkung der Säure
auf das Salz gegeben werde.
Das ganze Verfahren, wie ich es bisher in sehr häufigen Wiederholungen für ganz
zweckmäßig gefunden habe, ist folgendes: Ein Gramm Indigo wird fein gerieben, mit
der 10″12fachen Menge rauchender Schwefelsäure übergossen und in mäßiger
Temperatur 6″8 Stunden bedeckt stehen gelassen, während welcher Zeit man die
in der Reibschale
befindliche Masse zuweilen umrührt. Das Ganze wirb in eine Porzellanschale, die gut
2 Pfd. Wasser faßt, ausgegossen, mit Wasser nachgespült und nun bis zu einem Liter
Wasser zugegeben. Nach Zusatz von etwa 50 Grammen (chlorfreier) starker Salzsäure
setzt man die Schale über eine Weingeistflamme und erhitzt sie bis zum Kochen. Die
während der Arbeit verdampfende Wassermenge wird wieder durch neuen Zusatz ergänzt,
weil bei größerer Verdünnung beinahe keine Salzsäure durch Verdampfen verloren geht.
Das chlorsaure Kali wird in wässeriger Lösung und zwar in kleinen Portionen und in
Zwischenräumen von einer Minute ungefähr zugefetzt.
Die Lösung des chlorsauren Kalis bereitet man sich in folgendem Mischungsverhältniß:
¼ Gramm des zerriebenen, erwärmten, trockenen Salzes (dasselbe kommt jetzt so
rein im Handel vor, und ist so wenig hygroskopisch, daß nur selten Irrungen wegen
Unreinheit oder Feuchtigkeit eintreten werden, die von Belang sind), wird mit 100
Grammen destillirten Wassers, in einem calibrirten Cylinder, der also gerade 100
Kubikcentimeter Wasser faßt und eine Ausgußmündung hat, aufgelöst. Auch für die
besten der mir vorgekommenen Indigosorten reicht diese Menge chlorsauren Kalis hin.
Im Anfang dürfen mehrere Kubikcentimeter der Lösung zugegeben werden, die
Flüssigkeit geht bald aus dem Blau ins Grünliche über, und sobald dieß geschehen,
darf nur noch gradweise von der Salzlösung zugesetzt werden. Es wird zugesetzt
(immer unter zwischenhinein eintretendem Aufkochen), bis die Flüssigkeit den letzten
Schimmer des Grünbraun verloren, ins Rothbraun übergegangen ist. Wer nur
2″3mal solche Proben angestellt hat, verfehlt nicht leicht den Moment, wo mit
dem ferneren Zusetzen eingehalten werden muß.
Man kann gleichzeitig auf einem Streifen weißen Filtrirpapiers mit dem Glasstab in
Form einer Musterkarte Striche mit der Lösung neben einander machen und das
Verschwinden der grünlichen Farbe so controliren.
Es wurden von mir selbst und unter meiner Leitung eine große Reihe von Versuchen
angestellt und zwar so, daß mit einer und derselben Indigosorte zwei Proben nach
einander oder neben einander von verschiedenen Beobachtern angestellt wurden, und
immer trafen die verbrauchten Grade der Lösung ohne die geringste Kunde des Einen
vom Resultat des Andern, bis auf höchstens 1″2 Grabe zusammen.
Ein Versuch dauert ungefähr ½ Stunde.
Einige der gewonnenen Resultate sind die folgenden:
Bezeichnungen.
I.
Java.
Versuch
I.
51
Kubikcentimeter chlorsaure Kalilöf.
Versuch
II.
52
Kubikcentimeter chlorsaure Kalilöf.
II.
Bengal.
Versuch
I.
56
Kubikcentimeter chlorsaure Kalilöf.
Versuch
II.
56
Kubikcentimeter chlorsaure Kalilöf.
III.
Java, ganz gering.
Versuch
I.
12
Kubikcentimeter chlorsaure Kalilöf.
Versuch
II.
12
Kubikcentimeter chlorsaure Kalilöf.
IV.
Aegypt., ganz gut.
Versuch
I.
40
Kubikcentimeter chlorsaure Kalilöf.
Versuch
II.
41,5
Kubikcentimeter chlorsaure Kalilöf.
V.
Java, gering.
Versuch
I.
30,5
Kubikcentimeter chlorsaure Kalilöf.
Versuch
II.
31,5
Kubikcentimeter chlorsaure Kalilöf.
VI.
Guter Bengal.
Versuch
I.
48
Kubikcentimeter chlorsaure Kalilöf.
Rothviolett 55.
Versuch
II.
47
Kubikcentimeter chlorsaure Kalilöf.
Es ist noch der Erörterung werth, ob nicht vorzuziehen wäre, das angegebene
Verfahren, welches nur vergleichende Resultate der geprüften Indigosorten liefern
kann, in ein solches umzuändern, das absolut den Indigoblaugehalt angäbe.
Mir scheinen die folgenden drei Umstände dagegen zu sprechen.
1) Ist ein reines Indigoblau nicht so leicht zu erhalten, der
Aschengehalt ist in allen noch ziemlich beträchtlich. Und sollte die Methode Anklang
finden, so liefe sie, wenn andere Experimentatoren reines Indigoblau darzustellen
suchen würden und andere Resultate erhielten (aus Gründen der Reinheit oder
Unreinheit des Materials), Gefahr, als trügerisch ausgegeben zu werden; während sie,
für den nämlichen Indigo das nämliche Resultat liefernd, gewiß Anspruch auf
technisch hinreichende Schärfe machen kann.
2) Kommt der Consument oder Händler des Indigo nicht in den
Fall, sein reines Indigoblau zu verwenden; eine Zurückführung der Indigosorten des
Handels auf dieses Präparat hätte also höchstens theoretischen Werth.
3) Ware nothwendig, wenn man das reine Indigoblau als Einheit
erhalten wollte, daß die Concentration der Lösung darnach eingerichtet werden müßte.
Entweder setzte dieß übereinstimmende Meßcylinder voraus, oder es wäre ein Gewicht
trocknen chlorsauren Kalis für den Inhalt der oben gebrauchten Cylinder nöthig,
dessen Abwägung mehr Schwierigkeit machte, und dessen Größe notirt und nicht
vergessen werden müßte. Dieß alles scheint nicht nöthig, und thut der Einfachheit nur
Eintrag. Wer mit solchen Untersuchungen zu thun hat, will immer nur den
vergleichungsweisen Werth kennen lernen, und wird am besten sich so einrichten, daß
er seine Grade verbrauchter Lösung mit dem Preise der Waare vergleicht. Zur
Herstellung einer Uebersicht der ihm vorgekommenen Bewegungen des Preises notirt er
sich Grade und Preise jeder untersuchten Sorte in ein gemeinschaftliches Heft, und
erhält so sicher eine ebenso wohlroutinirte Einsicht in die Verhältnisse, als beim
Reduciren auf Indigblaugehalt.