Titel: | Ueber die Fabrication und Anwendung der künstlichen Dünger in England; dem französischen Minister für Handel und Ackerbau erstatteter Bericht von Prof. Payen. |
Fundstelle: | Band 119, Jahrgang 1851, Nr. XLVI., S. 222 |
Download: | XML |
XLVI.
Ueber die Fabrication und Anwendung der
künstlichen Dünger in England; dem französischen Minister für Handel und Ackerbau
erstatteter Bericht von Prof. Payen.
Aus dem Moniteur industriel, 1850, Nr. 1503 und
1504.
Payen, über die Fabrication und Anwendung der künstlichen Dünger in
England.
Die Fabrication und Anwendung der Dünger waren in Frankreich, besonders seit einigen
Jahren, Gegenstand vieler wissenschaftlichen und praktischen Untersuchungen, welche
bereits ihre Früchte getragen haben. Im allgemeinen erkennen heutzutage die
Landwirthe, welchen Nutzen ihnen die käuflichen Dünger zur Entwickelung und
Unterhaltung der Fruchtbarkeit des Bodens gewähren können, wenn ihr Viehstand und
Futterbau hinter dem Bedarf ihrer Felder zurückbleiben, deren Boden durch die
Bestandtheile, welche ihm die aufeinander folgenden Ernten entziehen, erschöpft
wird.
Ich war bemüht, den mir gewordenen Auftrag, die chemische Beschaffenheit der
künstlichen Dünger und ihre Anwendung in England zu studiren, nach besten Kräften zu
vollführen, indem ich die Düngerfabriken, die Pachthöfe wo solche Dünger angewandt
werden, und die Laboratorien, wo landwirthschaftliche Untersuchungen angestellt
werden, besuchte. Ich fand, daß während man in England noch vor kurzem hierin einen
falschen Weg eingeschlagen hatte, gegenwärtig die Ansichten hierüber, in Folge der
von Landwirthen und Chemikern gesammelten Thatsachen, im Allgemeinen sich berichtigt
haben.
Man theilte anfänglich die von Liebig aufgestellte
Ansicht, daß die mineralischen Substanzen zur Unterhaltung der Fruchtbarkeit und Verbesserung des Bodens
ausreichen können. Dieser berühmte Chemiker hatte sich selbst bei der Gründung einer
Düngerfabrik betheiligt, in welcher Gemenge verschiedener Mineralsalze bereitet
wurden, die den gewöhnlichen Dünger ersetzen sollten. Diese unvollständige
Düngungsweise mißlang fast überall wo sie angewandt wurde, und die Fabrik konnte
sich nicht halten.
Noch zwei andere Umstände trugen dazu bei, bei den für Liebig's Theorie, welche in Frankreich stets bestritten wurde,
eingenommenen Oekonomen Zweifel zu erregen. Zu derselben Zeit, wo die ausschließlich
angewandten mineralischen Salzgemenge ohne Wirkung auf den Boden blieben, wurde ein
anderer Dünger, nämlich der hauptsächlich aus phosphorsauren Salzen,
stickstoffhaltigen Materien und Ammoniaksalzen bestehende Guano, in England
eingeführt, wo er bei allen Culturen den besten Erfolg hatte, ein Beweis, welche
nützliche Rolle die stickstoffhaltigen Materien in den Düngern spielen; denn der
einzige Unterschied in der Zusammensetzung des unwirksamen Gemenges von künstlich
fabricirtem mineralischem Dünger und derjenigen des peruvianischen Guano's, ist die
in ersterm fehlende, in letzterm reichlich vorhandene stickstoffhaltige
Substanz.
Zu derselben Zeit wurden auf einem großen Oekonomiegut des Hrn. Bennet Lawes, welches ich mit dem lebhaftesten Interesse
besuchte, Versuche im Großen mit stickstofffreien, stickstoffhaltigen und gemischten
Düngern angestellt, die alle vorher analysirt worden waren. Die Resultate der
Analysen, verglichen mit den Beobachtungen hinsichtlich des Wachsthums der Pflanzen,
mit dem Volum, Gewicht und der Güte der Producte, gestatten ihm, den Nutzeffect der
auf die Hauptgewächse verwendeten Düngerarten jedes Jahr festzustellen.
Die Wichtigkeit der aus diesen Versuchen hervorgegangenen Thatsachen rechtfertigt es,
daß ich auf einige Erfahrungen des Hrn. Lawes speciell
eingehe, welcher als Privatmann mehr that, als man der liberalsten Regierung
zumuthen könnte. Er wollte, ohne Vorliebe für irgend eine Theorie, die Düngerfragen
rein praktisch lösen, sowohl um den Landwirthen kostspielige Täuschungen zu
ersparen, als auch wirklich nützliche Neuerungen gegen das Mißtrauen zu sichern,
unter welchem sie durch jeden unglücklichen Versuch lange leiden müssen.
Er widmete diesen Versuchen die ausgedehnte Besitzung Rothamsted, in der Nähe von St.
Alban im Hertfordshire. Unweit des Parks, in der Rähe der Oekonomiegebäude, befinden
sich Pferd- und Viehställe, Düngerstätten (boxes)
und Schoberplätze, und in der Mitte der Felder das merkwürdige Laboratorium, dessen Einrichtung
ich nun besprechen will.
Dasselbe zerfällt in zwei Theile: der eine ist für die Sammlungen der Producte und
für Analysen bestimmt, und gleicht den gewöhnlichen Laboratorien; man findet
daselbst eine Sammlung von etwa 3000 Aschenproben aus eingesammelten Substanzen,
animalischen Producten oder Ueberresten und festen und flüssigen Excrementen.
Das eigentliche Laboratorium, zur Darstellung der durchschnitlichen Proben für die
Analysen bestimmt, gestattet bei seiner Größe mit solchen Massen zu operiren, daß
die Versuche einen unbestreitbaren praktischen Werth erhalten.
Ein Dampfkessel von zehn Pferdekräften liefert den erforderlichen Dampf zur Erhitzung
großer flacher Schalen von 1 Meter Durchmesser, in welchen Harn oder andere
Flüssigkeiten abgedampft werden; dieser Dampfkessel wird von außen geheizt, um im
Laboratorium allen Staub von Brennmaterial und Asche zu vermeiden.
Ein großer gußeiserner Trockenbehälter, welcher 2,05 Meter lang, 1,05 Meter breit und
1 Meter hoch ist und durch eine doppelte Dampfhülle erwärmt wird, dient zur weitern
Abdunstung und Austrocknung. Zur Vermeidung des widerlichen Geruchs mehrerer dieser
Producte wird der entstehende Dampf mittelst einer Röhre in den Kamin
abgeleitet.
Eine in Nuthen verschiebbare gußeiserne Platte erleichtert das Ein- und
Ausbringen der Gefäße, welche die auszutrocknenden Substanzen enthalten, und
gestattet den Fortgang der Operationen nach Belieben zu beobachten.
Große, auf der geeigneten Temperatur erhaltene Sandbäder dienen überdieß zum
Concentriren, Austrocknen und Erhitzen der zu behandelnden Substanzen.
Ein großer Ofen enthält vier Muffeln von 60 Centimeter Länge und 25 Centimeter
Breite, welche horizontal eingesetzt sind, und mittelst sie umgebender Kohks erhitzt
werden.
In diese Muffeln kann man nach Belieben einen Luftstrom dringen lassen; in ihnen wird
das Einäschern der verschiedenen pflanzlichen und thierischen Producte, welche in
den Düngern, den Ernten und den Excrementen der Thiere enthalten sind,
vorgenommen.
Mittelst solcher Apparate wäre es leicht, in einigen Centralpunkten der
Landwirthschaft in aufeinander folgenden Zeitabschnitten der Wechselwirthschaft
experimentelle Untersuchungen anzustellen über die Ursachen der Erschöpfung des
Bodens und über die besten Verfahrungsarten um seine Kraft und Fruchtbarkeit wieder
herzustellen, zu unterhalten oder zu erhöhen.
Auf gleiche Weise ließe sich der ökonomische Werth der angewandten Methoden bei der
Viehzucht, Viehmästung und Milcherzeugung bestimmen. Der praktische Nutzen und
entschiedene Einfluß, welchen solche Untersuchungen auf die Wahl der Culturmethoden
haben können, ist einleuchtend.
Mit Beihülfe eines pflichttreuen Personals an der Spitze seiner Oekonomie, welchem
die Direction des Laboratoriums und die tägliche Aufzeichnung der Arbeiten und ihrer
Resultate obliegt, vermochte Hr. Lawes auf die Frage der
rein mineralischen Dünger ein helles Licht zu wersen.
Die Versuche über die Dünger wurden in zwei Reihen getheilt: zur ersten diente ein
durch aufeinander folgende Anbaue ohne Dünger erschöpftes Land; 14 Acres in einem
Stücke zusammenhängend, in 28 Felder abgetheilt, wurden vier Jahre nach einander mit
Weizen angebaut; ein Feld erhielt gar keinen Dünger, auf einem andern wurde
gewöhnlicher Dünger ausgebreitet, nämlich 14 Tonnen Stallmist, und auf jedem der 26
übrigen wurde zur Vergleichung einer der zu probirenden künstlichen Dünger
angewandt.
Bei meiner Ankunft auf diesem Gute, am 17. August (1850) stand das Getreide noch auf
dem Halm; man begann eben eines der Felder mit der Sichel zu schneiden. Die sehr
große Verschiedenheit der Producte hinsichtlich der Anzahl und Größe der Aehren, der
Menge und Güte der Körner, war sehr leicht nachzuweisen. Der durchschnittliche
Betrag der Ernte in der Nachbarschaft ist nämlich gewöhnlich 22 Bushels per Acre,
während Hr. Lawes Maxima bis 35 und 36 Bushels, und
Minima bis hinab zu 12 und 10 Bushels Getreidekörner erhielt.
Ferner versprachen die Resultate im gegenwärtigen Jahr übereinstimmend auszufallen
mit den im Jahr 1849 mit demselben Dünger unter gleichen Einflüssen erhaltenen.
Eine zweite Reihe von ähnlichen Versuchen auf einem Boden von sehr geringer
Fruchtbarkeit, betraf seit dem Jahr 1848 den Steckrüben-(Turneps-)
Bau, und führte zu gleichen Resultaten.
Ich werde hier die wichtigsten zusammenfassen:
Das kieselsaure Kali und die verschiedenen Natron- und Kalisalze haben sich
als unwirksam erwiesen. Hr. Lawes, sich erinnernd, daß
dieß bei sehr
vielen Versuchen im Großen auch der Fall war, zog daraus den Schluß, daß in der
Regel diese Salze im Boden gut cultivirten Landes nicht fehlen.
Hingegen ist einer der kräftigsten Dünger, namentlich für die Steckrübe, der saure
phosphorsaure Kalk der mit Schwefelsäure behandelten Knochen, welcher außer dem
phosphorsauren Salze auch die stickstoffhaltigen organischen Materien enthält.
Im Allgemeinen bewährten sich die besten mineralischen Dünger nur dann gut, wenn
ihnen stickstoffhaltige Materien oder Ammoniaksalze beigemengt waren, und besser
noch, wenn sie beide enthielten. Hr. Lawes erzielte unter
diesen Umständen Ernten von 36 Scheffeln Weizen, 50 Scheffeln Gerste und 27,000
Kilogr. Runkelrüben per Acre.
Man erhält in letztern Fällen mehr Getreide, und das Korn enthält mehr nährende
Stoffe, bildet sonach ein Handelsproduct von größerem Werthe.
Sehr interessante Versuche wurden von Hrn. Lawes über den
relativen Werth des Stalldüngers und der Asche angestellt; es wurden 28 Tonnen
(28,000 Kilogr.) Stalldünger in zwei Theile von je 14 Tonnen getheilt; ein Theil
wurde in Asche verwandelt und auf ein Acre Landes ausgebreitet, der andere Theil
aber in seinem natürlichen Zustand über eine gleiche Fläche Landes verbreitet; beide
Feldstücke wurden mit Weizen angesäet; das erste, mit der Asche gedüngte, gab nur 16
Scheffel Körner und 1104 Pfd. Stroh, während das zweite 22 Scheffel Weizen und 1476
Pfd. Stroh lieferte.Aehnliche Resultate erhielt auch Boussingault in
Frankreich bei zwei vergleichenden Versuchen. Auf einem dürren Kalkboden war
die Düngerasche ohne alle Wirkung auf die Vegetation, während der natürliche
Dünger eine reichliche Ernte gab (Kuhlmann, Expériences agronomiques; Masson, libraire à
Paris.)
Denselben Erfolg hatten im Großen angestellte Versuche, bei welchen Hr. Lawes, wenn er den mineralischen Düngern entweder
Ammoniaksalze oder stickstoffhaltige organische Materie zusetzte, mehr Stroh,
vorzüglich aber mehr Körner erhielt.
Dasselbe fand bei andern vergleichenden Versuchen statt, bei welchen er sich nur des
Liebig'schen patentirten, sogenannten Weizendüngers (Liebig's patent manure for wheat) bediente. Vier
Centner per Acre gaben kaum einen größern Ertrag als
dasselbe Feldstück ohne Dünger; man erhielt nur 17 Scheffel Weizen und 1513 Pfd. Stroh.
Dieser künstliche Dünger hat eine Zusammensetzung, welche annäherungsweise der Asche
der Pflanze gleichkömmt; wurden aber 4 Centner Oelkuchen und 1 Centner
schwefelsaures oder salzsaures Ammoniak zugesetzt, so stieg die Ernte auf 31
Scheffel Körner und 3007 Pfd. Stroh; folglich hatte der Zusatz von organischer
Materie und von Ammoniaksalzen den Ertrag eines zum Bergleich ohne Dünger angebauten
Feldstückes verdoppelt, während der mineralische Dünger allein jenen Ertrag kaum um
1/7 erhöht hatte.
Alle auf meinen Ausflügen in England direct gesammelten Thatsachen stimmen mit den
erwähnten überein; ich werde die auffallendsten derselben mittheilen.
Unter die in England geschätztesten Dünger sind die Knochen in verschiedenen
Zuständen zu zählen: 1) grob gepulvert; 2) ebenfalls gepulvert und durch
Schwefelsäure zersetzt; 3) verkohlt und zunächst zum Klären des Zuckers in
Raffinerien benutzt, worauf sie an die Landwirthe verkauft werden. In diesen drei
Formen hat man einen hauptsächlich aus phosphorsaurem Kalk und stickstoffhaltigen
organischen Materien bestehenden Dünger, eine Mischung, deren gute Wirkung beim
Feldbau unbestritten ist.
Unter dem Namen KoprolithenKoprolithen sind Concretionen, welche in der
Gegend von Edinburgh in Kalkschichten eingeschlossen gefunden werden, in
welchen auch Ueberreste ungeheurer saurierartiger Fische vorkommen, für
deren Excremente man sie hält, woher ihre Benennung. — x.
wird ebenfalls an die Landwirthe ein phosphorsaurer Kalk verkauft, der aber sehr
unrein ist, und welchem es fast ganz an organischen Substanzen gebricht; dieß sind
die Producte verschiedener Fossilien, welche 5 bis 35 Proc. phosphorsaurer Salze
enthalten.
Hr. Nesbit, Director einer Schule für Chemie und Geologie
in ihrer Anwendung auf die Landwirthschaft (Kennington, Kenningtonlane), wurde mir
als einer derjenigen bezeichnet, welche sich mit den Lagerstätten der Koprolithen
und deren Anwendung am meisten beschäftigen. In der That zeigte er mir eine
zahlreiche Sammlung dieser Fossilien, welche er analysirt hatte; vorzüglich aber war
es mir darum zu thun, Fabriken zu sehen, wo diese harten Körper gepulvert werden,
und Feldstücke, wo das Product in Anwendung kommt. Zwei dieser Anstalten, in welche
mich Hr. Nesbit begleitete, waren nicht mehr in
Thätigkeit, und eine
dritte war lediglich mit dem Mahlen gewöhnlicher Knochen beschäftigt. Die ersten
Aufschlüsse, welche ich über diesen Gegenstand erhalten hatte, waren sonach
wahrscheinlich richtig: die Landwirthe hatten nämlich die Unwirksamkeit dieses
mineralischen Düngers erkannt. Allerdings können diese Fossilien den Grundbesitzern
nützlich werden, indem sie dem Boden einen Theil der durch die Ernten ihm entzogenen
Phosphorsäure zurückerstatten; da sie sich aber zu langsam zersetzen, so können sie
in der Regel nicht schnell genug wirken, um dem Pächter Nutzen zu gewähren.
Hr. Hunt (High-street, Lambeth), einer der
geschicktesten Knochendünger-Fabrikanten, verwendet in seiner Fabrik alle
Knochen, welche er sich in der Stadt London und durch Zufuhr von verschiedenen
Gegenden zu verschaffen vermag. Man findet unter seinen Vorräthen selbst die Knochen
von Wallfischen und andern Seethieren.
Die aus der Umgebung der Fabrik frisch ankommenden Knochen werden zunächst einer
besondern Behandlung unterzogen, um das Fett aus ihnen zu gewinnen. Man wirft sie
nämlich nacheinander in einen Trichter, an dessen Fuße sich zwei Cylinder befinden,
wovon der eine aus sieben großen, dicken, gezahnten Scheiben von 25 Centimeter
Durchmesser zusammengesetzt ist, welche durch ebenfalls gezahnte Scheiben von 15
Centimeter Durchmesser von einander getrennt sind. Der andere Cylinder besteht aus
sechs großen, ebenso von einander getrennten Scheiben, welche in die Zwischenräume
der sieben großen Scheiben des ersten Cylinders eingreifen. Es versteht sich, daß
die zwischen die Zähne der beiden in entgegengesetzter Richtung sich drehenden
Cylinder hineinfallenden Knochen darin stecken bleiben und zermalmt werden. Die so
gröblich zerriebenen Knochen werden in einen halb mit Wasser gefüllten Kessel
geworfen, der mittelst Dampfs auf 80° R. erhitzt wird; die bei dieser
Temperatur geschmolzene Fettsubstanz tritt aus den Knochenhöhlen und den Zellen
heraus. Man nimmt das obenauf schwimmende Fett ab; es beträgt 5 Proc. vom Gewichte
der Knochen, und wird in derselben Fabrik zur Seifenbereitung verwendet.
Die ihres Fetts beraubten Knochen werden nun, vermengt mit den von auswärts bezogenen
trockenen Knochen, welche eben so zermalmt wurden, weiter behandelt. Sie werden
gemeinschaftlich noch mehr zerkleinert, indem man sie näher aneinander gestellte
gezahnte Cylinder passiren läßt. Mittelst einer cylindrischen Beutelvorrichtung von
durchlöchertem Eisenblech werden die größeren Stücke abgesondert und dann neuerdings
gemahlen.
Ein Theil der Knochen wird schon in diesem Zustand an die Landwirthe verkauft; sie
wirken langsam, aber wie ein zugleich organischer und mineralischer Dünger.
Für Landwirthe, welche eine schnelle Wirkung vorziehen, zersetzt der Fabrikant die
gepulverten Knochen durch Schwefelsäure; zu diesem Behufe läßt man sie 1–2
Tage in Wasser liegen, bringt sie dann mit 35 Proc. ihres Gewichtes Schwefelsäure in
einen großen, gußeisernen, mit Blei gefütterten horizontalen Cylinder von 2 Meter
Länge und 1 Meter Durchmesser; derselbe ist oben mit einer Oeffnung versehen. Man
setzt nun die durch den Cylinder gehende Achse in Umdrehung; dieselbe ist mit
eisernen Armen versehen, welche das Gemenge 4–5 Stunden lang umrühren; in
dieser Zeit werden die Knochenstücke auch im Innern zersetzt, in schwefelsauren Kalk
und sauren phosphorsauren Kalk; dabei wird auch der Zusammenhang der organischen
Materie aufgehoben, welcher die Knochen ihre Festigkeit verdanken. Nachdem man sie
auf diese Weise zerreiblich gemacht hat, dreht man den Cylinder im halben Kreise, so
daß sich die Oeffnung in seiner Längenrichtung unten befindet; dabei fällt das
Gemenge in einen Kasten. Nun bringt man den Cylinder in seine erste Stellung zurück,
und fängt die Operation von vorn an.
Die gesäuerten Knochen können in diesem Zustand in den Handel geliefert werden; Hr.
Hunt zieht es aber vor, sie mit ihrem gleichen Volum
Knochenkohle, dem Rückstand der Zuckerraffinerien, zu vermengen, um durch letztere
einen Theil der überschüssigen sauren Flüssigkeit zu absorbiren oder zu sättigen,
und außerdem dem Gemenge Pulverform zu geben, in welcher es leichter auf dem Feld zu
verbreiten ist. Bei diesem Fabrikant genügt eine Dampfmaschine von 8 Pferdekräften
zum täglichen Zerreiben von 7500 Kilogr. Knochen. Den Pächtern wird das Gemenge aus
gesäuerten Knochen und Knochenkohle zu 50 Shilling per
250 Kilogr., oder 24 Fr. 80 Cent. per 100 Kilogr.
geliefert.
Von Hrn. Tackerey wurde ein ähnliches Verfahren angegeben;
da er aber keine Rührvorrichtung anwendet, nimmt er eine größere Menge
Schwefelsäure, nämlich 50 Procent. Der teigartigen Masse setzt er auf 100 Theile
angewandter Knochen 60 Theile Knochenkohle zu; er läßt die Einwirkung 1–2
Tage lang dauern.
Hr. Spooner, Fabrikant zu Southampton, behandelt die
Knochen auf ähnliche Weise; er nimmt 25 bis 33 oder 40 Schwefelsäure auf 100
Knochen. Um dem Gemenge Pulverform zu geben, wird es auf eine Schicht Asche ausgebreitet
und mit einer solchen bedeckt. Das so erhaltene Gemenge wird in pulverigem Zustande
angewandt, oder in Wasser gerührt zum Begießen verwendet. Letzteres Verfahren
bewirkt eine sehr rasche Einwirkung. Man nimmt per Acre
das Aequivalent von 4 Bushels oder 90 Kilogr. gepulverter Knochen (222 Kilogr. per Hektare).
Wie die Landwirthe sagen, verdient dieser Dünger den Vorzug vor allen übrigen zur
Beförderung des Wachsthums der Steckrüben. Dieß erklärt die Wichtigkeit, welche man
ihm in England beilegt, wo der Anbau der Steckrüben sehr verbreitet, und wo man
vielleicht zu freigebig damit ist; die Milchkühe sollen nämlich zu viel mit
Steckrüben gefüttert werden und zum Theil aus diesem Grunde die Quantität der Milch
und Butter in vielen Städten Großbritanniens sich vermindert haben.
Nur in Edinburgh und einigen andern Orten in Schottland traf ich Producte, welche
sich in ihrer Güte der Milch und Butter der Normandie und mehrerer Gegenden
Frankreichs näherten.
In dem schönen Musterpachthof von Cirencester, 35 Meilen von London, in Wiltshire,
sah ich Koprolithen mit vieler Mühe unter einem gußeisernen Läufer mahlen; die
Anwendung dieses mineralischen Düngers bei einem Steckrübenfeld schien mir von
keinem besondern Nutzen zu seyn. Auf demselben Feldstück halten hingegen
gewöhnlicher Dünger und gesäuerte Knochen eine üppige Vegetation zur Folge, welche
nur in der Nähe der lebendigen Hecken merklich geringer war.
Die Bereitung der Dünger nach Verfahrungsarten, welche die freiwillige Gährung der
animalischen Stoffe verhindern oder doch langsamer machen, beginnt in England
Fortschritte zu machen und wird bald allgemein Eingang finden.
Zertheilte Kohle, und namentlich Knochenkohle, besitzt diese Eigenschaft in hohem
Grade. Auch die Beimengung von Knochenkohle oder Kohlenstaub zum Guano oder den
zersetzten Knochen wurde behufs der ökonomischen Anwendung dieser Dünger für recht
zweckdienlich erkannt. Unstreitig wird durch deren Zusatz die Bildung und
Entwickelung des Ammoniaks verzögert und dessen Verflüchtigung in die Atmosphäre
verhindert.
In England, wie in Frankreich, sind diese Verfahrungsweisen besonders für die
Conservirung und Aufbewahrung der thierischen Excremente von Wichtigkeit. Sie werden
in naher Zukunft von gutem Einfluß auf die Gesundmachung der Luft in Städten und auf
dem bewohnten Lande
seyn. Wie bekannt, werden gegenwärtig in Paris sehr interessante Versuche im Großen
in dieser Hinsicht angestellt. Die Verkohlung des Torfs in Irland ist mit ähnlichen
Absichten verknüpft.
Bemerkenswerthe Behandlungsweisen des Stalldüngers mit ähnlichem Endzwecke verbreiten
sich in den englischen Pachthöfen. Ihre Wirkungen kann man in der von mir besuchten
landwirthschaftlichen Schule für irische Pächtersöhne in der Nähe von Dublin
beobachten; vorzüglich aber findet man sie in der großen landwirthschaftlichen
Anstalt von Cirencester vereinigt; hier sah ich das System der Fütterung und Mästung
des Rindviehs in Stallständen in zweierlei Verbesserungen:
1) Durch Zerschneiden des Strohs für Streu mittelst des Strohmessers in 12 bis 16
Centimeter (4½ bis 6 Zoll) lange Stücke. Die zahlreichen offenen Kreuzungen,
welche die Halme dadurch darbieten, erleichtern sehr die Absorption der
Flüssigkeiten und entziehen dieselben der Einwirkung der Luft, so daß die Gährung
weniger schnell vor sich geht. Das fast beständige Stampfen des in jedem Stand in
seinen Bewegungen ungehinderten Thieres trägt offenbar hierzu bei. Das Niedertreten
wird noch wirksamer und nutzbringender gemacht, indem man der feuchten Streu täglich
etwas trockene Erde zusetzt. Die Thiere haben hinsichtlich der Stellen ihrer Streu,
welche sie am meisten zusammentreten, verschiedene Gewohnheiten; man bringt deßhalb
die Ochsen und Kühe von Zeit zu Zeit von einem Stand in den andern hinüber, damit
sich der Druck auf alle Punkte der Streu gleichmäßig vertheilt. Der Mist wird nur
alle 2 bis 3 Monate ausgeräumt.
2) Ein guter Erfolg wird auf diesem Pachthof auch dadurch erzielt, daß man Schafe auf
durchlöcherte Fußböden stellt, unter denen man einen freien Raum läßt, in welchen
man trockene, und besser noch mit Kohle vermengte Erde bringt; diese sättigt sich
mit dem Harn, thut der Fäulniß Einhalt und wirkt so conservirend auf die für die
Vegetation nützlichsten Bestandtheile der organischen Materie.
In den so gehaltenen Pferd-, Vieh- und Schafställen riecht man keine
ammoniakalischen Dünste mehr, welche bei dem früheren Betrieb der Landwirthschaft
die Luft verdarben. In Frankreich war Hr. Decrombecque in
Lens einer der ersten, welche mit solchem Beispiele vorangingen.
So hat in England die künstliche Düngerfabrication bereits auf die Gewohnheiten in
der Landwirthschaft ihren Einfluß geäußert. Nach meiner Ueberzeugung ist sie in
Frankreich schon weiter vorgerückt und mannichfaltiger als in England.
Allein, ich muß es hier aussprechen, zu sehr vertrauende Landwirthe könnten auch
unangenehm enttäuscht werden. Wenn es ihnen gegenwärtig einleuchtet, daß die besten
käuflichen Dünger diejenigen sind, deren Zusammensetzung bei dem großen Gehalt an
stickstoffhaltigen Substanzen, sie den thierischen Abfällen nähert, wie Scherwolle,
getrocknetes Blut und Fleisch, zerschnittene Federn, Horn- und Knochenspäne,
Knochenkohle aus Raffinerien, Harn und getrocknete feste Excremente, Guano etc.,
deren wohlthätige Wirkung klar nachgewiesen ist; so müssen sie doch nach den
örtlichen Verhältnissen und Umständen unter diesen Düngern wählen und manchmal das
zusetzen, was ihrem Boden an gewissen Mineralsubstanzen abgeht, auch unter letztern
jenen den Vorzug geben, welche durch die Zwischenlagerung der organischen Materien
am leichtesten zersetzt werden.
Damit aber die Landwirthe die geeignete Wahl treffen und aus den Versuchen und ihren
Opfern die erwarteten Früchte ziehen können, damit sie im Stande sind, zwischen den
Reizmitteln, welche eine zu üppige Vegetation bewirken, die in einigen Jahren den
Boden erschöpft, und den nachhaltigen Düngern zu unterscheiden, welche die
Fruchtbarkeit des Bodens unterhalten, wäre noch eine Bedingung unerläßlich: es müßte
nämlich für alle Dünger, welche von der Industrie und dem Handel der Landwirthschaft
angeboten werden, die Zusammensetzung von Seite der Verkäufer genau angegeben
werden, damit Streitigkeiten über den Werth der Waare vermieden oder durch chemische
Untersuchungen geschlichtet werden können.
Wenn die Regierung Maßregeln zu ergreifen gedenkt, um diesen Zweck zu erreichen, so
kommt sie dem einstimmigen Wunsch der Ackerbau-Gesellschaften entgegen;
dadurch würden die für die Landwirthschaft angestrebten Fortschritte beschleunigt,
und es würde dem Ruin vieler Oekonomen und dem daraus entspringenden Widerwillen
derselben gegen alle Neuerungen begegnet.