Titel: | Versuche über den Einfluß des Gypses auf die Vegetation; von Ch. Mène. |
Fundstelle: | Band 119, Jahrgang 1851, Nr. LVII., S. 306 |
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LVII.
Versuche über den Einfluß des Gypses auf die
Vegetation; von Ch.
Mène.
Aus dem Moniteur industriel, 1850, Nr.
1510.
Mène's Versuche über den Einfluß des Gypses auf die
Vegetation.
Seit Franklin's denkwürdigem Versuch wurde die
fruchtbarmachende Kraft des Gypses und sein Nutzen für die Landwirthschaft allgemein
erkannt. Ich stellte seit dem Frühjahr 1850 eine Reihe von Versuchen über diesen
Gegenstand an.
1) Um zu erfahren, auf welche Weise der Gyps auf die Vegetation wirkt, füllte ich
zwei Kästen von Zink mit reinem schwefelsauren Kalk, welcher durch Zersetzung des
schwefelsauren Natrons mit Chlorcalcium bereitet war, säete dann in den einen Gras,
in den andern Weizen. Ich stellte beide Kasten unter Glasfenster, um sie vor äußern
Unfällen zu schützen und begoß sie alle zwei Tage. Nach einigen Wochen hatten die
Pflanzen herrlich gekeimt und gegrünt wie im freien Feld; in dem Maaße aber als sie
sich entwickelten, wurden sie so hinfällig und trauernd, daß sie 14 Tage darauf nur
mehr ausgetrockneten und verwelkten Kräutern glichen.
2) In gleiche Kästen brachte ich unter gleichen Umständen ein Gemenge von gleichen
Theilen schwefelsaurem Kalk und Thonerde, und säete dieselben Samen ein; die
Pflanzen keimten und entwickelten sich unter recht hübschem, jedoch ohne Vergleich
geringerm Aussehen als in gewöhnlichem Boden und kamen schwach zur Reife.
3) Unter gleichen Umständen säete ich dieselben Körner auf Stallmist, welcher mit
einer 4½ Linien dicken Schicht schwefelsauren Kalks bedeckt war. Nach 14
Tagen entwickelten sich die Pflanzen und wuchsen erstaunlich heran; endlich
erlangten sie volle Reife und außerordentliche Schönheit.
Diese Resultate waren gewiß in praktischer Hinsicht wichtig, sie hätten mir aber,
wenn nicht folgender zufällige Umstand eingetreten wäre, die Rolle des
schwefelsauren Kalks nicht enthüllt.
Eines Tages besichtigte ich die Kästen Nr. 3 und hatte eben ein Glas mit Salzsäure in
der Hand. Zufällig ließ ich ein paar Tropfen Säure in einen Kasten fallen und sah zu
meinem Erstaunen auf der Gypsschicht ein Aufbrausen entstehen. Ich wiederholte den
Versuch und fand dann durch die chemische Analyse, daß sich der schwefelsaure Kalk
in kohlensauren Kalk verwandelt hatte.
Ich vermuthete, daß das bei der freiwilligen Zersetzung des Düngers entstehende
kohlensaure Ammoniak, indem es sich durch die Sonnenwärme zu verflüchtigen strebt,
dem schwefelsauren Kalk begegnet und dessen Zersetzung veranlaßt.
Ich ließ, um mich davon zu überzeugen, Zinktöpfe verfertigen, deren Boden
durchlöchert war wie ein Schaumlöffel; brachte in dieselben Stallmist, dann eine
Schicht Gyps und säete hierauf Grassamen. Als das Gras zum Vorschein gekommen und
etwas entwickelt war, begoß ich ¼ Stunde lang reichlich und sammelte in dem
Untersatz des Topfes eine Flüssigkeit, welche schwefelsaures Ammoniak enthielt,
während sich auf der Oberfläche des Topfs kohlensaurer Kalk leicht nachweisen ließ.
Nun war Alles erklärt.
Ich stellte übrigens noch weitere Versuche an, welche die ausgesprochene Ansicht über
die Wirkung des Gypses unterstützen.
Anstatt Schichten von Gyps anzuwenden, begoß ich nämlich Töpfe mit durchlöcherten
Böden, in welchen ich Grassamen auf Stallmist gesäet hatte, mit Auflösungen von
Schwefelsäure,
schwefelsaurem Kali,
Salzsäure,
salzsaurem Mangan,
Salpetersäure,
phosphorsaurem Natron,
Essigsäure,
schwefelsaurer Talkerde,
Eisenvitriol,
salpetersaurem Natron.
In allen diesen Fällen wuchs das Gras gut und allemal erhielt ich am Boden des
Gefäßes eine Flüssigkeit, welche fixe oder doch bei gewöhnlicher Temperatur nicht
flüchtige Ammoniaksalze enthielt. Aus allen diesen Thatsachen können folgende
Schlüsse gezogen werden:
1) daß der Gyps an und für sich keine fruchtbarmachende Kraft besitzt, und für sich
allein nicht als Dünger dienen kann;
2) daß der Gyps in der Landwirthschaft nur insofern nützlich ist, als er mit
ammoniakalischen Substanzen vermengt wird, weil alsdann doppelte Zersetzung
stattfindet und das Ammoniak für den Bedarf der Pflanzen gleichsam aufgespeichert
wird;
3) daß der Gyps durch jedes Salz ersetzt werden kann, dessen Säure mit dem Ammoniak
eine bei gewöhnlicher Temperatur nicht flüchtige Verbindung bildet.
Diese nur im Kleinen angestellten Versuche gedenke ich im nächsten Jahr in größerm
Maaßstab zu wiederholen.