Titel: | Ueber die Wirkung des Salmiaks bei der Oxydation der Farbstoffe mittelst Kupfersalzen; von C. Koechlin und E. M. Plessy. |
Fundstelle: | Band 119, Jahrgang 1851, Nr. LXXI., S. 363 |
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LXXI.
Ueber die Wirkung des Salmiaks bei der Oxydation
der Farbstoffe mittelst Kupfersalzen; von C. Koechlin und E. M. Plessy.
Aus dem Bulletin de la Société industrielle de
Mulhouse, 1850 Nr. 109.
Ueber die Wirkung des Salmiaks bei den
Catechu-Druckfarben.
Der Salmiak begünstigt auffallend die Oxydation der Farbstoffe durch die
Sauerstoffsalze des Kupfers, daher er auch neben diesen Salzen in den meisten
Tafelfarben angewandt wird.Schon in einer Vorschrift für Catechubraun von Dr. I. G. Dingler vom Jahr 1816 (dessen
Journal für die Baumwollendruckerei, Bd. II S.
8) kommt ein Gemenge von Grünspan und Salmiak als Befestigungsmittel vor.
Eine ausgedehnte Anwendung von den Catechu-Druckfarben wurde erst im
Jahr 1829 gemacht, wo Hr. Eßlinger, Chemiker der
Kattundruckerei in Jouy. das Catechu bei einfachen Artikeln anwandte, welche
damals sehr großen Absatz fanden.
Die im Folgenden mitgetheilten Versuche gestatten uns die Theorie dieser Reaction
aufzustellen.
Wenn man ein Kupferblech bei Abschluß der Luft in eine Lösung von essigsaurem
Kupferoxyd taucht, so findet bekanntlich keine Einwirkung desselben statt. Setzt man
aber zu dieser Lösung, ebenfalls bei Abschluß der Luft, Salmiak (das doppelte
Gewicht des Kupfersalzes), so entfärbt sich die Lösung bald. Dabei setzen sich
kleine weiße Krystalle ab, welche alle Eigenschaften des Kupferchlorürs haben.
Entfernt man nun das Metallblech aus der Lösung, und schüttelt dieselbe bei
Luftzutritt, so nimmt sie ihre ursprüngliche Färbung wieder an, und es bildet sich
neuerdings Kupferoxyd.
Aus diesem Versuch ergibt sich die Rolle des Salmiaks, wenn derselbe mit einem
Kupferoxydsalz und einem organischen Stoff, welcher sich färben kann, angewandt
wird; letzterer nimmt offenbar die Stelle des Metalls bei dem soeben beschriebenen
Versuche ein und reducirt das Kupferoxyd. Auf den Zeugen bleibt aber die Reaction
unter günstigen Umständen (in einer feuchten Luft) hierbei nicht stehen; nach der
ersten Reduction bleibt eine Verbindung zurück, welche durch ihre Eigenschaft
Sauerstoff zu absorbiren, der Oxydation neue Nahrung gibt.Wenn diese Wiederherstellung des Kupferoxyds behindert ist, geschieht sie auf
Kosten des Kupferoxyduls, welches sich in Kupferoxyd und Metall zerlegt.
Dieß erklärt die Metalltextur, welche bisweilen die concentrirten
Dampffarben zeigen — ein Fehler, welcher durch das Waschen der Stücke
nicht beseitigt werden kann; er läßt sich nur durch ein vorläufiges Lüften
der Stücke sicher vermeiden. Man begreift nun, wie vortheilhaft
die Anwendung des Salmiaks ist, wenn man einer Substanz, welche eine große Menge
oxydirender Agentien erfordert, nur wenig Kupferoxyd zusetzen darf, um eine
ungünstige Färbung des auf dem Zeuge abgesetzten Lackes zu vermeiden. Dieß ist der
Fall bei dem mit St. Marthaholz erzeugten Rosa; zu diesem Rosa setzt man nur eine
kleine Menge Kupferoxydsalz, welche wegen der Gegenwart des Salmiaks hinreichend
ist, wenn der Zeug lange genug an feuchter Luft aufgehängt wird.
Man kann wohl annehmen, daß in diesem Falle das Kupferoxyd als ein Mittel wirkt,
welches den Sauerstoff der Luft fortwährend auf das färbende Princip des St.
Marthaholzes überträgt. Was diese Hypothese zu bestätigen scheint, ist der Umstand,
daß ein Roth, welches man, ohne es auszuwaschen, einige Wochen hängen ließ, sobald
es das Maximum seiner satteren Färbung erreicht hat, allmählich mehr und mehr
verbrannte Farben durchgeht, und zuletzt blaßbraun wird.Gewisse Dampf- oder Tafelfarben mit Eisenbasis zeigen eine ähnliche
Selbstverbrennung; so wird das mit Blauholz erzeugte Tafelschwarz nach
längerer Zeit oft blaßbraun, obgleich es gegen atmospärische Einflüsse
geschützt blieb.
Ungeachtet des Vortheils, welchen der Salmiak gewährt, mit geringeren Mengen
Kupferoxydsalz oxydiren zu können, ist die Anwendung dieses Salzes doch nicht frei
von Mängeln, weil der Salmiak bei gewissen Dampffarben eine zu starke Oxydation
veranlassen kann, so wenig man auch von ihm zugesetzt hat.
Aus dem Vorhergehenden folgt, daß, da die durch Reduction des Kupferoxydsalzes (bei
Gegenwart von Salmiak und einem Kupferblech) erzeugte Kupferoxydulverbindung
Sauerstoff aus der Luft absorbiren kann, sie ebenso wie das Kupferoxyd zur Oxydation
eines Farbstoffes anwendbar seyn muß. Dieß ist in der That auch von uns beobachtet
worden.
250 Gramme schwefelsaures Kupferoxyd und 375 Gramme Salmiak wurden in soviel Wasser
aufgelöst, daß die Lösung ein Liter betrug. Ein Theil derselben wurde durch
Kupserspäne reducirt; der übrige Theil hingegen als solcher aufbewahrt. Andererseits
bereitete man eine gehörig verdickte Catechufarbe (mit 200 Grammen Catechu per Liter). In gleiche Volume Farbe (zwei halbe Liter)
goß man ein Deciliter von jeder Kupferlösung. Man druckte diese Farbe dann sogleich
auf Kattun, welchen man nach gehörigem Aufhängen an der Luft mit Dampf behandelte.
Nach dem Dämpfen beobachteten wir den erwarteten Effect; die Oxydation war sogar
mittelst der reducirten Flüssigkeit am weitesten
vorgeschritten. Dieß ist auch leicht zu erklären; wenn aufgelöstes Kupfer Sauerstoff
an und für sich abzugeben hat, und durch die Luft welcher es solchen entlehnt, so
muß die Oxydation des Farbstoffs da schneller vorschreiten, wo am meisten Metall
vorhanden ist, weil der Sauerstoff im Kupfersalze am Ende derselbe bleibt. Am
meisten Metall enthält aber die Kupferlösung, welche mit Kupferspänen behandelt
wurde, denn es löste sich bei Abschluß der Luft Kupfer auf, so daß sich beim Zutritt
der Luft zweimal soviel Kupferoxyd bilden muß als ursprünglich aufgelöst war.
Nach dem Vorhergehenden besteht der Hauptcharakter des Gemenges von einem Kupfersalz
mit Salmiak darin, daß es ein sich färbendes Princip leicht oxydirt. Obgleich es nun
nachgewiesen ist, daß der Salmiak die oxydirende Kraft eines Kupfersalzes
begünstigt, so weiß man doch nicht, ob auch jedes andere Ammoniaksalz einen
ähnlichen Effect hervorbringt. Durch folgende Versuche haben wir diese Frage
erledigt.
Zu gleichen Quantitäten Aetzammoniak, welche mit verschiedenen Säuren gesättigt
waren, wurde stets dasselbe Volum einer Normallösung von Catechu gesetzt, welche
¼ vom Gewicht des Farbstoffs an schwefelsaurem Kupferoxyd enthielt.
Zur größeren Deutlichkeit bezeichnen wir die Säuren, welche wir angewandt haben, mit
Nummern; diese Nummern geben im Nachstehenden die zum Druck verwendeten Farben
an:
1) Salzsäure
2) Salpetersäure
3) Essigsäure4) Schwefelsäure
in einem gegebenen Volum Aetzammoniak.
5) Oxalsäure
6) Weisteinsäure
7) Citronensäure
Diese verschiedenen Ammoniaksalze wurden zu der Normal-Catechulösung gesetzt.
Ein Volum dieser Normallösung wurde gelassen wie es war, damit die Einwirkung des
Kupfersalzes allein bei der Oxydation des Farbstoffes wahrgenommen werden konnte. Da
es sich um vergleichende Versuche handelte, so operirte man so, daß man in gleichen
Volumen stets dieselbe Menge Farbstoff hatte. Das Kupfersalz ist immer in gleichem
Verhältniß, weil es sich in der Normal-Catechulösung befindet, von welcher
man ein constantes Volum nahm. Die Farbe, welche kein Ammoniaksalz, sondern nur
Kupferoxydsalz enthielt, wurde mit 0 bezeichnet.
Nach dem Druck ließ man die Zeuge einige Tage an der Luft hängen; man fand dann, daß
die Farben 0, 4, 5, 6, 7 dieselbe Intensität hatten; Nr. 2 und 3 waren dunkler als
die vorstehenden; Nr. 1 zeigte die größte Intensität. Daraus glauben wir schließen
zu dürfen, daß bei Nr. 1 Oxydation stattfand; daß bei Nr. 2 das Entweichen einer
flüchtigen Säure mehr als die Oydation den Ton der Farbe erhöhte; daß bei allen
übrigen Nummern 0, 4, 5 etc. keine Veränderung stattgefunden hat.
Diese der Luft ausgesetzten Farben wurden uun gedämpft, worauf sich dieselben
Unterschiede zeigten; Nr. 1, nämlich die Farbe welche das salzsaure Ammoniak
enthielt, zeigte sich ebenfalls bei weitem dunkler.
Der Salmiak ist also von allen Ammoniaksalzen das einzige, welches kräftig bei der
Oxydation des Farbstoffs mitwirkt. Andererseits haben wir schon bemerkt, daß der
Salmiak die Reduction eines Kupferoxydsalzes bei Gegenwart von metallischem Kupfer
erleichtert. Dieß veranlaßte uns vergleichsweise den Einfluß des Salmiaks und
denjenigen unserer ammoniakalischen Lösungen 2, 3, 4, 5 etc. auf die Reduction eines
Kupferoxydsalzes durch metallisches Kupfer zu untersuchen; wir fanden, daß keine von
allen diesen Lösungen die bei dem Salmiak beobachtete Reaction hervorbringt. Der
Salmiak zeigt darin eine Eigenthümlichkeit, welche deßhalb für uns von Interesse
ist, weil sie den Vergleich rechtfertigt, den wir zwischen einem reducirenden Metall
und einem sich färbenden Princip angestellt haben. Wir haben hier nämlich zwei
Reihen, die eine mit einem Metall, die andere mit einem sich färbenden Stoff; unter
übrigens gleichen Umständen stimmen die Resultate überein und zeigen, daß die
Wirkung des Salmiaks eine ganz eigenthümliche ist, daß ferner diese Wirkung bei
Gegenwart eines reducirenden Körpers, der entweder Metall oder Farbstoff seyn kann,
auf gleiche Weise stattfindet.
Nach dem Vorstehenden läßt sich die Wirkung des Salmiaks auf ein Kupferoxydsalz
leicht begreifen; das Ammoniak ist bei derselben offenbar nicht betheiligt; es
fragte sich nun, ob nicht ein anderes Chlormetall, z. B. Kochsalz, eine ähnliche
Wirkung wie der Salmiak hervorbringen könne.
Diese Frage wurde durch folgenden Versuch bejahend gelöst. Zu der erwähnten
Normal-Catechulösung wurde einerseits Kochsalz, und andererseits Salmiak
gesetzt. Abgesehen von dem Reflex der Färbung schienen die erhaltenen Resultate
gleich, und die Oxydation war in beiden Fällen sicher gleich weit
vorgeschritten.
Dieser Versuch zeigt auf entscheidende Weise die Rolle des Salmiaks in einer Farbe,
welche ein Kupferoxydsalz enthält; derselbe wirkt ohne Zweifel wie jedes andere
Chlormetall, indem er durch doppelte Zersetzung Kupferchlorid erzeugt. Sobald
letzteres Salz entstanden ist, spielt der Salmiak bei der folgenden Oxydation des
Farbstoffs keine Rolle mehr. Wir glaubten, daß wegen der Eigenschaft des
Kupferchlorürs, sich in salmiakhaltigem Wasser zu lösen, zwischen dem Salmiak und
dem Kochsalz ein merklicher Unterschied stattfinden könne; unsere Untersuchungen
über diesen Gegenstand gaben uns aber nichts derartiges zu erkennen. Das Kochsalz
wirkt wie der Salmiak, und hinsichtlich des letztern ist die Einwirkung vollkommen
klar; sie hat nämlich nur die Erzeugung von Kupferchlorid zum Zweck, welches besser
als jedes andere Kupferoxydsalz die Oxydation des Farbstoffs begünstigt. Davon kann
man sich durch folgenden Versuch überzeugen:
Wenn man in zwei gleiche Quantitäten einer verdickten Catechulösung, einerseits
Kupferchlorid, andererseits schwefelsaures Kupferoxyd bringt, so bemerkt man, daß
auf den damit bedruckten Zeugstücken nach bloßem Hängen an der Luft und mehr noch nach dem Dämpfen,
die mit Kupferchlorid versetzte Farbe sich beträchtlich entwickelt und nur bei
dieser Oxydation stattgefunden hat.
Der Salmiak hat demnach bei den Farben, wo er Anwendung findet, die Bestimmung, eine
doppelte Zersetzung hervorzubringen und dadurch Kupferchlorid zu erzeugen, welches
auf die Farbstoffe eine besonders energische Wirkung ausübt.
Der Salmiak kann hierzu durch jedes andere salzsaure Salz, durch Kochsalz,
Chlorkalium, Chlorcalcium, Zinnchlorid etc. ersetzt werden.Das Kupferchlorid, welches jetzt im Handel vorkommt, wird auch bereits häufig
anstatt des Gemenges von Salmiak mit Kupfervitriol oder Grünspan angewandt.
Bisweilen erhält man jedoch nach dem alten Verfahren bessere Resultate, weil
der Salmiak, im Verhältniß zum Kupfersalz in Ueberschuß angewandt, den
Farben Zerfließlichkeit ertheilt.
Bemerkungen zu vorstehender Abhandlung, von
Hrn. Heinrich Schlumberger.
Hr. Schlumberger hat die vorstehenden Versuche wiederholt
und zahlreiche eigene Untersuchungen angestellt, woraus er folgende Schlüsse
zieht:
1. Die Wirkung des mit Kupfersalzen gemengten Salmiaks hat zum Zweck, Doppelsalze zu erzeugen, welche die Eigenschaft haben die
Farbstoffe zu oxydiren und sich überdieß zu zersetzen, so daß dieselben Kupferoxyd
an den veränderten oder oxydirten Farbstoff abgeben, welcher sich in diesem Zustande
auf dem baumwollenen Zeuge befestigt.
2. Der Salmiak kann bei der Fixirung und Oxydation von Farbstoffen mittelst
Kupferoxydsalzen durch kein anderes Chlormetall ersetzt
werden.
3. Diese Resultate gelten für den Farbstoff im Limaholz und Campecheholz ebenso wie
für das Catechu.
4. In starkem Verhältniß angewendetes Kupferchlorid und salpetersaures Kupferoxyd
fixiren und oxydiren gleichfalls das Catechu; es ist aber dazu eine so große Menge
dieser Kupfersalze erforderlich, daß die Anwendung beim Zeugdruck unausführbar
scheint.
5. Der auf den Zeugen durch die Doppelsalze des Kupfers oxydirte und fixirte Farbstoff des Catechus erzeugt, in geeignetem
Verhältniß angewandt, eine dunkelbraune Farbe.
6. Der nicht oxydirte Farbstoff des Catechus kann in
Verbindung mit Kupferoxyd gleichfalls auf Zeug fixirt werden; die entstehenden
Farben sind aber heller als die durch Oxydation hervorgebrachten.
7. Das Catechu läßt sich auf baumwollenen Zeugen ohne Beihülfe eines Mordant (wie
Kupferoxyd, Chromoxyd, Eisenoxyd, Manganoxyd, Thonerde, Kalk etc.) nicht
befestigen.