Titel: | Resultate von Versuchen über den Einfluß des Stickstoffgases bei der Vegetation; von Ch. Méne. |
Fundstelle: | Band 119, Jahrgang 1851, Nr. XCIV., S. 453 |
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XCIV.
Resultate von Versuchen über den Einfluß des
Stickstoffgases bei der Vegetation; von Ch. Méne.
Aus dem Moniteur industriel, 1851, Nr.
1522.
Mène's Versuche über Einfluß des Stickstoffgases bei der
Vegetation.
Seit mehreren Jahren, d. h. seit Boussingault's schönen
Versuchen nimmt man allgemein an, daß das einen Bestandtheil der Luft ausmachende
Stickstoffgas oft von den Pflanzen absorbirt werde. Erst in jüngster Zeit machte Hr.
Ville eine Arbeit bekanntPolytechn. Journal Bd. CXVIII S. 309., in welcher
er diese Absorption als für die Vegetation unentbehrlich zu betrachten scheint.
Da ich mich seit dem Monat Februar 1850 mit diesem Gegenstand beschäftigt habe, meine
Versuche vielen Leuten bekannt wurden und meine Analysen jetzt beendigt sind, so
beeile ich mich, die Resultate derselben, welche alle Zweifel über diese wichtige
Frage heben dürften, der Akademie der Wissenschaften vorzulegen.
Um zu erfahren, ob der Stickstoff der Luft von den Pflanzen absorbirt werde und unter
welchen Umständen diese Absorption stattfinde, stellte ich mehrere Reihen von
Versuchen an, deren Beschreibung ich hier vorausschicke, worauf ich die aus
sämmtlichen Resultaten gezogenen Schlüsse folgen lasse.
Ich baute vier Monate lang (März, April, Mai und Juni) in unfruchtbarem Boden Erbsen
und Weizen an. Diese Pflanzen hatten keine andere Nahrung als Luft und destillirtes
Wasser, kurz, ich wiederholte Boussingault's Versuche
unter den von ihm angegebenen Umständen, und gelangte ziemlich zu allen seinen
numerischen Resultaten, wie aus den einzelnen Thatsachen zu ersehen ist; nur sind
die Schlüsse, welche ich daraus zog, nicht in jeder Hinsicht dieselben.
VersuchA.
Der Boden, in welchen ich meine Aussaat machte, bestund aus gepulvertem und ziemlich
fein gesiebtem Glas, welches ½ Stunde lang dunkelroth geglüht wurde, um ihm
alle organischen Stoffe zu entziehen. Dieser Boden war in Porzellan-Gefäßen
eingeschlossen, welche täglich mit destillirtem Wasser begossen wurden; um die
Pflanzen vor äußern Zufällen zu schützen, stellte ich diese Gefäße unter ein der
Sonne ausgesetztes gläsernes Gehäuse. Weizen und Erbsen wurden im März eingesäet;
der Weizen keimte und trieb traurig und hinfällig, ohne zu blühen und Samen zu
tragen; der Stengel dieser Pflanzen war gelb und welk, die Blätter selten und
trocken, die Wurzeln endlich lang und haarförmig.
Um die Resultate der Vegetation zu analysiren, befreite ich die Pflanzen zuvörderst
von dem anhängenden Boden, indem ich sie mit reinem Wasser wusch und dann drei Tage
bei gewöhnlicher Temperatur trocknen ließ; dann ließ ich sie in einem auf
200° C. erwärmten Trocknenzimmer vollkommen austrocknen; hierauf zerrieb ich
sie behufs der Elementar-Analyse mit Kupferoxyd und brachte sie in ein
rothglühendes Porzellanrohr. Der Wasserstoff wurde in Form von Wasser, an
Chlorcalcium gebunden, bestimmt; der Kohlenstoff in Form von Kohlensäure, an Kali
gebunden, und der Stickstoff im Gaszustand; der Sauerstoff wurde durch Differenz
berechnet. Der Aschengehalt wurde jedesmal durch Ausglühen der zur Analyse
verwendeten Pflanzentheile bestimmt.
Die geernteten Weizenkörner und Halme gaben mir folgende Resultate:
Körner
Halme.
23 Körner wogen 1,040 Gramme
3 Halme wogen zusammen 1,30 und enthalten
Wasser, durch Austrocknen verflüchtigt
0,053
1,025
Wasserstoff
0,025
0,008
Sauerstoff
0,175
0,055
Kohlenstoff
0,705
0,195
Stickstoff
0,060
0,006
Asche
0,021
0,001
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Zusammen
1,039
1,290
Unbedeutender Verlust
Unbedeutender Verlust.
Es wiegt und enthält
ein Samenkorn:
ein Halm:
Wasser, durch Austrocknen verflüchtigt
0,0031
0,341
Wasserstoff
0,0009
0,002
Sauerstoff
0,0070
0,019
Kohlenstoff
0,0310
0,062
Stickstoff
0,0015
0,002
Asche
0,0006
0,000
Wie man sieht, hat der Weizen in viermonatlicher Cultur sein ursprüngliches Gewicht
um das Neunfache vermehrt. Das Wasser beträgt hievon 7 Theile, Kohlenstoff,
Wasserstoff und Sauerstoff haben sich etwas mehr als verdoppelt, während der
Stickstoff nur um ¼ zugenommen hat. Bei derselben Art des Anbaues verhielten
sich die Erbsen fast ganz so wie der Weizen, nur war die Vegetation schöner. Bei der
Analyse gaben mir die Erbsen folgende Resultate:
Körner:
Stengel.
19 Körner wiegen 2,160 Gr.
1 Stengel wiegt 3,400 und enthält:
Wasser
0,142
1,832
Wasserstoff
0,135
0,093
Sauerstoff
1,021
0,040
Kohlenstoff
0,832
0,771
Stickstoff
0,015
0,020
Asche
0,020
0,021
–––––––––––––––––––––––––––––––
2,165Ein Ueberschuß, der jedoch vernachlässigt werden
kann.
3,377
Ein Erbsenkorn, welches 0,11 Gr.
wiegt, enthält sonach:
Wasser
0,0081
Wasserstoff
0,0052
Sauerstoff
0,0401
Kohlenstoff
0,0610
Stickstoff
0,0008
Asche
0,0000
Es folgt daraus, daß 0,111 Gr. Erbsen durch den Anbau um 3,40 organischer Materie
zugenommen haben. Davon beträgt das Wasser 1,353, der Stickstoff hat sich fast
verdreifacht, der Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff haben sich verzehnfacht,
welche Zahlen alle mit jenen des Hrn. Boussingault
beinahe übereinstimmen. Darf man aber daraus schließen, daß die Pflanzen in ihrem
Normalzustand Stickstoff aus der Luft absorbiren, weil sie in unserm Fall und bei
dieser Art des Anbaues behufs ihrer Entwickelung ihn aus der Luft genommen haben?
Ich verweise auf das Folgende.
VersuchB.
Ich zog in den Monaten Juni, Juli, August und September Bohnen, Erbsen,
Schminkbohnen, Linsen (Zwergart), Weizen und Levkojen, welche ich in Töpfe säete,
die mit einem wie oben bereiteten unfruchtbaren Boden gefüllt waren. Diese
Pflanzen erhielten als Nahrung eine Luft, welche ich täglich in constanter Weise
zusammensetzte, dann destillirtes Wasser und salpetersaures Ammoniak als Auflösung.
Diese Flüssigkeit wurde mittelst einer an der Glocke angebrachten Röhre mit Hahn
eingelassen, um zu verhindern, daß atmosphärische Luft in den Apparat gelangte. Die
Luft, welche ich eintreten ließ, bestund aus 25 Kohlensäure, 25 Sauerstoff, 50
Stickstoff; sie wurde nach ihrem Austritt durch eine gebogene Röhre, welche in eine
Wanne mit Wasser tauchte, in einer Glocke gesammelt und analysirt.
Während der vier Monate ihres Wachsthums kamen die Pflanzen, wie im freien Felde,
grün und schön. Bohnen, Schminkbohnen, Erbsen, Linsen und Levkojen blühten und
setzten Samen an.—Nur der Weizen kam wegen der Dimensionen der Glocke nicht
zur Reife. Die Luft des Apparats, welche jeden Tag analysirt wurde, gab für die
ganze Zeit des Versuchs einen Verlust an, welcher nur drei Kubikcentimeter
Stickstoff betrug, und diese kleine Menge muß eher einem unvermeidlichen Fehler beim
Experimentiren als einer nothwendigen Absorption zugeschrieben werden. Zur Analyse
der Luft wurde jedesmal und jeden Tag 1 Liter des gesammelten Gases verwendet, in
welchem man nur den Stickstoff bestimmte. Der Apparat zu dieser Bestimmung war ein
kleiner Gasometer, welcher mit einer zum Rothglühen erhitzten und mit
Kupferdrehspänen gefüllten Porzellanröhre in Verbindung stand. An dieser Röhre waren
zwei Liebig'sche Kugel-Apparate angebracht, deren
einer, mit Kupferchlorür-Ammoniak gefüllt, den nicht verbrannten Sauerstoff
aufnahm, und der andere, Kali enthaltende, die Kohlensäure zurückhielt, welche ich
am Ende der Operation daraus entwickelte; der Stickstoff endlich wurde in einer
Glocke aufgesammelt.
Nachdem die Pflanzen gereift waren, analysirte ich sie wie früher, nur auf
mehreremale wegen des zu großen Gewichts der Substanz. Die numerischen Resultate
sind für die
Erbsen.
Die Analyse der Körner ist dieselbe wie früher, weil die Samen von solchen waren.
Ein Erbsenstengel wog 35 Gr. und enthielt:
Wasser, durch Austrocknen verdunstet
28,000
Wasserstoff
0,257
Sauerstoff
2,399
Kohlenstoff
4,334
Stickstoff
0,032
Asche
0,066
–––––––––
35,088
Linsen.
Körner
23 Linsen wiegen 2,06 Gr.; sonach eine 0,097 Gr Ein Stengel wiegt 31 Gr.
Wasser
0,631
0,0280
26,00
Wasserstoff
0,057
0,0022
0,29
Sauerstoff
0,409
0,0150
2,35
Kohlenstoff
0,938
0,0420
2,55
Stickstoff
0,017
0,0008
0,05
Asche
0 002
0,02
––––––
––––––
2,054
31,05
Bohnen.
6 Körner wiegen 3,80 Gr.; sonach eine 0,63. Gin Stengel wiegt
28 Gr.
Wasser
0,700
0,118
23,5
Wasserstoff
0,123
0,020
0,19
Sauerstoff
1,129
0,163
1,88
Kohlenstoff
1,775
0,292
2,35
Stickstoff
0,046
0,008
0,06
Asche
0,006
––––––
––––––
3,779
27,98
Schminkbohnen.
6 Bohnen wiegen 2,52 Gr.; sonach eine 0,42. Gin Stengel wiegt
15,51 Gr.
Wasser
0,205
0,034
13,030
Wasserstoff
0,015
0,016
0,135
Sauerstoff
0,830
0,130
1,040
Kohlenstoff
1,307
0,217
1,280
Stickstoff
0,052
0,008
0,025
Asche
0,011
0,002
0,010
––––––
––––––
2,520
15,520
Weizen.
Die Analyse der Körner war dieselbe wie früher, weil die Samen herausgenommen
wurden.
Ein
Halm wiegt 21,175 Gr.
Wasser
17,700
Kohlenstoff
1,616
Stickstoff
0,014
Asche
0,006
Wasserstoff
0,215
Sauerstoff
1,616
–––––––––
21,167.
Aus allen diesen Zahlen geht hervor, daß die Pflanzen 0,281 Stickstoff consumirt
haben, daß aber dieser Stickstoff nicht aus der Luft genommen wurde, weil die
Analyse der Atmosphäre keinen Verlust zu erkennen gab. Auch ist das salpetersaure
Ammoniak, wovon ich 15 Gramme eingebracht hatte, zum Theil verschwunden, denn beim
Auswaschen des Bodens, in welchem die Pflanzen ihre Nahrung geschöpft hatten,
erhielt ich nur 14,5 Gramme wieder. Es wurde also beiläufig ein halbes Liter
Stickstoff diesem Ammoniaksalze entzogen.
Aus dem letzten Versuche geht noch entschiedener hervor, daß meine Behauptung richtig
ist.
VersuchC.
Unter einem dem beschriebenen ganz gleichen Apparate säete ich wieder dieselben Samen
ein. Die Luft, welche ich einließ, bestund aus Kohlensäure 25, Sauerstoff 25, reinem
Wasserstoff 50.
Obwohl ich in die den Pflanzen dargebotene Atmosphäre keinen Stickstoff brachte,
analysirte ich dennoch die rückständige Luft, um mir die statthabenden Vorgänge
erklären zu können, und fand durch die gewöhnlichen analytischen Methoden, daß die
Pflanzen alle Kohlensäure, etwas Sauerstoff, niemals aber Wasserstoff absorbirten;
die auf gleiche Weise cultivirten und wie oben mit salpetersaurem Ammoniak
begossenen Pflanzen (Weizen und Erbsen) gediehen, wie im Versuch B, eben so kräftig wie in einem guten Boden.
Die Resultate der Analysen ergaben nur unbedeutende Abweichungen hinsichtlich des
Kohlenstoffs, Wasserstoffs und Sauerstoffs; Stickstoff fand ich in großer Menge.
Ein Weizenhalm wiegt 22 Gr. Ein Erbsenstengel 31 Gr. Ein Bohnenstengel 29,5 Gr.
Wasser
18,88
27,000
23,201
Wasserstoff u. Sauerstoff
1,43
1,857
2,651
Kohlenstoff
1,71
2,051
2,775
Stickstoff
0,01
0,065
0,062
Asche
0,009
0,001
––––––––––––––––––––––––––––––
22,03
30,982
28,690
Wie aus diesen beiden Fällen zu ersehen ist, scheint der Stickstoff der Atmosphäre
auf die Vegetation durchaus keinen directen Einfluß zu haben, weil die Pflanzen im
ersten Versuch keinen absorbirten und im zweiten ihn ganz entbehren konnten. Meine
Behauptung läßt sich übrigens noch durch andere Thatsachen nachweisen, wovon ich nur
folgende als Beispiele anführe:
1) Eine Pflanze stirbt in einem Gemenge von 10 Sauerstoff und 90 Stickstoff schon
nach einigen Tagen (der bengalische Rosenstrauch in 7 Tagen, Rasen in 3, Bohnen in
4, Veilchen in 11 Tagen; nur die Petersilie erhält sich 23 Tage).
2) In einem Gemenge von 10 Kohlensäure und 90 Stickstoff kann eine Pflanze nicht über
eine Woche leben und zwar nur auf Kosten der Kohlensäure, denn im Stickstoff stirbt
sie schon nach 1–2 Tagen ab.
Folgerungen.
Aus allen diesen Thatsachen kann geschlossen werden, daß die Pflanzen nicht nur 1)
allen ihnen nothwendigen Stickstoff aus dem Boden und den Düngern schöpfen, sondern
auch 2) daß sie aus der Atmosphäre direct keinen Stickstoff in sich aufnehmen. Die
Versuche von Boussingault und Anderen, welche eine
Absorption nachweisen, lassen sich ebenfalls auf das von mir angegebene Gesetz
zurückführen, indem die Pflanzen in den Ausnahmszuständen, in welche die Samenkörner
versetzt wurden, bestrebt seyn mußten, sich Stickstoff anzueignen, welchen sie nur
in der Luft fanden; diese Arbeit der Pflanze geschah aber auf Kosten ihres Lebens
und ihrer Existenz.