Titel: | Ueber die Reinigung des Weinsteins; von F. Gaedike. |
Fundstelle: | Band 121, Jahrgang 1851, Nr. LXXXVIII., S. 371 |
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LXXXVIII.
Ueber die Reinigung des Weinsteins; von F. Gaedike.
Aus dem Archiv der Pharmacie, Bd. CXVII S.
44.
Gaedike, über Reinigung des Weinsteins.
Verschiedene Versuche, kalkfreien Weinstein direct aus dem rohen darzustellen,
brachten mich zu Resultaten, welche sich hauptsächlich auf die
Löslichkeitsverhältnisse des Weinsteins in Salzsäure gründen. In Bezug auf die
Löslichkeitsverhältnisse habe ich folgende Thatsachen beobachtet.
100 Theile Weinsteinkrystalle werden von 75 Theilen Salzsäure von 1,145 spec.
Gewicht, dem Minimum welches dieselben zu ihrer Auflösung bedürfen, in der Wärme
vollständig gelöst; beim Erkalten und zweitägigem Stehen scheiden sich bei
gewöhnlicher Temperatur 30 Theile Weinstein aus. Dagegen werden 100 Theile Weinstein
von 75 Theilen Salzsäure von angegebener Stärke, welche mit 100 Theilen Wasser
verdünnt sind, zwar gelöst, jedoch scheidet sich beim Erkalten eine bei weitem
größere Menge, nämlich 42½ Theile Weinstein aus. Dasselbe Verhalten
wiederholt sich bei anderen Gewichtsmengen; so scheiden z. B. von 100 Theilen
Weinstein, welche in 100 Theilen Salzsäure gelöst sind, 12 Theile Weinstein aus;
werden die 100 Theile Salzsäure noch mit 100 Theilen Wasser verdünnt, so scheiden 22
Theile Weinstein aus. Das Maximum von Salzsäure, welches selbst beim Erkalten allen
Weinstein aufgelöst hält, sind 125 Theile auf 100 Theile Weinstein, wenn nämlich
erstere noch durch 125 Theile Wasser verdünnt sind.
Aus obigen Versuchen, wie aus der Thatsache, daß beim Vermischen einer concentrirten
Auflösung von Weinstein in Salzsäure mit Wasser ein nicht unbedeutender Niederschlag
von Weinstein hervorgebracht wird, ergibt sich daß die auflösende Kraft der
Salzsäure durch Wasser bedeutend vermindert wird, folglich dasselbe so viel als
möglich vermieden werden muß, wenn es sich, wie bei dem unten beschriebenen
Verfahren den Weinstein zu reinigen, darum handelt, Salzsäure nicht nur in
geringster Menge anzuwenden, sondern überhaupt mit möglichst wenig Flüssigkeit zu
operiren. Diese Versuche gaben mir ein Verfahren an die Hand, kalkfreien Weinstein
auf die leichteste Weise, und zwar aus dem zum Reinigen ungünstigsten Material,
nämlich dem rohen Weinstein, zu gewinnen, und zwar auf folgende Weise.
100 Theile Weinstein werden pulverisirt und in 125 Theilen Salzsäure von 1,145 spec.
Gewicht, welche mit einer gleichen Gewichtsmenge Wasser verdünnt sind, aufgelöst,
die Auflösung, welche in der Wärme sehr bald erfolgt, durch einen leinenen
Spitzbeutel filtrirt, mit etwas durch Salzsäure gereinigter Knochenkohle entfärbt
und darauf so lange Kalkmilch oder eine concentrirte Auflösung von kohlensaurem
Natron hinzugesetzt, bis fast aller Weinstein herausgefällt ist. 22,96 Theile
Aetzkalk oder 115,6 Theile krystallisirtes kohlensaures Natron sind erforderlich, um
100 Theile Salzsäure von angegebener Stärke zu neutralisiren; es würden also, falls
der in Arbeit genommene Weinstein sehr kalkhaltig wäre, die angegebenen
Gewichtsmengen der beiden Fällungsmittel auf alle Fälle anzuwenden seyn, da sie noch
25 Theile Salzsäure frei lassen, welche mehr als genügen, den weinsteinsauren Kalk
des kalkreichsten Weinsteins aufgelöst zu erhalten.
Ist der in Arbeit genommene Weinstein weniger kalkhaltig, so ist von dem einen oder
dem andern Fällungsmittel noch hinzuzusetzen, bis nur noch soviel Salzsäure frei
bleibt, als nöthig ist, die Fällung des weinsteinsauren Kalks zu verhindern. Der von
der überstehenden Lauge, die entweder Chlorcalcium oder Chlornatrium nebst in
Salzsäure gelöstem weinsteinsauren Kalk enthält, befreite Weinstein wird noch einige
Male mit Wasser, am zweckmäßigsten nach der bekannten Verdrängungsmethode in hohen
Trichtern ausgewaschen und alsdann gelinde getrocknet. Die Ausbeute hängt von dem
größeren oder geringeren Kalkgehalt und den übrigen Unreinigkeiten des rohen
Weinsteins ab. Ich erhielt bei mehreren Versuchen ¾ des angewandten rohen
Materials gereinigten
Weinstein, in welchem nicht die Spur von Kalk oder andere Verunreinigungen zu
entdecken waren. Hinsichtlich der großen Menge Salzsäure, die ich bei diesem
Versuche anwandte, und welche gerade erforderlich ist, um, wie oben erwähnt, selbst
beim Erkalten allen Weinstein aufgelöst zu erhalten, ist zu bemerken, daß bei der
Reinigung im Großen bedeutend weniger anzuwenden ist, da größere Quantitäten beim
Filtriren nicht so leicht abkühlen. Die zum Entfärben angewandte Knochenkohle ist
auf die bekannte Weise zum weiteren Gebrauch wieder tauglich zu machen.
Was den Kalk als Fällungsmittel betrifft, so muß derselbe annähernd chemisch rein
seyn, vorzüglich aber frei von in Salzsäure unlöslichen oder schwerlöslichen
Beimengungen, da diese in den Weinstein übergehen und denselben verunreinigen
würden. Die Anwendung des krystallisirten kohlensauren Natrons hat sich bis jetzt am
zweckmäßigsten herausgestellt.
Beim Hinzufügen der Auflösung des kohlensauren Natrons zu der des Weinsteins ist noch
die Vorsicht zu beobachten, daß es allmählich geschieht, da der Weinstein alsdann
als zartes weißes Pulver herausgefällt wird; beim raschen Hinzugießen der
Natronlösung hingegen wird der Weinstein unerwarteter Weise in etwas größeren
Krystallen niedergeschlagen, welche ein gelbliches Aussehen besitzen, zerrieben
jedoch ebenfalls weiß sind.