Titel: | Ueber die Construction der Dampfkessel; von W. Fairbairn, Civilingenieur und Mitglied der Gesellschaft der Wissenschaften zu London. |
Fundstelle: | Band 122, Jahrgang 1851, Nr. XV., S. 81 |
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XV.
Ueber die Construction der Dampfkessel; von
W. Fairbairn,
Civilingenieur und Mitglied der Gesellschaft der Wissenschaften zu
London.
Aus dem Civil Engineer's and Architect's Journal, Mai
1851, S. 266.
Fairbairn, über die Construction der Dampfkessel.
Die Veränderungen der Dampfmaschine, seit ihrer ersten Einführung durch Watt – vor drei Viertel-Jahrhunderten
– waren sehr zahlreich und verschiedenartig; und obgleich die Fortschritte in
ihrer Anwendung und Verbesserung eben so rasch als wunderbar waren, so sind wir doch
noch unentschieden, welche Art ihrer Construction die beste sey. Die richtige
Anwendung wissenschaftlicher Grundsätze und die stufenweis steigende Vollkommenheit
unserer Maschinenbauwerkstätten, haben uns zu jener Vollkommenheit geführt, welche
den Mechanismus der heutigen Dampfmaschine charakterisirt. Die Dampfmaschine selbst
kann als eine verhältnißmäßig vollkommene Maschine angesehen werden, und ich werde
daher meine Bemerkungen fast ausschließlich auf den so wichtigen und nothwendigen
Gehülfen derselben, den Kessel, beschränken, welcher die
Quelle der Kraft ist. Selbst bei diesem eröffnet sich aber ein weites Feld der
Untersuchung, und auf den ersten Schritten derselben werden wir verwirrt durch die
endlose Verschiedenheit von Constructionsformen, welche in verschiedenen Perioden
von den Maschinenbaumeistern angenommen, aber unglücklicherweise nicht mit der
aufmerksamen Kritik wie die Dampfmaschine selbst behandelt wurden. Es ist dieß eine
sonderbare und sehr zu bedauernde Thatsache, denn da der Kessel die Quelle der
Triebkraft ist, so gehört er zu den wichtigsten Theilen der ganzen Maschine. Von
seinen Verhältnissen und seiner Einrichtung hängt die Oekonomie und Regelmäßigkeit
des Betriebes der Dampfmaschine, sowie von seiner Stärke und guten Anfertigung das
Leben und Eigenthum der
Personen ab, welche mit ihm in Berührung kommen. Da man die Dampfmaschine als ein
hauptsächliches Beförderungsmittel der allgemeinen Wohlfahrt und der Civilisation
der Welt betrachten muß, da sie mit den täglichen Beschäftigungen der Menschen innig
verbunden ist, so sind die Sicherheit und Wirksamkeit eines jeden Theiles und
besonders diejenige des Kessels, Gegenstände allgemeiner Wichtigkeit.
Ich werde daher die Dampfkessel in Beziehung auf ihre Construction, ihren Betrieb,
ihre Festigkeit und Sicherheit und ihre Wohlfeilheit betrachten.
1. Was die Construction anbetrifft, so muß ich etwas weiter in Details eingehen; ich
muß von der Form und von andern Dingen reden, welche für den praktischen
Maschinenbauer von Wichtigkeit sind, da es hierbei sich darum handelt, die größte
Stärke mit dem wenigsten Material zu erzielen. Bei Kesseln ist dieß um so
nothwendiger, weil jede Zunahme der Stärke des Blechs die Durchlassung der Wärme
vermindert und dadurch sowohl die Niete als die Kesselplatten auf derjenigen Seite
wo das Feuer einwirkt, der Beschädigung aussetzt.
Man hat im Allgemeinen angenommen, daß das Auswalzen der Kesselbleche den Tafeln eine
größere Festigkeit in der Richtung ihrer Länge als in der Breitenrichtung ertheile.
Dieß ist aber durchaus nicht richtig, denn eine Reihe von Versuchen, welche ich vor
einigen Jahren angestellt habe, lieferte mir den Beweis, daß kein Unterschied in der
Festigkeit des Kesselblechs stattfindet, mag man es nun in der Richtung des Fadens,
oder in einer Querrichtung zu zerreißen suchen. Fünf verschiedene Sorten von
englischen Kesselblechen gaben folgende Resultate:
Art des Eisenblechs
Mittleres zerreißendesGewicht in Tonnennach
der Richtung desFadens oder Nervs.
Mittleres zerreißendesGewicht in Tonnenquer
auf die Richtungdes Fadens.
Yorkshire-Bleche
25,77
27,49
„
„
22,76
26,37
Derbyshire-Bleche
21,68
18,65
Shropshire-Bleche
22,82
22,00
Staffordshire-Bleche
19,56
21,01
Durchschnitt
22,51
23,10
Hieraus folgt, daß man bei der Construction der Kessel die Blechtafeln in jeder
Richtung, wie sie der Kesselschmied für nöthig findet, mit vollkommener Sicherheit
anwenden kann. Nächst der Festigkeit der Blechtafeln kommt die Vernietung in
Betracht, nämlich die besten und sichersten Mittel um die Tafeln mit einander zu
verbinden. Nichttechniker und selbst manche Kesselschmiede könnten auf den ersten
Blick glauben, es seyen die vernieteten Theile die stärkern Punkte des Kessels; wenn
man aber bedenkt, daß an den Kanten der Blechtafeln Löcher gestoßen sind, so wird
man bald einsehen, daß an den Verbindungskanten zweier Blechtafeln weit schwächere
Stellen vorkommen, als da wo sie massiv sind.
Es wurde dieß vor einigen Jahren durch eine Reihe von Versuchen nachgewiesen, indem
man die Festigkeiten verschiedener Arten von Vernietungen dadurch probirte, daß man
sie unmittelbar auseinanderriß. Die durch diese Versuche erlangten Resultate sind in
Beziehung auf die relative Festigkeit der vernieteten Verbindungen und der massiven
Bleche ganz folgerecht. Bei zwei verschiedenen Arten von Vernietungen, der doppelten
und der einfachen, verhielt sich deren Festigkeit zur Festigkeit der Blechtafeln wie
die Zahlen 100, 70, 56.
Nimmt man die Festigkeit der vollen Tafel an zu
100
so verhält sich die Festigkeit doppelt vernieteter
Verbindungen mit Berücksichtigung der
Oberflächen der Tafeln wie
70
und die Festigkeit einer einfach vernieteten Verbindung
wie
56
Diese Verhältnisse der relativen Festigkeiten der Bleche und ihrer Verbindungen
können in der Praxis als Normen angenommen werden, wenn es sich um die Anfertigung
von Gefäßen handelt, welche dampf- und wasserdicht seyn, und einem inneren
Druck von 10–100 Pfund auf 1 Quadratzoll ausgesetzt werden sollen.
Bei der Construction von Kesseln, welche einem starken innern Drucke ausgesetzt
werden sollen, ist es zweckmäßig, die Form und das Material so zu wählen, daß die
größte Festigkeit in der Richtung der höchsten Belastung befindlich ist; um dieß
auszuführen, muß in Betracht gezogen werden, ob dieselbe Anordnung für alle
Durchmesser erforderlich ist, oder ob die Form und Lage der Blechtafeln verändert
werden müssen. Nun besitzen wir treffliche Berechnungen von Prof. Johnson am Franklin-Institut in Nordamerika, die
sich auf die Festigkeit cylindricher Kessel beziehen (polytechn. Journal, 1833, Bd.
XLVIII S. 81), und aus denen wir das Nachstehende auszugsweise mittheilen:
a) Um die Kraft kennen zu lernen, welche einen
cylindrischen Kessel in der Längenrichtung zu zersprengen sucht, oder mit andern
Worten, welche die Köpfe oder Endstücke von den gekrümmten Seiten abreißen will,
haben wir nur die wirklichen Oberflächen der Endstücke zu nehmen und ihre
Oberflächen-Einheiten mit den Kraft-Einheiten zu multipliciren, die
auf eine solche Oberflächen-Einheit einwirken; dieß gibt die ganze
zerreißende Kraft in jener Richtung.
Um dieser Kraft entgegenzuwirken, müssen wir die Festigkeit von so vielen der Länge
nach laufenden Stäben kennen, als lineare Einheilen in der Peripherie des Cylinders
vorhanden sind. Die vereinigte Festigkeit dieser Stäbe bildet die Summe der
Widerstand leistenden Kraft, und in dem Augenblick wo die Zerreißung stattfinden
soll, müssen die zerreißende und die widerstehende Kraft offenbar einander gleich
seyn.
b) Um die Kraft zu bestimmen, welche den Cylinder längs
der gekrümmten Seite, oder vielmehr längs der gekrümmten Seiten zu zerreißen sucht,
müssen wir den Druck betrachten, welcher durch die ganze Breite des Cylinders auf
jede lineare Einheit des Durchmessers wirkt. Daher wird der ganze Betrag von Kraft,
welche den Cylinder dadurch in Hälften zu theilen sucht, daß sie ihn längs zweier
Linien an entgegengesetzten Seiten trennt, dadurch dargestellt werden, daß man den
Durchmesser mit derjenigen Kraft multiplicirt, die auf jede Einheit der Oberfläche
einwirkt, und dieses Product mit der Länge des Cylinders. Aber auch ohne die Länge
zu berücksichtigen, können wir die Kraft betrachten, welche erforderlich ist, um ein
einziges Band in der angenommenen Richtung und von
einer linearen Einheit in der Breite zu zerreißen; denn offenbar macht es keinen
Unterschied in Beziehung auf die leichte oder schwierige Trennung der Seiten, ob der
Cylinder lang oder kurz ist. Die in dieser Richtung wirkende zerreißende Kraft wird daher durch den Durchmesser multiplicirt mit dem
Druck auf die Oberflächen-Einheit dargestellt. Die in derselben Richtung
vorhandene widerstehende Kraft ist nur die Festigkeit der
beiden entgegengesetzten Seiten des angenommenen Bandes. Hier muß daher im
Augenblick des Bruchs die zerreißende Kraft der Festigkeit ebenfalls genau gleich
seyn.
Hr. Johnson zeigt nun, daß wenn der Durchmesser größer
wird, das Product des Durchmessers mit der Kraft oder dem Druck auf die
Oberflächen-Einheit, in demselben Verhältniß zunehmen müsse. Ich werde diese
Wahrheit zu beweisen suchen; ebenso daß, wenn der Durchmesser irgend eines
cylindrischen Gefäßes zunimmt, die Metallstärke genau in demselben Verhältniß zunehmen muß, während der
Druck oder die zerreißende Kraft dieselbe bleibt. Es muß ferner berücksichtigt
werden, daß wenn der Durchmesser des Kessels zunimmt, die Oberfläche der Endstücke
ebenfalls größer wird, und zwar nicht im Verhältniß des Durchmessers, sondern im
Verhältniß des Quadrates von dem Durchmesser. Man sieht daher, daß die Kraft,
anstatt daß sie verdoppelt wird, wie dieß der Fall in der Richtung des Durchmessers
und der Peripherie ist, sie an den Enden vervierfacht wird; oder mit andern Worten,
ein doppelt so weiter Cylinder hat den vierfachen Druck in der Längenrichtung zu
ertragen.
Die Widerstand leistende Kraft oder die Metallstärke eines cylindrischen Kessels
braucht jedoch nicht in demselben Verhältnisse zuzunehmen wie der Umfang des
Kreises, sondern nur in dem Verhältnisse des Durchmessers; folglich steigt die
Metallstärke in demselben Verhältniß mit dem Durchmesser. Daraus ersieht man, daß
das Bestreben die Enden cylindrischer Kessel abzureißen, in dieser Richtung nicht
größer ist als in jeder andern; wir dürfen daher auch mit vollkommener Sicherheit
folgern, da, wie wir gesehen haben, die Tendenz zu Brüchen nach beiden Richtungen in
dem Verhältniß des Durchmessers steigt, daß eine Abweichung von diesem Gesetz in
Beziehung auf die Blechstärke, die Stärke des Kessels nicht erhöhen würde.
Ich wurde auf diese Untersuchungen durch den Umstand geführt, daß Hr. Johnson dabei offenbar voraussetzt, es gäbe keine
Verbindungen bei den Blechtafeln, und daß die Festigkeit des Eisens = 6000 Pfd.,
d.h. über 26 Tonnen auf den Quadratzoll betrage. Nun haben wir aber aus den
Resultaten der oben angeführten Versuche ersehen, daß gewöhnliche Kesselbleche nicht
mehr als 23 Tonnen auf 1 Quadratzoll tragen können, und da fast ein Drittel von dem
Material zur Aufnahme der Niete ausgestoßen wird, so müssen wir die Festigkeit noch
mehr vermindern, und 15 Tonnen oder etwa 34,000 Pfd. auf den Quadratzoll als die
Festigkeit des Materials oder als den Druck annehmen, bei welchem der Kessel
zerspringen würde.
In Beziehung auf die oben angegebene Zahl müssen wir bemerken, daß nach den Versuchen
die Festigkeit der vernieteten Verbindungen der Kessel ungefähr die Hälfte von der
Festigkeit des Blechs selbst beträgt; berücksichtigt man aber, daß sich die Fugen
gegenseitig kreuzen, so kann man die Festigkeit vernieteter Bleche oder den
zerreißenden Druck eines cylindrischen Kessels füglich zu 34,000 Pfd. annehmen.
Dieß muß also in der Praxis als die größte Festigkeit zusammengenieteter Kesselbleche
angesehen werden, und wir wollen nun den Gegenstand weiter verfolgen und
untersuchen, unter welchem Druck ein Kessel mit Sicherheit betrieben werden
kann.
Es ist nachgewiesen worden, daß die Stärke cylindrischer
Kessel, in der Richtung ihrer Peripherie genommen, sich wie ihre Durchmesser
verhält; in der Richtung der Enden hingegen, im Verhältniß des Quadrats der
Durchmesser steht. Wir werden jedoch sehen, daß der Druck
nicht in jeder Richtung genau derselbe ist, und daß das Material in der
Längenrichtung weniger auszuhalten hat als auf der Peripherie. Wir wollen z.B.
annehmen, daß von zwei Kesseln der eine 3, der andere 6 Fuß im Durchmesser hat, und
daß jeder auf den Quadratzoll einen Druck von 40 Pfd. zu ertragen hat. In diesem
Falle verhält sich offenbar die Oberfläche oder die Anzahl der Quadratzolle der
Enden des 3füßigen Kessels zu der Oberfläche der Enden des 6füßigen Kessels wie 1:4,
und durch eine gewöhnliche Rechnung wird man finden, daß die Kanten von den Blechen,
welche den cylindrischen Theil des 3füßigen Kessels bilden (bei 40 Pfd. auf den
Quadratzoll), einen Druck von 40,712 Pfd., d.h. etwa 18 Tonnen, auszuhalten haben;
während die Blechtafeln des 6füßigen Kessels einen Druck von 162,848 Pfd. oder 72
Tonnen auszuhalten haben, d.h. das Vierfache von dem was der Kessel mit nur dem
halben Durchmesser zu ertragen hat; da sich nun die Peripherien nur wie 2: 1
verhalten, so ist der Druck auf die cylindrischen Bleche des großen Kessels
nothwendig der doppelte. Dieß ist aber nicht der Fall bei den übrigen Theilen des
Kessels, weil die Peripherie eines Cylinders nur in dem Verhältnisse des
Durchmessers zunimmt, und folglich der Druck, anstatt in dem Verhältniß des Quadrats
des Durchmessers zuzunehmen, wie wir bei den Enden des Kessels nachgewiesen haben,
bloß verdoppelt wird, indem die Peripherie des 6füßigen Kessels nur die doppelte von
derjenigen des 3füßigen ist.
Textabbildung Bd. 122, S. 86
Zur weiteren Erläuterung wollen wir annehmen, daß die beiden erwähnten
cylindrischen Kessel in eine Reihe von Reifen oder Bändern von 1 Zoll Breite
getheilt seyen. Betrachten wir nun ein solches Band des 3füßigen Kessels, so
finden wir, daß es bei einem Druck von 40 Pfd. auf den Quadratzoll einen Druck
von 1440 Pfd. zu ertragen hat, der auf jede Seite einer Linie wirkt, welche
durch die Achse eines Cylinders von 36 Zoll Durchmesser und 1 Zoll Höhe gezogen
ist, und welche Linie den Durchmesser des Kreises bildet.
Nun veranlaßt diese Kraft einen Druck auf die Punkte a, a in der Richtung der Pfeile der nebenstehenden Figur
des 3füßigen Kreises von 720 Pfd.; und nehmen wir an, daß der Druck so lange steige, bis die
Kraft gleich der Festigkeit des Eisens bei a, a wird, so
ist klar, daß bei diesem Zustande des Gleichgewichts der beiden Kräfte das geringste
Uebergewicht auf der Seite des innern Drucks einen Bruch oder eine Zerreißung
veranlassen würde. Wenn daher das Blech, aus welchem der Kessel besteht, 1/4 Zoll
dick ist, und seine größte Festigkeit 34000 Pfund auf 1 Quadratzoll beträgt, so
erhalten wir 34000/(36 . 2) = 472 Pfund auf 1 Quadratzoll, als den zerreißenden
Druck des Kessels. Da sich nun die Kräfte in dieser Richtung nicht wie die Quadrate,
sondern einfach wie die Durchmesser verhalten, so ist klar, daß bei 40 Pfd. Druck
auf den Quadratzoll, bei einem Bande von 1 Zoll Breite (oder diesem Theil eines
Cylinders von 6 Fuß Durchmesser) an den Punkten b, b
genau die doppelte Kraft von derjenigen angreifen wird, welche an den Punkten a, a bei einem Kessel-Durchmesser von 3 Fuß
einwirkte.
Textabbildung Bd. 122, S. 87
Nehmen wir nun an, daß die Metallstärke 1/4 Zoll wie bei
dem 3füßigen Kessel betrage, so folgt, daß wenn die Kräfte bei demselben Druck
in dem weiten Cylinder verdoppelt werden, auch die Blechdicke verdoppelt werden
muß, um denselben Druck mit gleicher Sicherheit ertragen zu können; oder, was
auf dasselbe herauskommt, der 6füßige Kessel muß mit der Hälfte des Dampfdrucks
betrieben werden, um dieselbe Sicherheit zu gewähren, die mit dem 3füßigen
Kessel bei doppeltem Druck erreicht wird. Aus diesen Thatsachen geht also
deutlich hervor, daß Kessel mit größern Dimensionen auch eine größere Stärke im
Verhältniß ihres Durchmessers haben müssen; oder mit anderen Worten: es müssen
die Bleche eines 6füßigen Kessels die doppelte Dicke von denen eines 3füßigen
haben; und so fort in dem Verhältnisse, in welchem der Durchmesser steigt.
Die relative Kraft, welche auf Cylinder von verschiedenem Durchmesser einwirkt, wird
noch anschaulicher, wenn wir sie auf den äquivalenten Druck per Quadratzoll reduciren, wie derselbe auf die Enden und auf die
Peripherie des Kessels einwirkt. Bei dem 3füßigen Kessel, welcher mit einem Druck
von 40 Pfd. betrieben wird, haben wir eine Kraft von 720 Pfd. auf 1 Zoll Breite des
Blechs; und 1/4 Zoll Stärke des Blechs ergibt 720 . 4 = 2880 Pfd. als die Kraft per Quadratzoll an jedem Punkt der Peripherie des
Kessels.
Wenn wir dieß nun mit der wirklichen Festigkeit der vernieteten Blechtafeln selbst
vergleichen, welche, wie wir oben annahmen, 34000 Pfd. auf 1 Quadratzoll beträgt,
so ergibt sich für den Druck, welcher auf die Peripherie-Festigkeit wirkt,
das Verhältnis von 2880 zu 34000, d.h. fast 1: 12, oder 472 auf den Quadratzoll als
die äußerste Festigkeit der zusammengenieteten Blechtafeln.
Diese Deductionen scheinen in Beziehung auf den Widerstand cylindrischer Kessel,
gegen eine Kraft, die von der Achse in allen Richtungen gegen die Peripherie
ausströmt, ganz richtig zu seyn; dieselbe Folgerung läßt sich aber keineswegs auf
die Enden des Kessels anwenden, oder technisch ausgedrückt auf das Winkeleisen und
die Vernietung, da wo die Enden mit der Peripherie verbunden sind. Um dieß zu
beweisen, wollen wir den 3füßigen Kessel betrachten, bei welchem wir 113 Zoll auf
der Peripherie haben; diese kreisförmige Verbindungslinie hat bei 40 Pfd. per Quadratzoll einem Druck von 18 Tonnen zu
widerstehen, welcher gleich ist einer Kraft von 360 Pfd., die der Länge nach auf
jedem Zoll der Peripherie wirkt. Wendet man nun dieselbe Kraft auf einen 6füßigen
Kessel an mit einer Peripherie oder Verbindungslinie von 226 Zoll, so findet man,
daß sie genau der vierfachen Kraft oder 72 Tonnen ausgesetzt ist; jedoch müssen wir
berücksichtigen, daß die Peripherie verdoppelt ist, und folglich die einwirkende
Belastung nicht in einem vierfachen, sondern nur in einem doppelten Verhältniß, oder
als eine Kraft von 720 Pfd. der Länge nach wie vorher auf jeden Zoll der
Kesselperipherie wirkt. Diese Thatsachen führen uns zu der Folgerung, daß die
Festigkeit der cylindrischen Kessel, in der Krümmungslinie genommen, in geradem
Verhältniß zu ihrem Durchmesser steht, und auf die Enden oder Durchschnittsflächen
angewendet, sich wie die Quadrate der Durchmesser verhält; daß daher alle Arten
cylindrischer Röhren, welche denselben Druck auszuhalten haben, in der Richtung
ihrer Peripherien nur im Verhältniß ihrer Durchmesser stärker gemacht werden müssen,
aber in der Richtung der Enden wie die Quadrate ihrer Durchmesser.
Wenn wir also die gegenseitige Festigkeit der Blechtafeln betrachten, welche
cylindrische Kessel bilden, die einem innern Druck ausgesetzt sind, so finden wir
das abweichende Verhalten, daß die Festigkeit in der Längenrichtung der Blechtafeln
die doppelte von derjenigen in der Richtung der Curven ist. Dieß geht aus einer
Vergleichung der beiden Kräfte hervor, wobei wir gezeigt haben, daß die Enden des
3füßigen Kessels bei einem innern Druck von 40 Pfd. in der Längenrichtung auf jeden
Zoll des 1/4 Zoll starken Blechs 360 Pfd. tragen, während die gleich dicken Tafeln
in der krummlinigen Richtung nur einen Druck von 720 Pfd. auszuhalten haben. Dieser
Unterschied der Belastung ist eine nicht leicht zu überwindende Schwierigkeit, und
alles was sich in diesem Falle thun läßt, besteht darin, die Fugen sich zweckmäßig
kreuzen zu lassen, sowie in der Güte der Arbeit und in der Vertheilung des
Materials. Zur Erreichung dieser Zwecke dient hierbei nachstehende Tabelle, welche
die verhältnißmäßige Festigkeit cylindrischer Kessel von 3 bis 8 Fuß Durchmesser
enthält.
Tabelle gleicher Festigkeiten bei
cylindrischen Kesseln von 3 bis 8 Fuß Durchmesser, welche die respective
Metallstärke eines jeden bei einem Druck von 450 Pfd. auf den Quadratzoll
angibt.
Kessel-Durchmesser.Fuß.
Zoll.
Zerreißender Druck – gleich der
äußerstenFestigkeit der vernieteten Verbindungen –wie sie
aus Versuchen abgeleitet ist;34,000 Pfd. auf den Quadratz.
Dicke der Bleche inDecimaltheileneines
Zolles.
3 0
0,250
3 6
0,291
4 0
0,333
4 6
0,376
5 0
0,416
5 6
450 Pfund.
0,458
6 0
0,500
6 6
0,541
7 0
0,583
7 6
0,625
8 0
0,666
Kessel von einfacher Form und ohne innere Züge sind bloß einer Art von Belastung
ausgesetzt, aber diejenigen mit inneren Zügen sind derselben Spannkraft ausgesetzt,
welche die einfache Form erleidet, und überdieß der Zusammendrückung, welche das
Material der innern Züge durchzubiegen oder zu zerbrechen sucht. Bei dem
cylindrischen Kessel mit runden Zügen divergiren die Kräfte von der innern Achse
nach dem äußern Mantel, und sie convergiren nach jedem besonderen Zug hin, den der
Kessel umschließt.
Diese beiden Kräfte äußern in einem Dampfkessel eine ununterbrochene Wirksamkeit; das
Bestreben der einen geht dahin, die äußern Blechtafeln und die Enden zu zerreißen, und das Bestreben
der andern die Form zu zerstören und das Material in den Mittlern Raum der Züge zu
drängen. Diese beiden Kräfte wirken sehr verschieden auf die Widerstand leistenden
Kräfte des Kessels, welcher in der Richtung seines äußern Mantels einer Spannung
Widerstand leisten muß, die in jeder Richtung von innen nach außen wirkt; die innern
Züge dagegen, welche wie ein Bogen wirken, setzen jeder Zusammendrückung bedeutenden
Widerstand entgegen. Es würde eben so belehrend als interessant seyn, die
Beschaffenheit dieser Kräfte auseinanderzusetzen und das Gesetz zu bestimmen, durch
welches Gefäße dieser Art in ihrer Form erhalten werden. Es kann dieß jedoch nur
durch Versuche geschehen, und da dieselben nach einem bedeutenden Maaßstabe und mit
großer Genauigkeit ausgeführt werden müßten, um zu genügenden Resultaten zu
gelangen, so müssen wir diese Idee jetzt aufgeben, und uns mit den schon bekannten
Erfahrungen begnügen. In der Folge werde ich Gelegenheit haben, diesem Gegenstande
meine Aufmerksamkeit zu widmen; er ist von großer Wichtigkeit, und eine Reihe gut
geleiteter Versuche würde ohne allen Zweifel werthvolle Resultate für die
Construction der Kessel und ihre relative Widerstandsfähigkeit gegen die vereinigten
Kräfte der Spannung und des Drucks geben.
Nach dem Stande unserer jetzigen Kenntnisse müssen wir uns mit der Thatsache
begnügen, daß der Widerstand cylindrischer Canäle gegen die Zusammendrückung in
directem Verhältnisse ihrer Durchmesser steht. Wir müssen daher folgern, daß ein
röhrenförmiger Canal von 18 Zoll Durchmesser den doppelten Druck eines 3füßigen
aushalten wird.
Um die Belastung eines Hochdruckkessels von 30 Fuß Länge und 6 Fuß Durchmesser, und
mit zwei centralen Canälen, jeder von 2 Fuß 3 Zoll Durchmesser, welcher Kessel mit
einem Druck von 50 Pfd. auf den Quadratzoll betrieben wird, zu finden, haben wir nur
die Anzahl der Quadratfuße seiner Oberfläche, 1030, welche dem Druck ausgesetzt
sind, mit 3,21 zu multipliciren, und wir erhalten als Kraft 3319 Tonnen, die ein
Kessel von diesen Dimensionen zu ertragen hat. Um den Gegenstand etwas weiter zu
verfolgen, wollen wir annehmen, daß der Druck 450 Pfd. auf den Quadratzoll betrage,
bei welchem erst ein gut angefertigter Kessel zerreißen kann, und wir finden dann,
daß in einem 30 Fuß langen und 6 Fuß weiten Kessel die ungeheure Kraft von beinahe
30,000 Tonnen eingeschlossen ist, und doch ist dieß noch unbedeutend im Vergleich
mit der Locomotive und einigen Schiffsdampfkesseln, welche wegen der Anzahl der
Röhren dem Druck eine weit größere Oberfläche darbieten. Locomotivkessel werden gewöhnlich
mit einem Druck von 80 bis 100 Pfd. auf den Quadratzoll betrieben, daher ein solcher
Kessel sich auf den Schienen mit einer eingeschlossenen Kraft von fast 60,000 Tonnen
bewegt, welche Kraft bei beschleunigter Geschwindigkeit eher steigt als sich
vermindert.
In einem feststehenden Kessel, welcher Dampf von gegebenem Druck einschließt, sind
die Kräfte offenbar im vollkommenen Gleichgewicht, und da die Belastung dieselbe in
allen Richtungen ist, so findet gar kein Streben nach Bewegung statt. Angenommen
jedoch, dieses Gleichgewicht sey durch angehäuften Druck gestört worden, so erfolgt
dennoch ein Bruch; wenn nämlich die Kräfte nach einer Richtung aufgehört haben,
während die andern in einer entgegengesetzten Richtung thätig blieben, so muß der
Kessel aus seiner Lage mit einer Kraft verrückt werden, die gleich derjenigen ist,
welche sich durch die Oeffnung des Bruchs entladet. Die Richtung der Bewegung muß
von der Lage des zerrissenen Theils abhängen; liegt er in der Linie des
Schwerpunkts, so muß die Bewegung in jener Richtung erfolgen; liegt er außerhalb
dieser Linie, so würde eine schiefe oder drehende Bewegung um den Schwerpunkt das
Resultat seyn.
Wir kommen nun zu länglich viereckigen Formen, oder zu den flachen Oberflächen,
welche nicht so gut darauf berechnet sind dem Druck zu widerstehen. Als Beispiel
führen wir den Feuerkasten der Locomotivkessel an, ferner die Seitenwände und Canäle
der Schiffsdampfkessel (welche letztere nach und nach durch die röhrenförmigen
Kessel verdrängt worden sind), endlich die platten Enden cylindrischer Kessel, und
andere von schwächerer Construction.
Die Locomotivkessel werden häufig auf einen Druck von 120 Pfd. per Quadratz. gesteigert und beim Aufwärtsfahren starker Steigungen habe
ich selbst beobachtet, daß der Druck manchmal 200 Pfd. auf den Zoll betrug. Bei der
Construction dieser Kessel, welche mit einem so außerordentlichen arbeitenden Druck
betrieben werden, ist die größte Sorgfalt des Maschinenbauers erforderlich, welcher
sich vollkommen zu überzeugen hat, daß die flachen Oberflächen des Feuerkastens
diesem Drucke zu widerstehen vermögen, und damit jeder Theil des Kessels in seiner
Widerstandskraft so berechnet wird, daß wenn ein Theil auf dem Punkte ist zu
zerreißen, jeder andere Theil auf dem Punkte ist, derselben gleichförmigen Kraft
nachzugeben. Dieß ist eine wichtige Betrachtung für den Maschinenbau im Allgemeinen,
weil alles Material, welches für die Sicherheit eines Theiles von einem Kessel, der
einem gleichförmigen Drucke ausgesetzt ist, angewendet wird, während ein anderer Theil schwach bleibt,
rein weggeworfenes Material ist. Sowohl bei feststehenden, als bei den sich
bewegenden Locomotiv- und Schiffsdampfkesseln ist ein solches Material
absolut nachtheilig, wenigstens insofern als die Theile in einem Mißverhältniß zu
einander stehen, wozu noch kommt, daß das Gewicht des unnöthigen Materials größere
Kosten veranlaßt. Eine Kenntniß der Festigkeit der angewendeten Materialien,
umsichtige Sorgfalt und ein geübtes richtiges Urtheil bei der Vertheilung des
Materials, gehören daher zu den Haupterfordernissen des praktischen Maschinenbauers.
Unsere beschränkten Kenntnisse und mangelhaften Grundsätze der Construction erweisen
sich auffallend durch die vielen Mißgriffe, welche fortwährend gemacht werden, was
wir offen gestehen müssen.
Hinsichtlich der Frage die uns hier unmittelbar beschäftigt, ist es jedoch wesentlich
denjenigen Theilen die erforderliche Sicherheit zu ertheilen, welche außerdem das
Publicum und die Maschinenwärter in die größten Gefahren versetzen würden.
Der größere Theil des Feuerkastens der Locomotivkessel hat, wie schon bemerkt, eine
länglich viereckige Form, und zur Ersparung von Wärme sowie um Platz für den Ofen zu
gewinnen, wird es nothwendig, eine äußere und innere Wand zu haben; die den Ofen
umfassende Wand besteht gewöhnlich aus Kupferblech, dessen einzelne Platten durch
Niete mit einander verbunden sind, und die äußere Wand, welche den Feuerkasten
umgibt, besteht aus Eisenblech, dessen Tafeln ebenfalls durch Niete mit einander
verbunden sind. Nun würden diese Blechplatten an und für sich, wenn sie nicht durch
Stehbolzen gestützt wären, den Druck gar nicht ertragen können. Schon durch 1/10 des
Drucks würde nämlich der kupferne Feuerkasten eingedrückt und der eiserne Mantel
herausgedrückt werden, und bei jedem Wechsel der Kraft würden diese zwei flachen
Wände rück- und vorwärts bewegt, und dadurch sehr leicht zerrissen werden. Um
dieß zu verhindern und den großen ebenen Flächen den größten Grad der Festigkeit,
wie den andern Theilen des Kessels zu geben, bringt man schmiedeiserne oder kupferne
Stehbolzen von 1 Zoll Stärke an; zuerst werden sie in die eisernen und kupfernen
Wände zu beiden Seiten eingeschraubt, um diese Stellen wasser- und dampfdicht
zu machen, und dann werden sie an der äußern und innern Wand fest vernietet. Diese
Stehbolzen sind etwa 6 Zoll von einander entfernt, bilden eine Reihe von Quadraten,
und jeder widersteht einer Belastung von ungefähr 15 Tonnen ehe er zerbricht.
Wir wollen nun annehmen, daß der größte von dem Kessel zu ertragende Druck 200 Pfd.
auf den Quadratzoll betrage, so haben wir 6 × 6 × 200 = 7200 Pfd. oder
3 1/4 Tonnen als die Belastung (Kraft) auf ein Quadrat von 36 Zoll; da nun diese
Quadrate von vier Stehbolzen getragen werden, von denen ein jeder die Festigkeit von
15 Tonnen hat, so erhalten wir 15 × 4 = 60 Tonnen als die Widerstand
leistende Festigkeit der Stehbolzen; der Druck ist aber nicht unter allen vier
vertheilt, sondern jeder Stehbolzen hat diesen Druck zu tragen, daher das Verhältniß
der Festigkeit zu dem Druck fast wie 4 1/2 zu 1 und folglich ein sehr günstiges
ist.
Wir haben von den Seitenwänden geredet, allein der Deckel des Feuerkastens und die
Enden müssen auch geschützt werden; nun ist der äußere Deckel des Kessels, von
welchem die Stehbolzen ausgehen müssen, gewöhnlich rund, daher man es für
zweckmäßiger und vortheilhafter fand, diese Theile durch eine Reihe starker
schmiedeiserner Stäbe zu sichern, an denen der Deckel des Feuerkastens hängt und die
ein Eindrücken desselben verhindern. Ich brauche nicht in Berechnungen über diese
Theile einzugehen, indem sie, wenn sie mit dem Dom des Kessels verbunden, stark
genug sind, einem Druck von 300 bis 400 Pfd. auf den Quadratzoll zu widerstehen. Im
Allgemeinen genommen ist dieß übrigens der schwächste Theil des Kessels,
wahrscheinlich jedoch mit Ausnahme der flachen Enden über den Röhren des
Rauchkastens, wenn dieselben nicht gehörig durch Stehbolzen gesichert sind.
Bei den flachen Enden cylindrischer Kessel und bei denen für Schiffe lassen sich
dieselben Constructionsregeln anwenden, und das richtige Verhältniß der Theile muß
hier wie bei den Locomotivkesseln berücksichtigt werden. Meines Erachtens sollten
alle Kessel für Fabriken und Dampfschiffe für die äußerste Belastung von 400 bis 500
Pfd. auf den Quadratzoll hergestellt werden, und Locomotivkessel, welche eine noch
bedeutendere Leistung aushalten müssen, auf eine äußerste Belastung von 600 bis 700
Pfd. per Quadratzoll construirt werden.
Ich habe bloß noch zu bemerken, daß innere Canäle, wie diejenigen welche den Ofen im
Innern des Kessels enthalten, soviel als möglich eine cylindrische Form haben
sollten; und da der Widerstand des Eisenblechs gegen das Zusammendrücken etwa nur
halb so groß als derjenige gegen das Zerreißen ist, so darf der Canal in keinem
Falle einen größeren als die Hälfte des Kesseldurchmessers haben, wobei gleich
starkes Blech angewendet werden muß, wenn man eine vollkommene Sicherheit haben
will. In der That ist die Zusammendrückbarkeit so verschieden von der
Zerreißbarkeit, daß ich rathen möchte, dem Durchmesser der innern Canäle das Verhältniß von 1 : 2
1/2 anstatt von 1 : 2 gegen den Durchmesser des Kessels zu geben.
Von den übrigen Kesselformen, den sogenannten Kofferkesseln, den halbkugelförmigen
u.s.w. sage ich nichts, da sie in Beziehung auf den Widerstand schlecht sind, und es
Pflicht jedes Maschinenbauers ist, ihre weitere Einführung zu verhindern.