Titel: | Bericht des Hrn. Baude über das neue Eisenbahnsystem der HHrn. Mols, Charlet und Bonnevie in Brüssel. |
Fundstelle: | Band 122, Jahrgang 1851, Nr. XLV., S. 242 |
Download: | XML |
XLV.
Bericht des Hrn. Baude über das neue Eisenbahnsystem der HHrn.
Mols, Charlet und Bonnevie in
Brüssel.
Aus dem Bulletin de la Société
d'Encouragement, Juni 1851, S. 306.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
Baude, über neue Eisenbahnsysteme.
Das jetzt allgemein gebräuchliche Eisenbahnsystem besteht in Parallelschienen, welche
oben und unten mit einem Tförmigen Kopf versehen sind
und in gußeisernen Stühlen ruhen, worin sie durch hölzerne Keile festgehalten
werden. Die Stühle werden mittelst starker eisernen Nägel auf eichenen Querschwellen
befestigt, die in einem Bett von Sand oder Kies liegen.
Die HHrn. Mols, Charlet und Bonnevie haben der Société
d'Encouragement eine Abhandlung eingereicht, in welcher sie angebliche
Verbesserungen dieses Systems vorschlagen, worüber ich Bericht zu erstatten
beauftragt wurde.
Man wirft den hölzernen Querschwellen vor, daß sie nach Verlauf einer gewissen Zeit
durch Abnahme ihrer Stärke und ihres Volums, in Folge des Faulens des Splints und
der Holzfasern, die Bahn oscillirend machen; man behauptet ferner, daß die eisernen
Nägel in ihren sich immer mehr erweiternden Löchern nur durch wiederholtes
Einschlagen mit dem Hammer festgehalten werden können, und durch die schwingende
Bewegung der Bahnzüge gerne heraustreten; daß diese Nägel durch die in die
erweiterten Löcher eintretende Feuchtigkeit oxydirt und dann dünner werden, indem
die Oxydschichten bei der Exschütterung der gußeisernen Stühlchen sich ablösen; daß
die gußeisernen Schienenstühle wegen der Unregelmäßigkeit ihrer innern Oberflächen,
ihrer fehlerhaften
Auflegung, d.h. ihrer Befestigung auf der Querschwelle, gerne zerspringen; daß die
hölzernen Keile bei warmer und trockener Witterung an Volum abnehmen und dann in
Folge des Stoßes der Radkränze an den Schienenfugen leicht herausspringen können;
daß ferner die Köpfe der Schienen meistentheils mit dem verticalen Theil des T schlecht zusammengeschweißt sind und unter dem
Gewichte der Locomotiven zerdrückt werden.
Diesen Uebelständen glauben die genannten Herren durch verschiedene Vorkehrungen
abhelfen zu können, unter denen ich die von ihnen als die besten empfohlenen
auswähle.
Ihr Princip, das jedoch nicht neu ist, besteht erstens darin die Schienen ohne
vermittelnde Stühle an den Querschwellen zu befestigen, nämlich statt der bisherigen
Schienenstühle Widerhaltstücke und Bolzen anzuwenden, endlich das Gußeisen und das
Holz durch Schmiedeisen zu ersetzen.
Ich werde mich bei dem ersten Vorschlag des Hrn. Mols
nicht aufhalten, der darin besteht, eine Schiene mit vorstehendem Rand auf
Querschwellen aus Flacheisen von 8 Millimeter Dicke und 25 Centimeter Breite zu
befestigen.
Die Verfasser scheinen von diesem System, als wenig Stabilität darbietend, selbst
abzugehen, und ich gehe daher sogleich auf die ihnen am dauerhaftesten scheinende
Construction über, durch welche zwar die Kosten der ersten Herstellung etwas erhöht,
die Unterhaltungskosten aber vermindert werden sollen.
Die Schiene kann z.B. die Form der Hohlschienen (bridge-rail) haben, mit Ausnahme der Lappen unten, welche bei der
London-Bristoler Eisenbahn (Great-Western), wo diese Form in Anwendung
kam, dazu dienen, die Schiene an der hölzernen Längenschwelle zu befestigen, welche
die gewöhnliche Querschwelle ersetzt (Fig. 1). Diese Schiene
ruht bei dem neuen System auf einer eisernen Platte von 1 Centimeter Dicke, 60
Centimeter Länge und 30 Centimeter Breite. Unter diesen symmetrischen Platten geht
eine eiserne Querschwelle von 5 Millim. Dicke und 10 Centimeter Breite durch. Die
Schiene wird an die Platte mittest zweier Eisenstücke bestestigt, welche die
Erfinder Widerhaltstücke (arrêtoirs) nennen;
eines derselben, und zwar dasjenige an der inneren Seite, wird an die Platte und die
Querschwelle genietet das andere wird angebolzt. Es befinden sich sonach an jeder
Querschwelle vier Nietnägel und vier Bolzen.
Der Preis einer solchen schmiedeisernen Querschwelle berechnet sich in Frankreich wie
folgt:
Textabbildung Bd. 122, S. 243
Querschwelle von 2,10 Meter Länge,
10 Centim. Breite und 5 Millim.; Dicke; Kilogr.; Vier Widerhaltstücke à 3,50 Kil.; Frkn.; Centim.; Zwei Platten von
60 Cent. L., 30 Cent. B. und 1 Cent. Dicke; 56 Kil.; Vier Bolzen und vier
Nietnägel; Legen; Fr.
Wenn man den Kubikmeter Holz für Querschwellen zu 65 Franken annimmt, so kommt die
Querschwelle unserer gewöhnlichen Bahnen, die Stühle mit Zugehör und das Legen
eingerechnet, auf höchstens 15 Franken zu stehen; das wäre also um die Hälfte
weniger als obiger Kostenanschlag; für einen Kilometer einer zweigeleisigen Bahn,
deren Schienen per laufenden Meter 37 Kilogr. wiegen
würden, zu 300 Franken, und welche vier Kubikmeter Sand zu 4 Franken bedürsten,
wären also die Anschaffungskosten bei dem System des Hrn. Mols 120,000 Franken, beim
gewöhnlichen System nur 100,000 Franken; auf 100 also 20 Franken mehr.
Es ist nach meiner Meinung nicht wahrscheinlich, daß das Täfelchen (tablette) die Schienen viel besser stützt als der Stuhl,
so daß man bei Mols' System die Anzahl der Querschwellen
verringern könnte; die Kostenerhöhung, wie ich sie oben stellte, ist mithin als
richtig anzunehmen.
Unstreitig läßt sich das Mols'sche System ohne Gefahr
ausführen und der Eisenbahndienst muß darauf in Ordnung gehen; es frägt sich aber
noch, ob ungeachtet der elektrischen Ströme, welche das Fahren der Züge in den
metallischen Theilen einer Bahn entwickelt, so ausgedehnte, mit dem feuchten
Erdboden in Berührung befindliche Oberflächen sich nicht schneller oxydiren, als man
wohl glaubt; darüber wird uns die Erfahrung belehren, wenn einige Compagnien sich
entschließen, mit den sogenannten metallenen
Querschwellen neue Versuche im Großen anzustellen.
Es kommt nicht selten vor, daß ein Bahnzug aus den Schienen tritt, und dieses Unglück
hat für die Reisenden oft weiter keine nachtheiligen Folgen als den Aufenthalt von
einigen Minuten, weil der aus den Schienen getretene Zug, wenn nichts gebrochen ist,
auf einer festen Bahn mit Widerstand leistenden Querschwellen fortrutscht.
Auf den sogenannten Metall bahnen aber würden die Räder
des Zugs in den Boden eindringen, diese leichteren Querschwellen bedeutend verderben
und die Wiederherstellung des Bahnverkehrs auf eine Zeitlang verhindern. Die
Ingenieure müssen ungeachtet der Mängel der gegenwärtigen Eisenbahnen, auch gute
Eigenschaften derselben erkannt haben, da sie die bisherige Construction den neu
auftauchenden Systemen gegenüber noch nicht aufgaben.
Ich hätte mich über diesen wichtigsten Theil des Systemes der Metallschwellen des
Hrn. Mols nicht so verbreitet, wenn er nicht einige
Aehnlichkeit hätte mit den Querschwellen mit sogenannten Andrücktafeln (tables de pression), welche
sich Hr. Pouillet in Frankreich patentiren ließ und die
auf mehreren Eisenbahnen, namentlich auf der nach Chartres, nicht weit von der
Station Trappes, auf großen Strecken versucht wurden.
Die im Jahr 1850 angestellten Versuche bieten, obgleich ein bis zwei Jahre nicht
hinreichen, um den relativen Werth zweier Querschwellensysteme hinsichtlich ihrer
Unterhaltungskosten kennen zu lernen, dennoch Interesse dar.
Das System mit Andrücktafel besteht in einem gußeisernen Schienenstuhl, welcher
mittelst dreier Holzschrauben auf einer viereckig behauenen eichenen Querschwelle
von 19 Centimeter Breite und 7 Centimeter Dicke befestigt wird. An die Enden dieser
Schwelle sind zwei quadratische Platten von 60 Centimeter Seite und 5 Centimeter
Dicke gebolzt. Von der oben besprochenen metallenen Querschwelle unterscheidet sie
sich bloß dadurch, daß die Platte unter der Querschwelle anstatt über derselben
angebracht ist.
Als die Pouillet'schen Querschwellen auf einer Strecke von
2500 Meter Länge gelegt wurden, berechnete sich eine gewöhnliche Querschwelle mit Material und Arbeit auf 19 Franken 67 Cent.;
die nach seinem System auf der Bahn nach Chartres gelegte Querschwelle kam auf 16
Franken 9 Cent. zu stehen. Der Unterschied beträgt also ungefähr 3 1/2 Franken, oder
7000 Fr. per Kilometer doppelten Geleises. –
Ebenso stellte sich die Unterhaltung eines Pouillet'schen
Geleises (auf der linken Seite der Bahn) nach Umfluß eines halbjährigen Betriebes
bedeutend wohlfeiler heraus als diejenige eines gewöhnlichen Geleises (auf der
rechten Seite der Bahn).
Erklärung der Abbildungen.
Fig. 1
verticaler Durchschnitt des Eisenbahnsystems der HHrn. Mols,
Charlet und Bonnevie, mit metallener
Querschwelle.
Fig. 2 die
Querschwelle mit Zugehör im Grundriß.
A Metallplatte, an jedem Ende der schmiedeisernen
Querschwelle B befestigt. C
Widerhaltstücke, welche die Schiene D festhalten und die
gewöhnlichen Stühle vertreten; das Stück C' an der
inneren Seite der Schiene ist an die Platte und an die Querschwelle genietet; das
andere ist angebolzt.
Fig. 3
verticaler Durchschnitt einer Querschwelle mit Andrücktafel (nach Pouillet'schem System).
Fig. 4,
dieselbe im Grundriß.
A Platte oder Andrücktafel von Holz, welche an jedem
Ende einer viereckig behauenen eichenen Querschwelle angebracht ist; die Schwelle
ist fest auf die Platte gebolzt. C gußeiserner
Schienenstuhl, mittelst Dreier Holzschrauben auf der Querschwelle B befestigt. D Schiene mit
doppeltem Kopf, in ihrem Stuhl. E hölzerner Keil,
zwischen dem Stuhl und der Schiene eingetrieben, um letztere fest zu halten.