Titel: | Darstellung von reinem Barythydrat aus kohlensaurem Baryt unter dem Einfluß überhitzten Wasserdampfes; von V. A. Jacquelain. |
Fundstelle: | Band 122, Jahrgang 1851, Nr. LIX., S. 294 |
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LIX.
Darstellung von reinem Barythydrat aus
kohlensaurem Baryt unter dem Einfluß überhitzten Wasserdampfes; von V. A.
Jacquelain.
Aus dem Bulletin de la Société
d'Encouragement, Sept. 1851, S. 524.
Jacquelain's Darstellung von reinem Barythydrat aus kohlensaurem
Baryt.
Ich habe durch genaue Versuche nachgewiesen: 1) daß das einfach-kohlensaure
Natron beim Schmelzen Kohlensäure verliert; 2) daß fortgesetztes Schmelzen in einem
Strom Kohlensäuregas einen größeren Verlust verursacht, oder mindestens das
kohlensaure Salz nicht vor einem Verluste an Kohlensäure bewahrt; 3) daß das
kohlensaure Kali und Natron eine beträchtliche Menge Kohlensäure verlieren, wenn
sie, bis zum dunklen Rothglühen erhitzt, der gleichzeitigen Einwirkung eines Stromes
von überhitztem Wasserdampf oder Kohlensäure ausgesetzt werden.
Nachdem diese Thatsachen festgestellt waren, lag mir daran, eine vollständige
Austreibung der Kohlensäure aus dem kohlensauren Kali und Natron durch die Gegenwart
von Wasserdampf zu bewirken; denn bewährte sich dieser Versuch, so war es
wahrscheinlich daß es mir gelingen würde, eine Erscheinung derselben Art auch beim
kohlensauren Baryt zu erhalten, welcher nach meinen Versuchen bei hoher Temperatur
eine größere Beständigkeit zeigte, als der kohlensaure Kalk, eine geringere aber als
das kohlensaure Kali und Natron.
Zu diesem Zweck machte ich eine Mischung von 65 Grm. wasserfreiem kohlensaurem Natron
und 250 Gram. Kreide. Dem Ganzen wurde eine hinreichende Menge Wasser zugesetzt, um
daraus kleine, wenig zusammenhängende Knollen formen zu können. Diese Mischung wurde
bei Rothglühhitze erhalten, und sechs Stunden lang Wasserdampf darüber geleitet,
welcher, unter gewöhnlichem Luftdruck erzeugt, langsam durchging, um das Fortreißen
des Alkalis zu verhindern. Nach Verlauf dieser Zeit war die Kohlensäure vollständig
ausgetrieben.
Die alkalimetrische Probe, welche zur Bestimmung des in dem Gemisch zurückgebliebenen
Aetznatron angestellt wurde, ergab 95 anstatt 100 des zersetzten kohlensauren
Natrons. Da nun in der geglühten Masse keine Spur von Kohlensäure zu entdecken war,
so schloß ich daraus, daß die 5 von den 100 des kohlensauren Natrons von den Wänden der Porzellanröhre
aufgenommen und in Natronsilicat verwandelt worden seyen.
Die Hauptbedingung des Erfolgs bei dieser Operation ist die Erhaltung der Massen in
schwammiger Form, welcher Zustand der Vertheilung durch den Kalk leicht bewirkt
wird, indem er das schmelzende kohlensaure Natron einsaugt.
Diesen sinnreichen Kunstgriff verdanken wir Dumas, welcher
eine schicklichere Mischung derjenigen unterlegte, welche Persoz zur Bereitung des Sumpfgases anempfohlen hatte. Will und Varrentrapp haben
hierauf die beste Anwendung vom Natron bei der Analyse organischer
stickstoffhaltiger Körper gemacht. Endlich wird man bald sehen, daß mir vor Boussingault ein ähnliches Mittel zur Bereitung des
Baryts gedient hat.
Seit dem Jahre 1850, kurz nach Veröffentlichung meiner Arbeit über die kohlensauren
Salze, unternahm ich die Versuche, welche ich hier im Auszug gebe. Ich lasse sie so
auf einander folgen wie ich sie in meinem Arbeitsbuch aufgezeichnet habe.
Alle Mischungen wurden in ein langes Schiffchen von Platin gebracht, und dieses in
eine weite Porzellanröhre gelegt. An das eine Ende wurde eine Retorte angefügt,
welche langsam kochendes Wasser enthielt; mit dem entgegensetzten Ende wurde eine
Gas- und Sicherheitsröhre in Verbindung gebracht. Der Versuch dauerte stets
vier Stunden.
Erster Versuch.
123,3 Grm. BaO, CO₂ 62,5 Grm. CaO,
CaO₂ 7,5 Grm. C.
Entwickelung von H und CO₂; die Mischung
halb geschmolzen; von 100 angewandtem
kohlensaurem Baryt waren 10 zersetzt.
Zweiter Versuch.
123,3 Grm. BaO, CO₂ 62,5 Grm. CaO,
CaO₂
Entwickelung von Kohlensäure; die Mischung
halb geschmolzen; von 100 angewandtem
kohlensaurem Baryt waren 30 zersetzt.
Diese beiden Versuche lehren uns: 1) daß ein großer Theil des kohlensauren Baryts
durch Umhüllung von geschmolzenem Baryt der Einwirkung des Wasserdampfes entgeht; 2)
daß bei Anwendung von Kohle die Einwirkung des Wasserdampfes vermindert wird; in dem
Verhältniß nämlich, als sich kohlensaurer Baryt zersetzt, trennt die Kohle die
Bestandtheile des Wassers und erzeugt von Neuem Kohlensäure nebst Wasserstoff, deren
Gegenwart dem Erfolg des Versuches schadet, wie wir bald sehen werden.
Dritter Versuch.
123,3 Grm. BaO, CO₂125,0 Grm. CaO,
CO₂ 7,5 Grm. C.
Etwas poröse Masse; 50 von 100
angewandtem kohlensaurem Baryt waren zersetzt.
Vierter Versuch.
123,3 Grm. BaO, CO₂125,0 Grm. CaO, CO₂
Etwas poröse Masse; von 100 angewandtem kohlensaurem
Baryt waren 90 zersetzt.
Vierter Versuch (wiederholt).
123,3 Grm. BaO, CO₂190,0 Grm. CaO, CO₂
Die Masse poröser; von 100 angewandtem kohlensaurem
Baryt waren 90 zersetzt.
Nach diesen Resultaten stellte ich im Monat August 1850 bei Robert de Massy, Destillateur zu Racourt bei
St. Quentin, die drei folgenden Versuche an.
Der Apparat bestand aus drei gußeisernen Cylindern von 2,5 Meter Länge und 7
Centimeter Weite. Sie wurden alle drei auf eine ebene Fläche in einen mit
Steinkohlen geheizten Ofen von Mauerwerk so gelegt, daß sie etwa 10 Centimeter von
einander abstanden. Durch jede Röhre strömte Wasserdampf aus einem Dampfkessel. Die
drei Apparate wurden durch Röhren mit Hähnen von einander unabhängig gemacht, um
nach Belieben den Dampfstrom zu regeln oder abzuschließen. Der mittlere Cylinder mit
kohlensaurem Baryt und Kohle erhielt keinen Wasserdampf.
Das entgegengesetzte Ende jedes Cylinders endigte in eine kupferne Röhre, welche die
gasförmigen Producte in eine Art Wasserwanne führte, um sie der Analyse unterwerfen
zu können.
Fünfter Versuch.
120,0 Grm. BaO, CaO₂120,0 Grm. CaO,
CO₂ 20,0 Grm. C.
Nach sechstündigem Feuer war die Masse weiß, enthielt
sehr wenig Aetzbaryt.
Sechster Versuch.
120,0 Grm. BaO, CaO₂ 20,0 Grm. C.
Keine Zersetzung.
Siebenter Versuch.
120,0 Grm. BaO, CO₂120,0 Grm. CaO, CO₂
Weiße poröse Masse, von 100 kohlensaurem Baryt waren
40 zersetzt.
Man ersieht aus diesen Resultaten, daß zur Zersetzung des kohlensauren Baryts durch
Kohle eine höhere Temperatur nöthig ist, als zur Zersetzung mit überhitzten
Wasserdämpfen erfordert wird.
Ferner haben der fünfte und siebente Versuch weniger Baryt geliefert, als der
entsprechende dritte und vierte, welche letztern Versuche in meinem Laboratorium
angestellt wurden.
Die bedeutende Abweichung schreibe ich der Zersetzung zu, welche eine gewisse Menge
Wasserdampf durch die Wände des eisernen Cylinders erlitt.
Um die Circulation des Wasserdampfes zu verlangsamen und ihn besser zu erhitzen, war
ich genöthigt, den Strom durch eine sehr kleine Oeffnung des Hahnes gehen zu lassen.
Man begreift dann, daß die Wirkung des gesammten Wasserdampfes, welcher in einer
gewissen Zeit thätig war, durch die ganze Menge Wasser vermindert wurde, welche die
eisernen Wände zersetzten.
Ich wiederholte den siebenten Versuch genau wie zuerst in meinem Laboratorium, indem
ich nämlich den Dampf ganz langsam über ein Gemenge von 2400 Grm. gehen ließ,
welches sich dießmal in einer Röhre von undurchdringlichem Steingut befand. Nach
sechsstündigem Feuer hatte ich 88 Procent des angewandten kohlensauren Baryts
zersetzt.
Ich füge schließlich hinzu, daß alle diese Versuche mit Kalkhydrat wiederholt worden
sind, und denselben Erfolg in einer etwas kürzeren Zeit gehabt haben.
Man kann demnach nach Belieben vom Kalk oder kohlensauren Kalk Gebrauch machen. Der
Vorzug in einem solchen Falle wird nur durch den Unterschied des Kostenaufwands
bedingt, welcher zwischen dem kohlensauren Kalk, bei einer etwas längeren Dauer des
Versuchs, und dem Aetzkalk, bei einer kürzeren Operation, stattfindet.
Die Versuche, welche Boussingault über die höhere
Oxydation des Baryts und die theilweise Desoxydation des Bariumhyperoxyds bekannt
gemacht hat,Nämlich zur Gewinnung reinen Sauerstoffgases aus
der atmosphärischen Luft, um zu technischen Zwecken hohe Temperaturen
hervorbringen zu können, polytechn. Journal Bd. CXX. S. 120 und 416. sind von derselben Art wie die, welche Lavoisier
zur Zusammensetzung der Luft geführt haben, der das Quecksilber abwechselnd oxydirte
und desoxydirte. Sie verdienen aber einen hohen Grad von Aufmerksamkeit, da sie
später einmal in den Gewerben unter Mitwirkung einer Base von geringerem Werth, als
die des Quecksilbers, Anwendung finden könnten. Bis gegenwärtig mußte man das
Barythydrat aus einem Gemisch von kohlensaurem Baryt mit Kohle bereiten; die
geglühte Masse mußte dann ausgelaugt und die Lösung zur Trockne verdampft werden.
Jetzt aber macht man ganz einfach ein Gemisch von Kreide oder Kalk mit natürlichem
oder künstlichem kohlensaurem Baryt, und erhält zuletzt ein poröses Gemenge von
Aetzkalk, getränkt mit Barythydrat, welches sich unter den günstigsten Bedingungen
befindet, um eine höhere Oxydation zu erleiden, ohne daß man nöthig hätte das Gefäß
zu wechseln und das Barythydrat vorher auszuziehen.
Die eben erwähnten Arbeiten sind so einfach, daß sie der Ausgangspunkt zur Bereitung des reinen Baryts für die Industrie werden
können.
Ich muß noch hinzufügen, daß die Carbonate von Lithion und Strontian sich gegen den
überhitzten Wasserdampf ebenso verhalten, wie die des Kalks und Baryts, was für die
Anwendung von Strontiansalzen zur Feuerwerkskunst von einigem Nutzen seyn kann.
Schließlich gebe ich einige Andeutungen für die Ausführung meines Verfahrens im
Großen.
Die Bereitung des Baryts würde in feuerfesten Thonretorten, von der Form und Größe
der Gasretorten, vorzunehmen seyn. Die Mischung des kohlensauren Baryts mit Kreide
oder Kalk und ihr Befeuchten ließe sich in einer Tonne ausführen, welche um eine
horizontale Achse bewegt würde. Die Füllung und Entleerung der Retorte geschähe nach
gewöhnlicher Art.
Man könnte die Wärme benutzen, welche das Gemisch nach der Entfernung aus der Retorte
erlangt hat, ebenso wie die, welche sich bei der chemischen Einwirkung des Wassers
auf die Mischung entwickelt, um unmittelbar das Wasser zu erhitzen, welches nach
gewöhnlicher Art des Auslaugens den ganzen Baryt ausziehen und gehörig concentrirte
Lösungen liefern soll.
Der Dampf darf sich nicht mit Heftigkeit erzeugen, sondern muß vielmehr frei aus dem
Behälter ausströmen, und langsam über das schwach rothglühende Gemenge der Carbonate
streichen.
Es würde daher genügen, in die Nähe des Ofens einen Siedekessel zu stellen, welcher
mit dem Deckel einer jeden Retorte durch weite Röhren in Verbindung steht und alle
Retorten mit Wasserdämpfen versieht.
Endlich könnte man die erzeugte Kohlensäure benutzen, wenn man sie in Wasser leitete,
welches Zuckerbaryt vertheilt enthält. Ebenso könnte man das Kalkhydrat, aus welchem
durch Auslaugen der Baryt vorher entfernt ist, mit dem kohlensauren Baryt mengen,
welcher durch die Zersetzung des Zuckerbaryts mittelst Kohlensäure entstanden ist.
Man würde so eine neue körnige Masse zur Füllung der Retorte erhalten, nachdem sie
in der verloren gehenden Wärme des Mauerwerks der Oefen getrocknet worden wäre.
Diese Bemerkungen dürften den Ingenieuren und Fabrikanten genügen, welche neue
Versuche über die Abscheidung des krystallisirbaren Zuckers (aus dem Rohr-
und Rübensaft oder den Melassen) in Form von Zuckerbaryt nach Dubrunfaut's MethodePolytechn. Journal Bd CXVII. S.
142. anstellen wollen.
Als geschichtlich interessant bemerke ich noch, daß J. Barruel schon im Moniteur vom 17. Januar 1812
unter anderen Verbesserungen in der Rübenzuckerfabrication auch empfahl, den mit dem
Zucker verbundenen überschüssigen Kalk, welchen der
Rübensaft in Folge der Läuterung enthält, durch einen
Strom von Kohlensäure abzuscheiden, welche er durch
Verbrennung von Kohle erzeugte.