Titel: | Ueber die Bereitung von Fettsäuren und Kerzen in der Fabrik der HHrn. Masse und Tribouillet zu Neuilly bei Paris. |
Fundstelle: | Band 122, Jahrgang 1851, Nr. LXI., S. 302 |
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LXI.
Ueber die Bereitung von Fettsäuren und Kerzen in
der Fabrik der HHrn. Masse
und Tribouillet zu
Neuilly bei Paris.
Ueber die Bereitung der Fettsäuren mittelst
Destillation.
Im polytechn. Journal Bd. CXIX. S. 126 wurde
die Beschreibung der Fabrication der Fettsäuren vermittelst Destillation, zur
Gewinnung wohlfeiler Kerzen, aus Payen's Précis de Chimie
industrielle mitgetheilt; als Nachtrag entnehmen
wir folgendes dem Bericht, welchen Hr. Gautier de Clauby der
Société d'Encouragement über den neuen
Industriezweig erstattet hat, welcher in deren Bulletin, Juliheft 1851, S. 392
veröffentlicht wurde.
„Die Fettsäuren, welche man durch Verseifung der Fettstoffe mittelst
Schwefelsäure (anstatt mittelst Alkalien oder Kalk) erhält, ließen sich erst
dann mit Vortheil durch Destillation reinigen, als man zu derselben den überhitzten Wasserdampf benutzte. Wenn man nämlich
den bei gewöhnlichem oder einem sehr niederen Druck erzeugten Dampf in einem
gußeisernen Schlangenrohr überhitzt, so wirkt derselbe dann als heißer, nicht
mehr als feuchter Körper; leitet man solchen überhitzten Wasserdampf durch eine
Fettsäuren-Masse, welche in einer im Sandbade befindlichen Destillirblase
erhitzt wird, so dient“ er nicht nur zur Unterhaltung der hohen
Temperatur, sondern auf seinem Wege durch die Masse reißt er auch alle diejenigen
Verbindungen in dem Maaße als sie sich bilden, mit sich fort, welche bei andauernder
Einwirkung der Hitze sich in verschiedene Producte, z.B. Akrolein, zersetzen
würden.
Die HHrn. Tribouillet und
Masse haben die
Destillation mittelst überhitzten Wasserdampfs zuerst bei den Fettsäuren angewandt
welche sie ihrer Fabrik zu Turcoing in großer Menge (täglich 1200 bis 1400 Kil.) aus
dem Seifenwasser vom Reinigen der Wolle gewinnen; die einzig praktische Methode um
die Fettsäuren aus diesem Seifenwasser abzuscheiden, besteht darin, es mit 1 Procent
Schwefelsäure zu zersetzen und die so erhaltene weiche Masse in der Wärme (mit
Beihülfe von Dampf) auszupressen.
Die Verseifung mit Schwefelsäure und nachherige Destillation mit Dampf bilden das
vortheilhafteste Verfahren um die thierischen Fette in Producte zur Kerzenfabrication umzuwandeln, weil
man in diesem Falle Margarinsäure erhält, selbst mit den
Rohstoffen welche Stearin enthalten und bei der Behandlung mit Alkalien Stearinsäure
liefern würden. Ich will nun den neuen Industriezweig im Wesentlichen beschreiben,
indem ich als Beispiel das jetzt überall im Handel vorkommende Palmöl wähle.
Das Palmöl wird zuerst mit Wasser gewaschen, um ihm einige Unreinigkeiten zu
entziehen und kommt dann in Kessel, worin es mit Schwefelsäure durch lange genug
fortgesetztes mechanisches Umrühren verseift wird. Da sich bei dieser Behandlung
schwefligsaures Gas entbindet, so sind die Kessel in einem mit Klappen versehenen
hölzernen Gehäuse eingeschlossen, damit sich das Gas nicht in den Arbeitsraum
verbreiten kann. Nach beendigter Wirkung bringt man das Product in Behälter, worin
es gewaschen wird, um die Schwefelsäure abzusondern (welche man später zur
Zersetzung von Seifenwasser verwendet). Hierauf kommt das fette Product in die Blase
zur Destillation; man leitet einen reichlichen Strom überhitzten Wasserdampfs,
welcher in einem besonderen Apparat erzeugt wird, durch die auf 200 bis 250°
C. (160 bis 200° N.) erhitzte Masse; die zusammen abziehenden Wasser-
und Fettsäuren-Dämpfe werden in einem Kühlrohr verdichtet und in geeigneten
Gefäßen gesammelt.
Das Rohproduct läßt sich sehr vortheilhaft zur Anfertigung von Kerzen mittlerer
Qualität benutzen, welche bei ungefähr 46° C. (37° R.) schmelzen, also
einer Temperatur unter dem Schmelzpunkt der heißgepreßten Fettsäuren, daher sie
einen Ueberzug erfordern, mittelst dessen man die Nachtheile beseitigt, welche
dieser Rohstoff veranlassen würde, wenn seine Oberfläche frei wäre; ich brauche die
Ausführung dieser Arbeit nicht näher zu beschreiben,Sie ist in der erwähnten Abhandlung von Payen S.
135 beschrieben. und begnüge mich zu bemerken, daß die zum Ueberzug dienenden Fettsäuren kalt
und heiß gepreßt worden seyn müssen, in welchem Falle sie erst bei ungefähr
54° C. (43° R.) schmelzbar sind.
In der Fabrik der HHrn. Masse
und Tribouillet befinden sich
vier Apparate, deren jeder täglich 1500 Kilogr. destillirter Producte liefert. Das
kalte Pressen geschieht mittelst gewöhnlicher hydraulischen Pressen; zum heißen
Pressen dienen horizontale Pressen, welche mit Dampfbehältern versehen sind. Der zur
Destillation erforderliche Wasserdampf wird in einem großen Kessel erzeugt und in
einem Röhrensystem überhitzt, dessen Temperatur man durch
einen Pyrometer regulirt.
Ueber das Gießen der Kerzen habe ich nichts zu sagen; mit Interesse habe ich aber das
Verfahren bemerkt, welches man zum Herausbringen der Kerzen aus den Formen anwendet;
man spritzt nämlich über die erkalteten Formen warmes Wasser, wodurch sich die
Kerzen leicht von denselben trennen und wobei man viel weniger Abgang erhält als
nach der gewöhnlichen Methode die Kerzen herauszuziehen. – Das Poliren und
Gleichschneiden der Kerzen geschieht mittelst eines sehr einfachen Mechanismus.
Das Gießen der Fettsäuren in Kuchen, um sie dem kalten Pressen zu unterziehen, ist
nicht ohne Nachtheile wenn man metallene Formen anwendet; auch die Theile der
Pressen, welche mit den Fettsäuren in Berührung kommen, werden schnell angegriffen.
Die HHrn. Masse und Tribouillet wenden jetzt mit Vortheil
das mit Glasfluß emaillirte Eisen des Hrn. Paris
Beschrieben im polytechn. Journal Bd. CXIII
S. 391 und Bd. CXVI S.
360. zu Berey an.
Wenn man zur Fabrication der Fettsäuren als Rohmaterial Fette von guter Qualität
benutzt, so gewährt die Verseifung derselben mit Schwefelsäure und Destillation
unter dem Einfluß einer großen Menge von Wasserdampf, nur hinsichtlich der
Einfachheit der Operationen wirkliche Vortheile im Vergleiche mit der gewöhnlichen
Verseifung durch Alkalien (Kalk); dagegen erhält man aus sehr geringen und unreinen
Fettstoffen, z.B. den Abgängen in verschiedenen Industriezweigen, durch die
Verseifung mit Schwefelsäure und Destillation mit Dampf, eben so schöne Producte als
die Fettstoffe bester Qualität liefern würden, während die Verseifung mit Alkalien
nur viel geringere Producte geben könnte.
Die Oelsäure welche man beim Verseifen der Fette mit Kalk ererhält, eignet sich nicht
zum Brennen in Lampen; sie liefert nur weiche Seifen, und die Anwendung welche die
HHrn. Alcan und Peligot von ihr zum Schmalzen der
Wolle gemacht haben,Polytechn. Journal Bd. LXXVIII S.
69. gestattet den Stearinkerzenfabriken nur einen geringen Theil ihrer Oelsäure
mit Vortheil abzusetzen.
Wenn man die Oelsäure unter dem Einfluß des überhitzten Wasserdampfs destillirt,
erhält man sie beinahe farblos und sie liefert mit Soda harte Seifen, welche leicht
verkäuflich sind.
Da das aus dem Talg durch bloßes Pressen abgeschiedene Olein viel mehr Werth hat als
die Oelsäure, so trennen es die HHrn. Masse und Tribouillet aus dem Talg und dem ordinären Fett durch
Krystallisation und Pressen, und erhalten so einerseits ein Olein welches eine
vorzügliche Maschinenschmiere bildet, und andererseits Stearin welches sehr feste
Fettsäuren liefert. Diejenigen Fettsäuren welche nicht krystallisirt sind,
verwandelt man unmittelbar in Kerzen ohne sie vorher zu pressen; diejenigen welche
krystallisiren, preßt man kalt, bevor man sie gießt; heiß gepreßt werden nur
diejenigen Fettsäuren, welche man als Ueberzug für die Kerzen verwendet.
Wenn man ein größeres Verhältniß von Schwefelsäure anwendet und bei niedriger
Temperatur verseift, so erhält man mit dem Palmöl weniger Abgang und ein farbloses
saures Wasser welches keine Fettsäuren zurückhält; auch werden bei diesem Verfahren
die Kessel nicht angegriffen.
Von den Stocksischen und Häringen, welche jährlich in ungeheurer Menge gefangen
werden, fanden die Eingeweide bisher keine Verwendung; durch Behandlung derselben
nach dem beschriebenen Verfahren erhält man aber sehr schöne Producte.
Man hat längst gesucht die unter der Benennung „vegetabilisches
Wachs“ bekannten Substanzen zu benutzen, wovon der Handel sehr
beträchtliche Quantitäten liefern kann; beim Bleichen derselben mit Chlor erhielt
man nur schlechte Producte, welche mit einer röthlichen Flamme mit grünem Saum
brennen; durch die Verseifung mit Schwefelsäure und Destillation mittelst Dampfes
liefern sie hingegen Fettsäuren, welche den mit dem besten Talg gewonnenen nicht
nachstehen.
Alle diese destillirten Producte zeigen dieselben Eigenschaften wie die analogen
Producte, welche man durch Verseifung mit Alkalien (Kalk) erhält; sie sind sehr
schön weiß und dabei undurchsichtig wie das Bienenwachs.
Der Wallrath, dessen Preis in Frankreich zu hoch ist, als daß er mit den Fettsäuren
concurriren könnte, liefert durchscheinende Kerzen, welche bisher durch kein anderes
Material ersetzt werden konnten.
Das Paraffin, welches Reichenbach im Holztheer entdeckte
wird gegenwärtig durch Destillation gewisser Schiefer und verschiedener Torfe in so
beträchtlicher Menge gewonnen, daß es sich zur Fabrication von Handelsproducten
eignet.In England wird es bereits häufig als Maschinenschmiere verwendet.A. d. Red. Die HHrn. Masse und
Tribouillet bereiten damit
nach dem beschriebenen Verfahren sehr schöne durchscheinende Kerzen.
Bei dem neuen Verfahren kann man die ordinärsten, gefärbtesten und übelriechendsten
Fette verwenden, welche man wohlfeil kauft; man erhält mit dem Palmöl und dem
ordinären Talg Producte welche ohne Auspressen verwendbar sind, oder nur ein kaltes
Pressen erfordern. Die Fettstoffe guter Qualität liefern verhältnißmäßig viel mehr
Material zur Kerzenfabrication als die Verseifung mit Kalk geben würde, und in allen
Fällen ist die Oelsäure sehr wenig gefärbt und kann weiße Seifen liefern die sich
sehr vortheilhaft absetzen lassen.
Schließlich will ich noch einige Resultate angeben, welche das neue Verfahren
liefert.
Das Palmöl schmilzt bei 30° Celsius (24° N.). Nach der Behandlung mit
Schwefelsäure steigt der Schmelzpunkt des Products auf 38° C.; durch das
Waschen mit Wasser steigt er auf 44,5° und nach der Destillation schmilzt das
durchschnittliche Product bei 46° C. Die ersten Destillationsproducte
schmelzen erst bei 54,5° C.; aber der Schmelzpunkt sinkt allmählich, und die
Destillationsproducte werden zunehmend krystallisirbar.
Durch das heiße Pressen erhält man Fettsäuren welche bei 54,5° C.
(43,5° R.) schmelzbar sind, wie diejenigen welche am Anfang der Operation
überdestilliren.
Die gemengten Fette schmelzen von 22 bis 25° C.; durch die Behandlung mit
Schwefelsäure steigt ihr Schmelzpunkt auf 36,5° C.; durch das darauf
folgende Waschen auf 38,5° C.; die Destillation bringt ihn auf
42,5° C. Im Gegensatz mit dem Vorgang beim Palmöl wird der Schmelzpunkt
lange Zeit immer höher in dem Maaße als die Destillation fortschreitet; die
ersten Destillationsproducte schmelzen bei ungefähr 41°; bis fünf
Sechstel überdestillirt sind, steigt der Schmelzpunkt auf 45°, worauf er
bis 41° fällt.“