Titel: | Ueber Vermehrung der Blutegel; von Hrn. Lamasse, Apotheker zu Colmar. |
Fundstelle: | Band 122, Jahrgang 1851, Nr. LXIV., S. 310 |
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LXIV.
Ueber Vermehrung der Blutegel; von Hrn. Lamasse, Apotheker zu
Colmar.
Aus dem Bulletin de la Société industrielle de
Mulhouse 1851, Nr. 113.
Lamasse, über Vermehrung der Blutegel.
Wir entnehmen dieser Abhandlung bloß das noch nicht Bekannte.
Eine Reihe von Jahren hindurch, sagt der Verf., hatte ich Gelegenheit zu beobachten,
daß die Blutegel im Monat Juli, wenn die Hitze recht groß ist, sich lebhafter
bewegen und sich am Rand der Sümpfe in die Würzelchen der Pflanzen und unter die in
den Reservoirs gelegten Bretter verschlüpfen, wo sie nisten und in Sicherheit ihre
Eier in Hüllen oder Cocons legen können. Diese Cocons enthalten 3 bis 8 kleine
Blutegel und befinden sich einzeln oder zu 3, 5, 6 in kleinen Zellen.
Die jungen Blutegel kriechen gerne die Stengel der im Behälter befindlichen Pflanzen
hinauf; kommen aber da, durch die Sonnenhitze vertrocknend, um. Ich setzte in mein
Reservoir Wasserlinsen (Lenticula minor L.) ein, welche
Pflanze sich sehr rasch vermehrt, so daß in 2 bis 3 Wochen die Oberfläche des
Wassers ganz damit überzogen war. Sie gewährt zwei Vortheile, erstens daß sie das
Wasser durch Absorption der Gase, namentlich des Kohlenwasserstoffgases und der
Kohlensäure, gesund macht, und dann daß sie die jungen und ältern Blutegel gegen die
Sonne schützt; ferner dienen ihnen die Würzelchen als Stütze, wenn das Bedürfniß der
Hautrespiration sie an die Oberfläche des Wassers oder vielmehr in die obern,
luftreichern Schichten desselben treibt.
Ich hatte früher einmal Schilfrohr und Binsen, unter andern auch Butomus umbellatus, in die Reservoirs pflanzen lassen;
ich machte aber die Beobachtung, daß jede Pflanze, deren Stengel sich über das
Wasser erhebt, vermieden werden muß, weil die Blutegel daran hinaufkriechen und aus
obiger Ursache umkommen.
In meinem Reservoir errichtete ich ein Inselchen von 3 Fuß Durchmesser aus Letten,
welcher gut geschlagen und mit Rasenstücken belegt wurde, die viele Würzelchen
enthielten; auf denselben wurde eine Scheibe aus Tannenbrettern gelegt. Als letztere
im Monat August abgehoben wurde, fand sich zwischen den Wurzeln des Rasens eine
große Menge von ihren Jungen entleerter Cocons.
Meine Versuche beweisen, daß das befolgte Verfahren sich sehr gut eigne, um die (aus
Ungarn bezogenen) Blutegel auch im Elsaß und in andern Gegenden zu ziehen. Viele
Sümpfe und Teiche könnten zu Reservoirs umgeschaffen werden, in welchen Inselchen
anzubringen wären, die zur Zeit des Eierlegens mit Brettern belegt würden.
Vielleicht würden Strohmatten eben so gut oder noch besser seyn, worüber ich aber
noch keine Erfahrung habe.
Den von Soubeiran beobachteten Feind des Blutegels, die
Süßwasserassel (Asellus vulgaris)Polytechn. Journal Bd. CXIX. S.
150. hatte ich als solchen noch nicht zu beobachten Gelegenheit.
Schließlich bemerke ich, daß wo die Blutegelzucht im Großen getrieben werden soll,
die Reservoirs entweder durch Einplankung oder durch andere Sicherheitsmaßregeln vor
Dieben geschützt werden müssen.
Nachtrag.
Hinsichtlich der Entleerung der Blutegel mit der Hand, erklärt Hr. Granal, Militärapotheker zu
Constantine, welcher der Abhandlung des Hrn. Fermond über die Blutegelzucht (polyt. Journal Bd. CXXI S. 449) in allen andern Stücken hohe
Anerkennung zollt, nicht mit demselben übereinzustimmen. Derselbe wendete in den
Jahren 1844 und 1845 alle künstlichen Entleerungsmittel an, wie Kleie, ausgewaschene
Asche, schwach gesalzenes Wasser, die Entleerung mit der Hand, Ipecacuannha; sie
erschienen ihm aber alle gleich gefährlich; die Blutegel werden durch dieselben sehr
angestrengt und es gehen dadurch von ihnen wenigstens 6/10 verloren. Hr. Fermond konnte im besten Falle nur
50 von 100 Blutegeln wieder anwenden; die übrigen, meint er, sollen beseitigt
werden, weil sie schon von der Aufnahme des Bluts erkrankten. Nach Hrn. Granal's Erachten ist der Verlust
aber eher der Entleerungsweise zuzuschreiben; ihm scheint die natürliche Entleerung
den Vorzug zu verdienen. Er ließ für Versuche in dieser Hinsicht, nach Soubeiran's Vorschrift einen
Blutegelteich im Departement der Niederpyrenäen anlegen; die vollgesogenen Blutegel
wurden in hölzerne Zuber gebracht, auf deren Boden etwas Letten und Wasser kam,
welches letztere alle 48 Stunden erneuert wurde, und 8 Tage darauf wurden die
Blutegel im besten Wohlseyn in den Teich gebracht. Der Teich wurde im Mai besetzt;
im Juli wurden Cocons gefunden; im November kamen die Blutegel, welche das durch
ihre erste Anwendung eingesogene Blut vollkommen verdaut zu haben schienen, in
Anwendung, und vom November bis zum April waren 450 Blutegel aus dem Teich gezogen
worden; 400 Blutegel hinterließ er (bei seinem Abgang nach Afrika) seinem Nachfolger
zur weitern Anwendung. 1000 Blutegel waren in den Teich gesetzt und in einem Jahr
850 herausgenommen worden, ohne der Vermehrung zu schaden.
In Afrika lieferte ihm das gleiche Verfahren einen gleich guten Erfolg. (Journal de Pharmacie, Sept. 1851, S. 184.)