Titel: | Neues Verfahren die Runkelrüben einzuernten; von Felix Midy. |
Fundstelle: | Band 122, Jahrgang 1851, Nr. LXXXIII., S. 394 |
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LXXXIII.
Neues Verfahren die Runkelrüben einzuernten; von
Felix
Midy.
Aus dem Moniteur industriel, 1851, Nr.
1599.
Midy's Verfahren die Runkelrüben einzuernten.
Mit den Runkelrüben wird beim Einernten meistens so schonungslos und roh umgegangen,
daß von ihrem Zuckergehalt viel verloren gehen muß. Ich empfehle dazu folgendes
Verfahren, welches sich auf die Physiologie der (wie alle Pflanzen mit vielen und
großen Blättern) stark ausdünstenden Runkelrübe gründet.
Nachdem die Runkelrüben vorsichtig und mit Beibehaltung ihres Pfahls und sämmtlicher
Blätter aus dem Boden gezogen sind, legt man sie in einem Kreis herum, den Pfahl
nach innen gerichtet, ohne sich um die ihnen anhängende Erde zu kümmern, so daß sie
sich alle am Hals berühren und die Blätter sich außerhalb des von ihnen
beschriebenen Kreises befinden, dessen Durchmesser zweimal so groß ist, als die
mittlere Länge der Wurzeln.
Ueber diese erste Kreisschichte kömmt eine zweite, ein wenig eingezogene; auf diese
eine dritte u.s.f. in der Art, daß die verschiedenen Reihen an Zahl der Rüben und im
Umkreis immer abnehmen und die letzte Stufe von einer großen Runkelrübe gebildet
wird, welche als Schlußstein des Gewölbes dient, so daß der fertige Haufe wie eine
Kuppel von Laubwerk aussieht, welches von den Sonnenstrahlen und dem Regen nicht
durchdrungen wird.
Die aus dem Boden gezogenen und noch mit ihren Blättern versehenen Runkelrüben
verhalten sich offenbar wie die in einem dürren Boden vegetirenden; da die
Verdunstung auf der Oberfläche der Blätter fortdauert, so werden die Wurzelkeime
anfangs der Erde, welche den Wurzeln anhängt, alle von derselben zurückgehaltene
Feuchtigkeit entziehen; und nachdem diese Erde vollkommen ausgetrocknet ist, wird
die Verdunstung durch die Blätter stattfinden, auf Kosten des überflüssigen Wassers welches die
Runkelrübe enthält; man bewirkt also in letzterer eine wahrhafte Concentration des
Safts, ohne Aufwand von Brennmaterial und ohne daß sich Melasse bilden kann, kurz
jede Runkelrübe wird wie ein Abdampfapparat mit Vacuum wirken.
In dem Maaße als das überflüssige Wasser durch die Transspiration entweicht,
vermindert sich auch das Volum der Wurzel; die Erde welche die Wurzel umhüllte,
hängt ihr nach dem Austrocknen nicht mehr an und fällt von selbst ab.
Aber nicht bloß als Verdunstungs-Apparat wirken die Blätter, sondern sie
absorbiren auch Kohlensäure aus der Luft, wodurch der Zuckergehalt der Rübe erhöht
werden muß; denn nach Boussingault's Versuchen behalten die Blätter dieses Vermögen selbst
nach ihrer Trennung vom Stengel. Die endlich dürren und unnützen Blätter werden
abgeschnitten und die Rüben in die Silos geschafft.
Die Vortheile, welche aus dieser Behandlung entspringen, sind folgende:
1) Sind zur Aufbewahrung derselben Menge von Runkelrüben weniger Silos erforderlich;
2) conserviren sich diese vollkommen gesunden und unverletzten Wurzeln viel länger,
als die durch rohe Behandlung, oft auch durch Muthwillen verstümmelten Rüben; jeder
Fabrikant wird die Beobachtung gemacht haben, daß die Runkelrüben für den Samen, bei
welchen der Hals nicht abgeschnitten wird, sich viel länger halten als die andern.
Auch kann man, statt schon im Februar die Fabrication beschließen zu müssen, weil
man zu dieser Zeit schon 50 Procent des in der Rübe enthaltenen Zuckers verliert,
bis zum Mai damit fortfahren, welche Verlängerung der Arbeitszeit die
Gestehungskosten des Zuckers bedutend vermindert; 3) da die Runkelrüben ein
geringeres Gewicht haben, so kostet auch ihre Fortschaffung vom Silo in das
Arbeitslocal weniger; 4) die Rüben sind sehr rein und brauchen nicht gewaschen zu
werden; 5) da der Saft, sich in der Rübe schon concentrirt hat, so erspart der
Fabrikant bedeutend an Brennmaterial; 6) da das Abdampfen eines an Zucker reichen
Saftes nicht so lange dauert als bei einem schwachen Saft, so wird sich während der
Läuterung auch weniger Melasse bilden.
Man könnte gegen dieses Verfahren einwenden, daß das grüne Futter dabei verloren
gehe; dieß ist aber kein unbedingter Verlust; denn auch die trocknen Blätter können
dem Vieh als Winterfutter gegeben werden; jedenfalls findet aber der Fabrikant in dem
größeren Werth seines Products einen reichen Ersatz für diesen geringen Schaden.