Titel: | Ueber ein in der Kirche Sainte-Chapelle zu Paris aufgefundenes Wandgemälde aus dem dreizehnten Jahrhundert; von Dumas und Persoz. |
Fundstelle: | Band 125, Jahrgang 1852, Nr. XVIII., S. 52 |
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XVIII.
Ueber ein in der Kirche Sainte-Chapelle zu
Paris aufgefundenes Wandgemälde aus dem dreizehnten Jahrhundert; von Dumas und Persoz.
Aus den Comptes rendus, Novbr. 1851, Nr.
19.
Dumas, über ein Wandgemälde aus dem dreizehnten
Jahrhundert.
Die unter der Leitung von Duban und Lassus ausgeführte Restauration der Sainte-Chapelle zu Paris
(erbaut 1242) hat dieser den Glanz wiedergegeben, welcher sie zu einem Wunderwerk
der Architektur aus den Zeiten der Kreuzzüge machte. Bei diesen Arbeiten wurde auf
der Mauer einer Fensterblende an der Nordseite der untern Capelle ein die
Verkündigung Mariä darstellendes Bild entdeckt. Diese Malerei aus dem dreizehnten
Jahrhundert hat sich vollkommen erhalten; sie war im Styl und Anordnung offenbar
die Nachahmung eines Glasgemäldes. Sie war mit Mörtel überzogen und wurde durch
sorgfältige Befreiung von demselben und Reinigung leicht wiederhergestellt.
Von dem Minister der öffentlichen Arbeiten beauftragt, diese Malerei zu untersuchen,
um die Natur der angewendeten Farben und der zu ihrer Befestigung benutzten
Bindemittel oder Ueberzüge kennen zu lehren, versuchten wir diesem Auftrag
nachzukommen, welcher bei der Nothwendigkeit das Gemälde zu schonen, schwierig war
und viel Zeit und Sorgfalt erheischte.
Die auf dem Bilde befindliche Figur des Engels Gabriel erforderte zu ihrer Ausführung
alle Farben, die wir zu untersuchen hatten, sowie alle Verfahrungsweisen, welche für
die verschiedenen Theile der Arbeit in Anwendung gekommen zu seyn scheinen.
Ein fetter, harziger Ueberzug, ähnlich dem, welchen Thenard und d'Arcet in der Kuppel des Pantheons
warm auf die Mauer auftragen ließenMan sehe polytechn. Journal, 1826, Bd. XX S. 280., war auch auf dem Steine angewandt worden, welcher das Gemälde der
Sainte-Chapelle enthält. Zufolge seines Aussehens und seines Eindringens in
den Stein scheint er auf gleiche Weise zusammengesetzt und aufgetragen worden zu
seyn. Doch ist derjenige an der Kuppel des Pantheons noch tiefer eingedrungen, und
es ist daher zu hoffen, daß hinsichtlich der Darstellung des Grundes die Mittel der
neueren Chemie die Malereien des letztern Gebäudes wenigstens eben so lange vor dem
Wechsel der Zeit sichern werden, wie die Malerei der Sainte-Chapelle, welche
sich fünfhundert Jahre erhalten hat.
Auf diesen harzigen Grund hatte der Maler der Sainte-Chapelle Blattgold
geklebt, welches fast den ganzen Grund des Gemäldes bildet. Diese Goldblättchen sind
aber nicht unmittelbar auf den harzigen Ueberzug aufgetragen. Man bediente sich als
Zwischenlage, vielleicht auch in der Absicht die Goldfarbe dadurch zu erhöhen, eines
orangerothen Cements, das wahrscheinlich aus Bleipflaster bestund, dem im weichen
Zustande Mennige eingeknetet wurde; einige Stückchen dieses Kitts zeigten wenigstens
alle Eigenschaften einer solchen Zusammensetzung.
Gepulvert, verbreitet dieses Cement einen dem Bleipflaster ganz ähnlichen Geruch.
Beim Erhitzen schwärzt es sich; mit Salzsäure und Alkohol gibt es Chlorblei und ein
Gemenge von Fettsäuren, Oleïn- und Margarinsäure.
100 Theile dieses Ueberzuges enthalten:
Bleioxyd
81
Fettsubstanzen
19
––––
100
Die Mennige haben wir nicht besonders bestimmt, weil ihr Verhältniß offenbar
veränderlich ist.
Das Weiß an den Flügelenden des Engels und an einigen anderen Stellen des Bildes hat
Blei zur Grundlage. Die Farbe löst sich in Essigsäure auf, welche den Goldgrund
bloßlegt, und die Flüssigkeit gibt alle Reactionen der Bleisalze. Wahrscheinlich
wurde also zu den weißen Farben Bleiweiß verwendet.
Das Blau wurde offenbar mit zwei verschiedenen Farben dargestellt. Das eine Blau der
Gewänder geht beim Glühen in Grün über; das geglühte Product löst sich in
Salpetersäure und Salzsäure.
Die Auflösung hinterläßt beim Abdampfen einen weißen Rückstand, der, mit
Schwefelwasserstoffammoniak digerirt, sich in unlösliches Schwefeleisen und in
lösliches phosphorsaures Ammoniak verwandelt. Derselbe Rückstand verwandelt sich mit
Blutlaugensalz sogleich in Berlinerblau. Das Blau der Gewänder war mithin
phosphorsaures Eisenoxydul, wahrscheinlich natürliches.
Die anderen blauen Theile des Gemäldes haben ein ganz anderes Ansehen. Mit
krystallisirbarer Essigsäure behandelt, wird eine reichliche Menge einer harzigen
Substanz entfernt, und es scheiden sich Plättchen oder Blätter der reinen blauen
Farbe aus, die mit Ueberbleibseln des Blattgoldes vom Grunde vermengt sind. Diese
blauen Blättchen oder Staubtheilchen hinterlassen, zum starken Rothglühen erhitzt,
einen weißen Rückstand. Concentrirte Alkalien sind ohne Wirkung auf diese blaue
Substanz, welche hingegen in Salzsäure, unter Entwickelung von Schwefelwasserstoff,
ihre Farbe verliert. Dieses zweite Blau ist demnach Ultramarin.
Das lebhafte Roth, mit welchem der den Kopf des Engels umgebende Heiligenschein
gemalt war, besteht aus Zinnober. Mit Kalk destillirt, gab es nämlich metallisches
Quecksilber. Unter der Farbe waren die überall vorhandenen Goldblättchen leicht
nachzuweisen, die aber in diesem Falle der Zinnoberfarbe größern Glanz zu verleihen
schienen.
Alle braunen und gelben Farben waren mit Ockern gemalt.
Die grünen Farben sind eine Mischung dieser Ocker mit phosphorsaurem Eisenoxydul.
Die rosenrothen und violetten Farben zeigten merkwürdige Eigenschaften. Anfangs
hielten wir sie für Krapplacke; allein wir konnten weder Alizarin, noch sonst einen
der bis jetzt aus dem Krapp dargestellten rothen oder rosenrothen Farbstoffe
ausziehen. Alkalien wirken wenig auf diese beiden Farben; Säuren hingegen, selbst
die schwächsten, greifen sie an. Die so erhaltene Auflösung enthält Kalk mit Spuren
von phosphorsaurem Kalk. Unter dem Mikroskop stellt die rosenrothe Substanz, vom
harzigen Ueberzug befreit, Blättchen dar, welche weder das Aussehen eines
Niederschlags, noch irgend eines krystallinischen oder amorphen mineralischen
Körpers haben. Hingegen fanden wir, bei Vergleichung der rosenrothen Farben des
Bildes mit dem Staub, welchen man durch Pulvern der rosenrothen Muscheln an den
Küsten der Manche erhält, in diesem alle Merkmale der Farbe der
Sainte-Chapelle. Das rosenrothe Pulver, welches zu dem Wandgemälde diente,
war sonach höchst wahrscheinlich durch Pulvern der rosenrothen Schalen der Tellina fragilis erhalten.
Wir mußten natürlich vermuthen, daß die sich chemisch ähnlich verhaltende violette
Farbe aus derselben Quelle erhalten sey. Doch zeigte diese unter dem Mikroskop
kleine krummlinig begränzte, nicht flache Massen. Nun gibt es in Fülle Muscheln, die
zwar nicht durchgängig violett gefärbt, aber ganz mit violetten Flecken bedeckt
sind. Dieß sind die Muscheln der Nerilina fluviatilis.
Wird die Substanz der violetten Flecken von ihnen abgesondert und mit Alkalien oder
Säuren behandelt, so verhält sie sich ganz wie die violette Farbe des Gemäldes.
Wahrscheinlich wurden also die rosenrothe und violette Substanz des in Rede stehenden
Bildes aus jenen Muscheln auf ganz mechanische Weise gewonnen. Ihre gute Erhaltung
verdient um so mehr Aufmerksamkeit, als man in den letzten Jahren nicht ohne Erfolg
versuchte, aus den Trümmern der Seemuscheln weiße Farben zu bereiten, welche wegen
ihres Glanzes und perlmutterartigen Ansehens wirklich werthvoll sind, und was den
Widerstand gegen Schwefelwasserstoff anbelangt, nichts zu wünschen übrig lassen.
Was nun die Auftragung der erwähnten Farben betrifft, so
scheinen dieselben nicht mit Oel angemacht und mit dem Borsten- oder
Haarpinsel aufgetragen worden zu seyn, wie es jetzt geschieht; wie wir vermuthen,
überzog der Maler, nach dem Befestigen des Goldes, die zu bemalende Stelle mit einem
trocknenden Oelfirniß, welcher, nachdem er die gehörige Consistenz erlangt hatte,
mit der Farbe in Form eines trockenen Pulvers bestreut wurde, wie dieß bei der
Fabrication der veloutirten Tapeten geschieht. Ebenso werden die pulverigen Farben
stellenweise aufgetragen bei der Glasmalerei und bei gewissen Töpferwaaren, indem
man das Farbenpulver auf die mit Firniß überzogene Stelle wirft, oder mit dem
Dachspinsel trocken aufträgt.
Dieses Verfahren allein erklärt uns den Auftrag der Farben in sehr dünnen, durchaus
nicht impastirten Lagen, und deren frische und reine Töne, welche gar nicht von der
braunen Farbe des fetten Ueberzugs beeinträchtigt sind, der in den Stein
eingedrungen oder auf die Goldblättchen aufgetragen ist.
Uebrigens war das Bild zuletzt noch mit einem Wachs-Ueberzug versehen worden,
welcher das ganze Gemälde, und zwar mit sehr glücklicher Wirkung bedeckt, den Farben
einen mäßigen Glanz ertheilt und sie zugleich vor der Einwirkung der Feuchtigkeit
schützt.
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Hr. Dumas gab bei dieser Gelegenheit einige Notizen über
die Mittel, deren man sich in den unteren und feuchten Theilen der
Sainte-Chapelle bedient hat, um Eisen in Stein zu
befestigen. Das Eisen hat sich vollkommen erhalten, aber es ist mit
Bleioxyd eingekittet. Dieses kann warm angewandt worden seyn, denn beim Eingießen
desselben in gewöhnliche eingemeißelte Löcher fanden Dumas und Persoz, daß es dem Eisen fest
anhaftet, und daß, wenn es sich von dem Steine durch Zusammenziehung trennt, der
Raum bald wieder ausgefüllt und die Vereinigung wieder hergestellt wird, indem sich
durch den Einfluß der feuchten Luft kohlensaures Bleioxyd oder Bleioxydhydrat
bildet. Die Kitte der Sainte-Chapelle bestehen größtentheils aus reinem
Bleioxyd; an der Oberfläche, wo es mit dem Stein in Berührung steht, ist es mit
einer Kruste von kohlensaurem Bleioxyd und Bleioxydhydrat bedeckt. Nach den
physikalischen Charakteren des Bleioxydes dieser alten Kittungen möchte man indessen
glauben, daß sie in der Kälte gemacht worden wären.