Titel: | Technische Mittheilungen aus England; von Hrn. Dr. Fr. Heeren. |
Fundstelle: | Band 125, Jahrgang 1852, Nr. XXIX., S. 99 |
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XXIX.
Technische Mittheilungen aus England; von Hrn.
Dr. Fr.
Heeren.
Aus den Mittheilungen des hannover'schen Gewerbevereins,
1852, Lief. 64 und 65.
Heeren, technische Mittheilungen aus England.
So wie die Londoner Weltausstellung als wahrhaft Epoche machend dasteht in der
Geschichte der Industrie aller Völker, so wird ohne Zweifel auch in der
Lebensgeschichte eines jeden gebildeten Technikers, dem das Glück zu Theil wurde,
sie und die vielen Sehenswürdigkeiten Englands besuchen zu können, diese Reise nicht
minder als ein Epoche machendes Ereigniß gelten. Einen zusammenhängenden, auch nur
im Entferntesten auf Vollständigkeit Anspruch machenden Bericht aber über die
Ausstellung zu geben, überschreitet in solchem Maaße die Kräfte eines Einzelnen, daß
schon beim bloßen Gedanken daran sich grausend die Haare sträuben. Selbst der von
Seiten des Zollvereins veranstaltete Bericht, welcher gegenwärtig unter der Presse,
theilweise auch schon im Druck erschienen ist, und an welchem gewiß näher an
hundert, wie an fünfzig Mitarbeiter, darunter auch wir, Theil genommen haben, wird
im Vergleich zu der Unermeßlichkeit des Stoffs als dürftig und mangelhaft, ja nur
als ein matter Schattenriß erscheinen. Es bleibt daher dem Einzelnen zu thun nichts
übrig, als isolirte Mittheilungen zu geben über einzelne Gegenstände, die seiner
näheren Beobachtung sich darboten; und so werden denn auch wir mit verschiedenen
Fabricationen, welche zu beobachten wir Gelegenheit gefunden haben, den Anfang
machen.
1) Soda-Fabrication in
Glasgow.
Die berühmteste und größte Sodafabrik Großbritanniens ist die Tennant'scheHr. Prof. Schubarth hat
über dieses riesenhafte Etablissement im J. 1842 Notizen veröffentlicht,
polytechn. Journal Bd. LXXXIV S.
400. A. d. R. zu Glasgow, welche wir mit Genehmigung des Besitzers zu besichtigen
Gelegenheit gehabt haben, und von welcher wir, überzeugt, daß der Besitzer gegen
eine Beschreibung, so weit diese nach einer einmaligen Besichtigung gegeben werden
kann, gewiß nichts zu erinnern finden wird, die folgenden Mittheilungen machen.
Schon aus der Ferne gibt sich die Tennant'sche Sodafabrik
durch den berühmten kolossalen Schornstein zu erkennen, welcher gleich einem Riesen
alle übrigen in und um Glasgow weit überragt. Seltsam war der Anblick, als ich
zuerst mich dieser interessanten Stadt näherte. Es war nichts als eine dicke
schwarze Nebelschicht zu sehen; kein Haus, kein Schornstein aus der Ferne zu
erblicken, nur das obere Ende des Tennant'schen Kolosses
ragte, wie in der Luft schwebend, aus der Schicht hervor, und ergoß seine schwarzen
Rauchwirbel seitwärts, eine zweite höhere Nebelschicht über der unteren ausbreitend.
Dieser ganz freistehende Schornstein, von 40 Fuß unterem, 14 1/2 Fuß oberem
Durchmesser, erhebt sich in Gestalt eines schlanken Kegels ohne alle Verzierungen
bis zu einer Höhe von 435 Fuß, und ist von den Besitzern der Sodafabrik allein in
der humanen Absicht gebaut, um den Rauch der vielen Sodaöfen in eine Höhe zu führen,
wo er der Stadt weniger lästig werden kann.
Das Tennant'sche Etablissement zu St. Rollox, unmittelbar
neben Glasgow, umfaßt 1) eine Schwefelsäurefabrik; 2) die Oefen zur Zersetzung des
Kochsalzes nebst den Apparaten zur Verdichtung der Salzsäure; 3) die Sodaöfen; 4)
die Vorrichtungen zum Auslaugen, Abdampfen, Krystallisiren und Calciniren der Soda;
5) die Chlorkalkfabrik; 6) eine Seifenfabrik.
Die Schwefelsäure wird in einer Anzahl sehr großer Bleikammern, anscheinend von der
gewöhnlichen einfachen Einrichtung, erzeugt. Als Material dient zum Theil
sicilischer Schwefel, zum Theil Schwefelkies; ersterer zur Bereitung reiner
Schwefelsäure für den Handel, letzterer zum eigenen Bedarf der Sodafabrik. Die
Benutzung von Kiesen zur Schwefelsäuregewinnung datirt sich von dem Jahre 1841, wo die Streitigkeiten
zwischen England und Sicilien über den Schwefelhandel eine solche Erhöhung des
Schwefelpreises herbeiführten, daß sich die Fabrikanten genöthigt sahen, ein
Ersatzmittel des sicilischen Schwefels aufzusuchen, welches sich denn auch bald im
Schwefelkies darbot. England ist schon in Folge seines Kohlenreichthums auch reich
an Kies, der ja als gewöhnlicher Begleiter der Steinkohle auftritt; in größter Menge
aber wird er aus der Grube Ballygaham-Mine in der Gegend von Wicklow in
Irland gewonnen. Er soll 35 Proc. Schwefel enthalten, kostet 30 Shill. die Tonne,
und kann von dem Hause John Lentaigne,
Tallaght-House, Dublin, bezogen werden. Ganze Berge, sowohl von sicilischem
Rohschwefel, als auch von irischem Schwefelkies steht man in dem Magazin der Fabrik
aufgehäuft.
Die Röstung des Schwefelkieses geschieht in Oefen, deren viereckiger Schacht etwa 6
Fuß hoch und an der Vorderseite mit mehreren kleinen Thüren versehen ist, durch
welche der Luftzutritt regulirt werden kann. Der Schwefelkies, mit welchem der Ofen
bis oben gefüllt ist, brennt ohne Hülfe von weiterem Brennmaterial von selbst fort;
die abgerösteten Rückstände werden von Zeit zu Zeit unten ausgezogen, oben frische
Kiese aufgegeben, so daß die Röstung ununterbrochen fortgeht.Das Verfahren ist also noch dasselbe, wie es im J. 1841 von Dr. Mohr im
polytechn. Journal Bd. LXXIX S. 106
angegeben wurde. Anm. d. Red. In dem Canal, welcher das schwefligsaure Gas in die Bleikammer leitet,
befindet sich die Pfanne mit der zur Entwicklung der nöthigen Salpetersäure
dienenden Mischung von Chilisalpeter und Schwefelsäure.
Die Concentration der Kammersäure wird in Bleikesseln, und die letzte Abdampfung der,
wie schon erwähnt, aus sicilischem Schwefel dar gestellten, für den Handel
bestimmten Schwefelsäure in einer großen Platinblase bewerkstelligt.
Umwandlung des Kochsalzes in Glaubersalz. Das Salz,
dessen man sich in der Tennant'schen Fabrik bedient, wird
von Norwich bezogen, woselbst sich die Hauptablagerung von Steinsalz in England
findet. Man wendet jedoch nicht das rohe Steinsalz, sondern ein durch Auflösen und
Wiedereindampfen gewonnenes Salz an, dessen Preis sich etwa auf 1 Shilling pro Centner stellt. Die Zersetzung wird in Flammöfen
bewerkstelligt, welche drei Abtheilungen enthalten, deren letzte, vom Feuer am
weitesten entfernte, einen bleiernen Kasten enthält, worin das Salz mit der Schwefelsäure
gemischt und die erste Entwicklung der Salzsäure abgewartet wird. Die jedesmalige
Beschickung beträgt 600 Pfd. Salz und eine gleiche Menge Schwefelsäure von der
Stärke, wie sie durch die erste Concentration in Bleikesseln erfolgt. Nach
zweistündiger Wirkung wird die Masse in die zweite oder mittlere Abtheilung des
Ofens gebracht, wo sie ebenfalls 2 Stunden verbleibt, endlich in die vordere, wo
nach abermaligen 2 Stunden das Glaubersalz fertig ist. Es besitzt so eine
schneeweiße Farbe und enthält nur noch Spuren von Kochsalz. Da also in je zwei
Stunden eine Ladung fertig wird, so können in 12 Arbeitsstunden in jedem Ofen 3600
Pfd. Kochsalz zersetzt werden.
Die Dämpfe der Salzsäure gehen durch einen Canal in die Condensatoren, deren 12
nebeneinander stehen. Diese Verdichtungsapparate bestehen in viereckigen,
schornsteinartigen Thürmen von etwa 30 Fuß Höhe und vier bis fünf Fuß innerem
Durchmesser. Sie sind aus Bruchsteinen mit einem Cement von Thon und Theer gemauert
und ganz mit kleinen Kohksstücken gefüllt, auf welche von oben kaltes Wasser fließt.
Da ein Entweichen von Dämpfen aus den Condensatoren nicht zu bemerken war, so
vermuthe ich, daß sie nach der neueren Construction durch eine verticale Scheidewand
in zwei Abtheilungen getheilt sind, in deren einer die Gase auf-, in der
andern wieder absteigen, und endlich durch einen unterirdischen Canal in einen
Schornstein gelangen. Die Condensatoren endigen unten in einen geschlossenen Kasten,
in welchem sich die Salzsäure sammelt.
Darstellung der rohen Soda. Das Glaubersalz wird nun,
mehr mit Kalkstein und Steinkohle gemengt, wobei diese Theile nur sehr unvollkommen
zerkleinert werden. Das Glaubersalz ist so grob, daß man fast faustgroße Klumpen
darunter findet; die Kohle ist feiner etwa von Haselnußgröße, auch der Kalkstein,
ein ziemlich weicher, weißer Kalk, jedoch keine Kreide, etwa von halber
Haselnußgröße. Als quantitatives Verhältniß wurden die Zahlen 100 : 60 : 115
angegeben. Nachdem diese Materialien mittelst der Schaufel flüchtig gemengt sind,
kommen sie in den Sodaofen. Diese Oefen, deren sich in der Fabrik eine beträchtliche
Anzahl befindet (die Zahl wurde, vielleicht etwas übertrieben, auf 40 angegeben),
enthalten zwei Abtheilungen, deren hintere zum Anwärmen, die vordere zur Schmelzung
dient. Die jedesmalige Ladung beträgt 2 1/2 Centner, welche nach einer Stunde in die
vordere Abtheilung gebracht, hier noch eine Stunde geschmolzen und dann aus dem Ofen
gezogen werden. Die Behandlung der Masse im Sodaofen scheint übrigens die ganz
gewöhnliche zu seyn, auch scheinen weder Wasserdämpfe noch andere wohl empfohlene
Mittel angewendet zu werden.
Auslaugen der rohen Soda. Der zum Auslaugen dienende
Apparat besteht in nichts weiterem, als einer Reihe großer eiserner Kasten, welche
durch Röhren in Verbindung stehen, so daß die Lauge successiv durch die ganze Reihe
hindurchfließt. Die rohe Soda wird mit Handhämmern etwas zerschlagen, und so ohne
weiteres in großen, wohl achtzölligen Klumpen in die Kasten geworfen, worin sie nach
und nach zerfällt. Das Wasser wird durch eingeleiteten Wasserdampf auf etwa
40° R. gehalten und fließt durch die erwähnten Verbindungsröhren, welche bis
nahe auf den Boden reichen, woselbst sich natürlich die stärkste Lauge sammelt, in
den nächsten Kasten ab; gelangt hier aber nicht sogleich auf den Boden, sondern
zuerst in die obere Region, nimmt durch Berührung mit der in diesem Kasten
befindlichen Soda neue Antheile auf, sinkt in Folge des vermehrten specifischen
Gewichtes zu Boden, und fließt endlich von hier wieder in den nächsten Kasten ab
u.s.f. Natürlich ist dabei ein Wechsel in der Ordnung der Aufeinanderfolge
unerläßlich, so daß allemal die Lauge zuerst durch den am meisten erschöpften,
zuletzt durch einen mit frischer Soda gefüllten Kasten fließt, um möglichst
concentrirt zu werden. Da aber, wie hier, sämmtliche Kasten in einer Horizontalebene
neben einander stehen, so ist der bezweckte Wechsel schwerlich recht ordentlich zu
erreichen; und wir geben andern Auslaugungs-Vorrichtungen, bei welchen die
Kasten eine terrassenförmig aufsteigende Reihe bilden, und die Soda in siebförmigen
Behältern in die Kasten eingehängt und successiv in die höheren Kasten gebracht
wird, während das frische Wasser in den obersten Kasten ein- und die
concentrirte Lauge aus dem untersten ausfließt, unbedingt den Vorzug.
Das Abdampfen der Lauge. Da das Abdampfen der Sodalauge
den Uebelstand mit sich führt, daß sich das auskrystallisirende kohlensaure Natron
in Gestalt einer harten Kruste auf dem Boden der Pfanne festsetzt und denselben
einer zerstörenden Ueberhitzung preisgibt, so geschieht es in der Tennant'schen Fabrik durchgehends in Flammöfen, in
welchen die Flamme über der Oberfläche der Lauge hinwegstreicht, und demnach der
Boden der eisernen Pfanne keiner Gefahr ausgesetzt ist. Bei einigen dieser
Abdampföfen ist die obere Decke durch eine zweite Pfanne gebildet, die zum Vorwärmen
und vorläufigen Abdampfen dient. Die Laugen sind, so wie sie in die Abdampf-Pfannen kommen, noch
außerordentlich schwefelhaltig, und selbst das beim Abdampfen auskrystallisirende
kohlensaure Natron, welches ausgeschöpft und neben dem Ofen in einen Haufen
aufgethürmt wird, hat eine (durch Schwefeleisen) grünliche Farbe und bemerklichen
Geruch. In dem Maße, wie durch Abdampfen und Ausschöpfen der auskrystallisirten
Theile sich die Lauge vermindert, wird neue zugelassen, ja es wurde mir gesagt, daß
zum Behuf der gewöhnlichen calcinirten Soda die Abdampfung ununterbrochen fortginge,
man also gar keine Mutterlauge erhalte; ich habe aber Grund hieran zu zweifeln, weil
es viel wahrscheinlicher ist, daß gerade zur Benutzung der unreinen, viel Natron im
ätzenden Zustande enthaltenden Mutterlauge die vorhin erwähnte Seifensiederei
eingerichtet ist. Die in den ersten Stadien des Abdampfens ausgeschöpfte Soda ist
natürlich die reinste, und wird daher zur Fabrication der krystallisirten Soda
benutzt, während die später ausgeschöpfte, durch unreine Mutterlauge stark
verunreinigte, zur Gewinnung von calcinirter Soda dient.
Bereitung der krystallisirten und der calcinirten Soda.
Um krystallisirte Soda darzustellen, wird die reinste aus der Abdampf-Pfanne
ausgefüllte körnige Soda, nachdem sie zum Ablecken und um die kleine Menge des etwa
noch anhängenden Schwefelnatriums zu oxydiren, einige Zeit an der Luft gestanden
hat, in einer großen eisernen Pfanne mir heißem Wasser aufgelöst und sodann nach den
Krystallisationsgefäßen, niedrigen, viereckigen eisernen Kasten von etwa 6 Fuß
Länge, 4 Fuß Breite und 1 1/2 Fuß Tiefe transportirt, worin dann die
Krystallisation, theils an den Wänden, theils auf der Oberfläche in einer dicken
Kruste vor sich geht.
Zur Gewinnung der calcinirten Soda wird die in den späteren Stadien des Abdampfens
durch Mutterlauge stark verunreinigte, aus der Pfanne geschöpfte Soda auf dem Herde
kleiner Flammöfen calcinirt, wobei theils das etwa vorhandene Schwefelnatrium und
unterschwefligsaure Natron oxydirt und in schwefelsaures Natron umgewandelt, theils
das vorhandene Aetznatron mit Kohlensäure gesättigt wird. Von einer Glühung mit
Kohle oder Sägespänen, dem sogenannten Calking, zum
Zweck einer weiteren Reinigung, wird in der Tennant'schen
Fabrik keine Anwendung gemacht.
Darstellung von Chlorkalk. Die Fabrication von Chlorkalk
bildet eine wichtige Abtheilung der Tennant'schen Fabrik,
da sie das Mittel an die Hand gibt, die ungeheure Menge der gewonnenen Salzsäure zu verwerthen und
dadurch die Fabricationskosten der Soda bedeutend zu ermäßigen. Bei dem in England
so außerordentlichen Verbrauch an Chlorkalk zum Zweck der mannichfaltigen Zweige der
Bleicherei hat der Absatz des Chlorkalkes gar keine Schwierigkeit – ein
Umstand, in welchem unsere deutschen Fabriken entschieden im Nachtheil stehen.
Die Entwicklung des Chlors geschieht in großen runden Behältern aus Sandstein, die
von außen mittelst Dampf erhitzt werden, und von wo das Chlor durch bleierne Röhren
sich in einem gemeinschaftlichen, wohl 1/2 Fuß im Durchmesser haltenden Hauptrohr
vereinigt, durch welches es dann in die Kammern gelangt. Diese sind mit einem
Harzkitt gemauert und mögen etwa 20 Fuß im Quadrat halten; der zu Staub gelöschte
Kalk wird auf dem BodenBodeu ausgebreitet, und sodann das Chlor von oben eingeleitet. Ist der Kalk nach
etwa 48 Stunden bis zu dem verlangten Grade gesättigt, so wird eine Thür geöffnet,
der Chlorkalk in Fässer gefüllt, die Kammer mit frischem Kalk besetzt, und so
ununterbrochen fortgefahren.
2) Alaungewinnung zu Hurlet bei
Glasgow.
Es kann in gegenwärtigem Artikel so wenig, wie in dem vorhergehenden über
Sodafabrication die Absicht sein, eine theoretische Entwicklung dieser Fabrikationen
zu geben, da es sich hier nur um Beschreibung eines einzelnen Etablissements
handelt; doch werden wir in gedrängter Kürze das Wesentliche des Processes erklären,
nachdem wir zuerst über das in Rede stehende Alaunwerk einige allgemeine Bemerkungen
vorhergeschickt haben.
Es sind bei Glasgow zwei bedeutende Alaunwerke, das eine zu Hurlet, das andere nicht
weit davon zu Campsie. Das erstere, welches ich zu besuchen Gelegenheit fand, gehört
dem Hrn. Wilson, einem
ungemein liebenswürdigen und gefälligen Manne, der mit Bereitwilligkeit mich selbst
nach dem eine deutsche Meile von Glasgow entfernt liegenden Werke fuhr, und dessen
Schwiegersohn, ein in der technischen Chemie sehr bewanderter Mann, den eigentlich
technischen Betrieb des Werkes beaufsichtigt, während Hr. Wilson das Mercantilische des Geschäfts leitet.
Das Material zur Alaungewinnung ist hier eben so wie zu Campsie ein vortrefflicher
Alaunschiefer, welcher sich in 280 Fuß Tiefe unter der Erdoberfläche findet. Mit
Recht kann diese Grube (the Hough Pit) als ein
merkwürdiges Beispiel des mineralogischen Reichthums gelten, mit welchem dieses Land
so verschwenderisch gesegnet ist. Es liefert nämlich diese eine Grube sechs
verschiedene nutzbare Mineralien, nämlich Steinkohle,
Alaunschiefer, Schwefelkies, Eisenstein, Kalkstein und Thon. Der Schacht hat eine Tiefe
von 285 Fuß; zu oberst geht er durch ein mächtiges Lager von Thon, weiter unten
folgt ein steter Wechsel von Thonschiefer, Kalkstein und Eisenstein, dann wieder ein
Lager von Kohlenkalk, hierauf die 1 1/2 Fuß mächtige Schicht aus Alaunschiefer, in
welcher häufige Nester von Schwefelkies vorkommen, und zu unterst die Steinkohle in
einem Flötz von 5 1/2 Fuß Mächtigkeit.
Alle sechs genannten Fossilien finden in der That nützliche Anwendung; der Eisenstein
wird auf einem Eisenwerke bei Glasgow verschmolzen; der Kalkstein gebrannt, der Thon
zur Ziegelfabrication benutzt, der Alaunschiefer zur Alaunfabrication, der
Schwefelkies zur Bereitung von Schwefelsäure und Eisenvitriol verwendet, und die
Steinkohle theils auf dem Werke selbst, theils in Glasgow als Brennmaterial und zur
Gasbereitung benutzt. – Unter Alaunschiefer versteht man einen mit
Schwefelkies und kohligen Theilen innig durchdrungenen Schieferthon, von
dunkelgrauer Farbe und flachmuscheligem Bruche; die Beimengung des Schwefelkieses
ist eine rein mechanische, aber so innige, daß er mit dem bloßen Auge nicht zu
erkennen ist, wie denn auch das Mengenverhältniß bedeutend variirt. So findet man
namentlich die oberen Schichten des Alaunschieferflötzes im allgemeinen reicher an
Schwefelkies als die unteren; Richardson in Newcastle
fand bei einer chemischen Analyse des Alaunschiefers zu Campsie, mit welchem jener
zu Hurlet ohne Zweifel übereinstimmt, in der oberen Schicht 38,48, in der untern
9,63 Proc. Schwefelkies.
Alaun ist ein Doppelsalz, bestehend aus schwefelsaurer Thonerde und schwefelsaurem
Kali oder schwefelsaurem Ammoniak. Welches der letztgenannten Salze in ihm enthalten
ist, hat nicht den geringsten Einfluß auf seine Eigenschaften und Anwendungen, und
es hängt gänzlich von localen Umständen ab, ob der Alaunfabrikant Kali-, oder
Ammoniakalaun fabricirt; der Käufer kümmert sich darum nicht, kann auch, ohne eine
chemische Untersuchung anzustellen, nicht wissen welche Alaunart er vor sich hat.
Der zu Hurlet fabricirte Alaun ist, wie fast sämmtlicher englische, Ammoniak
Alaun.
Die wesentlichen Bestandtheile des Alaunschiefers sind Schwefelkies (eine Verbindung
von Schwefel und Eisen) und Thonerde; die die übrigen Kieselerde, Kohle, Spuren von
Kalk und Bittererde, kommen nicht in Betracht, höchstens könnte eine kleine Menge von
Kali (ungefähr ein Procent) als nutzbar zu betrachten seyn. Wenn nun der
Alaunschiefer in größern Massen aufgehäuft dem Zutritt der atmosphärischen Luft
dargeboten wird, so tritt eine allmähliche Oxydation des Schwefelkieses und in Folge
dieser eine Erwärmung ein, welche gewöhnlich bis zur Entzündung der Masse sich
steigert. Das Ganze geräth so in eine, durch den Kohlengehalt des Alaunschiefers
noch beförderte, langsam fortschreitende Verbrennung, wobei der Schwefel durch
Aufnahme von Sauerstoff sich in Schwefelsäure umwandelt, welche dann ihrerseits
wieder mit der Thonerde des Alaunschiefers zu schwefelsaurer Thonerde zusammentritt.
Wenn nach Verlauf eines entsprechend langen Zeitraumes dieser Proceß zu Ende ist,
übergießt man die gebrannte (geröstete) Masse mit Wasser, in welchem sich die
schwefelsaure Thonerde, freilich immer in Begleitung von gleichzeitig gebildetem
schwefelsaurem Eisenoxyd, auflöst. Wenn nun die so gewonnene Flüssigkeit (Rohlauge)
abgedampft und mit der erforderlichen Menge schwefelsauren Ammoniaks versetzt wird,
so tritt dieses mit der schwefelsauren Thonerde zu Alaun zusammen, welcher beim
Abkühlen auskrystallisirt und nur noch einer Reinigung durch Umkrystallisiren
bedarf, um für den Handel fertig zu seyn.
Die aus der Grube geförderten Alaunerze also werden zu großen, wohl an 15 Fuß hohen
Haufen oder Halden aufgeschüttet, dabei aber Rücksicht genommen, daß die an
Schwefelkies reicheren Erze mit den ärmeren zweckmäßig gemengt werden, um überall so
viel wie möglich ein gleiches Verhältniß zwischen Schwefelkies und Thon
herzustellen. Um auch der Mitte des Haufens mehr Luft zuzuleiten, wird ein Luftcanal
der Länge nach unten durchgeführt. Der Schiefer erhitzt sich und fängt bald an zu
brennen, wobei nun die Aufgabe entsteht, nur ein ganz kleines, langsam
fortglimmendes Brennen zu unterhalten, indem sich bei zu rascher Verbrennung ein
großer Theil der durch Oxydation des Schwefels entstehenden schwefligen Säure
ungenutzt verflüchtigen würde. So wie man bemerkt, daß der Haufen an einer Stelle zu
heftig brennt, bedeckt man dieselbe mit einer Lage alter, bereits ausgelaugter Erze,
wodurch der Luftzug gehemmt, und die Verbrennung gemäßigt wird. Nach beendigtem
Brande läßt man den Haufen noch längere Zeit in Ruhe, so daß die ganze Zeit sich auf
etwa 16 Monate beläuft. Natürlich sind stets mehrere solcher Halden abwechselnd im
Gange, so daß die Fabrik fortwährend fertig geröstete Erze zur weiteren Verarbeitung
vorräthig hat.
Das Auslaugen der Erze geschieht in einem großen, teichartigen Kasten, dessen Boden
aus Brettern besteht, die nicht ganz fest aneinander schließen, sondern schmale
Zwischenräume zwischen sich lassen, durch welche die Lauge in den Raum unter dem
Kasten abläuft; dieser Raum ist mit einer Lage festgestampften Thons bedeckt, und
ein wenig abschüssig, so daß die Lauge in ein Reservoir abläuft. Um eine möglichst
concentrirte Rohlauge zu erhalten, gibt man sie aus dem Reservoir mehrmals auf die
Erze zurück, worauf man zum ersten Abdampfen schreitet.
Das Abdampfen geschieht hier durchgehends in niedrigen
Flammöfen, in welchen die Flamme über die Oberfläche der Lauge hinwegstreicht. Da
eiserne Behälter von der Lauge stark angegriffen werden, und also auch die ohnehin
schon eisenhaltige Lauge noch mehr verunreinigen, so ist man von ihrer, früher
versuchten Anwendung abgegangen, und bildet jetzt den Behälter von hartgebrannten
Mauersteinen, die mit Thon verbunden und auch äußerlich mit abgestampftem Thon
umgeben sind. In dem Maaße, wie das Wasser verdampft, wird frische Lauge zugelassen,
und mit der Abdampfung fortgefahren, bis die Lauge hinlänglich concentrirt ist,
worauf man sie zum Absetzen des Schlammes (basisch schwefelsaures Eisenoxyd) einige
Zeit in Ruhe läßt, und sodann die geklärte Lauge in große Behälter von Sandstein,
die äußerlich mit festgestampftem Thon umgeben sind, abzieht. Hier setzt man die
jedesmal durch einen Versuch zu bestimmende, zur Alaunbildung erforderliche Menge
schwefelsauren Ammoniaks hinzu und läßt das Ganze erkalten, wobei an den Wänden des
Behälters der Alaun in Krystallen anschießt. (Das sogenannte Mehlmachen findet auf
diesem Alaunwerke nicht statt.) Die Krystalle werden, nach dem Abziehen der
Mutterlauge und dem Abspülen mit etwas Wasser in einem anderen gemauerten Behälter
durch Zusatz von Wasser und Einleiten von Wasserdampf aufgelöst, zur Klärung 24
Stunden lang bedeckt stehen gelassen, und sodann zum Krystallisiren in eine
gemauerte Cisterne gebracht, die hier gebildeten Krystalle wieder mit Wasser und
Wasserdampf aufgelöst und abermals krystallisiren gelassen. Diese letzte
Krystallisation geschieht in großen, nach oben etwas verjüngt zulaufenden konischen
Fässern von etwa sieben Fuß Höhe und vier Fuß unterm Durchmesser, deren mit Blei
gefütterte Stäbe durch fest angetriebene eiserne Bänder zusammengehalten werden.
Nach beendigter Krystallisation wird die Mutterlauge mittelst eines bleiernen Hebers
abgezogen, die Bänder abgeschlagen und die Stäbe auseinander genommen, wo dann die
ganze Alaunmasse in Gestalt eines großen Cylinders frei dasteht. Auf der Londoner Ausstellung waren
mehrere solcher Alaunkolosse, zum Theil vertical durchgesägt, aufgestellt, um die
Krystallisation im Innern zu zeigen. Hr. Wilson hatte die Güte, mir einen riesenhaften Krystall (ein zur
Hälfte vollständig und sehr schön ausgebildetes, an der anderen Hälfte wo es fest
gesessen hatte natürlich unvollständiges Octaëder, 13 Pfd. wiegend, mit
Seitenkanten von acht Zoll Länge) zum Andenken zu geben.
Das schwefelsaure Ammoniak wird auf dem Alaunwerke selbst
dargestellt, und zwar dient hierzu der aus der Grube kommende Schwefelkies, den man
in einem Ofen röstet, die gebildete schweflige Säure in einer Bleikammer auf
gewöhnliche Art in Schwefelsäure umwandelt, und dann mit Ammoniak sättigt. Schon
oben wurde erwähnt, daß der größte Theil der Steinkohle von Hurlet nach Glasgow in
ein dortiges Gaswerk verkauft wird; die hierbei entstehenden Nebenproducte nun,
ammoniakalische Flüssigkeit und Steinkohlentheer, werden an das Alaunwerk
zurückgesandt und hier verarbeitet. Die ammoniakhaltige Flüssigkeit nämlich wird in
einen großen, horizontalen cylindrischen Dampfkessel gegeben, destillirt und die
übergehenden ammoniakalischen Dämpfe in einen Behälter geleitet, in welchem sich
Schwefelsäure befindet. Das so erhaltene schwefelsaure Ammoniak dient dann zur
Alaunfabrication.
Um auch den Steinkohlentheer zu benutzen, wird derselbe in großen liegenden
Dampfkesseln destillirt, das zuerst übergehende dünnflüssige
Oel mit Schwefelsäure behandelt und so eine Art Schieferöl (Hydrocarbür) gewonnen. Da nämlich die schottische Kännelkohle
sehr bituminös ist, und sich ihrer Natur nach der Wemyskohle nähert, aus welcher das
Schieferöl vorzugsweise gewonnen wird, so ist es sehr erklärlich, daß auch der aus
der Hurlet-Kohle erhaltene Steinkohlentheer eine gewisse Menge dieses Oeles
liefert, welches sonst aus gewöhnlicher Steinkohle nicht gewonnen werden kann. Nach
dem Abdestilliren des leichten dünnflüssigen Oeles wird dann der rückständige Theer
in einem andern Kessel weiter destillirt, und liefert ein dickflüssiges Oel, heavy oil, welches auf den
Eisenbahnwerken zum Theeren gebraucht wird, und es verbleibt Steinkohlenpech als Rückstand.
Endlich wird ein anderer Theil der Schwefelkiese für sich geröstet und auf Eisenvitriol verarbeitet.
Gewiß ein höchst interessantes Beispiel einer, freilich durch locale Verhältnisse in
hohem Grade begünstigten, aber nichtsdestoweniger auch sehr sinnreich ausgedachten
Kombination chemischer Processe.
(Der Schluß folgt im nächsten Heft.)