Titel: | Ueber das Präpariren des Saatkorns oder das Kalken des Getreides, und über die sogenannten concentrirten Dünger; von Professor Payen. |
Fundstelle: | Band 125, Jahrgang 1852, Nr. XXXIX., S. 143 |
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XXXIX.
Ueber das Präpariren des Saatkorns oder das
Kalken des Getreides, und über die sogenannten concentrirten Dünger; von Professor
Payen.
Aus dem Précis d'Agriculture par MM. A. Payen et A. Richard, Paris
1851.
Payen, über das Präpariren des Saatkorns.
Präpariren des Saatkorns.
Zur Zeit der Griechen und Römer waren mehrere Zubereitungsmethoden des Saatkorns
gebräuchlich.
Virgil berichtet von dem merkwürdigen Erfolg des
Einweichens des Saatkorns in Wasser, wobei die guten, schweren Körner zu Boden
fallen, sich absondern, während die verdorbenen, leichten obenauf schwimmen, erstere
also herausgenommen und an das Geflügel verfüttert werden können. Die schweren
Körner, an der Luft ausgebreitet, um sie wieder ein wenig zu trocknen, wurden dann
eingesäet; durch diese Befeuchtung wurden die Keimung und die ersten Fortschritte
der Vegetation befördert, so daß die jungen Pflänzchen dem Unkraut zuvorkommen und
dem Angriffe der Insecten leichter entgehen konnten, wodurch dieses Verfahren unter
gewissen Umständen mehrere Vortheile gewährte, namentlich wenn man das Korn nicht
durch zu langes Einweichen vor der Saat verdarb und der Keim sich nicht zu früh
entwickelte und zerstört wurde.
Später suchte man auch mit der Wirkung des Wassers diejenige mehrerer auflöslichen
Substanzen zu verbinden, welche den Pflanzen zur Nahrung dienen können oder deren
Vegetationskraft anzuregen vermögen; man setzte der Einweichungs-Flüssigkeit
mit gutem Erfolge Mistjauche, einige Alkalisalze (1 bis 2 Procent Salpeter, der
kohlensaures Kali enthielt) zu.
Olivier de Serres erinnerte um das Jahr 1600 neuerdings
an diese alten Methoden und empfahl sie. Mehr als ein Jahrhundert später setzte ein
Abbé Vallemont den in Wasser eingeweichten
Saatkörnern Mist zu, dem etwas Salpeter und Alkalilauge, trocknes Kohlen- und
Kalkpulver (von gebrannten Austernschalen) beigemengt war, um ihr Trocknen zu
beschleunigen und die überschüssige Feuchtigkeit dieses Saatskorns zu absorbiren.
Aber er ging viel zu weit, indem er verschiedene angeblich fruchtbarmachende
Flüssigkeiten bereitete, und hauptsächlich, indem er den Landwirthen die Anwendung
dieser so wenig Dünger enthaltenden Flüssigkeiten zur Ersparung jeder andern Düngung
empfahl. Dieses allenthalben angepriesene System fand bei vielen leichtgläubigen
Landwirthen Eingang, die sich hintennach betrogen sahen. Mehrere berühmte
Ackerbaukundige bemühten sich von Zeit zu Zeit diesem Uebel einen Damm zu setzen.
Der Abbé Rosier, vorzüglich aber Duchamel-Dumonceau, zeigten klar, daß so kleine,
um das Samenkorn herum concentrirte Dosen von Nahrung, die Wurzeln nicht lange
ernähren können, welche beim Eindringen in den Boden sich dieser Hülle bald
entledigen, und daß vielmehr der Boden die den Pflanzen zuträglichen Stoffe schon
enthalten oder durch reichliche Düngung empfangen, und solche ihnen während der
ganzen Dauer ihres Wachsthums liefern müsse.
Ueberziehen des Saatkorns und Anwendung desselben zum
Urbarmachen.
Heutzutage sind in dieser Beziehung mehr oder weniger ausgebildete Lehren neu
aufgetaucht und haben sich mit merkwürdigem Erfolge unter besondern Umständen
verbreitet, welche wir bei der Beschreibung des Verfahrens zum Ueberziehen (pralinage) des Saatkorns angeben werden. Wir werden
hierauf zeigen, wie dieselben vom Abbé Vallemont
veranlaßten Mißbräuche, welche Abbé Rosier, Duhamel,
Yvart aufdeckten und so lange bekämpften, durch das Treiben schamloser Speculanten neuerdings
zum Vorschein kamen; wir werden endlich die großen Gefahren dieses neuen Ausbruchs
einer sich in den Mantel der Wissenschaft hüllenden Marktschreierei nachweisen,
welche durch kräftiges Zusammenwirken der Wissenschaft und aufgeklärten Praxis bald
besiegt seyn wird.
Im J. 1837 theilte H. Quénard, ein geschickter
Landwirth zu Montargis, der Central-Ackerbaugesellschaft ein Verfahren zum
Ueberziehen des Saatkorns mit, welches darin bestund, das Korn einige Stunden lang
in Milch einzuweichen und ihm dann mittelst dieser Flüssigkeit ein pulveriges
Gemenge von Stallmist, Taubenmist und Asche anhängen zu machen; fein gepulverter,
trockner Staubmist (Poudrette) konnte dieses Gemenge vertreten.
Es leuchtet ein, daß ein solcher Ueberzug, welcher dem Saatkorn beinahe sein
doppeltes Gewicht (oder 225 Kilogr. per Hektare) eines
reichhaltigen Düngers anklebt, von guter Wirkung seyn konnte, welche sich auch
bewährte, besonders bei einem Boden von gewisser Fruchtbarkeit, der man nach der
Vorschrift durch Düngung noch nachhelfen mußte.
Mehrere Landwirthe überzogen so ihr Saatkorn, theils um den hervorkommenden
Würzelchen einen Dünger darzubieten, welcher dem Wachsthum einen ersten, sehr
wohlthuenden Impuls zu geben vermochte, theils auch, um das so umhüllte Saatkorn
gegen die Angriffe von Insecten oder mikroskopischer Kryptogamen zu schützen, durch
welche mehrere Krankheiten des Getreides veranlaßt werden. Das Ueberziehen in dieser
Absicht hat viel Aehnlichkeit mit dem sogenannten Kalken nach Mathieu-de-Dombasle's
Verfahren.Man taucht das Getreide in eine Auflösung von 10 Theilen schwefelsaurem
Natron (Glaubersalz) in 100 Theilen Wassers; die bloß abgetropften Körner
werden dann mit 1 Kil. gepulvertem gebranntem Kalk per Hektoliter vermengt. Manchmal wird noch eine klebende Substanz zugesetzt (Thierleim im 20fachen
Gewichte heißen Wassers aufgelöst und dann auf etwa 26° R. abgekühlt), welche
selbst einen stickstoffreichen organischen Dünger bildet.Die Anwendung von thierischem Leim oder frischem Blut gab hauptsächlich Hr.
v. Douhet an in
einem Patent vom J. 1844; er beabsichtigte damals, den Getreidearten alle zu
ihrem Wachsthum erforderlichen Elemente darzubieten, indem er die Saatkörner
mit Kali- und Ammoniaksalzen, sowie mit stickstoffhaltigen,
organischen Düngmitteln umgab; er wollte alle fruchtbarmachenden Stoffe um
das Samenkorn herum concentriren, welchen Zweck er aber offenbar nicht
erreichen konnte, weil er keine phosphorsauren Salze in seine concentrirten
Dünger aufnahm und überdieß die dem Samen anhaftenden Dosen die in den
gewöhnlichen Düngern enthaltenen stickstoffhaltigen Substanzen bei weitem
nicht ersetzen konnten.
Hr. Lebel zu Bechelbronn
theilte im J. 1850 eine Ueberziehung dieser Art mit, welche er seit mehreren Jahren
mit gutem Erfolge anwendet, nicht um den Dünger zu ersetzen, sondern um dessen
Wirkung sicherer und vollständiger zu machen. Er verfährt folgendermaßen: das
Getreide wird zuerst mit Kupfervitriol oder Glaubersalz (Dombasle'sches Verfahren) gekalkt (präparirt); hierauf bereitet man per Hektoliter Korn eine Auflösung von 1/2 Kilogr. Leim
in 20 Liter warmen Wasser und setzt dann 1/2 Kil. Kochsalz zu; anderseits bereitet
man ein Gemenge von 20 Litern Holzasche und 20 Litern gelöschtem Kalk in Pulverform,
beide gesiebt.
Man bringt das Korn in einem Kasten, der so groß ist, daß man es leicht umrühren und
umschaufeln kann, damit es von den 20 1/2 Litern der den Leim und das Salz
enthaltenden Flüssigkeit recht gleichmäßig benetzt wird.
Das so benetzte Korn bringt man auf ein Sieb und bestreut es mit dem Gemenge aus
gleichen Theilen Kalk und Asche, bis die Körner durch die Verdickung dieser Hülle
nicht mehr an Volum zunehmen; hierauf läßt man sie 24 Stunden lang an der Luft
trocknen. 100 Liter so zubereiteten Korns nehmen ein Volum von etwa 150 Liter ein
und können unmittelbar eingesäet werden. Die Keimung tritt schneller ein; auch die
weitere Entwickelung erfolgt rascher und entgeht leichter den gewöhnlichen
nachtheiligen Veränderungen; die Vegetation endlich ist so kräftig, daß die Pflanze
alle Elemente einer productiven Nahrung aus dem Boden zu schöpfen vermag.
Ein besonders beachtenswerthes und nützliches Resultat durch Ueberziehen der
Saatkörner erhielt Hr. Chambardel, indem er zu diesem Ueberziehen 4 1/2 Hektol. Thierkohle
per Hektare anwandte und das so
zubereitete Korn zum ersten Besäen urbar gemachter Haiden verwendete.
Die im J. 1848 darüber veröffentlichten Thatsachen wurden von Hrn. Chambardel beim Urbarmachen der
Haiden auf dem Pachthofe Marelles (Gemeinde Genillé,
Indre-Loire-Departement) beobachtet und seitdem durch die Versuche der
HHrn. Robinet, Mohl, Goullier de Laselle,
Desloges und Malingié bestätigt. Hr. Chambardel erhielt dafür die goldene Medaille
der Central-Ackerbaugesellschaft. Sicherlich ist dieß eine der besten
Lösungen des Problems der Urbarmachung der Haiden und Steppen.
Die gute Wirkung der Thierkohle (des Rückstands der Zuckerraffinerien)Vergleichende Versuche ohne Thierkohle gaben nur unbedeutende Ernten. beim Urbarmachen der Haiden war schon vor Hrn. Chambardel nachgewiesen, allein sie war noch
nicht in so kleiner Menge und auf diese Weise angewandt worden.
Folgendes ist das einfache Verfahren, mittelst dessen man auf Haiden und Steppen
(vorausgesetzt daß sie einen guten Grund haben) eben so leicht herrliche Ernten
erhalten kann, wie auf den in gewöhnlicher Weise angebauten Feldern.
Wenn das Haidekraut hoch und dicht steht, so schneidet man es von Hand mit starken
Sicheln, oder wenn die Stöcke unten sehr stark sind, mit der Hippe. Nach einigen
Tagen bindet man es in Bündel und schafft es fort; da wo das Heidekraut schwach ist,
findet gar keine vorbereitende Arbeit durch Menschenhände statt; der Werth des
Haidekrauts gleicht die Kosten der Fortschaffung aus. Das Umbrechen geschieht
hierauf entweder durch Handarbeit, oder mittelst eines starken Pflugs (in beiden
Fällen kam es per Hektare auf 90 Franken zu stehen). In
diesem Zustand läßt man das Erdreich fünf bis sechs Monate, bis zur Zeit der
Aussaat; dann wird einmal geeggt, und mittelst eines starken Pflugs ohne
Vordergestell, welcher je nach dem Widerstand des Bodens, mit zwei oder vier Pferden
bespannt wird, tüchtig umgeackert; so unvollkommen das Pflügen unter diesen
Umständen auch ausfiel, indem auf der Oberfläche eine Menge Erdschollen und Wurzeln
oder Ueberreste von Haidekraut zurückblieben, so säete Hr. Chambardel dennoch Weizen darauf aus, welcher
vorher wie beim gewöhnlichen Kalken eingeweicht und dann auf die Hektare mit 4 1/2
Hektoliter Thierkohle vermengt worden warEs ist vortheilhaft das Saatkorn auf mehreremale zu verbreiten, um die Körner
und das Düngmittel, welches sich zuweilen von ihnen ablöst und vom Wind
ungleich fortgeführt wird, möglichst gleichmäßig zu vertheilen.; durch zweimaliges kreuzweises Eggen wurde hierauf das Saatkorn zugedeckt.
Man erhielt 25 bis 30 Hektoliter Korn, nämlich mehr als auf den in gutem Zustand
befindlichen anliegenden Feldern. Das zweite Jahr wurde eine gleiche Ernte an
Weizen, Roggen oder Mengkorn erhalten. Im dritten Jahr verwendet Hr. Chambardel einen Theil dieses urbar
gemachten Landes zu Winterwicke mit einer kleinen Beimengung von Roggen, um sie zu
stengeln; er verwendet vier Hektoliter Thierkohle dazu und erhält im darauffolgenderdarauffolgen-
Juni, ohne andere
Zubereitung als ein Umackern und zweimaliges Eggen, eine sehr reichliche
Futter-Ernte.
Die Kosten des Ausbaues und der Reinertrag wurden nach dem mit mehr als 90 Hektaren
nach diesem Verfahren angestellten Versuche für ein Hektare folgendermaßen
berechnet.
In dem Arrondissement von Loche, dem Bezirk wo Hr. Chambardel die erwähnten glücklichen Resultate
erhielt, wird das mit Haidekraut bedeckte, aber zum Urbarmachen geeignete Land zu
100 bis 300 Fr. per Hektare angeschlagen; der mittlere WerthWerh ist also 200 Fr.
Kosten
Interessen zu 4 Proc. des AnkaufspreisesUmbrechen
(durch Handarbeit od. den Pflug)ein starkes Umackern und zweimaliges
Eggen2 Hektoliter Saatweizen zu 15 Fr.4 1/2
„ Thierkohle zu 17 Fr.Die Thierkohle ist der Rückstand aus den Zuckerraffinerien und
besteht aus der Kohle der Knochen und geronnenem Blut; ihr Preis
variirt an mehreren Orten von 5 Fr. bis 20 Fr. per Hektoliter.Kosten
für das Ernten, 15 Fr.; Dreschen zu 1 Fr. per Hektoliter, 30
Fr.Einführen der Garben
6 Fr. 00
C. 90 50 30 76
Fr. 50
C. 45 8
305 Fr. 50 C.
Producte
30 Hektoliter Weizen
à 15 Fr.3000 Kil. StrohHr. Chambardel
findet, indem er zur Streu Mergel
benutzt, großen Vortheil darin, sein Stroh zu verkaufen, und gewinnt
dadurch anderseits einen Dünger, welcher
aus kohlensaurem Kalk, Harn und festen Excrementen besteht und sich
für seine Felder vorzüglich eignet.
à 40 Fr. per
1000 Kil.
450120
570 Fr. 00 C.
––––––––––
Differenz = Gewinn oder
Reinertrag
264 Fr. 50 C.
Also kann das Urbarmachen, welches vor kurzem noch vier bis fünf Jahre lang Arbeit
und große Auslagen erforderte, durch dieses Culturverfahren, und namentlich durch
die Anwendung der Thierkohle, schon im ersten Jahre einen Gewinn abwerfen, welcher
denjenigen des gewöhnlichen Anbaues übersteigt. Es ist daher nicht zu verwundern,
daß die Bauern in der Umgegend sich beeilten, ein so schönes Beispiel
nachzuahmen.
Nach Chambardels Erfahrung scheint es gewiß, daß wenn die
Thierkohle zwei oder drei Jahre lang jährlich in einem Quantum von etwa 4 1/2
Hektoliter unentbehrlich istSie wirkt hier sicherlich durch ihren phosphorsauren Kalk, welcher dem Boden
fehlt, wovon ihm aber die andern Dünger später die hinreichende Menge
liefern., später an deren Stelle acht bis zehn Hektoliter animalisirte Kohle (ein beim Desinficiren
der menschlichen Excremente durch kohlenhaltige Erde erhaltenes Gemenge) oder
gewöhnlicher Stalldünger verwendet werden können.
Man steht, daß die Erzeugung von Futterkräutern beim Urbarmachen keine Schwierigkeit
mehr ist, weil man durch Befolgung dieser Methode schon im dritten Jahre eine
reichliche Ernte von Futterkräutern erhalten kann. Hr. Chambardel hat sich überzeugt, daß alsdann das
Raygras und andere Futterkräuter aus der Familie der Gramineen sehr wohl gedeihen,
ferner die Steckrüben und schwedischen Kohlrüben, sowie die Colza sehr gut wachsen;
den Klee- und Luzernenarten scheinen frisch urbar gemachte Felder nicht
zuträglich zu seyn, man müßte also sechs bis acht Jahre mit deren Einführung in den
Culturwechsel zuwarten, dem es übrigens bei obenerwähnten Culturen, welche gelingen,
an Abwechslung nicht fehlen würde.
Obwohl das Chambardel'sche Verfahren schon an mehreren
Orten den besten Erfolg hatte, ist es doch rathsam, bei verschiedenen Bodenarten den
Versuch mit einer einzigen Hektare anzustellen. Die erste Hektare, welche so den
übrigen Feldern wenigstens um ein Jahr voraus wäre, könnte dienen um die Folge der
Culturen aufzuhellen; zu diesem Behufe brauchte sie nur in drei bis vier Theile
abgetheilt und mit eben so vielen Culturen der Versuch darauf gemacht zu werden. Zum
Besäen der andern Felder wären jene Saaten zu wählen, welche auf der ersten Hektare
am besten gediehen.
Für Bodenarten von sehr mittelmäßiger Beschaffenheit empfiehlt Hr. Chambardel folgenden Culturwechsel:
1stes Jahr: Roggen mit 4 1/2 Hektoliter Thierkohle per
Hektare; 2tes Jahr: Roggen oder Haidekorn und 4 Hektoliter Thierkohle; 3tes Jahr:
Tannen oder Birkenpflanzung, oder Kastanienbäume ohne Dünger.
Sogenannte concentrirte Dünger.
Unternehmende Speculanten, ohne alle Kenntnisse und Erfahrung, hingegen mit einer
beklagenswerthen Geschäftsgewandtheit begabt, beuteten in der letzten Zeit die
Recepte der Eingangs dieser Abhandlung erwähnten fruchtbarmachenden Flüssigkeiten
aus, welche sie auf Gerathewohl veränderten, um sich ein Patent darauf geben lassen
zu können, und kündigten in allen Zeitungen die von ihnen durch Anwendung der neuern
Chemie auf die Landwirthschaft angeblich gemachten Entdeckungen an. Dabei führten
sie einerseits die Namen der Gelehrten an, von welchen bekannt ist, daß sie sich mit dem Studium der
Vegetation und der Dünger am meisten beschäftigt haben; anderseits nannten sie eine
Menge Landwirthe, welche die Vortrefflichkeit ihrer Mischungen bestätigt gefunden
haben sollten. Sie hatten sogar, indem sie die schwierigsten Fragen der
Landwirtschaft zusammenstellten, die Dreistigkeit zu behaupten, daß ihre
Geheimmittel allein solche zu lösen im Stande seyen. Ihre Mischungen mußten
verschiedener Art seyn, weil jede ein besonderes Patent erhalten hatte; unter der
gemeinschaftlichen Benennung concentrirte Dünger, deren
jedem der Name des Erfinders beigesetzt war, wurden ihnen allen aber die
staunenerregendsten und vortheilhaftesten Eigenschaften zugeschrieben.
15 Liter einer Flüssigkeit, welche nicht über 2–3 Kilogr. fester Stoffe
enthielten und um 30 bis 33 Franken verkauft wurden, sollten zum Düngen einer
Hektare hinreichen, oder 10,000 Kilogr. landwirthschaftlichen Dünger ersetzen. Nach
andern Verkäufern solcher Dünger sollte man mit 2 oder 5 oder 10 Kilogr. einer
pulverigen Substanz, welche indessen zu 3/4 ihres Gewichts aus erdiger Kreide
bestand, die fast wirkungslos ist, dasselbe wundervolle Resultat erhalten.Folgendes ist die Zusammensetzung einiger dieser concentrirten Dünger.Dusseau'scher Dünger für eine
Hektare.Gallertartige Flüssigkeit (ein
Gemenge von Guano,
Taubenmist, Staubmist und Ruß
mit Wasser)10 Litersalpetersaures Kali
(Salpeter) 2 Kil.schwefelsaures Ammoniak 0,5 „Kochsalz 1 „Harn (mit 30 Gram. Schwefelsäure
vermischt) 3 „–––––––
Im Ganzen etwa 15 Liter oder16,5 Kil.(Werth 3 Franken, verkauft um 33 Franken; also mit einem Gewinn von 1000
Procent.)Dusseau'scher Dünger (ohne Zweifel
größern Gewinnes wegen vereinfacht), welcher an mehrere Landwirthe
versendet wurde.Salmiak 10salpetersaures Kali 8,25salpetersaures Kali u.Thierkohle 10Kochsalz 2,75 Ammoniaksalze 10Wasser 80schwefelsaures Kupfer 1,50Leim (Knochenleim) 10––––Leim (Knochenleim) 1,50Wasser 80100Wasser 86,00–––––––––––100100,00 (Nach der Analyse derHHrn.
Girardin,
Bi-
dard und Ponsard.)
(Nach
der Analyse des Hrn.Lepage.)
(Nach
der Analyse des Hrn.Moride in
Nantes.)Textabbildung Bd. 125, S. 151Bickès'scher Dünger;
Huguin'scher Dünger; Düngeressenz; Kreide; Thierkohle; Salpeter;
Holzkohle; Pflanzenleim; rohes, schwarzes schwefelsaures Ammoniak;
Knochenleim; Nach den Analysen des Hrn. Moride in Nantes; Kömmt
höchstens auf 50 Franken zu stehen und wird um 200 Franken verkauft und
zwar als die Gährung befördernd, während sie sich derselben
widersetzt
Diese seltsamen Gemische sollten überdieß hinreichen die Ernte zu verdoppeln, die
Engerlinge (Maikäferlarven) zu vertilgen, die Kartoffelkrankheit zu verhindern, die
Krankheiten des Getreides (Brand, Rost, Fäulniß) zu verhüten!
Solche Ankündigungen hatten wohl das Gepräge der Ungereimtheit; dennoch verführten
diese lügenhaften Versprechungen viele Landwirthe, theils eben durch die
versprochenen Wunder, theils in Folge der Noth der Landwirthe, welche dieselben
veranlaßte sich dem gewagtesten Glücksspiel zu überlassen.
Es war mithin sehr zweckmäßig, daß die Ackerbaugesellschaft des untern
Seine-Departements und ihr Berichterstatter Professor Girardin, dann die HHrn. Moride und Bobierre in Nantes, und Hr. Barral, Herausgeber des Journal d'Agriculture pratique, bald den Betrug
aufdeckten und klar nachwiesen, daß, während 30000 Kilogr. gewöhnlicher Dünger bei
einem dreijährigen Culturwechsel dem Boden an stickstoffhaltigen Materien und
Mineralsalzen ein Aequivalent von 124 Kilogr. Stickstoff und 81 Kilogr.
phosphorsaurem Kalk darbieten, welche für die Fruchtbarkeit die kräftigsten Agentien
sind, 15 Liter der Düngers von Bickès (welcher
sich rühmt das neue System gegründet zu haben), die für drei Culturjahre hinreichen
sollen, das Aequivalent von nur 1/2 Kilogr. Stickstoff und eine noch viel geringere
Menge phosphorsauren Kalks enthalten.
Ferner zeigten sie, daß alle andern sogenannten concentrirten Dünger in der That sehr
schwach sind und in dem für dreijährige Düngung verkauften Quantum nur 1–2
Kilogr. Stickstoff, 1/2, oder 2, oder 3, oder 5 Kilogr. phosphorsaure Salze
enthalten und außerdem ein wenig Natron-, Kali- oder Kalksalze, welche für viele Bodenarten
die schon Alkali- und Kalksalz in großer Menge enthalten, ganz werthlos
sind.
Die Rouener landwirthschaftliche Gesellschaft hat in Folge der von Prof. Girardin ausgeführten Analysen der
verschiedenen concentrirten Dünger (polytechn. Journal Bd. CXX S. 454) mit Recht ausgesprochen:
„Diese Dünger sind nichts als schnöder Betrug, die Prospectus der
Verkäufer eitel Lüge, und es ist jetzt, wo das Fieber
des Düngens in homöopathischen Dosen seine ganze Höhe erreicht hat, an der Zeit,
daß die Ackerbau-Gesellschaften Lärm schlagen.“
Auch die Central-Ackerbaugesellschaft warnte in ihrer Zeitschrift vor diesem
Betrug. Nichts aber vermochte dem Unwesen der Charlatanerie zu steuern, bis der
Centralcongreß der (französischen) Landwirthe zusammentrat und Beschlüsse faßte,
welche der Sache kräftig entgegentraten.
Es wurde an die Regierung das Gesuch gestellt, geeignete Maßregeln gegen diesen
Handel zu ergreifen, welche schon im Interesse der redlichen Düngerfabrication
dringend nothwendig seyen. Der betreffende Bericht wurde an alle
Ackerbaugesellschaften Frankreichs versandt. Bald verschlossen auch alle Tagblätter
den lügnerischen Anpreisungen ihre Spalten. Der Congreß sprach ferner den Wunsch
aus, daß die Düngerfabrikanten und die Verkäufer angehalten werden, die
Zusammensetzung ihrer Dünger anzugeben, und daß Maaßregeln ergriffen werden, um die
Richtigkeit dieser Angaben zu prüfen. Die Präfectur des untern
Loire-Departements hat auch durch Veranstaltung chemischer Analysen der
ausgebotenen Dünger dafür schon gesorgt.
Schließlich bemerke ich, daß der Nutzen und die Wichtigkeit der gehörig bereiteten
und in den Handel gelieferten Dünger in Frankreich und England täglich besser
eingesehen wird. Dieselben dienen nämlich, das was den gewöhnlichen Düngern in
Quantität und Qualität abgeht, zu ergänzen.
In England verbrauchen die Landwirthe bereits jährlich 100 Millionen Kilogr. Guano
und 15 Mill. Kilogr. Knochen, etwa 20 Mill. Kilogr. Thierkohle aus Zuckerraffinerien
und verschiedene andere Dünger, wie Wolle etc.
In Frankreich werden bereits jährlich 20 Millionen Kilogr. Thierkohle, 30 Millionen
Kilogr. Staubmist (Poudrette) und animalisirte Kohle, und 5–6 Millionen
Kilogr. Wollenlumpen, Scherwolle, Wollenpulver, getrocknetes Blut und Fleisch als
Dünger verkauft.