Titel: | Dampf-Vertheilungs-Schieber mit Gleichgewicht und mit directem Ausströmen, bei Locomotiven und stehenden Maschinen anwendbar; vom Eisenbahn-Ingenieur Hubert Desgrange. |
Fundstelle: | Band 125, Jahrgang 1852, Nr. XL., S. 161 |
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XL.
Dampf-Vertheilungs-Schieber mit
Gleichgewicht und mit directem Ausströmen, bei Locomotiven und stehenden Maschinen
anwendbar; vom Eisenbahn-Ingenieur Hubert Desgrange.
Aus Armengaud's Publication industrielle, Bd. VIII S.
18.
Mit Abbildungen auf Tab.
III.
Desgrange's Dampf-Vertheilungs-Schieber für
Locomotiven etc.
Die Dampfmaschinen im Allgemeinen und die Locomotiven insbesondere sind der
Gegenstand fortwährender Verbesserungen, sey es nun in der Construction oder in der
Combination des Apparates, um vortheilhaftere Resultate zu erlangen, oder um den
Brennmaterial-Verbrauch zu vermindern.
Eine solche neue Einrichtung ist der Dampfschieber, welchen der Ingenieur Desgrange bei den Locomotiven der
Eisenbahn von Amiens nach Boulogne angewendet hat, und der, wie wir überzeugt sind,
sich wegen der Vorzüge, die er vor dem alten System hat, bald sehr verbreiten
wird.
Diese neue Art Schieber, welche sich der Erfinder patentiren ließ, ermöglicht eine
bedeutende Brennmaterial-Ersparung, weil sie drei wesentliche Bedingungen
erfüllt.
Die erste besteht in der Abänderung, daß der Dampf, nachdem er seine Wirkung auf den
Kolben vollbracht hat, mittelst einer Oeffnung in dem Schieber selbst direct in die
Atmosphäre oder in die Esse entweicht, ohne genöthigt zu seyn durch eine
Ausgangsöffnung in dem Cylinder zwischen den beiden Eingangsöffnungen auszuströmen,
wie dieß bei den Locomotiven stets, sowie überhaupt bei den Dampfmaschinen der Fall
ist.
Da nun der Dampf auf diese Weise unmittelbar aus dem Cylinder durch die Schieber
entweicht, so erfolgt sein Ausströmen aus der Locomotivenröhre mit mehr Kraft, so
daß man dieser Röhre einen größeren Durchschnitt geben kann, wodurch eine
Verminderung des Gegendrucks von dem Dampf hinter dem Kolben und eine Vergrößerung
der Kraft der Maschine erzielt wird.
Die zweite Bedingung ist die neue Einrichtung des Dampfcylinders, welcher, statt mit
drei, nur mit zwei Oeffnungen versehen ist, indem sich die Oeffnung durch welche der
Dampf ausströmt, in dem Schieber befindet. Daraus folgt eine Vereinfachung des
Gusses und der weiteren Zurichtung des Cylinders. Die beiden Einströmungsöffnungen
können alsdann einander etwa um die Hälfte des jetzigen Raumes genähert werden;
daraus folgt eine gleichgroße Verminderung der Breite des Schiebers, und daher eine
Verminderung der Reibungsoberfläche, oder eine Vermehrung der Kraft.
Die dritte Bedingung ist die Möglichkeit, einen bedeutenden Theil der Reibung zu
entfernen, welche der Schieber auf den Sitz des Cylinders ausübt. Wenn man nämlich
der metallenen Liederung, welche den in die Büchse einströmenden Dampf nach der
Ausströmungsöffnung zu gehen verhindert, eine etwas geringere Oberfläche gibt als
diejenige des Schiebers ist, so ist der auf den Schieber ausgeübte Druck nur die
Differenz zwischen den beiden entgegengesetzten Oberflächen. Auch dadurch wird die
zur Bewegung des Schiebers erforderliche Kraft vermindert, und diejenige der
Maschine wird vergrößert, was sehr wesentlich ist, weil bei gewissen Locomotiven die
zur Bewegung der Schieber verbrauchte Kraft 9 bis 10 Pferdekräften entspricht.
Fig. 10
stellt einen senkrechten Durchschnitt dieser neuen Schiebereinrichtung vor, wie sie
von Hrn. Desgrange bei einer
Locomotive mit äußern Cylindern, welche von den HHrn. Buddicom und Comp. zu
Rouen erbaut wurde, angebracht ist. Da der Erfinder bei einem ersten Versuch die
Kosten eines neuen Cylinders scheute, so bediente er sich der vorhandenen, wie der
in Fig. 11
dargestellte, indem er die Ausströmungsöffnung a mit
einer sehr genau eingelassenen Platte verschloß, dagegen die beiden
Einströmungsöffnungen b und c beibehielt. Nur die Vertheilungsbüchse B und
ihren gewöhnlichen Schieber C mußte er auswechseln,
indem er die Büchse B' und den durchbrochenen Schieber
C' (Fig. 10) dafür
anwendete.
Die Construction dieses neuen Schiebers und der Büchse worin er spielt, ist besser
aus den Figuren
12 und 13 zu erkennen, welche dieselben im Längen- und im Querdurchschnitt nach einem
größeren Maaßstabe darstellen.
Man ersieht aus diesen Figuren, daß dieser Schieber wesentlich von dem des bekannten
Systems abweicht, einestheils weil er in seiner Mitte gänzlich offen ist, um den
Dampf, der bereits auf den Kolben gewirkt hat, direct aus dem Cylinder in das
Blaserohr F zu führen, und anderseits, weil über
demselben eine Art von kreisrundem Kolben D befindlich
ist, dessen Basis fortwährend gegen die ebene und gehörig abgerichtete Oberfläche
des gußeisernen Deckels E reibt, welcher die
Verheilungsbüchse verschließt. Diese Oberfläche ist derjenigen des Cylindersitzes
genau parallel.
Auf dem Boden der kreisrunden Kehle, welche an der Peripherie des Kolbens angebracht
ist, befinden sich Federn von Stahl oder von vulcanisirtem Kautschuk, welche den
gußeisernen, auf diesem Kolben angebrachten Ring nöthigen während des Betriebes der
Maschine stets gegen die Deckeloberfläche zu drücken. Ein dünner metallener, gehörig
ausgeglühter Kranz d (Fig. 14) drückt gegen die
äußere Oberfläche der Kehle oder der kreisrunden Nuth, um jede Verbindung und
folglich auch jeden Dampfverlust zu verhindern.
Durch diese Einrichtung erhält die Oberfläche des Kolbens, welche mit dem Deckel in
Berührung steht und folglich den durch die Oeffnung O in
die Vertheilungsbüchse strömenden Dampf aufnimmt, einen Druck von unten nach oben,
in entgegengesetzter Richtung von demjenigen, welcher auf den Bügel des Schiebers
und folglich auf den Cylindersitz ausgeübt wird. Trifft man die Einrichtung, daß die
Oberfläche des Bügels etwas größer als die entgegengesetzte ist, so wird der
Schieber stets genöthigt werden sich auf den Sitz zu legen, so daß kein Dampf
entweicht, obgleich die Reibung sehr gering ist.
Es bedarf kaum der Bemerkung, daß man bei einer neuen Maschine die Cylinder ohne die
Oeffnung a in der Mitte gießen und die Oeffnungen b und c (Fig. 11) einander nähern
kann. Dadurch wird es möglich, die Breite des Schiebers wesentlich zu vermindern,
und folglich auch die reibenden Oberflächen und die Länge der
Vertheilungsbüchse.
Versuche mit diesen ins Gleichgewicht gesetzten Schiebern mit
directem Ausströmen des Dampfes, angestellt im Juni 1851. – Der
Erfinder hat die Resultate der Versuche mitgetheilt, welche mit zwei Locomotiven nach
dem System von Buddicom angestellt wurden, an denen
dieser Schieber angebracht worden war, bei denen man aber die alten Cylinder
beibehalten hatte.
Station zu Amiens. – Kohksverbrauch.
Der mittlere Verbrauch der gewöhnlichen
Maschinen der Station Amiens warDer
mittlere Verbrauch der Maschine Nr. 5 mit
Gleich- gewichts-Schiebern
und directem Ausströmen
5,647 Kil.5,373
„
mit einer
Belastung v. 8 Wagen.
––––––––
Ersparung
0,274 per Kilometer.
D.h. 5 Procent.
Station zu Boulogne. – Kohksverbrauch.
Mittlerer Verbrauch der gewöhnlichen
MaschinenMittlerer Verbrauch der Maschine Nr. 25 mit
Gleich- gewichts-Schiebern
und directer Ausströmung
6,701 Kil.6,160
„
mit einer Belastung von 11 Wagen.
––––––––
Ersparung
0,541 per Kilometer.
D.h. 8,07 Procent.
Wir bemerken noch, daß die Ersparung um so größer seyn wird, je größer der Dampfdruck
ist mit welchem die Maschine arbeitet. Dieser Umstand erklärt, warum bei einem Zuge
mit 11 Wagen im zweiten Fall die Ersparung größer war, als im ersten Fall mit einer
Belastung von 8 Wagen. Diese Bemerkung erscheint uns sehr wichtig, denn man sucht
den Dampfdruck in den Locomotiven immer mehr zu steigern, um eine bedeutendere
Expansion zu ermöglichen.