Titel: | Chemischer Bericht über die Ursache des Brandes im Schiff „Amazone“; den Lords des Geheimenraths-Comité's für Handel erstattet von Professor Thos. Graham. |
Fundstelle: | Band 125, Jahrgang 1852, Nr. LXXXIII., S. 370 |
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LXXXIII.
Chemischer Bericht über die Ursache des Brandes
im Schiff „Amazone“; den Lords des
Geheimenraths-Comité's für Handel erstattet von Professor Thos. Graham.
Aus dem Quarterly Journal of the Chemical Society, Nr. 17
S. 34.
Graham, über die Ursache des Brandes auf dem Dampfschiff
„Amazone“.
Die Gewohnheit der Schiffsingenieure, ihre Vorräthe von Oel, Talg, Schmierseife,
Terpenthinöl, Baumwolle-Abfällen und Werg mit einander in den an den
Dampfkessel stoßenden, der Wärme ausgesetzten Lagerräumen unterzubringen, ist aus
mehreren Gründen als ziemlich gefährlich zu betrachten. Obwohl das Oel, namentlich
in eisernen Behältern aufbewahrt, in großer Masse sich nicht leicht entzündet, wird es doch, auf Holz
verschüttet, oder von Werg und Baum, Wollabfällen eingesogen, welche der Luft eine
große Oberfläche darbieten, oft oxydirt und erhitzt sich dann von selbst, wodurch es
eine der häufigsten Ursachen zufälliger Feuersbrünste wird. Die trocknenden
Pflanzenöle, welche die Maler anwenden, sind sehr zur Selbstentzündung geneigt; kein
thierisches oder pflanzliches Oel oder Fett scheint von dieser Gefahr ganz frei zu
seyn; ich könnte Beispiele anführen, daß Baumöl sich auf Sägespänen entzündete; daß
von Butter schmierige Lumpen, zusammengehäuft, innerhalb 24 Stunden in Feuer
ausbrachen; von Selbstverbrennung mit Oelfirniß überzogener Meßbänder, die
zusammengehäuft waren, und sogar von einem wachstaffeten Regenschirm, welcher in
nassem Zustande bei Seite gestellt worden war. Die Entzündung solcher Stoffe wird,
wie schon oft beobachtet wurde, durch eine schwache Wärme, z.B. die Sonnenwärme sehr
begünstigt. Auch wurde mir von Hrn. Braidwood mitgetheilt, daß der größte Theil von Bränden auf
Eisenbahnstationen im Lampenmagazin ausbrach, und in den Wagenfabriken das Feuer,
wenn der Ursprung desselben überhaupt verfolgt werden konnte, gewöhnlich im Local
der Anstreicher ausbrach, wo es durch Selbstentzündung öliger Stoffe entstanden war.
Lampenruß und gepulverte Holzkohle sind noch entzündlicher, wenn sie mit der
geringsten Menge Oel in Berührung kommen, und sollten als Schiffsvorräthe gar nicht
zugelassen werden.
Das Aufbewahren von metallenen Kannen oder Steinzeugkrügen mit Oel oder Terpenthinöl
an einem warmen Platze, ist ebenfalls mit Gefahr verbunden, weil in Folge der großen Ausdehnung des flüssigen Oels durch die Wärme die
Stöpsel aus den Gefäßen herausgetrieben werden oder die Gefäße wirklich bersten
können. Bemerkenswerth ist, daß die vor einigen Jahren stattgehabte Verbrennung
eines großen Dampfschiffes auf den amerikanischen Binnenseen, welche noch größeres
Unglück verursachte als der Verlust der „Amazone,“ durch das
Zerspringen eines auf dem Verdeck zu nahe an den Schlot gestellten Terpenthinölkrugs
veranlaßt wurde, welchen eine auf dem Schiffe befindliche Gesellschaft von
Malergehülfen dorthin gestellt hatte. Dieser Dampfer machte ebenfalls seine erste
Reise, und da er frisch gefirnißt war, so verbreiteten sich die Flammen in wenigen
Minuten über die ganze Länge des Schiffs.
Die Verschläge der Kohlenräume gewähren eine bedeutende Sicherheit gegen das Feuer,
wenn sie, in der Nähe des Dampfkessels, mit doppelten Wänden und einer Luftschicht
zwischen denselben construirt werden. Die Neigung der Steinkohlen zur Selbstentzündung
wird durch eine mäßige Wärme, wie die des Maschinenraums, gesteigert; durch den
doppelten Verschlag würde diese Wärme jedoch von ihnen abgehalten.
Es sind mir Beispiele bekannt, wo Steinkohlen in einer Fabrik bei zwei verschiedenen
Gelegenheiten dadurch in Brand geriethen, daß sie eine Zeit lang an einer erhitzten
Wand aufgehäuft lagen, deren Temperatur jedoch die Hand noch ertragen konnte; ferner
daß sich Steinkohlen nach einigen Tagen auf steinernen Fließen entzündeten, die
einen Rauchcanal bedeckten, dessen Temperatur nie über 150° Fahrenh. (52
1/2° R.) stieg; sowie daß Steinkohlen anfingen in Brand zu gerathen, als man
sie in Masse über eine Dampfröhre schüttete. Es waren dieß zwar Lancashire Kohlen,
welche viel Schwefel enthalten; allein derselbe Fall kam auch mit Wallsend Kohlen im
Gebäude der Ost-Compagnie zu London vor, indem sich diese Kohlen zweimal
durch eine zwei Fuß dicke Backsteinmauer hindurch entzündeten, deren Temperatur von
Hrn. Croll nicht über 120 bis
140° F. (39 bis 48° R.) geschätzt wurde.
Die Oberfläche des Tannenholzes in dem an den Kesselraum stoßenden Verschlag würde
wahrscheinlich durch Tränken des Holzes mit einer Salzlösung welche die
Verbrennlichkeit vermindert, wie z.B. die Burnett'sche
ZinklösungDas Tränken des Holzes mit Wasserglas wäre
offenbar zweckmäßiger. A. d. Red., besser gegen Feuer geschützt werden, als durch Beschlagen des Holzes auf
der dem Kessel zugewendeten Seite mit Eisenblech. In der That scheint dieser
Blechüberzug eine neue Gefahr zu veranlassen; da nämlich das Eisen ein guter
Wärmeleiter ist, so wird das unter ihm befindliche Holz fast ebenso stark erhitzt
wie das bloße Holz, und in Berührung mit Eisen befindliches Holz wird durch öftere
Erhitzung auf einen außerordentlichen Grad von Verbrennlichkeit gebracht und der
Selbstentzündung besonders fähig.
Hr. Braidwood, der auf diesen
Schluß geleitet wurde, theilte mir ein Beispiel mit, daß mit Eisenblech überzogenes
Holz sich in einer Wattefabrik von selbst entzündete. Die zahlreichen Fälle, wo Holz
und Papier sich durch die Perkins'schen Heißwasserröhren
entzündeten, beweisen ebenfalls wie gefährlich es ist, mäßig erhitztes Eisen längere
Zeit mit brennbaren Stoffen in Berührung zu lassen.
Das natürlichste Mittel, um die Selbstentzündung in Schiffsverschlägen (bunkers) gelagerter Steinkohlen zu verhüten, besteht
darin, die Kohlen in möglichst trocknem Zustande an Bord zu nehmen und sie, sobald
sich ein Symptom der Erhitzung an ihnen zeigt, umzuwenden, wenn dieß der Raum
gestattet; dem Ausbruch des Feuers soll immer ein übelriechender Dunst voraus gehen,
wodurch man also vor der Gefahr gewarnt wird.
Die Entzündung in Massen aufgehäufter Newcastle-Steinkohlen kommt in den
Londoner Gasanstalten nicht selten vor; sie beginnt immer auf einem einzelnen Fleck
und man begegnet ihr, indem man die erhitzten Steinkohlen aus dem Haufen entfernt.
Man steckt lange eiserne Stangen aufrecht in den Kohlenhaufen, die man herausziehen
kann, worauf sie durch ihre Wärme die Stelle des Feuers genau anzeigen. Wasserdampf
kann zum Löschen des Feuers in einer Steinkohlenmasse nur von geringem Nutzen seyn,
und Wasser ist, obwohl es das Feuer für den Augenblick löschen mag, zu geeignet eine
Wiederholung des Uebels zu veranlassen.
Zum Löschen eines in abgesonderten Räumen oder Cabinen in unmittelbarer Nähe des
Kessel- und Maschinenraumes ausbrechenden Feuers mag der Wasserdampf
vortheilhafter anzuwenden seyn; die Vorrichtungen um den Dampf dahin zu richten,
können vom obern Verdeck oder einem andern sichern Platze her angebracht werden. Der
Wasserdampf ist nur als wirksames Löschmittel gegen die Flamme oder das Auflodern
leichter Körper zu betrachten; sobald das Feuer aber sein erstes Stadium
überschritten hat, kann man sich nicht mehr auf ihn verlassen. Auf eine Masse
rothglühender Kohksstückchen ist das Löschvermögen des Dampfes unmerklich.
Um zum Löschen eines Feuers im Maschinenraum den Dampf mit Erfolg anzuwenden, wäre
eine Hauptbedingung, zu gleicher Zeit den raschen Zutritt und die Circulation der
Luft zu verhindern, welche durch den Zug des Feuers hervorgebracht werden. Dieß
könnte vollständig nur durch Verschließung der Kamine mittelst Klappen
bewerkstelligt werden; denn die aus den Kaminen abziehende erhitzte Luft beträgt dem
Volum nach weit mehr als der in derselben Zeit in den Kesseln erzeugte Dampf, sie
würde daher den in die Atmosphäre des Maschinenraums geleiteten Wasserdampf schnell
wegführen, so daß es unmöglich wäre aus demselben einen Vortheil zu ziehen.
Das Feuer der „Amazone“ brach nach der Meinung der Zeugen
entweder in dem über dem Dampfkessel befindlichen kleinen Oel-Vorrathsraum
oder in einem engen,
3–11 Zoll breiten Raum zwischen einem Verschlag und der Kesselseite
unmittelbar unter jener Oelkammer aus. Keine der Selbstentzündung besonders fähige
Substanz, wie z.B. ölige Baumwollabfälle, war in der Oelkammer oder in dem erwähnten
Raum bemerkt worden. Das Holz des Verschlages selbst, welches sich einige Zoll vom
Kessel entfernt befand, kann wegen seiner Nähe an letzterm stark ausgetrocknet und
merklich erhitzt gewesen seyn, hatte aber wohl schwerlich eine Neigung zur
Selbstentzündung erlangt; denn wenn das Holz in Folge schwacher Erhitzung
selbstentzündlich wird, so ist dieß eine Wirkung der Zeit, und es sind dazu Wochen
oder Monate erforderlich. Dieselbe Bemerkung gilt für die mit dem Dampfkasten an der
Basis des Schlots in Berührung befindlichen Verdecke.
Es ist auch nicht wahrscheinlich, daß die Steinkohlen in der Kohlenkammer des Schiffs
den Brand veranlaßten, in Folge Selbsterhitzung und Durchbrennens des hölzernen
Oelkammer-Verschlags, mit welchem sie in Berührung waren.
Die Steinkohlen waren Walliser und stehen nicht in dem Ruf, diese Eigenschaft zu
besitzen. Auch sollen dieselben einen oder zwei Monate vorher in trocknem, staubigem
Zustand eingeschifft worden seyn.
Ihrer Entzündung wäre auch der vorhin erwähnte, starke Geruch vorausgegangen, welcher
aber nicht bemerkt worden zu seyn scheint, obgleich die Kohlenkammer mit dem
Kesselraum in directer Verbindung stand.
Wohl sah man von dem Boden der Oelkammer Oel auf den Dampfkessel herabtropfen, allein
nicht in größerer Menge als beim Abziehen des Oels aus seinem Behälter zum Gebrauch
für die Maschinisten zufällig verschüttet worden seyn konnte.
Eine Partie von 25 frischgetheerten Kohlensäcken, welche auf den Dampfkessel geworfen
worden waren, hatten, wie man vermuthet, auch etwas von diesem Oel aufgenommen.
Dieses Oel veranlaßte höchst wahrscheinlich die Selbstentzündung, welche an der
Stelle beobachtet wurde, wo der Brand begann.
Der plötzliche und kräftige Ausbruch der Flamme aus der Vorrathskammer, welcher
gleich am Anfang des Brandes stattfand, weist auf die Mitwirkung eines flüchtigen Körpers, z.B. Terpenthinöl hin, obgleich nicht
mit Gewißheit hergestellt ist, daß sich eine Blechflasche mit solchem in der
Vorrathskammer befand; zwei Zeugen behaupteten es, ein dritter aber verneinte es.
Ich fand durch Versuche, daß der Dampf von Terpenthinöl bei einer Temperatur etwas unter 110° F.
(35° R.) dicht genug ist, um die Luft bei Annäherung eines Lichts explosiv zu
machen. Ein Entweichen von Terpenthinöl aus der erhitzten Vorrathskammer müßte aber
die Ausbreitung der Flamme zur Folge gehabt haben, indem der Oeldampf mit den zur
gleichen Zeit im Kesselraum brennenden Lampen, oder selbst mit dem Feuer der Oefen
in Berührung kam.
Das Feuer scheint nicht in den auf dem Kessel liegenden, getheerten Säcken angefangen
zu haben; doch müssen sie ihrer Lage nach, unmittelbar an der Vorrathskammer, sehr
bald in den Brand gezogen worden seyn und zu dessen Intensität wesentlich
beigetragen haben. Die Sacke scheinen jeder mit beiläufig zwei Pfd. Theer überzogen
gewesen zu seyn, wornach sie zusammen fünfzig Pfd. dieser Substanz in dem für rasche
Verbrennung allergünstigsten Zustand enthielten. (Da der Theer frisch und stark
erhitzt war, so mußte er sich durch die kleinsten Funken entzünden, obgleich er zur
Selbstentzündung nicht geneigt ist.) Eine Gruppe frisch betheerter Hütten in
Deptford brannte nieder, weil sie der Blitz in Brand steckte, während die Sonne auf
sie schien und der Theer durch die Hitze flüssig geworden war.
Ueber die Entstehung des Feuers auf der „Amazone“, können nach
meiner Ansicht nur Vermuthungen aufgestellt werden; aber die außerordentliche
Intensität des Feuers und die furchtbar schnelle Verbreitung des Brandes sind
Umstände von kaum geringerem Interesse, die sich allerdings erklären lassen.
Das Holz der VerschlägeVerschäge und Verdecke in der Nähe des Maschinenraums war nach dem Berichte Danziger
Fichtenholz oder Rigaer Fichte, und als solches erwies sich auch ein Stück Holz der
„Amazone“ welches ich zur chemischen Untersuchung
erhielt.
Das Danziger Fichtenholz ist nämlich minder verbrennlich als das Holz der Pechkiefer,
aber poröser und schwammiger. Der Oelanstrich wird von so porösem Holz schneller
absorbirt und trocknet folglich schneller als auf Eichenholz und andern dichten
Hölzern. Wenn der Anstrich einmal gut getrocknet ist, erlangen Fichten- und
andere Hölzer sicherlich durch denselben einigen Schutz gegen schwache und
vorübergehende Flammen, welche das nackte Holz anzünden könnten. Eine ganz
umgekehrte wird aber die Wirkung des Anstrichs – namentlich des frischen
Anstrichs – wenn das Holz einem starken, obgleich nur vorübergehenden
Ausbruch der Flamme ausgesetzt ist. Der Anstrich schmilzt dann und gibt einen
öligen Dampf von sich, welcher die Flamme nährt und sie bald an das Holz fixirt. Es
ist daher kein Zweifel, daß das Bauholz der „Amazone“ sich in
einem entzündlichem Zustand befand, als gewöhnlich das Schiffbauholz, weil es frisch
angestrichen war und wahrscheinlich auch weil es neu und verhältnißmäßig trocken
war.
Der Umstand aber, welcher mehr als alle andern das Feuer der
„Amazone“ charakterisirte, war, daß es nicht in einem
verschlossenen Verschlag oder einer Kajüte stattfand, sondern in einem Theil des
Schiffs, wo durch die Wirkung der Kesselfeuer und der Kamine eine starke
Luftcirculation unterhalten wird.
Die Luft des Maschinenraums muß sich unter diesem Einfluß schon nach einigen Minuten
stets wieder erneuern, und sollte sie voll Flammen seyn, welche sich durch die
Lucken auf das Verdeck hinauf ziehen; denn ein Theil dieser Flammen würde immer
durch die Kamine entweichen und folglich deren Ansaugungskraft (für die Luft) noch
verstärken, statt sie zu vermindern. Die Verbrennung von Verschlagen oder Verdecken,
unter diesen Umständen begonnen, würde daher erst recht angefacht und mächtig
unterstützt.
Die Zerstörung des Fußbodens der Oelkammer und das dadurch veranlaßte Herunterstürzen
der Oelgefäße und brennbaren Materien in die Treppenkammer des Kesselraums war
wahrscheinlich die Krisis des Feuers. Es mußte dadurch schnell eine Masse brennbaren
Dampfs erzeugt werden, der sich nach allen Seiten hin verbreitete und dessen
zündende Kraft auf das frische und angestrichene Holz der Verschläge und Verdecke
ganz unwiderstehlich war.
Das Verbrennen der „Amazone“ zeigt uns recht auffallend, wie
unbezwingbar ein Feuer ist, welches in dem Maschinen- oder Kesselraum
entsteht, wo die Verbrennung durch eine stetige und kräftige Luftcirculation belebt
wird, und wie gefährlich es ist, an einer solchen Stelle brennbare Materien
anzuhäufen. Die Verlegung des Oelvorraths an einen sicherern Ort ist
glücklicherweise in der Regel möglich, und sie ist die zweckmäßigste Maßregel um die
Wiederholung einer solchen Katastrophe zu verhüten.